TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/3 W217 2117936-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2018
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Entscheidungsdatum

03.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W217 2117936-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Afghanistan, geb. XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.09.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Herr XXXX (in der Folge BF), StA. Afghanistan, stellte am 18.08.2014 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

1.1. Bei der Erstbefragung vor Organen der Landespolizeidirektion Tirol, PI Kufstein, am selben Tag führte der BF aus, er sei am XXXX in XXXX in Afghanistan geboren, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und habe die Grundschule von 2005 bis 2011 in XXXX besucht. Sein Vater sei bereits verstorben. Er habe im Juni 2014 seinen Herkunftsstaat verlassen. Vor ca. drei Jahren habe er Afghanistan verlassen, weil er mit einem Nachbarsmädchen sexuellen Kontakt gehabt habe. Als deren Familie davon erfahren habe, hätten ihr Bruder und ihr Vater sie umgebracht. In der Folge sei er von dieser Familie jedoch für den Tod des Mädchens verantwortlich gemacht worden. Die Familie habe behauptet, der BF habe das Mädchen umgebracht, was aber nicht stimme. Auch gegenüber der Polizei habe die Familie dies behauptet.

1.2. Nach Zulassung seines Verfahrens wurde der BF am 14.04.2015 im Beisein eines Dolmetschers und seines gesetzlichen Vertreters von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) einvernommen. Er führte aus, er stamme aus dem Dorf XXXX , Region XXXX , Bezirk Farkhad, Provinz Takhar. Dort habe er immer gelebt. Er habe sein Heimatdorf zweieinhalb Monate vor seiner Einreise nach Österreich verlassen. Dort habe er mit seiner Mutter und seinem Bruder gewohnt. Weiters hätten im Heimatdorf zwei Onkel väterlicherseits und eine Tante väterlicherseits sowie fünf Tanten mütterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits gelebt. Das Dorf bestehe aus etwa 500 Einwohnern. Sein Vater sei verstorben, als der BF vier Jahre alt gewesen sei. Er stehe mit seiner Mutter in telefonischen Kontakt, aber eher selten. Zuletzt habe er vor einem Monat mit ihr telefoniert. Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, er habe seine Nachbarin geliebt und habe diese heiraten wollen. Deshalb habe er seine Mutter zweimal zu deren Familie geschickt. Die Familie des Nachbarsmädchens habe jedoch die Heirat abgelehnt, weil der BF Sunnite sei und diese Schiiten seien. Immer wieder habe er sich mit dem Mädchen getroffen. Sie seien zusammen in die Schule gegangen und hätten auch über die Hausmauer miteinander gesprochen. Eines Tages, als ihre Eltern nicht zuhause gewesen seien, habe sie ihn aufgefordert, zu ihr zu kommen. Er sei zu ihr gegangen und sie hätten Geschlechtsverkehr gehabt. Nachdem er nach Hause gekommen sei, habe ihn seine Mutter gefragt, warum er so blass im Gesicht sei, woraufhin er geantwortet habe, dass er mit dem Nachbarsmädchen geschlafen habe. Auch das Mädchen habe ihrer Mutter vom Geschlechtsverkehr erzählt. Diese habe es auch ihrem Vater und ihrem Bruder weitererzählt. Daraufhin sei das Mädchen von ihrer Familie getötet worden. Von Dorfleuten habe der BF erfahren, dass er das Mädchen getötet hätte und Anzeige gegen ihn erstattet worden sei. Er habe seiner Mutter erzählt, dass er mit dem Mädchen geschlafen habe, damit er das Nachbarsmädchen vielleicht einmal später heiraten könnte. Das Mädchen, deren Eltern und ihr Bruder seien die einzigen Schiiten im Dorf gewesen. Am selben Tag noch habe seine Mutter ihn zu seinem Onkel väterlicherseits namens XXXX gebracht, welcher den BF noch am gleichen Tag mit seinem Auto nach Nimroz geführt habe. Ebenfalls noch am selben Tag habe der BF Nimroz schlepperunterstützt verlassen. Seine Flucht habe sein Onkel bezahlt. Im Falle einer Rückkehr würde er von der Familie bzw. vom Vater des Mädchens getötet werden.

In einer weiteren Einvernahme durch eine Organwalterin des BFA am 20.08.2015 in Anwesenheit seines gesetzlichen Vertreters und einer Dolmetscherin, wurde der BF darüber informiert, dass Untersuchungen zur Altersfeststellung ergeben hätten, dass er zum Untersuchungszeitpunkt (03.10.2014) bzw. zum Zeitpunkt der Asylantragstellung (18.08.2014) mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im

17. Lebensjahr gewesen sei. Sein Geburtsdatum werde seitens des BFA fiktiv mit XXXX angenommen bzw. bei den Datenangaben eingetragen. Der BF ergänzte in der Einvernahme, er sei völlig gesund, habe keine Verwandten in Österreich, werde von der Caritas unterstützt und besuche Deutschkurse. Einmal im Monat telefoniere er mit seiner Mutter. Seine Familie besitze Grundstücke und habe einen Bauern mit der Bewirtschaftung der Grundstücke beauftragt. Sein Vater sei verstorben. Er erinnere sich jedoch nicht daran, wann sein Vater gestorben sei, er sei damals noch jung gewesen.

Im Laufe des Verfahrens legte der BF eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs der Caritas vom 05.05.2015, ein Zertifikat der Caritas für die Teilnahme an einem Workshop "Demokratie in Österreich" vom 17.06.2015, ein Empfehlungsschreiben, eine schriftliche Stellungnahme vom 31.08.2015 sowie eine Bestätigung von zwölf Dorfbewohnern über den Tod seines Vaters vor.

2. Mit Bescheid vom 11.11.2015, Zl. XXXX , wies das BFA unter Spruchpunkt I. den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF (AsylG) ab. Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Diese Entscheidung wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG verbunden. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Identität und Nationalität des BF stütze sich auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.06.2015. Er habe die Behauptung, in Afghanistan einer Verfolgung durch die Polizei bzw. die Nachbarsfamilie ausgesetzt gewesen zu sein, weil er Geschlechtsverkehr mit der Nachbarstochter gehabt habe, die in weiterer Folge von ihrer Familie getötet worden sei, nur allgemein in den Raum gestellt ohne dies glaubhaft machen zu können. Im gegenständlichen Fall sei nämlich durch die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.06.2015 erwiesen, dass die asylbegründenden Angaben nicht der Wahrheit entsprechen würden. Es wurde nämlich erhoben, dass die Nachbarstochter noch am Leben ist. Ebenso sei erhoben worden, dass es keine Feindschaft zwischen der Familie des BF und der Familie dieses Nachbarmädchens gebe und handle es sich bei dieser Familie auch nicht um Schiiten. Sein Vater sei entgegen seinen Ausführungen auch noch am Leben. Selbst wenn er das Schreiben dieser zwölf Bewohner bzw. des Vorsitzenden des Rates nach Vorhalt des Rechercheergebnisses in Vorlage gebracht habe, werde sein Vorbringen nicht glaubwürdiger und könne dieses maximal als Gefälligkeitsschreiben gewertet werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum alle befragten Personen falsche Angaben machen sollten und sei weiters zu berücksichtigen, dass ein Vertrauensanwalt auch kein persönliches Interesse am Ausgang eines Asylverfahrens in irgendeine Richtung hat, während Asylwerber bzw. bevollmächtigte Vertreter alles unternehmen würden, um die Chance auf Asylgewährung bzw. Aufenthaltsrecht zu erhöhen. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die befragten Personen zwar den Tod seines Vaters und auch den Tod des Nachbarmädchens nicht bestätigen sollten, hingegen seine Herkunft aus XXXX sehr wohl.

Die Sicherheitslage in XXXX , Bezirk Farkhar, Provinz Takhar, sei gut und existiere dort gegenwärtig keinerlei Bedrohung durch die Taliban oder andere regierungsfeindliche Gruppierungen. Das Gebiet stehe unter der Kontrolle der Regierung und im Gegensatz zu vielen anderen Teilen des Landes seien auch die Straßen hier als sicher zu bezeichnen. Auch habe der Heimatort XXXX als erreichbar erhoben werden können. Die Hauptziele der Angriffe seien außerdem meist Regierungsgebäude, hochrangige Ziele und internationale Sicherheitskräfte. Der BF sei nicht unbedingt eine Person, die ein Hauptziel von Angriffen sei. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig, ihm drohe kein reales Risiko im Falle einer Rückkehr in eine aussichtslose Lage zu kommen. Er könne sich auf die Unterstützung der Familie verlassen und auch realistisch nach XXXX gelangen, wo er mit den infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut sei. Auch stehe ihm ergänzend die Möglichkeit offen, sich an in Kabul ansässige staatliche, nicht-staatliche oder internationale Hilfseinrichtungen, im Speziellen solche für Rückkehrer aus dem Ausland, zu wenden, wenn auch nicht verkannt werde, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in eingeschränktem Ausmaß gewährt werden könnten. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass dem BF gemäß § 52a BFA-VG 2005 beispielsweise auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in Afghanistan gewährt werden könnte. Eine völlige Perspektivlosigkeit für den BF könne somit schlichtweg nicht erkannt werden.

Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des BF in Österreich rechtfertigen würden, zumal er erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig sei, und weder über nennenswerte private Kontakte verfüge, die ihn an Österreich binden könnten, noch er selbsterhaltungsfähig sei. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liege eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor. Auch sonst seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.

3. Mit Beschwerde vom 24.11.2015 bekämpfte der minderjährige BF durch seine bevollmächtigte Vertretung sämtliche Spruchpunkte des Bescheides vom 11.11.2015.

4. Mit Schreiben vom 26.11.2015 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. In der Folge wurden vom BF folgende Beweismittel zur Integration vorgelegt:

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Bestätigung der freiwilligen Feuerwehr XXXX vom 12.12.2016, wonach jeden Montag ab 19:00 Uhr eine Zusammenkunft der Mitglieder stattfindet,

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Teilnahmebestätigung am Kurs Brückenmodul/Mathematik, Deutsch, Englisch vom 16.12.2016,

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Teilnahmebestätigung vom 10.11.2016 an "Tiergestütztes Integrationshilfe" beginnend mit 19.03.2016 bis 24.09.2016,

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Teilnahmebestätigung vom 30.10.2016 am Workshop Erste Hilfe und Reanimation des Menschen,

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Bestätigungen vom 14.10.2017 bzw. 28.11.2017, wonach der BF den Pflichtschulabschlusslehrgang in XXXX besucht, der Lehrgang voraussichtlich bis Ende 2018 dauern werde,

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ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1 vom 02.10.2017, wonach der BF die Prüfung befriedigend bestanden hat,

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eine Bestätigung über die Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Integrationsgesetz.

6. Im Zuge der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung wurde dem BF das Länderinformationsblatt betreffend Afghanistan vom 29.06.2018 übermittelt.

Am 25.09.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Der BF führte dabei aus, er sei gesund, ledig, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei sunnitischer Moslem. Er habe sein ganzes Leben in Afghanistan in seinem Heimatdorf XXXX , Distrikt Farkhar, Provinz Takhar, verbracht. In seinem Heimatdorf würden derzeit seine Mutter, sein ca. 19-jähriger Bruder, je zwei Onkel mütterlicherseits und väterlicherseits leben. Im Jahr 2014 sei er aus Afghanistan geflohen. Er sei sechs Jahre zur öffentlichen Schule gegangen, die sich in seinem Heimatdorf befunden habe. Berufsausbildung habe er keine. Für seinen Lebensunterhalt in Afghanistan hätten seine Mutter und sein Bruder gesorgt. Sie hätten landwirtschaftliche Grundstücke gehabt, die an einen Bauern verpachtet worden seien. Die Familie habe von den Ernten/Einkommen dieser landwirtschaftlichen Grundstücke gelebt. Zuletzt habe er vor vier Monaten mit seinem Bruder telefonischen Kontakt gehabt. Auch jetzt noch würden diese Grundstücke seiner Familie gehören, es handle sich dabei um 4 oder 5 ha. Er sei niemals in Afghanistan festgenommen worden.

Er habe in Österreich sowohl afghanische als auch österreichische Freunde. Insbesondere die Familien XXXX und XXXX seien seine Freunde. Er sei ungefähr ein Jahr lang bei der freiwilligen Feuerwehr in XXXX ehrenamtlich tätig gewesen, da er dann jedoch zur Schule gegangen sei, sei dies zeitlich nicht mehr vereinbar gewesen, da er lernen habe müssen. In seiner Freizeit lerne er, spiele Fußball und arbeite ehrenamtlich übers Wochenende. Er lebe vom Staat.

Der BF legte folgende Dokumente vor:

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Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschlussprüfung vom 02.05.2018,

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Externistenabschlusszeugnis und 02.05.2018,

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Bestätigung der Caritas vom 23.05.2018 über die Beschäftigung des BF beim Caritas Wohnheim für Menschen mit besonderen Bedürfnissen seit 13.08.2017 als freiwilliger Mitarbeiter,

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Teilnahmebestätigung vom 17.08.2016 am Orientierungskurs "Leben in Österreich",

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SummerSchool-Zertifikat der Caritas,

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Bestätigung der XXXX GmbH vom 14.09.2018, dass der BF am selben Tag zu einem Vorstellungsgespräch für die Stelle als Produktionsmitarbeiter vorstellig gewesen ist und sich der BF im Falle einer positiven Entscheidung des BVwG wieder bei der Firma

XXXX melden könne.

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Diverse Empfehlungsschreiben.

Die Zeugin XXXX , diplomierte Sozialpädagogin im Haus XXXX in XXXX , führte zur Integration des BF aus, sie kenne den BF seit Oktober 2015. Ihre Aufgabe sei die Betreuung von erwachsenen Asylwerbern. Der BF arbeite seit rund einem Jahr ehrenamtlich in einem Behindertenwohnheim der Caritas. Der BF habe versucht, eine Lehrstelle in einem Mangelberuf zu finden, das dürfe er jetzt jedoch nicht mehr. Sollte er in Österreich bleiben dürfen, sei die Überlegung, ob er im Herbst nächsten Jahres die Ausbildung für soziale Berufe machen werde. Er habe Familienanschluss zu den Familien XXXX und XXXX .

Die Zeugin Mag. Phil. XXXX führte zur Integration des BF aus, sie habe sich mit Frau Mag. XXXX das Lerncoaching des BF geteilt. Er habe damals den Vorbereitungskurs gemacht, um den Hauptschulkurs absolvieren zu können. Seither sei der BF regelmäßig bei ihr und ihrer Familie zu Gast, fast jedes Wochenende. Sie würden gemeinsam essen, lernen - zuletzt hätten sie auch den Lebenslauf und einige Bewerbungsschreiben gemeinsam verfasst, weil der BF ursprünglich eine Lehre in einem Mangelberuf machen habe wollen. Sie hätten auch gemeinsam nach Lehrstellen gesucht und hätten ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Der BF verstehe sich ebenfalls mit ihren zwei Söhnen sehr gut, sie würden auch gemeinsam Fußball spielen. Der BF sei absolut integer und äußerst bescheiden. Er sei immer darauf bedacht, für sich selbst zu sorgen und in kein Abhängigkeitsverhältnis zu geraten.

Zu den vorab übermittelten Länderberichten wurde keine Stellungnahme vorgebracht.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung zog der BF seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids zurück.

7. Mit Schreiben vom 18.10.2018 legte der BF als weitere Beweismittel eine Einstellungszusage von XXXX und ein Schreiben von

XXXX , in dem dem BF ein vorübergehender Wohnplatz für die Zeit nach der Grundversorgung zugesichert wird, vor. Zum schützenswerten Privatleben wurde ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der Integrationsbemühungen des BF und seiner sozialen Vernetzung in Österreich eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK zu seinen Gunsten auszufallen habe und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG sein Recht auf Wahrung seines Privatlebens verletzen würde. In diesem Zusammenhang wurde auf zwei Erkenntnisse des BVwG verwiesen, in denen in ähnlichen Fällen jeweils Aufenthaltsberechtigungen nach § 55 AsylG zuerkannt worden waren. Betreffend die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies der BF u.a. auf das Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan und darauf, dass er über keine Ortskenntnisse in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif verfüge. Weiters wurde auf die aus den aktuellen Länderinformationen hervorgehende Verschlechterung der Lage in der Heimatprovinz des BF verwiesen und zu innerstaatlichen Fluchtalternativen Stellung genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist gesund, ledig, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitischer Moslem. Er hat in Afghanistan immer in seinem Heimatdorf XXXX , im Distrikt Farkhar, in der Provinz Takhar gelebt.

Er hat sechs Jahre die öffentliche Schule in seinem Heimatdorf besucht. Berufsausbildung hat er keine. Der BF ist ein arbeitsfähiger Mensch. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat.

Seine Mutter, sein Bruder, zwei Onkel mütterlicherseits sowie 2 Onkel väterlicherseits leben in seinem Heimatdorf. Weiters leben 5 Tanten mütterlicherseits und eine Tante väterlicherseits in Afghanistan. Die Familie besitzt landwirtschaftliche Grundstücke - etwa 4 bis 5 Hektar -, die an einen Bauern verpachtet wurden. Von den Ernten/Einkommen dieser landwirtschaftlichen Grundstücke lebt die Familie, die Mutter und der Bruder des BF.

Der BF wurde niemals in Afghanistan festgenommen.

Am 18.08.2014 hat der BF einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Er hat auch freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern geknüpft.

Der BF hat die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden. Weiters ist er im Besitz eines B1-Sprachzertifikates für die deutsche Sprache. Er absolvierte darüber hinaus u.a. einen Werte- und Orientierungskurs, einen Erste-Hilfe-Kurs sowie einen Kurs Brückenmodul/Mathematik, Deutsch, Englisch.

Er verfügt über eine Einstellungszusage sowie eine vorläufige Wohnmöglichkeit.

Er arbeitet seit 13.08.2017 als freiwilliger Mitarbeiter ehrenamtlich im Caritas Wohnhaus für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Er ist unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 wiedergegeben:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

• Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

• Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

• Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

• Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

• Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

• Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

• Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

• Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

• Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

• Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

• Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

• Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

• Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

• Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

• Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

• In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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