Entscheidungsdatum
07.01.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W240 2211908-1/2E
W240 2211909-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Feichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Kasachstan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 10.12.2018, Zl. 614114001-1806088674 (ad 1.), und Zl. 632007401-180608682 (ad 2.), beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Bescheide
behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2211908-1 ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2211909-1. Sie gelangten gemeinsam nach Österreich und stellten am XXXX .2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Bei der Erstbefragung am 28.06.2018 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, eine 1982 geborene Adoptivtochter und ein 1976 geborener Schwiegersohn würden in Österreich leben. Da die Adoptivtochter des Erstbeschwerdeführers in Österreich lebe, hätte er nach Österreich gelangen wollen. Er sei in Litauen ab 2014 bis 09.06.2018 aufhältig gewesen, er habe in dieser Zeit immer wieder seine Heimat und Österreich besucht. Er und seine Ehefrau verfügen über eine Aufenthaltskarte, ausgestellt von Litauen, gültig bis 29.06.2018. Von Litauen sei er schließlich über Polen und Tschechien nach Österreich gelangt. Er habe die Tochter seiner Schwester, als diese fünf Jahre alt war, adoptiert und erzogen. Ab 2011 bis 2014 habe er mit dieser und seiner Ehefrau zusammengelebt. 2014 sei der Enkel an Leukämie erkrankt und sei in Österreich behandelt worden. Seine Adoptivtochter sei mit der Familie nach Österreich gezogen, da deren Mann über ein Arbeitsvisum verfügt habe. Er und seine Ehefrau seien in Litauen aufhältig gewesen und hätten über die Firma seines Schwiegersohnes eine Aufenthaltsberechtigung erhalten. Im Jahr 2015 hätten sie erfahren, dass die Firma des Schwiegersohnes Probleme habe, er und seine Ehefrau seien am Papier in diese Firma auch involviert. Als die Beschwerdeführer am 09.06.2018 nach Österreich gelangt waren, hätten sie vom Schwiegersohn erfahren, dass sie in der Heimat von den Behörden Kasachstans gesucht würden. Die Namen der Beschwerdeführer würden auf einer Fahndungsliste stehen und sie würden fürchten, verhaftet, eingesperrt und gefoltert zu werden.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Rahmen der Erstbefragung am 28.06.2018 insbesondere gleichlautende Angaben an. Die Zweitbeschwerdeführer fügte noch hinzu, dass ihr Schwiegersohn in Österreich über einen subsidiären Schutzstatus verfüge, weshalb er nicht nach Kasachstan ausgeliefert werden könne. Anstelle des Schwiegersohnes würden die Behörden von Kasachstan die Beschwerdeführer verhaften wollen.
Mit Beschluss der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom XXXX .2018 wurde gemäß
§§ 26 ff ARHG eine Anordnung der Festnahme betreffend die Beschwerdeführer erlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass laut Ausschreibung von Interpol die Beschwerdeführer verdächtig seien, zwischen 2012 und 2015 Geld von Gesellschaftern unterschlagen zu haben. Die Beschwerdeführer hätten mit dem betrügerisch herausgelockten Geldsummen Kasachstan verlassen, wobei der Schaden insgesamt XXXX betrage und mehr als XXXX Opfer existieren würden. Es bestehe sohin der Verdacht, dass die Beschwerdeführer das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB begangen hätten. Die Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr wurden bejaht.
Das BFA richtete am 10.07.2018 hinsichtlich beider Beschwerdeführer ein auf Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Litauen. Zusammen mit der Anfrage wurden bis 29.06.2018 gültige Aufenthaltsberechtigungskarten von Litauen sowie Reisepässe mit zahlreichen abgelaufenen Visa hinsichtlich die Beschwerdeführer übermittelt, welche von diesen vorgelegt worden waren.
Mit Schreiben vom 16.07.2018 stimmte Litauen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO der Rückübernahme beider Beschwerdeführer zu.
Am 17.07.2018 wurde Litauen darüber informiert, dass aufgrund der Inhaftierung der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 12 Monate gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO verfügt wurde.
Mit Eingabe vom 18.07.2018 wurde durch die ausgewiesene Vertretung ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten am 28.06.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei sie sich aufgrund des von Litauen bis 29.06.2018 ausgestellten Aufenthaltstitel legal in im österreichischen Bundesgebiet befunden hätten. Es wurde daher auf Art. 15 Dublin III-VO verwiesen. Weiters wäre eine Zuständigkeit Österreichs auch gemäß Art. 17 Dublin III-VO gegeben. Gegen beide Beschwerdeführer sei das Auslieferungsverfahren eingeleitet worden. Die Auslieferung des Schwiegersohnes sei mit Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom XXXX .2016 für unzulässig erklärt worden. Die Auslieferung der Beschwerdeführer nach Kasachstan sei jedenfalls unzulässig. Die Beschwerdeführer würden in Litauen keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen können, da sie sich in Österreich in Auslieferungshaft befinden und nicht nach Litauen, sondern nach Kasachstan gebracht werden würden.
Mit Beschluss eines österreichischen Landesgerichts vom XXXX .2018 wurde die Auslieferung der Beschwerdeführer zur Strafverfolgung an die kasachischen Behörden für unzulässig erklärt. Es wurde festgehalten, dass die Auslieferungsunterlagen der kasachischen Behörden eingelangt seien und dass die Beschwerdeführer vom Ehemann der quasi Adoptivtochter der Beschwerdeführer (keine offizielle Adoption sei erfolgt) darüber informiert worden seien, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren in Kasachstan anhängig sei. Festgehalten wurde, dass die Beschwerdeführer ab Oktober 2017 bis Jänner 2018 und ab Juni 2018 in Österreich gemeldet gewesen seien. Sie seien wiederholt von Litauen, wo sie seit 2014 gewesen wären, nach Österreich gelangt. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde festgehalten, dass diese im Februar und im März 2016 eine Herzoperation gehabt habe. Der Erstbeschwerdeführer gab an, er sei 71 Jahre alt, seit vier Jahren leide er unter erhöhtem Blutdruck und müsse regelmäßig Medikamente einnehmen. Im gegenständlichen Fall wurde vom Landesgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung vorliegen und eine Verjährung des Verbrechens der Veruntreuung nicht gegeben sei. Im konkreten Fall wurde jedoch ein Auslieferungshindernis gemäß Art. 3 EMRK (§ 19 Z. 2 ARHG) festgestellt. Es wurde festgestellt, dass aus Berichten der Helsiki Federation for Human Rights, weiterer Menschenrechtsorganisationen und des US State Departments hervorgehe, dass in Kasachstan sehr schlechte Haftbedingungen, wie Überbelegung, mangelhafte Ernährung und unbehandelte Krankheiten sowie Foltervorwürfe, vorliegen würden. Es würden in Kasachstan noch immer schwere Mängel im Justiz- und Vollzugssystem bestehen laut Länderberichten. Es würden in Strafverfahren in Kasachstan häufig Verfahrensregeln verletzt, es gebe Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich. Die Haftbedingungen seien rau und manchmal lebensbedrohlich. Gesundheitliche Probleme würden vielfach nicht behandelt werden und würde die medizinische Versorgung nicht den europäischen Verhältnissen entsprechen. Aufgrund der äußert schlechten Haftbedingungen und der vorliegenden Erkrankungen beider Beschwerdeführer wäre die Gesundheit bzw. das Leben der Betroffenen in der kasachischen Haftanstalt gefährdet. Da die beiden kein faires Verfahren zu erwarten hätten, sei von einem Verstoß gegen Art. 6 EMRK auszugehen.
In der Bestätigung eines Facharztes für Innere Medizin und Angiologie vom 24.06.2016 wurde festgehalten, dass die Zweitbeschwerdeführerin in regelmäßiger internistischer Kontrolle stehe. Eine Operation sei im Februar 2016 durchgeführt worden und komme die Zweitbeschwerdeführerin immer wieder zu Blutdruckspitzen mit der Notwendigkeit der sublingualen Nitroglycerineinnahme.
Vorgelegt wurde eine Bestätigung eines österreichischen Zentrums für Kinder- und Jugendheilkunde vom 02.08.2016 über die Behandlung des Enkelkindes der Beschwerdeführer, welches an akuter lymphatischer Leukämie erkrankt ist und sich seit Mai 2016 in Erhaltungstherapie in einer hämato-/onkologischen Ambulanz in Österreich befinde. Während der Intensivtherapie seien die Beschwerdeführer in die Pflege- und Betreuung miteinbezogen worden, da es auch Geschwisterkinder des Patienten zu versorgen gebe.
Vorgelegt wurde ein fachärztliches Attest vom 17.09.2018 eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, wonach der Erstbeschwerdeführer bei diesem wegen einer schwer ausgeprägten Depression in Behandlung sei. Es würden neben anderen Beschwerden auch wahnhafte Verfolgungs- und Beobachtungsgefühle bestehen. Es wurde festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführer nicht einvernahmefähig sei.
Mit Stellungnahme vom 19.10.2018 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführer in Auslieferungshaft befunden hätten und mit rechtskräftigen Beschluss eines österreichischen Landesgerichts die Auslieferung der Beschwerdeführer zur Strafverfolgung nach Kasachstan für unzulässig erklärt wurde. Verwiesen wurde im Beschluss auf die äußerst schlechten Haftbedingungen in Kasachstan und die vorliegenden Erkrankungen der Beschwerdeführer. Es sei auch gegen beide Beschwerdeführer ein Inlandsverfahren bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption anhängig. Im Gegensatz zu Österreich habe Litauen mit Kasachstan eine bilaterale Vereinbarung, nämlich den Vertrag zwischen der Republik Kasachstan und Litauen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien- und strafrechtlichen Angelegenheiten. Litauen sei daher nicht als sicherer Drittstaat anzusehen. Eine Person könne sohin nicht nach Kasachstan ausgeliefert werden, wenn ihr in Litauen Asyl zuerkannt werde, andernfalls erfolge eine Auslieferung. Die Auslieferung von Litauen nach Kasachstan stelle jedoch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 MRK dar. Verwiesen wurde weiters darauf, dass die Zweitbeschwerdeführerin laut Bestätigung vom 11.10.2018 an einer schweren koronaren Herzkrankheit leide, welche in Litauen nicht behandelt werden könne und habe sie sich schon in der Vergangenheit, wie durch die vorgelegten Behandlungsunterlagen und Rechnungen dargelegt, in Österreich in Behandlung befunden.
Vorgelegt wurden zahlreiche Unterlagen in russischer Sprache.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.10.2018 gab der Erstbeschwerdeführer insbesondere an, er sei in Behandlung bei einem Psychotherapeuten, dies sei ein Privatarzt. Er nehme Medikamente ein. Wenn er seine Medikamente fertig eingenommen habe, werde er wieder zu einem Arzt gehen, um neue Medikamente zu holen oder falls es ihm schlechter gehe. Seine in Österreich lebende Pflegetochter habe eine Aufenthaltsbewilligung, sein Schwiegersohn ein Arbeitsvisum. Er lebe mit seiner Ehefrau bei seiner Pflegetochter und deren Gatten in Österreich. Er wolle, dass er nicht von seiner in Österreich lebenden Familie getrennt werde. Es bestehe eine ökonomische und emotionale Bindung zur Pflegetochter, diese sei ebenfalls auf die Beschwerdeführer angewiesen.
Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers wurde eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren, datiert mit 14.10.2018, eingeholt. Es wurde darin im Wesentlichen festgestellt, der Erstbeschwerdeführer beschreibe seinen Zustand dergestalt, dass er an einer Depression leide. Er verspüre oft Angst und der Schlaf sei reduziert. Er nehme Tabletten, um besser schlafen zu können. Festgestellt wurde, dass er unter Angst und an einer depressiven Reaktion gemischt mit Somatisierungstendenz leide, F 43.22. Die Notwendigkeit therapeutischer und medizinischer Maßnahmen wurden in der gutachterlichen Stellungnahme verneint.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.10.2018 gab die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere an, sie leide an einer Herzerkrankung seit 2016, sei im Jahr 2016 am Herzen operiert worden. Sie habe noch zwei bevorstehende Operationen. Sie nehme noch sieben verschiedene Medikamente, auch in der Haft in Österreich sei sie regelmäßig untersucht worden. In Kasachstan sei nur der erhöhte Blutdruck behandelt worden. In Österreich lebe ihre Pflegetochter, ihr Schwiegersohn und vier Enkelkinder. Die Beschwerdeführer hätten ihre Familie in Österreich, sie hätten eine emotionale Bindung zu "ihren Kindern". Ihr Ehemann leide an schweren Depressionen, nehme sehr "ernstzunehmende Medikamente" und würde eine Trennung von der Familie seine Krankheit verschlechtern. Die Zweitbeschwerdeführerin habe auch eine sehr ernsthafte Krankheit und sie könne sterben. In Litauen seien sie und ihr Ehemann alleine verloren. Für das Leben von ihr und ihrem Mann sei es sehr gefährlich nach Litauen zurückzukehren. Sie ersuche darum, dass Österreich eine Ausnahme mache, weil sie alt und krank seien. Wenn das österreichische Gericht sie und ihren Mann verurteile, sei sie damit einverstanden, weil das österreichische Gericht gerecht sei. Es gebe einen Auslieferungsvertrag und die kasachische Regierung werde auf Litauen Druck ausüben, bis sie und ihr Mann ausgeliefert werden.
Auf Nachfrage gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie in Österreich eine Familie seien. Sie hätten ihre Pflegetochter großgezogen. Als die Zweitbeschwerdeführerin im Krankenhaus gewesen sei, sei sie voll unterstützt worden von ihr und auch als sie inhaftiert gewesen sei, habe ihr Enkelsohn die Tage gezählt, bis sie entlassen worden wären.
Der anwesenden Rechtsberater verwies auf Art. 8 EMRK, da ein gemeinsamer Haushalt mit den in Österreich lebenden Pflegekind und Pflegeenkeln bestehe.
Übermittelt wurden Fotografien der Beschwerdeführer mit ihren in Österreich lebenden Angehören bzw. Bekannten, Rechnungen österreichischer Kliniken über die Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin.
In der Bestätigung eines Facharztes für Innere Medizin und Angiologie vom 11.10.2018 wurde festgehalten, dass die Zweitbeschwerdeführerin in regelmäßiger internistischer Kontrolle stehe. Eine Operation sei im Februar 2016 durchgeführt worden und komme die Zweitbeschwerdeführerin immer wieder zu Blutdruckspitzen mit der Notwendigkeit der sublingualen Nitroglycerineinnahme. In Hinblick auf eine Verschlechterung von Seiten der koronaren Herzkrankheit seien auch weiterhin kurzfristige Kontrollen notwendig. Weiters wurde vom vorzitierten Arzt ein ärztlicher Befundbericht vom 11.10.2018 hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin übermittelt. Es bestehe ein stabiler Befund von kardialer Seite, in Hinblick auf die Hypertonie bei bestehender linksvertrikulärer Hyptertrophie sei eine konsequente Weiterführung der antihyptertensiven Therapie zu empfehlen.
Das BFA brachte den Beschwerdeführern eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Auslieferungsvertrag bzw. Auslieferungsabkommen zwischen Litauen und Kasachstan zur Kenntnis.
Am 07.11.2018 wurde eine Stellungnahme übermittelt, in dieser wurde ausgeführt, es sei jedenfalls die Gefahr gegeben, dass Litauen den Beschwerdeführern gegebenenfalls rechtmäßig kein Asyl bzw. keinen subsidiären Schutz gewähre, sodass die Voraussetzungen für eine Auslieferung zur Strafverfolgung nach Kasachstan rechtlich gegeben wären in Litauen. Dies wäre jedoch - so wie vom österreichischen Landesgericht festgestellt - unzulässig und würde die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten verletzen. Da die Unzulässigkeit der Auslieferung nach Kasachstan nach litauischem Recht nicht gewährleistet werde, bestehe die konkrete Gefahr, dass aufgrund des zwischenstaatlichen Abkommens zwischen Litauen und Kasachstan eine Auslieferung zur Strafverfolgung nach Kasachstan erfolge.
2. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 10.12.2018 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Litauen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Weiters wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Litauen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde hinsichtlich beider Beschwerdeführerinnen insbesondere ausgeführt, dass die Beschwerdeführer in Besitz eines litauischen Schengenvisums, gültig vom 29.06.2016 bis zum 29.06.2018, ausgestellt von der litauischen Botschaft, seien. Litauen habe sich gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführer für zuständig erklärt. Die Pflegetochter der Beschwerdeführer und deren Familie lebe in Österreich. Mit dieser Familie würden die Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt leben. Zu diesen Personen bestehe kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, laut Angaben der Beschwerdeführer sei diese Familie von ihnen abhängig. Es wurde vom BFA angemerkt, dass die Beschwerdeführer auch von Litauen aus ihre Verwandten finanziell unterstützen könnten.
3. In der gegen nunmehr angefochtene Bescheide erhobenen Beschwerde wurde neben Wiederholungen der bisherigen Ausführungen in den Stellungnahmen zusammengefasst ausgeführt, dass gegen den Schwiegersohn und gegen die Beschwerdeführer ein Inlandsverfahren zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in Österreich anhängig sei. Verwiesen wurde darauf, dass Litauen die Beschwerdeführer an Kasachstan ausliefere, wenn diese keinen Asylstatus in Litauen erhalten. Verwiesen wurde darauf, dass Ungarn und Griechenland nicht als sicheres Drittland anzusehen seien. Es sei keinesfalls gewährleistet, dass Litauen die durch die MRK, insbesondere Artikel 3 und Artikel 6, gewährleisteten Rechte gewährleistet. Im Falle einer Überstellung nach Litauen würden beide Beschwerdeführer Gefahr laufen einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe ausgesetzt zu sein bzw. seien sie einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen. Weiters leide die Zweitbeschwerdeführerin an einer schweren koronaren Herzkrankheit, welche in Litauen nicht behandelt werden könne und habe sie sich bereits in der Vergangenheit in Österreich Behandlungen unterzogen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Erstbeschwerdeführer zu W240 2211908-1 ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin zu W240 2211909-1. Sie gelangten gemeinsam nach Österreich und stellten am 28.06.2018 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Beide Beschwerdeführer verfügten über eine Aufenthaltsberechtigungskarte für Litauen ("residence permit"), gültig ab 29.06.2016 bis 29.06.2018.
Die in gegenständlichen Akten einliegenden VIS Abfragen (Abfragen im Visa-Informationssystem) ergaben weder hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers noch hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin ausgestellte Visa.
Das BFA richtete am 10.07.2018 hinsichtlich beider Beschwerdeführer ein auf Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Litauen.
Mit Schreiben vom 16.07.2018 stimmte Litauen gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO der Rückübernahme beider Beschwerdeführer zu. Mit Zustimmung der litauischen Behörden wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführer im Besitz von Aufenthaltsberechtigungen waren, welche von Litauen ausgestellt wurden.
Mit Beschluss der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom XXXX .2018 wurde gemäß
§§ 26 ff ARHG eine Anordnung der Festnahme betreffend die Beschwerdeführer erlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass die laut Ausschreibung von Interpol die Beschwerdeführer verdächtig seien, zwischen 2012 und 2015 Geld von Gesellschaftern unterschlagen zu haben. Es bestehe sohin der Verdacht, dass die Beschwerdeführer das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB begangen hätten. Die Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr wurden bejaht.
Die Auslieferung des in Österreich über einen subsidiären Schutzstatus verfügenden Schwiegersohnes war bereits mit Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom XXXX .2016 für unzulässig erklärt worden
Am 17.07.2018 wurde Litauen darüber informiert, dass aufgrund der Inhaftierung der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 12 Monate gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO verfügt wurde.
Mit Beschluss eines Österreichischen Landesgerichts vom XXXX .2018 wurde die Auslieferung der Beschwerdeführer zur Strafverfolgung an die kasachischen Behörden als nicht zulässig erklärt. Es wurde festgehalten, dass die Auslieferungsunterlagen der kasachischen Behörden eingelangt seien und dass die Beschwerdeführer vom Ehemann der quasi Adoptivtochter der Beschwerdeführer (keine offizielle Adoption sei erfolgt) darüber informiert worden seien, dass gegen sie ein Ermittlungsverfahren in Kasachstan anhängig sei. Aufgrund der äußert schlechten Haftbedingungen und der vorliegenden Erkrankungen beider Beschwerdeführer wäre die Gesundheit bzw. das Leben der Betroffenen in der kasachischen Haftanstalt gefährdet. Da die beiden kein faires Verfahren zu erwarten hätten, sei von einem Verstoß gegen Art. 6 EMRK auszugehen.
Gegen den Schwiegersohn und gegen die Beschwerdeführer ist ein Inlandsverfahren zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in Österreich anhängig.
Die Beschwerdeführer sind XXXX Jahre alt. Der Erstbeschwerdeführer leidet an psychischen Krankheiten, nimmt Medikamente und ist in Behandlung beiem Psychotherapeuten und die Zweitbeschwerdeführerin leidet an einem Herzleiden, aufgrund dessen sie bereits operiert wurde, Medikamente einnimmt und es sind weitere Operationen in Österreich geplant. Beide haben ärztliche Unterlagen vorgelegt, welche deren gesundheitliche Beschwerden darlegen.
Der Erstbeschwerdeführer habe die Tochter seiner Schwester als Pflegetochter aufgezogen, seit diese fünf Jahre alt war. Ab 2011 bis 2014 habe er mit dieser und seiner Ehefrau in der Heimat zusammengelebt. 2014 zog die Pflegetochter der Beschwerdeführer, welche über eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich verfügt, mit ihrem Ehemann und fünf Kindern nach Österreich. Seit 2014 wird ein Enkel der Beschwerdeführer, der an Leukämie erkrankt ist, in Österreich behandelt. Die Beschwerdeführer haben ihre Verwandten in Österreich immer wieder bezogt, nachdem sie über eine Aufenthaltsberechtigung in Litauen verfügt haben.
Die Beschwerdeführer leben im gemeinsamen Haushalt mit den in Österreich lebenden Verwandten.
Die belangte Behörde hat keine abschließende Beurteilung der familiären und privaten Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer sowie des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer mit dem Ziel vorgenommen, eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführer nach Litauen gegeben ist und um eine Gefährdung ihrer durch Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK geschützten Rechte auszuschließen.
In der gegen nunmehr angefochtene Bescheide erhobenen Beschwerde wurde insbesondere ausgeführt, dass Litauen die Beschwerdeführer an Kasachstan ausliefere, wenn diese keinen Asylstatus in Litauen erhalten. Es sei keinesfalls gewährleistet, dass Litauen die durch die MRK, insbesondere Artikel 3 und Artikel 6, gewährleisteten Rechte gewährleistet. Im Falle einer Überstellung nach Litauen würden beide Beschwerdeführer Gefahr laufen einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe ausgesetzt zu sein bzw. seien sie einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen. Weiters wurde darauf verwiesen, dass die Zweitbeschwerdeführerin an einer schweren koronaren Herzkrankheit leidet und wurde behauptet, dass diese Erkrankung in Litauen nicht behandelt werden könne.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführerinnen sowie zu deren persönlichen Verhältnissen ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ergeben sich dem Vorbringen der Beschwerdeführer und den vorgelegten ärztlichen Bestätigungen.
Die Feststellungen zu den in Österreich aufhältigen Verwandten gründen sich auf den gleichlautenden Angaben der Beschwerdeführerinnen.
Die Beschwerdeführer behaupteten (noch) gültige Aufenthaltstitel in Litauen besessen zu haben, als sie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten. Zusammen mit der Anfrage an Litauen wurden bis 29.06.2018 gültige Aufenthaltsberechtigungskarten von Litauen sowie Reisepässe mit zahlreichen abgelaufenen Visa hinsichtlich die Beschwerdeführer übermittelt. Mit Zustimmung der litauischen Behörden gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführer im Besitz von Aufenthaltsberechtigungen waren ("Lithuanian residence permit"), welche von Litauen ausgestellt wurden. Vom BFA wurde in den angefochtenen Bescheiden und entgegen der auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO gestützten Zustimmung Litauens ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten litauische Visa besessen und sei die Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet. Es erscheint jedoch nicht logisch nachvollziehbar, weshalb die zum Zeitpunkt der Antragstellung gültige Aufenthaltsberechtigung in Litauen nicht berücksichtigt wurde.
Aus der Aktenlage ist nicht schlüssig nachvollziehbar, aus welchen Gründen die erstinstanzliche Behörde keine abschließende Beurteilung der familiären Anknüpfungspunkte und des Gesundheitszustands der Beschwerdeführer durchgeführt hatte.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermag nicht nachvollziehbar darzutun, warum es von der Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ausgegangen ist. Insbesondere liegt keine abschließende Beurteilung des Privat- und Familienlebens sowie des Gesundheitszustands der Beschwerdeführer vor.
Die in nunmehr angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der Beschwerdeführer erfolgte Beweiserhebung - insbesondere hinsichtlich der familiären und privaten Anknüpfungspunkte und betreffend den Gesundheitszustand - stellt somit keine geeignete Ermittlungstätigkeit dar, um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK geschützten Rechtspositionen ausschließen zu können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgebung der Beschwerde
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zu-ständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) [...]
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten:
§ 21 Abs. 3 BFA-VG: "Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 3 BFA-VG (vgl. jüngst Ra2016/19/0208-8 vom 5. Oktober 2016 mwN) hat eine Entscheidung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Form eines (das Beschwerdeverfahren beendenden und nicht bloß verfahrensleitenden) Beschlusses zu ergehen.
3.3. Im vorliegenden Fall ist Dublin III-VO anzuwenden:
"Art. 3 - Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsange-höriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
[...]
Art. 7 - Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antrag-steller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Auf-ahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 12 Dublin III-VO lautet:
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu-ständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (14) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mit-gliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufent-haltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichar-tige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeits-dauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konn-te, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder un-gültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufent-haltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorge-nommen wurde.
Art. 13 - Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Artikel 16 - Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitglied-staat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des
Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese
Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zu-ständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat ver-fügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitglied-staat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.
Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen".
3.4. Die Dublin III-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Anträge auf internationalen Schutz von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
3.5. Gemäß § 21 Abs. 3 2. Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon aus, dass in materieller Hinsicht die Zuständigkeit Litauens zur Prüfung des in Rede stehenden Antrages auf internationalen Schutz in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet ist, da die Beschwerdeführer im Besitz eines litauischen Schengenvisums, gültig vom 29.06.2016 bis 29.06.2018, waren.
Bereits zur tatsächlich zuständigkeitsbegründenden Norm sind aufgrund folgender Ungereimtheiten im gegenständlichen Fall weitere Ausführungen des BFA bzw. gegebenenfalls weitere Ermittlungen erforderlich. Die in gegenständlichen Akten einliegenden VIS Abfragen (Abfragen im Visa-Informationssystem) ergaben weder hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers noch hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin ausgestellte Visa. Die Beschwerdeführer behaupteten (noch) gültige Aufenthaltstitel in Litauen besessen zu haben, als sie in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatten. Zusammen mit der Anfrage an Litauen wurden Aufenthaltsberechtigungskarten für Litauen ("residence permit"), gültig ab 29.06.2016 bis 29.06.2018, sowie Reisepässe mit zahlreichen abgelaufenen Visa hinsichtlich die Beschwerdeführer übermittelt, welche von ihnen vorgelegt wurden. Mit Zustimmung der litauischen Behörden gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerdeführer im Besitz von Aufenthaltsberechtigungen waren ("Lithuanian residence permit"), welche von Litauen ausgestellt wurden. Vom BFA wurde in den angefochtenen Bescheiden und entgegen der auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO gestützten Zustimmung Litauens jedoch ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten litauische Schengenvisa, gültig ab 29.06.2016 bis 29.06.2018, besessen und sei die Zuständigkeit gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet. Es erscheint jedoch nicht schlüssig nachvollziehbar, weshalb die zum Zeitpunkt der Antragstellung gültige Aufenthaltsberechtigung in Litauen nicht berücksichtigt wurde.
Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO regelt nämlich die Konstellation, dass ein Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer sie ins Hoheitsgebiet einreisen hätten können, besitzt. Aufgrund dieser nicht nachvollziehbaren Heranziehung des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO im gegenständlichen Fall sind bereits weitere Ermittlungen und Feststellungen zur tatsächlich zuständigkeitsbegründenden Norm erforderlich.
Am 17.07.2018 wurde Litauen darüber informiert, dass aufgrund der Inhaftierung der Beschwerdeführer eine Verlängerung der Überstellungsfrist auf 12 Monate gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO verfügt wurde.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in den gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Vorab ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass mit rechtskräftigem Beschluss eines österreichischen Landesgerichts vom XXXX .2018 die Auslieferung der Beschwerdeführer zur Strafverfolgung an die kasachischen Behörden für unzulässig erklärt wurde. Im gegenständlichen Fall wurde vom Landesgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Auslieferung vorliegen und eine Verjährung des Verbrechens der Veruntreuung nicht gegeben sei. Im konkreten Fall wurde jedoch ein Auslieferungshindernis gemäß Art. 3 EMRK (§ 19 Z. 2 ARHG) festgestellt. Es wurde festgestellt, dass aus Berichten der Helsiki Federation for Human Rights, weiterer Menschenrechtsorganisationen und des US State Departments hervorgehe, dass in Kasachstan sehr schlechte Haftbedingungen, wie Überbelegung, mangelhafte Ernährung und unbehandelte Krankheiten sowie Foltervorwürfe vorliegen würden. Es würden in Kasachstan noch immer schwere Mängel im Justiz- und Vollzugssystem bestehen laut Länderberichten. Es würden in Strafverfahren in Kasachstan häufig Verfahrensregeln verletzt, es gebe Korruption und politische Intervention im Rechtsbereich. Die Haftbedingungen seien rau und manchmal lebensbedrohlich. Gesundheitliche Probleme würden vielfach nicht behandelt werden und würde die medizinische Versorgung nicht den europäischen Verhältnissen entsprechen. Aufgrund der äußert schlechten Haftbedingungen und der vorliegenden Erkrankungen beider Beschwerdeführer wäre die Gesundheit bzw. das Leben der Betroffenen in der kasachischen Haftanstalt gefährdet. Da die Beschwerdeführer kein faires Verfahren zu erwarten hätten, sei laut Landesgericht von einem Verstoß gegen Art. 6 EMRK auszugehen. In der Beschwerde wurde darauf verwiesen, dass Litauen die Beschwerdeführer an Kasachstan ausliefere, wenn diese keinen Asylstatus in Litauen erhalten. Es wurde auch in der Beschwerde behauptete, es sei keinesfalls gewährleistet, dass Litauen die durch die MRK, insbesondere Artikel 3 und Artikel 6, gewährleisteten Rechte gewährleistet. Bereits durch Einholung von Anfragebeantwortungen an die Staatendokumentation hatte das BFA nicht hinreichend abklären können, ob die in Österreich festgestellte Unzulässigkeit der Auslieferung der Beschwerdeführer nach Kasachstan nach litauischem Recht gewährleistet werde, da aufgrund des zwischenstaatlichen Abkommens zwischen Litauen und Kasachstan eine Auslieferung zur Strafverfolgung nach Kasachstan zu erfolgen hat, falls kein Asylstatus in Litauen gewährt werde. Auch diesbezüglich sind weitere Ermittlungen erforderlich.
Ausdrücklich ist auf die vorzitierten Feststellungen des österreichischen Landesgerichts, wonach die Auslieferung der Beschwerdeführer zur Strafverfolgung an die kasachischen Behörden unzulässig ist, und auf den Umstand, dass gegen den Schwiegersohn und gegen die Beschwerdeführer ein Inlandsverfahren zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption in Österreich anhängig ist, zu verweisen und wird in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sein.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand und den vorgelegten ärztlichen Unterlagen, ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken zu verweisen. Demnach haben im Allgemeinen Fremde kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie an einer schweren Krankheit leiden oder selbstmordgefährdet sind. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).
In seiner Entscheidung im Fall "Paposhvili vs. Belgium" (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10) hat der EGMR das Vorliegen von "ganz außergewöhnlichen Fällen" näher präzisiert. Demnach ist der Gerichtshof der Ansicht, dass die Abschiebung eines schwer kranken Menschen auch dann vom nach Art. 3 EMRK geschützten Bereich umfasst sein könnte - auch wenn dieser sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - wenn wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder wegen des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustands, die ein starkes Leid zur Folge hätte, oder diese Person eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren hätte, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre (RN 183). Weiters stellt der Gerichtshof fest, dass es hier um die negative Verpflichtung, Personen nicht der Gefahr einer durch Art. 3 EMRK verbotenen Behandlung auszusetzen, handelt (RN 188). Was die zu berücksichtigten Faktoren betrifft, müssen die Behörden des abschiebenden Staates im Einzelfall prüfen, ob die im Zielstaat allgemein verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten in der Praxis ausreichend und geeignet für die Behandlung der Krankheit des Betroffenen sind, um zu verhindern, dass dieser einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wird. Dabei gehe es jedoch nicht darum, zu ermitteln, ob die Heilbehandlung im Zielstaat gleichwertig oder schlechter wäre als die durch das Gesundheitswesen des abschiebenden Staates zur Verfügung gestellte Heilbehandlung (RN 189). Jedenfalls muss der abschiebende Staat, wenn nach Prüfung der relevanten Informationen ernsthafte Zweifel über die Auswirkungen der Abschiebung der betreffenden Person bestehen bleiben, sei es wegen der allgemeinen Lage im Zielstaat oder wegen der individuellen Situation der Betroffenen, als Vorbedingung der Abschiebung, vom Zielstaat eine individuelle und ausreichende Zusicherung einholen, das eine geeignete medizinische Versorgung für die betroffene Person verfügbar und zugänglich sein wird, sodass sie sich nicht in einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Situation befindet (RN 191).
Gerade zur Beurteilung der Frage, ob bei den Beschwerdeführern eine solche ganz außergewöhnliche Situation gegeben ist, die einer Überstellung nach Litauen widersprechen würde, hat die belangte Behörde keine abschließende Beweiserhebung zur Feststellungen des Sachverhalts getroffen. Die Beschwerdeführer haben zahlreiche ärztliche Unterlagen vorgelegt, welche gesundheitliche Beschwerden der Beschwerdeführer darlegten.
Das BVwG verkennt nicht, dass hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren, datiert mit 14.10.2018, eingeholt wurde. Festgestellt wurde darin, dass er unter Angst und depressiver Reaktion gemischt mit Somatisierungstendenz leide, F 43.22. Die Notwendigkeit therapeutischer und medizinischer Maßnahmen wurden in der gutachterlichen Stellungnahme jedoch verneint. Demgegenüber ergibt sich aus dem fachärztlichen Attest vom 17.09.2018 eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, dass der Erstbeschwerdeführer wegen einer schwer ausgeprägten Depression in Behandlung sei. Es würden etwa neben anderen Beschwerden auch wahnhafte Verfolgungs- und Beobachtungsgefühle bestehen. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.10.2018 gab der Erstbeschwerdeführer insbesondere an, er sei in Behandlung bei einem Psychotherapeuten und er nehme Medikamente ein.
In der Bestätigung eines Facharztes für Innere Medizin und Angiologie vom 11.10.2018 wurde festgehalten, dass die Zweitbeschwerdeführerin in regelmäßiger internistischer Kontrolle stehe. Eine Operation sei im Februar 2016 durchgeführt worden und komme die Zweitbeschwerdeführerin immer wieder zu Blutdruckspitzen mit der Notwendigkeit der sublingualen Nitroglycerineinnahme. In Hinblick auf eine Verschlechterung von Seiten der koronaren Herzkrankheit seien auch weiterhin kurzfristige Kontrollen notwendig. Weiters wurde vom vorzitierten Arzt ein ärztlicher Befundbericht vom 11.10.2018 hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin übermittelt. Es bestehe ein stabiler Befund von kardialer Seite. Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin wurde insbesondere ausgeführt, dass in Hinblick auf die Hypertonie bei bestehender linksvertrikulärer Hyptertrophie eine konsequente Weiterführung der antihyptertensiven Therapie zu empfehlen sei. In der Beschwerde wurde darauf verwiesen, dass die Zweitbeschwerdeführerin an einer schweren koronaren Herzkrankheit leide, welche in Litauen nicht behandelt werden könne.
Somit bedarf es im gegenständlichen Fall aktueller Feststellungen zum psychischen und physischen Gesundheitszustand der Beschwerdeführer, um eine Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführer nach Litauen gegeben ist und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführer ausschließen zu können. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es zum Entscheidungszeitpunkt jedoch nicht möglich, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen und aufgrund der vorliegenden Länderinformationen zu Litauen zu beurteilen, ob außergewöhnliche Umstände beim 70jährigen an psychischen Problemen leidenden Erstbeschwerdeführer und bei der unter schweren Herzproblemen leidenden 66jährigen Zweitbeschwerdeführerin vorliegen, die bei einer Überstellung der Beschwerdeführer zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnten.
Das Bundesamt wird daher im fortgesetzten Verfahren hinsichtlich der Beschwerdeführer allenfalls durch die Veranlassung der Einholung entsprechender medizinischer Gutachten, welche aufgrund einer persönlichen Untersuchung zu erstellen sind, abzuklären haben, ob bei ihnen tatsächlich eine ganz außergewöhnliche Fallkonstellation vorliegt, die im Falle einer Überstellung nach Litauen - auch wenn sich diese nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet - eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hätte. Im Besonderen wird - auch vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zur Versorgungssituation von physisch und psychisch Asylwerbern in Litauen - der erforderliche medizinische Behandlungsbedarf der Beschwerdeführer - insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin, welche weitere Herzbehandlungen benötigt - konkret festzustellen sein, ob die konkret erforderlichen Medikamente und die Behandlungen in Litauen gesichert vorhanden ist.
Hinsichtlich der in Österreich lebenden Pflegetochter (und Nichte des