TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 I404 2182562-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 2182562-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. KAMERUN, vertreten durch RA Mag. Martin SAUSENG, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Steiermark vom 07.11.2017, Zl. 1152434603/170575116, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 13.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie damit begründete, dass es Krieg zwischen den Stämmen in ihrer Heimat gebe, es gehe um Politik. Auf Frage, was sie bei einer Rückkehr befürchte, führte sie an, dass sie nicht zurückwolle. Sie sei am 18.03.2015 mit einem kleinen Bus aus Kamerun ausgereist, und habe bis Februar 2017 in Libyen gelebt, dann sei sie über Italien nach Österreich gekommen.

2. Am 08.08.2018 wurde sie vor der belangten Behörde einvernommen. Sie gab an, ihre gesamte Kindheit und Jugend in Douala verbracht zu haben. Ab dem 20. Lebensjahr sei sie sodann zwischen Douala und Bamenda hin und her gependelt. Sie habe Handel betrieben und Waren, die sie in Douala gekauft habe, in Bamenda wieder verkauft. Sie gehöre der Volksgruppe der Bamileke an und sei katholisch. Sie sei ledig und habe eine Tochter. Ihre Tochter sei 2005 geboren und lebe derzeit bei ihrer Mutter in einem Dorf in der Nähe der Stadt Bafoussam im Westen Kameruns. Während der Schulzeit lebe ihre Tochter bei der kleinen Schwester der Beschwerdeführerin in Douala. Sie habe in Bamenda bei Freunden im Viertel "Sweet Quarter" gewohnt, eine Adresse gebe es nicht. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin an, dass sie Kamerun wegen der Kämpfe, die es zwischen den englischsprachigen und französischen Gruppen gebe, verlassen habe. Die Bevölkerung habe nicht hinnehmen wollen, dass französischsprachigen Lehre nach Bamenda geschickt worden seien, um dort zu unterrichten, weshalb es zu Streiks gekommen sei. Es sei dann die Polizei gekommen, alle Krankenhäuser und Geschäfte seien geschlossen worden. Weil sie dort gewesen sei und all die Jahre im Haus ihrer Freunde gelebt habe, habe sie mit ihren Freunden mitgemacht bei diesen Demonstrationen und beim Streik. Sie habe ihre Freunde unterstützt und auch für die Sache mobilisiert. Damit meine sie, dass sie Transparente gehabt habe. Sie hätten dann die Polizei geschickt, dies sei im Dezember 2016 gewesen. Es habe auch Hunderte Tote gegeben. Als sie gesehen hätten, dass das Ganze sehr große Ausmaße annehme, hätten sie sie eingekreist und in die Zelle gesteckt. In den Zellen hätten sie sie gefoltert und geprügelt. Sie hätten ihnen nichts zu essen und zu trinken gegeben. Nach einigen Tagen hätten sie ihnen die Bedingung für die Freilassung genannt, nämlich dass sie nicht mehr demonstrieren sollten. Sie hätten ihr die Fingerabdrücke abgenommen und sie fotografiert. Nach diesen Anhaltungen und Folterungen hätte sie keinen Mut mehr gehabt, weiterzumachen. Sie hätten nicht mehr demonstrieren wollen. Sie habe tagelang das Haus nicht mehr verlassen und sich versteckt. Ein Freund habe ihnen dann mitgeteilt, dass die Polizei sie suche. Da habe sie dann den Entschluss gefasst, das Land zu verlassen, um einer weiteren möglichen Verfolgung zu entgehen. Auf Frage, wann genau die Demonstration stattgefunden habe, die für ihre Verhaftung ausschlaggebend gewesen sei, führte die Beschwerdeführerin an, dass sie am 10.1.2017 verhaftet worden sei, aber das genaue Datum wisse sie nicht. Die Demonstration sei nicht am 10. Januar gewesen, sondern Anfang Jänner 2017. Es sei am ersten Tag des neuen Jahres, am 1. Januar, gewesen. Auf Nachfrage, ob auch am 10.1.2017, als sie verhaftet worden sei, eine Demonstration stattgefunden habe, gab sie an, dass eine stattgefunden habe und sie direkt von dort verhaftet worden sei. Es seien Tausende verhaftet worden. Wenn sie Tausende sage, dann meine sie Hunderte. Diese Menschen seien in Zellenkäfige untergebracht worden, es sei ein Raum ohne Fenster gewesen. Die Demonstration am 10.01.2017 sei ein Marsch gewesen und habe überall in Bamenda stattgefunden. Sie hätten Transparente getragen. Auf Frage, wer Hauptorganisator der Demonstration gewesen sei, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie dies gewesen sei mit ihren Freunden. Das Stadion befinde sich im Viertel "Sweet Quarter". Sie seien vom Stadion aus durch alle Viertel marschiert und dann zum großen Boulevard Commercial Center gekommen. Auf Frage, wie genau die Route verlaufen sei, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie einfach von einem Viertel zum anderen gegangen seien. Die einzelnen Straßen, die sie passierten, könne sie nicht mehr nennen. Sie selbst sei französischsprachig geboren und zwar im englischsprachigen Landesteil. Sie unterstütze beide Bevölkerungsteile. Auf Nachfrage, ob es Medienberichte über sie als Organisatorin der Demonstrationen im Jänner 2017 gegeben habe, gab die Beschwerdeführerin an, das im Radio ihr Name genannt worden sei. Befragt, wie viele Demonstrationen sie organisiert habe, gab sie an das sie zehn organisiert habe: vom ersten bis zum 10.1.2017. Vom ersten bis zum 9. Januar habe sie keine Polizei gesehen. In ihrer Zelle seien ca. 40 Personen gemeinsam gewesen. Nach drei Tagen seien Polizisten gekommen und hätten die Namen aufgenommen. Es habe keine Tür gegeben, sondern nur Eisenstangen. Nach ihrer Freilassung habe sie sich zu Hause in "Sweet Quarter" versteckt. Auf Vorhalt, dass sie am 13.5.2017 angegeben habe, am 18.3.2015 den Entschluss gefasst zu haben, Kamerun zu verlassen, führte die Beschwerdeführerin an, dass der Herr dies nicht richtig verstanden habe.

3. Mit dem Bescheid vom 07.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Kamerun (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde und führte zusammengefasst aus, dass die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig seien und zum Teil die Situationen in Kamerun nicht in zutreffender Weise wiedergeben würden. In der Folge wurde auch der Beweiswürdigung der belangten Behörde entgegengetreten. Weiters wurde angeführt, dass sich die Beschwerdeführerin einer Hüftoperation unterzogen habe und sich in laufender medizinischer Behandlung befinde und derzeit Schmerzmittel nehmen müsse. Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

5. Mit Schreiben vom 18.12.2018 verwies die Beschwerdeführerin nach Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens auf mediale Berichte im Zusammenhang mit den sich zeitlich eindeutig einzuordnenden Demonstrationen in der Stadt Bamenda. Außerdem wurden Artikel zur jetzigen Situation in Kamerun vorgelegt. Schließlich wurde erstmalig vorgebracht, dass die notwendigen medizinischen Eingriffe auf die stattgefundenen Misshandlungen der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Festnahme sowie Anhaltung zurückzuführen seien.

6. Am 11.1.2019 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem BVwG, Außenstelle Innsbruck statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist ledig und hat eine Tochter, die in Kamerun aufhältig ist. Sie ist Staatsangehörige von Kamerun und gehört der Volksgruppe der Bamileke und der französischsprachen Mehrheit an. Ihre Identität steht nicht fest.

In Österreich hatte sie eine Hüftoperation und eine Myomentfernung. Bereits in Kamerum wurde bei ihr eine Myomextirpation vorgenommen. Weiters wurde asthma bronchiale bei ihr diagnostiziert. Die Beschwerdeführerin ist derzeit in keiner medizinischen Behandlung, sie nimmt keine Medikamente ein und ist arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin reiste illegal aus Kamerun nach Österreich ein. Sie hält sich seit (mindestens) 13. April 2017 in Österreich auf.

Die Familie der Beschwerdeführerin bestehend aus der Mutter, drei Geschwistern und einer Tochter lebt in Kamerun. In Österreich verfügt die Beschwerdeführerin über keine Verwandten und über keine familiären Beziehungen.

Die Beschwerdeführerin besuchte 10 Jahre lang die Schule in Kamerun und handelte danach mit Kleidung und Modeschmuck und konnte sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt finanzieren.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht vorbestraft.

Sie bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin hat keinen Deutschkurs absolviert und konnte in der Verhandlung ohne Dolmetscherin weder die Fragen verstehen noch auf Deutsch antworten. Sie geht in ihrer Gemeinde einmal wöchentlich zu einem Treffen, um Deutsch zu lernen und hat Kontakt zu ihrem Betreuer. Darüberhinaus verfügt sie über keine sozialen Kontakte.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführerin:

Es ist der Beschwerdeführerin nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr in Kamerun aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen. Das Fluchtvorbringen, dass die Beschwerdeführerin Demonstrationen für mehr Rechte der englischsprachigen Minderheit in Bamenga organisiert und deshalb verhaftet wurde, war nicht glaubhaft.

Die Beschwerdeführerin wird im Fall ihrer Rückkehr nach Kamerun mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Kamerun:

1.2. Zur Situation in Kamerun:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers werden anhand des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand 23.03.2017) zu Kamerun folgende Feststellungen getroffen:

Kl vom 30.10.2018: Paul Biya gewinnt Präsidentschaftswahlen (Relevant für Abschnitt 2/ Politische Lage: Abschnitt 13. und 13.1/ Versammlungs- und

Vereinigungsfreiheit/Opposition

Von vereinzelten Unruhen begleitet wurde am Sonntag, den 7.10.2018, in Kamerun Präsident Biya zum siebten Mal wiedergewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. NZZ 7.10.2018, DW 22.10.2018). Der seit fast 36 Jahren amtierende Staatschef Paul Biya lag mit 71,28% der Stimmen vor dem neuen Führer der Opposition, Maurice Kamto vom Mouvement pour la renaissance du Cameroun (MRC) mit 14,23% (BAMF 29.10.2018; vgl. JA 22.10.2018a, TAZ 22.10.2018). Dritter wurde der Jugendkandidat Cabral Libii mit rund 6%. Die ehemals starke Oppositionskraft SDF (Sozialdemokratische Front), in den anglophonen Landesteilen an zweiter Stelle, landet landesweit bei 3% (TAZ 22.10.2018).

Die Opposition hält den Wahlsieg von Präsident Biya für Betrug (TAZ 28.10.2018). Kandidat Kamto erkennt die Wahlergebnisse nicht an. Er beklagt, dass es in sieben Regionen Kameruns zu Wahlbetrug gekommen sei (JA 22.10.2018a). Eine Klage der Opposition wegen Wahlbetrugs wurde vom Verfassungsgericht allerdings zurückgewiesen (BAMF 29.10.2018; vgl. DF 27.10.2018, TAZ 28.10.2018).

Die Wahlbeteiligung betrug landesweit knapp 54%; in den beiden anglophonen Regionen Nordwest und Südwest betrug die Wahlbeteiligung nur 5% bzw. 16% (BAMF 29.10.2018; vgl. TAZ 22.10.2018) - viele Kameruner standen gar nicht auf den Wahllisten; bei 25 Millionen Einwohnern gab es nur 3,6 Millionen abgegebene Stimmen (TAZ 22.10.2018). In den beiden anglophonen Regionen Nordwest und Südwest war zum Wahlboykott aufgerufen worden (BAMF 29.10.2018; vgl. NZZ 7.10.2018), im englischsprachigen Westen wächst der Widerstand (DF 27.10.2018). Seitdem protestiert die Opposition (TAZ 28.10.2018) und im englischsprachigen Landesteil kam es zu Unruhen (NZZ 7.10.2018). Die Reaktion des Staates ist genauso hart wie erwartet. Die Regierung duldete keine "Unordnung" und nahm Protestierende fest (TAZ 28.10.2018). In Bamenda und Orten im Südwesten beschossen sich Sicherheitskräfte und Separatisten (NZZ 7.10.2018). Laut Augenzeugen ist es auch in der Stadt Buea zu Schusswechseln gekommen (NZZ 7.10.2018; vgl. TAZ 22.10.2018). In dieser Region waren nur einige wenige Wahllokale eingerichtet worden, damit diese ausreichend geschützt werden konnten (NZZ 7.10.2018).

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 7.10.2018, stand schon viel früher fest, sagen Regierungskritiker (TAZ 22.10.2018) und es kam nicht überraschend, dass der Verfassungsrat am 22.10.2018 den Sieg von Paul Biya verkündete (JA 22.10.2018a; vgl. JA 22.10.2018b). Im Hauptsitz des Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais (RDPC) wurden die Eingänge von uniformierten Polizisten und die Anlage selbst von einem halben Dutzend bewaffneter Soldaten bewacht. Die Straßen und großen Kreuzungen von Yaounde und Douala wurden von Sicherheitskräften und der Armee überwacht, da befürchtet wurde, dass sich nach der Bekanntgabe der Ergebnisse eine Protestbewegung ausbreiten würde (JA 22.10.2018b).

Die englischsprachige Minderheit fühlt sich seit langem von der frankophonen Mehrheit benachteiligt (DF 27.10.2018; vgl NZZ 7.10.2018). Anfang 2016 gingen zunächst Anwälte auf die Straße, später Lehrer und die Zivilgesellschaft. Der Staat reagierte mit harter Hand - es gab mehrere Tote, Dutzende Verhaftete und eine dreimonatige Internetblockade für die gesamte Region. Daraufhin gründeten sich mehrere bewaffnete Widerstandsgruppen (DF 27.10.2018). Der Konflikt eskalierte 2017 mit den Bestrebungen nach staatlicher Unabhängigkeit, nachdem Separatisten die Republik "Ambazonia" ausriefen (NZZ 03.10.2018). Biya geht einerseits mit harter Hand gegen die Autonomiebestrebungen in den beiden anglophonen Regionen vor, andererseits spielt er den Konflikt herunter (NZZ 03.10.2018).

Neben der Zukunft des unruhigen anglophonen Landesteils gilt die wirtschaftliche Entwicklung als entscheidend für Kamerun. Ausgerechnet der anglophone Südwesten ist reich an Ressourcen. Dort wird nicht nur Rohöl gefördert, auch Exportgüter wie Palmöl und Kakao werden angebaut. In den vergangenen Monaten sind zahlreiche Menschen aus den anglophonen Konfliktgebieten nach Douala und ins Nachbarland Nigeria geflohen. Die Landwirtschaftsbetriebe liegen seitdem brach (TAZ 22.10.2018)."

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (29.10.2018): Briefing Notes, Kamerun, Zugriff 30.10.2018

-

DF - Deutschlandfunk (27.10.2018): Die anglofone Minderheit begehrt auf,

https://www.deutschlandfunk.de/separatisten-in-kamerun-die-anglofone-minderheit-

beaehrt-auf.799.de.html?dram:article id=431644. Zugriff 30.10.2018

-

DW - Deutsche Welle (22.10.20181: Cameroun : septieme mandat pour Paul Biva.

https://www.dw.com/fr/cameroun-septi%C3%A8me-mandat-pour-paul-biya/a-

45992029. Zugriff 30.10.2018

-

JA - Jeune Afrique (22.10.2018a): Cameroun : Paul Biya officiellement reelu pour un septieme mandat, avec 71,28% des voix,

https://www.jeuneafrique.com/648841/politique/cameroun-paul-biya-officiellement-

reelu-pour-un-septieme-mandat-avec-7128-des-voix/. Zugriff 30.10.2018

-

JA - Jeune Afrique (22.10.2018b): Politique, Presidentielle au Cameroun : securite renforcee ä l'annonce de la victoire de Paul Biya,

https://www.jeuneafrique.com/651267/politique/presidentielle-au-cameroun-securite-

renforcee-et-tensions-a-lannonce-de-la-victoire-de-paul-biva/. Zugriff 30.10.2018

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (3.10.2018): Kamerun im Würgegriff seines Patriarchen,

https://www.nzz.ch/international/kamerun-im-wuergegriff-seines-patriarchen-

Id.1425124. Zugriff 30.10.2018

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (7.10.2018): Unruhen bei Präsidentenwahl in Kamerun,

https://www.nzz.ch/international/praesidentenwahl-in-kamerun-ld.1426499.

Zugriff

30.10.2018

KI vom 5.6.2018: Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen und verhaftet anglophone Aktivisten zu langjährigen Haftstrafen

22 Menschen wurden am Freitag, den 25.5.2018, bei einem Zusammenstoß zwischen der Armee und einer Gruppe von "Kriminellen" im englischsprachigen Nordwesten Kameruns getötet, erfuhr die AFP am Samstag von einem Abgeordneten der Opposition (JA 26.5.2018). Im unruhigen englischsprachigen Teil von Kamerun hat die Armee mindestens 22 Menschen getötet. Die Zusammenstöße ereigneten sich im Dorf Menka im Westen des Landes, wie Nji Tumasang, ein Politiker der Oppositionspartei Sozialdemokratische Front (SDF), mitteilte. Die Armee bestätigte den Vorfall und bezeichnete die Getöteten als "Terroristen". Die Armee erklärte, sie habe in dem Ort "mehrere Terroristen neutralisiert" (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018; JA 26.5.2018). Der Armee sei gemeldet worden, dass sich in Menka "eine Gruppe von Terroristen" aufhalte, erklärte ein Armeesprecher im Online-Netzwerk Facebook. Soldaten hätten daraufhin ein Hotel umstellt und sich einen "langen Schusswechsel" mit den Bewohnern geliefert. Bewohner bestätigten, dass es eine Schießerei gegeben habe und in den Hotelzimmern mehrere Leichen gefunden worden seien (DS 27.5.2018; vgl. DW 27.5.2018).

Die Sicherheitskräfte gehen in der Region seit Ende 2016 gegen Separatisten vor, die eine Abspaltung des englischsprachigen Westen Kameruns vom französischsprachigen Rest des Landes fordern. Die Separatisten setzen sich für die Unabhängigkeit zweier Regionen im Westen Kameruns ein, in denen der überwiegende Teil der englischsprachigen Bevölkerung lebt. Etwa ein Fünftel der Kameruner gehört der anglophonen Minderheit an, die übrigen Bewohner des zentralafrikanischen Landes bilden die französischsprachige Mehrheit. Die sprachliche Aufteilung des Landes ist eine Folge der Kolonialzeit. Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt eine Diskriminierung der Anglophonen durch die Frankophonen. Sie erklärte im Oktober 2017 symbolisch die Unabhängigkeit der "Republik Ambazonia", nachdem Kameruns Präsident Paul Biya ihre Forderung nach mehr Autonomie zurückgewiesen hatte (DW 27.5.2018). Seit Ende 2017 hat sich die Sicherheitslage in den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens erheblich verschlechtert, da bewaffneten Separatistengruppen vermehrt Gewaltaktionen gegen Staatssymbole (Gendarmerieangriffe, Entführungen von Beamte, Auseinandersetzungen mit der Armee) unternahmen (JA 7.4.2018). In den englischsprachigen Regionen des Nordwestens und Südwestens kam es seit 2016 fast täglich zu Kämpfen zwischen den kamerunischen Sicherheitskräften und bewaffneten Männern, die die "Wiederherstellungskräfte" eines englischsprachigen Staates forderten (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Nach Angaben der International Crisis Group (ICG) wurden seit Ende 2016 "mindestens 120" Zivilisten und "mindestens 43" Mitglieder der Sicherheitskräfte getötet (JA 7.4.2018; vgl. JA 26.5.2018). Yaoundé reagierte mit Gewalt und setzte einen starken Sicherheitsapparat ein. Die Armee wurde mehrfach des Missbrauchs durch Zeugenaussagen in der Presse und in sozialen Netzwerken beschuldigt (JA 7.4.2018).

Die tiefe Krise, die Yaoundé in seinen englischsprachigen Regionen durchlebt, könnte die Präsidentschaftswahlen Ende 2018 stören (7.4.2018).

Zudem verurteilte ein Militärgericht in Yaounde am 28.5.2018 sieben anglophone Aktivisten zu Haftstrafen zwischen zehn und 15 Jahren (BAMF 28.5.2018; vgl. BBC 26.5.2018) sowie zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von je rund 41.000 Euro. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Der bekannteste der Angeklagten ist Mancho Bibixy, ein Radiomoderator aus der englischsprachigen Region Nordwest, der wegen Terrorismus, Feindseligkeit gegen das Heimatland, Sezession, Revolution und Aufstand zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte am 21.11.2016 in Bamenda zu Demonstrationsteilnehmern gesprochen und dabei die Marginalisierung der englischsprachigen Minderheit in Kamerun kritisiert (BAMF 28.5.2018; vgl BBC 26.5.2018). Im Jänner 2017 waren er und die weiteren Angeklagten verhaftet worden (BAMF 28.5.2018).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (28.5.2018): Briefing Notes, Kamerun, Zugriff 4.6.2018

-

BBCNews Africa (26.5.2018): Cameroon military court jails Anglophone activists, http://www.bbc.com/news/world-africa-44263218, Zugriff 4.6.2018

-

JA - Jeune Afrique (26.5.2018): Cameroun: 22 morts vendredi lors d'un affrontement en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/562827/politique/cameroun-22-morts-vendredi-lors-dun-affrontement-en-zone-anglophone/ Zugriff 4.6.2018

-

JA - Jeune Afrique (7.4.2018): Cameroun: un défenseur des droits humains accuse l'armée d'exactions en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/549425/politique/cameroun-un-defenseur-des-droits-humains-accuse-larmee-dexactions-en-zone-anglophone/, Zugriff 4.6.2018

-

DS - der Standard (27.5.2018): Mindestens 22 Tote bei Gewalt im Westen Kameruns,

https://derstandard.at/2000080493197/Mindestens-22-Tote-bei-Gewalt-im-Westen-Kameruns, Zugriff 28.5.2018, Zugriff 4.6.2018

-

DW- Deutsche Welle (27.5.2018): Kameruns Armee tötet im anglophonen Westen 22 Menschen, http://www.dw.com/de/kameruns-armee-t%C3%B6tet-im-anglophonen-westen-22-menschen/a-43945919, Zugriff 4.6.2018

KI vom 2.5.2018: Anhalten der Proteste und Gewalt in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun

Als Anfang Oktober 2017 der "Präsident" Sisiku Ayuk die Unabhängigkeit Ambasoniens ausrief, löste diese eine schwere Krise aus (DS 1.2.2018). Diese einseitige Proklamation der unabhängigen Republik "Ambazonie" markierte einen Wendepunkt und Zehntausende von Menschen flohen (JA 17.2.2018). Die Unabhängigkeitsbewegung beklagt die Diskriminierung der Anglophonen durch die französischsprachige Mehrheit. Präsident Paul Biya reagiert mit aller Härte und ordnet immer wieder Durchsuchungen und Reisebeschränkungen an (TS 4.4.2018). Die Armee reagierte mit dem Einsatz von Kampfhubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen, um den zunehmenden, bewaffneten Aufstand niederzuschlagen (JA 17.2.2018). Mindestens 40 Militärangehörige und mehr als 500 Zivilisten wurden seit Ausbruch der sogenannten anglophonen Krise Ende 2016 im englischsprachigen Raum Kameruns getötet, so das Central African Human Rights Defenders Network (REDHAC). Darüber hinaus sind nach Angaben des UNHCR mehr als 7.000 Menschen in den Bundesstaat Cross River in Nigeria geflohen. Die nigerianische Emergency Management Agency (SEMA) nennt eine Zahl von 28.000 Menschen (AN 14.4.2018). Nach anderen Angaben sind in den vergangenen Monaten bereits 43.000 Menschen ins benachbarte Nigeria geflohen. Sie verweilen zumeist in den Grenzregionen, etwa in Danare oder Boki. Unten ihnen befinden sich auch politisch Aktive, die Guerilla-Attacken organisieren. Die große Mehrheit sucht aber einfach nur Schutz vor der kamerunischen Regierungsgewalt - Verhaftungen stehen dort an der Tagesordnung. Den Schutz, den sie suchen, finden sie in Nigeria nur bedingt. Wenn Nigeria "Separatisten" aufspürt, liefert das Land sie an Kamerun aus. Außerdem will Nigeria verhindern, Separatisten im eigenen Land zu inspirieren (DS 1.2.2018). Die Menschen in den Flüchtlingslagern sind kampfbereit und die Zahl der potenziellen Kämpfer wird auf rund 5.000 geschätzt (JA 17.2.2018).

Mit Beginn des Jahres stand Präsident Biya noch immer vor einer der größten Krisen des Landes. Diese Krise war nicht neu, das Ausmaß der Eskalation schon. Truppen der Armee spüren weiterhin geflohene separatistische Rebellen in Niger auf (DS 1.2.2018) und Nigerias Nationaler Sicherheitsberater bekräftigte, dass Nigeria bereit sei, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um nicht als Transitzone benutzt zu werden (JA 8.2.2018). Mitte Jänner 2018 äußerte sich Amnesty International besorgt über das Schicksal der in Nigeria inhaftierten Separatisten, die "mit Folter bedroht werden könnten und in ihr Heimatland einem unfairen Prozess ausgesetzt wären" (JA 31.1.2018). Der Anführer der anglophonen Separatistenbewegung, Sisiku Ayuk Tabe, wurde bereits am 5. Jänner 2018 zusammen mit 9 seiner Anhänger in einem Hotel in Abuja verhaftet (JA 8.2.2018; vgl. JA 31.1.2018).

Als Reaktion auf den Einsatz der kamerunischen Armee entwickelte sich die gesellschaftspolitische Krise in den Regionen des Nordwestens und Südwestens Kameruns allmählich zu einem bewaffneten Konflikt geringer Intensität, der durch isolierte Angriffe auf die Symbole des Staates (Gendarmerie, Entführungen von Beamten, Zusammenstöße mit der Armee), gekennzeichnet sind (JA 12.4.2018; vgl. AN 14.4.2018, JA 23.4.2018). Der Westen des Landes wurde in der Vergangenheit wirtschaftlich kaum bedacht, während etwa Biyas Heimatprovinz im Süden die meisten Infrastrukturgelder erhielt. Die Regionen der anglophonen Bevölkerung werfen der Regierung außerdem zunehmend eine "Französisierung" vor. Weil die Regierung auf diesen wachsenden Unmut zumeist mit Ignoranz reagierte, organisierten Anglophone immer öfter Demonstrationen, die zum Teil in Gewalt eskalierten (DS 1.2.2018).

Die Separatisten, die für die Unabhängigkeit des englischsprachigen Teils Kameruns kämpfen, forderten die Vertreter und Sicherheitskräfte Kameruns auf, ihr Territorium zu verlassen (JA 12.4.2018).

Der Anführer der Ambazonian Defence Forces (ADF) ist Lucas Cho Ayaba. Der ADF bildet zusammen mit drei weiteren Milizen - den Southern Cameroons Defence Forces (SOCADEF), den Southern Cameroons Defence Forces (SCDF) und der Ambazonia Restoration Army (ARA) - die Hauptkräfte, deren Gesamtzahl an Kombattanten auf über 300 geschätzt wird, so die International Crisis Group (ICG). Daneben gibt es etwa zehn gewalttätige Gruppen oder Selbstverteidigungsgruppen mit durchschnittlich zehn bis 30 Mitgliedern (JA 17.2.2018).

Laut eigenen Angaben verfolgen die Separatisten zwei Ziele bei der "Verteidigung" der Heimat: sie unregierbar zu machen und die Kosten der "Besatzung" (durch die kamerunische Armee) zu erhöhen (JA 17.2.2018).

In Kamerun wurde berichtet, dass Dörfer im englischsprachigen Nordwesten in Brand gesteckt wurden und Hunderte von Bewohnern wegen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Rebellen geflohen seien. Das Militär behauptet, dass bewaffnete Separatisten mindestens acht Dörfer im Nordwesten Kameruns niedergebrannt haben; jedoch erklärten die Bewohner, dass das Feuer vom Militär gelegt wurde (VOA 20.4.2018).

Zudem kam es in der anglophonen Zone zu einem bewaffneten Angriff auf den Konvoi des Gouverneurs. Quellen berichteten von Schüssen und mehreren Verwundeten im Konvoi (JA 23.4.2018).

Es scheint wenig Hoffnung auf einen Dialog zu geben. Präsident Paul Biya meint, er werde keine Gespräche führen, die die nationale Einheit bedrohen (VOA 20.4.2018). Somit ist eine Entspannung der Situation noch nicht in Sicht. Kameruns Bevölkerung soll darüber hinaus dieses Jahr zu den Urnen, um ihren Langzeitpräsidenten Biya wieder zu wählen (DS 1.2.2018).

Quellen:

-

AN- AfricaNews.fr (14.4.2018): Cameroun: des attaques armées sanglantes dans la zone anglophone (médias), http://fr.africanews.com/2018/04/14/cameroun-des-attaques-armees-sanglantes-dans-la-zone-anglophone-medias/, Zugriff 30.4.2018

-

DS - derStandard.at (1.2.2018): 43.000 Flüchtlinge:

Kamerun-Konflikt droht zu eskalieren, https://derstandard.at/2000073449239/43-000-Fluechtlinge-Kamerun-Konflikt-in-droht-zu-eskalieren, Zugriff 30.4.20188

-

JA - Jeune Afrique (31.1.2018): Cameroun : opération des forces de sécurité camerounaises au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/525808/politique/cameroun-operation-des-forces-de-securite-camerounaises-au-nigeria/, Zugriff 30.1.2018

-

JA - Jeune Afrique (8.2.2018): Cameroun : interrogations autour de l'extradition des séparatistes arrêtés au Nigeria, http://www.jeuneafrique.com/527777/politique/cameroun-interrogations-autour-de-lextradition-des-separatistes-arretes-au-nigeria/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (17.2.2018): Au Cameroun anglophone, les séparatistes armés dans une logique de guérilla, http://www.jeuneafrique.com/532575/politique/au-cameroun-anglophone-les-separatistes-armes-dans-une-logique-de-guerilla/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (11.4.2018): Cameroun : la situation humanitaire en zone anglophone inquiète l'ONU et des ONG, http://www.jeuneafrique.com/550331/politique/cameroun-la-situation-humanitaire-en-zone-anglophone-inquiete-lonu-et-des-ong/, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (12.4.2018): Cameroun : libération d'un ex-magistrat enlevé en zone anglophone, http://www.jeuneafrique.com/551001/politique/cameroun-liberation-dun-ex-magistrat-enleve-en-zone-anglophone/, Zugriff 30.4.2018

-

TS - tagesschau.de (4.4.2018): Touristen in Kamerun: Verwirrung um Geiselnahme,

https://www.tagesschau.de/ausland/touristen-kamerun-101.html, Zugriff 30.4.2018

-

VOA - Voice of America; in AllAfrica: Cameroon (20.4.2018):

Villages Burn as Troops Clash With Separatists, http://allafrica.com/stories/201804200241.html, Zugriff 30.4.2018

-

JA - Jeune Afrique (23.4.2018): Cameroun: attaque du convoi d'un gouverneur en zone anglophobe

http://www.jeuneafrique.com/553914/politique/cameroun-attaque-du-convoi-dun-gouverneur-en-zone-anglophobe/, Zugriff 30.4.2018

KI vom 23.10.2017: Verhaftungen und Todesfälle bei Demonstrationen in den englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun

Die Lage im Kamerun ist angespannt (DW 3.10.2017). Kameruns Anglophonen-Krise erreichte einen neuen Tiefstand (IRIN 4.10.2017), als laut Amnesty International, im Zuge der Proteste für die Unabhängigkeit der englischsprachigen Regionen Süd- und Nordwest Kamerun (BAMF 16.10.2017; vgl. DW 3.10.2017), Sicherheitskräfte zwischen 17 und 20 Menschen töteten (DS 2.10.2017; vgl. DW 3.10.2017, BAMF 16.10.2017). Ferner kam es vom 1.10. bis 8.10.2017 zu willkürlichen Verhaftungen in beiden Regionen. In Bamenda (Hauptstadt der Region Nordwest) wurden mindestens 200 Personen und in Buea (Hauptstadt der Region Südwest) mindestens 300 in überfüllte Haftanstalten gebracht (BAMF 16.10.2017; vgl. DM 16.10.2017). Die Regierung reagiert mit Repression, weil sich die englischsprachigen 20 Prozent der Kameruner zunehmend durch die französischsprachige Zentralregierung unterdrückt sehen und an eine Abspaltung vom Staat denken. Als sich mit Demonstrationen von 50.000 Menschen, eine neue Protestwelle abzeichnete, kam es zum Einsatz des Militärs (DS 2.10.2017).

Anführer der Proteste proklamierten symbolisch am Sonntag, 1.10.2017, die Unabhängigkeit des selbst ernannten Staates "Ambazonia" (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017, JA 12.10.2017), bestehend aus den beiden anglophonen Provinzen des Landes an der Grenze zu Nigeria (DW 3.10.2017; vgl. DS 2.10.2017). Die Proteste wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam unterdrückt: 10 Tote laut Regierung, 17 laut Amnesty International, 100 laut dem Zentralafrikanischen Netzwerk für Menschenrechtsverteidiger (JA 12.10.2017; vgl. DW 3.10.2017).

Bereits im Dezember 2016 kam es in Bamenda und in der Universitätsstadt Buea zu heftigen Ausschreitungen. Polizei und Armee griffen brutal ein. Staatlich gelenkten Medien informieren nicht objektiv, so dass Falsch- und Hassmeldungen große Wirkung entfalten können. Viele Kameruner bestätigen, dass sie verunsichert sind und gar nicht wissen, wer eigentlich hinter den einzelnen Protestaktionen steckt. Das führt auch dazu, dass viele Angestellte und Geschäftsleute in den anglophonen Regionen seit Wochen montags zu Hause bleiben. Per anonymen Anruf oder SMS wird montags "Ghosttown" ausgerufen - alle Geschäfte und Märkte bleiben zu. Man weiß nicht, ob die Anordnungen aus Überzeugung oder aus Angst befolgt werden (DF 6.5.2017).

Viele englischsprachige Kameruner protestieren seit fast einem Jahr gegen Benachteiligung, die sich nach ihrer Ansicht in sprachlicher Diskriminierung, mangelnder Repräsentation in staatlichen Instanzen sowie in einer zunehmenden Zentralisierung niederschlägt (DS 2.10.2017). Die Wurzel des Missstands liegt in der Wut über die Unterentwicklung der Region, ihrer fehlenden politischen Repräsentation und der wahrgenommenen Erosion eines anglophonen Kulturerbes (IRIN 4.10.2017). Gemäß einer Meldung der UN-Nachrichtenagentur IRIN vom Oktober 2017 hat sich die Aufruhr im Zuge der Forderung nach einer Rückkehr zu einem längst aufgelösten föderalistischen System insofern verstärkt, als nun auch zunehmenden Forderungen nach völliger Sezession geäußert werden (JA 2.10.2017; vgl. IRIN 4.10.2017). Diese Szenarien werden von Yaoundé kategorisch abgelehnt (JA 2.10.2017) und Demonstranten werden als "Terroristen" bezeichnet (DS 2.10.2017). Statt mit politischen Gesprächen auf die Beschwerden einzugehen, versucht Präsident Biya die Revolte mit Gewalt zu zerschlagen. Mit solchen Maßnahmen erzielt der Präsident das Gegenteil seiner Absicht: Nachdem die Westkameruner zunächst nur die Wiederherstellung der Föderation gefordert hätten, treten sie nun immer mehr für eine Abspaltung ein (DS 2.10.2017).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.10.2017): Briefing Notes, Kamerun, AI: Mindestens 500 Personen nach Demonstrationen inhaftiert, Zugriff 16.10.2017

-

DF - Deutschlandfunk.de (6.5.2017): Anglofone Minderheit streikt für das Recht auf Selbstbestimmung, http://www.deutschlandfunk.de/kamerun-anglofone-minderheit-streikt-fuer-das-recht-auf.799.de.html?dram:article_id=385538, Zugriff 19.10.2017

-

DM - Daily Mail Online (16.10.2017): Cameroon premier in troubled anglophone region for 'dialogue', http://www.dailymail.co.uk/wires/afp/article-4986008/Cameroon-premier-troubled-anglophone-region-dialogue.html, uen Staat in Kamerun,

http://derstandard.at/2000065196591/Grossproteste-fuer-neuen-Staat-in-Kamerun, Zugriff 19.10.2017

-

DW - Deutsche Welle (3.10.2017): Amnesty: Tote bei Protesten in Kamerun,

http://www.dw.com/de/amnesty-tote-bei-protesten-in-kamerun/a-40785242, Zugriff 19.10.2017

-

IRIN - Integrated Regional Information Network (4.10.2017):

Cameroon's descent into crisis: the long history of anglophone discord,

http://www.irinnews.org/news/2017/10/04/cameroon-s-descent-crisis-long-history-anglophone-discord, Zugriff 19.10.2017

-

JA - Jeune Afrique (2.10.2017): Cameroun anglophone : sept morts en marge de la proclamation symbolique d'indépendance, http://www.jeuneafrique.com/479228/politique/cameroun-anglophone-sept-morts-en-marge-de-la-proclamation-symbolique-dindependance/, Zugriff 19.10.2017

-

JA - Jeune Afrique (12.10.2017): Cameroun : comment éviter la fracture? francophone-anglophone?, http://www.jeuneafrique.com/mag/481489/politique/cameroun-comment-eviter-la-fracture%e2%80%89-francophone-anglophone/, Zugriff 19.10.2017

Politische Lage

Kamerun ist eine Präsidialrepublik. Zwar kann die Staatsform als semipräsidentiell bezeichnet werden, d.h. es gibt neben dem Präsidenten als zweite Exekutivgewalt den Regierungschef (= Premierminister), dessen Regierung dem Parlament verantwortlich ist, aber die Verfassung sichert dem Staatspräsidenten - seit 1982 ist dies Paul Biya - eine überragende Stellung (GIZ 2.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017). Legislative und Justiz haben nur geringe Kontrolle über die Exekutive (BS 2016).

Das Land wird seit 1966 von der Partei "Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais" (RDPC, bis 1985 "Union Nationale Camerounaise") regiert. Staatspräsident Paul Biya (82 Jahre) regiert seit 1982. Die nächsten Präsidentenwahlen finden turnusgemäß 2018 statt. Nach Einführung des Mehrparteiensystems fanden 1992 zum ersten Mal Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese und nachfolgende Wahlen verliefen nicht ganz regulär. Die seit 1996 geltende Verfassung ist eine Präsidialverfassung nach französischem Vorbild und sieht die Schaffung eines Verfassungsgerichts vor, was allerdings bis heute nicht geschehen ist. Das politische System Kameruns ist auf den Präsidenten ausgerichtet, der die verschiedenen politischen, ethnischen und regionalen Kräfte im Lande so an der Macht beteiligt, dass sie in einer effizient austarierten Balance verharren (AA 9.12.2016).

Die jetzt gültige Verfassung ist die 3. seit dem Erlangen der Unabhängigkeit im Jahr 1960. Diese 3. Verfassung wurde unter Biya inzwischen dreimalig einer Revision unterzogen: 1984, in der Phase der Machtkonsolidierung Biyas, wurde der Staat in "Republik Kamerun" umbenannt und die Provinzgrenzen neu gezogen. 1996 wurden die Weichen für eine moderate Dezentralisierung gestellt. So wurde die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer (Senat) beschlossen und die Amtszeit des Staatspräsidenten auf sieben Jahre, mit einmaliger Möglichkeit der Wiederwahl, festgesetzt. 2008 kam es zur vorläufig letzten Verfassungsänderung: die RDPC /CPDM nutzte ihre breite Parlamentsmehrheit und beschloss sowohl eine unbeschränkte Amtszeit des Präsidenten, als auch dessen Immunität über die Zeit der Präsidentschaft hinaus (GIZ 2.2017a).

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen Anfang Oktober 2011 wurde Paul Biya mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt und bleibt damit kamerunischer Präsident für die nächsten sieben Jahre. Paul Biya erhielt 78% der Stimmen. Gemäß offiziellen Angaben soll die Wahlbeteiligung bei 65% gelegen haben (GIZ 2.2017a; vgl. BS 2016). Mit ihren 22 Präsidentschaftskandidaten landete die Opposition weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war kaum überraschend, im Land herrscht Resignation hinsichtlich eines demokratischen Wandels vor, scharfe Kritik wird vor allem von den im Ausland lebenden Kamerunern geäußert (GIZ 2.2017a).

Parlaments- und Kommunalwahlen werden zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen abgehalten. Nach wiederholter Wahlterminverlegung (die Opposition hatte immer wieder Reformen des Wahlverfahrens angemahnt) fanden am 30. September 2013 die bislang letzten Parlaments- und Kommunalwahlen statt; - mit wenig überraschendem Ergebnis: Die RDPC/CPDM behauptete sich mit Abstand (GIZ 2.2017a). Ihr gehören 148 (zuvor 152) der 180 Abgeordneten an. Als größte Oppositionspartei stellt die SDF (Mitglied der Sozialistischen Internationale) 18 Abgeordnete, während 5 kleinere Parteien insgesamt 14 Sitze erhielten. Die Kommunalwahlen entschied die RDPC ebenfalls klar für sich: Sie kann in 305 Kommunen allein regieren, die Oppositionsparteien lediglich in 24 (AA 9.12.2016).

Am 14.4.2013 wurden zum ersten Mal Senatoren für die 2.Kammer gewählt - 17 Jahre nach Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlagen. Großer Gewinner war die RDPC/CPDM (GIZ 2.2017a; vgl. AA 9.12.2016). Senatspräsident ist der 81-jährige Marcel Niat Njifendji, ex-Vizepremierminister. Er würde im Falle der Amtsunfähigkeit des Staatspräsidenten übergangsweise dessen Amtsgeschäfte führen (AA 9.12.2016).

Die über 200 Parteien bieten kaum politische Alternativen: Die meisten Oppositionsparteien, so auch die SDF, kranken an ähnlich überkommenen Strukturen wie die Regierungspartei RDPC. Parteigründer sind oftmals gleichzeitig ewige Vorsitzende (in einigen Fällen inzwischen deren Söhne) und führen ihre Partei in autokratischem Stil. Zudem stützen sich die meisten Oppositionsparteien auf eine regionale Hochburg (meist der Herkunftsort des Vorsitzenden). So auch die SDF: 13 ihrer 18 Parlamentssitze errang sie in der anglophonen Region Nord-West, aus der Parteigründer und Vorsitzender John Fru Ndi (74 Jahre) stammt (AA 9.12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kamerun, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1481894779_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-republik-kamerun-stand-oktober-2016-09-12-2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Cameroon Country Report,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten