Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des FM in A, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, Ferihumerstraße 31, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 9. Jänner 1997, Zl. VwSen-103900/16/Ki/Bk, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (kurz: BH) vom 1. Juli 1996 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 27. März 1995 "gegen 20.05 Uhr" aus Richtung Linz kommend in Fahrtrichtung Enns auf der Westautobahn einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW gelenkt und sich u.a. - im Zusammenhang mit einem damals erfolgten Verkehrsunfall mit Sachschaden - (Spruchpunkt 5) in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Der Beschwerdeführer habe dadurch (zu Spruchpunkt 5) eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 18.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt wurde.
Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes (Faktums) 5 als unbegründet ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass als Tatzeit "ca. 19.10 Uhr " festgestellt werde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ausgeführt, durch die Konkretisierung der Tatzeit werde der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht geschmälert, und es sei bei einer Gesamtbetrachtung des Geschehens vom Zeitpunkt des Lenkens bis zur Vornahme des Alkotests auch eine Doppelbestrafung auszuschließen, weshalb diese Konkretisierung auch im Berufungsverfahren außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, die erstinstanzliche Behörde habe im Ladungsbescheid vom 24. Juli 1995 eine Tatzeit von "20.05 Uhr" genannt. Diese angenommene Tatzeit sei vom Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens bemängelt worden, wobei sich die Berufungsbehörde in Ansehung dieser Bemängelung veranlasst gesehen habe, die Tatzeit mit "ca. 19.10 Uhr" anzunehmen. Damit sei aber die dem Beschwerdeführer als Beschuldigten zur Last gelegte Tat im Hinblick auf die Tatzeit mit 20.05 Uhr ausdrücklich (in Ansehung der Tatzeit) konkretisiert. Lediglich insoweit habe eine entsprechende Verfolgungshandlung, welche ja wegen eines bestimmten Sachverhalts zu erfolgen habe, stattgefunden. Auch im erstinstanzlichen Bescheid werde die Tatzeit abermals mit 20.05 Uhr (ganz konkret) angegeben. Die belangte Behörde nehme nun allerdings eine andere Tatzeit, nämlich
19.10 Uhr, an. Die nunmehrige Bestrafung durch die belangte Behörde beziehe sich daher auf einen anderen Sachverhalt, wobei festzuhalten sei, dass es sich hiebei nicht mehr nur um eine bloß unbeachtliche und äußerst geringfügige Abweichung handle. Ferner wendet der Beschwerdeführer ein, dass infolge der abgeänderten Festsetzung des Tatzeitpunktes auch Verfolgungsverjährung eingetreten sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Rechtsvorschrift des § 44a Z. 1 VStG dann entsprochen, wenn
a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z. 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes, sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. Nr. 11.894/A).
Der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 66 Abs. 4 AVG berechtigt die Berufungsbehörde zwar nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat, wohl aber dazu, die Straftat auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahmen der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben; vor allem aber ist die Berufungsbehörde, wenn der Ausspruch der Behörde erster Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtig zu stellen, weil sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0423, m. w.N.).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. März 1997, Zl. 97/02/0071, und vom 20. Mai 1998, Zl. 96/03/0227, m.w.N.) ausführt, haben Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Zeit und Ort in der Verfolgungshandlung dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit eines Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird.
Im Zusammenhang mit Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die exakte Angabe der jeweiligen Minute des Tatzeitpunktes nicht erforderlich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 95/03/0143, m. w.N.).
Da sowohl die von der Behörde erster Instanz hinsichtlich der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO gesetzten Verfolgungshandlungen als auch die diesbezügliche Bestrafung mit Straferkenntnis vom 1. Juli 1996 immer in klarem Zusammenhang mit dem zum Tatzeitpunkt erfolgten Unfall mit Sachschaden gebracht wurden, war die sehr ungenaue Bezeichnung der Tatzeitpunktes im erstinstanzlichen Verfahren mit "gegen 20.05 Uhr" unschädlich, zumal es sich um ein einheitliches Geschehen in einer bestimmten zeitlichen Abfolge handelte und auch für den Beschwerdeführer hinreichend klar erkennbar war, welche Tat ihm von der Behörde in diesem Zusammenhang angelastet wurde. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer dadurch in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt wurde oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt war. Den diesbezüglichen Rügen kommt daher keine Berechtigung zu. Damit lag auch die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer gerügte Unzuständigkeit der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht vor.
Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, es sei entgegen einem entsprechenden Antrag in der Berufung von der belangten Behörde die Beischaffung eines näher genannten Aktes der BH (betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers) mit dem Hinweis auf eine abschließende Beurteilungsmöglichkeit des tatrelevanten Sachverhalts unterblieben. Der Behörde sei damit ein Verstoß gegen das Verbot der vorgreifenden Beweiswürdigung unterlaufen. Es hätten sich aus diesem Akt sehr wohl neue Aspekte ergeben können, die durchaus zu einer anderweitigen Beurteilung des Falles führen hätten können.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer nicht die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf. Auch sein diesbezüglicher Antrag in der Berufung hatte sich ausschließlich auf die Beischaffung dieses Aktes bezogen, ohne jedoch in der Berufungschrift oder aber in der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung näher darzulegen, welche für das vorliegende Verfahren wesentlichen Aspekte sich daraus ergeben sollten.
Vom Beschwerdeführer wird insbesondere auch die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Feststellung, er selbst und nicht K. P. habe das Kraftfahrzeug im Unfallzeitpunkt gelenkt, bekämpft. Die von der belangten Behörde diesbezüglich vorgenommene Beweiswürdigung begegnet jedoch im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang durchzuführenden Prüfung (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) schon deshalb keinen Bedenken, weil die belangte Behörde insbesondere in Bezug auf die Aussage jenes Zeugen, der behauptete, der tatsächliche Lenker des Kraftfahrzeuges zum Tatzeitpunkt gewesen zu sein, in schlüssiger Weise darstellte, dass sich dieser in nicht unerhebliche Widersprüche bezüglich der Schilderung des genauen Tatherganges des Unfalls - insbesondere im Zuge seiner Vernehmung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde - verstrickte. Wesentlicher Aspekt der Beweiswürdigung war aber, dass weder der Beschwerdeführer noch die Entlastungszeugen im Zuge der ersten Befragung am Tattag in der Wohnung der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers die einschreitenden Gendarmeriebeamten umgehend im Rahmen der dort durchgeführten Amtshandlung darüber aufklärten, dass nicht der Beschwerdeführer selbst, sondern K. P. gefahren sei, und dass der Beschwerdeführer - nach der in schlüssiger Beweiswürdigung als glaubwürdig qualifizierten Aussage der als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten - in weiterer Folge gleichfalls am Tattag diesen Gendarmeriebeamten erklärt habe, dass er es nach Hin- und Herfahren bzw. mehrmaligem Probieren geschafft habe, das Fahrzeug (vom Unfallort) wegzubringen.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung darauf verwiesen, dass bei der ersten Befragung in der Regel am ehesten richtige Angaben gemacht werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1996, Zl. 95/02/0289). Es erübrigt sich daher, auf jene Beschwerdeargumente näher einzugehen, die in Bezug auf die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung lediglich Nebenaspekte für die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers und der Entlastungszeugen betreffen.
Weshalb die belangte Behörde noch ergänzende Ermittlungen zur Frage anzustellen gehabt hätte, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer sowie die Entlastungszeugen nicht umgehend die Behörde darüber aufklärten, dass nicht der Beschwerdeführer sondern ein Dritter (K. P.) zum Tatzeitpunkt gefahren sei, vermag der Beschwerdeführer nicht einsichtig darzulegen.
Insoweit der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem relativ geringen Blasvolumen an Atemluft anlässlich der Alkomatmessung rügt, eine Bestrafung hätte schon deshalb nicht stattfinden dürfen, weil die tatsächlich vorgenommene Messung, wie aus dem Messprotokoll hervorgehe, "nicht vorschriftsgemäß" durchgeführt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass - wie den Verwaltungsakten und insbesondere den beiliegenden Messprotokollen zu entnehmen ist - nach zwei Fehlversuchen zwei gültige Alkomatmessungen mit einem für die Messung ausreichenden Blasvolumen, die 0,67 bzw. 0,72 mg/l Atemalkoholgehalt ergaben, vorgenommen wurden.
Schließlich kommt auch der Verfahrensrüge betreffend die unterlassene Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Rückrechnung des (im Hinblick auf den behaupteten Nachtrunk für den Tatzeitpunkt zu berechnenden) Atemalkoholgehalts keine Relevanz zu, weil nach der hg. Judikatur derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, darauf bei erster sich bietender Gelegenheit hinweisen muss, und auch die Menge des solcherart konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/02/0579). Weder aus der mit 28. März 1995 datierten Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich, Verkehrsabteilung, noch aus der am 16. August 1995 vor der BH mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift oder aus der ersten vom Beschwerdeführer abgegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 1. September 1995 ist zu ersehen, dass sich der Beschwerdeführer auf einen Nachtrunk, der noch dazu zu konkretisieren gewesen wäre, berufen hätte.
Wie die belangte Behörde in diesem Zusammenhang aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens feststellte, habe der Beschwerdeführer anlässlich der Aufforderung zum Alkotest keine "exakte Nachtrunkbehauptung" gemacht; er habe auf Befragen lediglich geantwortet, dass er "am Abend" des Vorfallstages drei Seidel Bier getrunken habe. Wenn daher die belangte Behörde die erst zu einem späteren Zeitpunkt konkretisierte Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers für nicht glaubwürdig hielt, so bestehen gegen diese Beweiswürdigung seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken. Es erübrigte sich daher für die belangte Behörde, ein in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer gefordertes ergänzendes medizinisches Gutachten einzuholen, zumal dieses ausschließlich auf den von der Behörde als unglaubwürdig beurteilten Nachtrunkbehauptungen basieren müsste, sodass auch der diesbezüglichen Verfahrensrüge die Relevanz fehlte.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Mai 1999
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe Tatbild Verhältnis zu anderen Normen und Materien VStGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997020087.X00Im RIS seit
12.06.2001