TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/21 I403 2209312-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2019
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Entscheidungsdatum

21.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2209312-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Anton Karner, Steyrergasse 103/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.10.2018, Zl. 1151334505/170541181, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsbürgerin, stellte am 05.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte sie, dass sie von ihrem Stiefvater schlecht behandelt worden sei und auch keine Arbeit mehr gehabt habe. Sie habe dann eine Frau kennengelernt, welche ihre Überfahrt nach Italien organisiert, dann aber verlangt habe, dass sie in Italien der Prostitution nachgehe, um die Reisekosten zurückzuzahlen. Die Beschwerdeführerin habe sich aber geweigert und das Geld für ein Zugticket nach Österreich erbettelt.

Das Verfahren wurde zugelassen und die Beschwerdeführerin am 28.03.2018 niederschriftlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Die Beschwerdeführerin führte aus, dass die Frau, welche sie nach Europa gebracht habe, sie auch in Österreich telefonisch kontaktiert und ihr gedroht habe. Sie müsse 25.000 Euro zurückzahlen, 5.000 Euro habe sie bereits beglichen. Daher würde sie nun der Prostitution nachgehen und ihren Lohn einer Person am XXXX Bahnhof übergeben. Sie und ihre Familie würden durch einen Voodoo-Kult bedroht werden. Vom Organwalter des BFA wurde die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit einer Unterstützung durch die Opferschutzeinrichtung LEFÖ aufgeklärt; sie gab an, mit der österreichischen Polizei kooperieren zu wollen. Zudem wurde die Beschwerdeführerin aufgeklärt, dass ihre Wohnsitzaufnahme in einem Nachtclub in einem anderen Bundesland nicht erlaubt sei. In weiterer Folge begab sich die Beschwerdeführerin in das Grundversorgungsquartier nach XXXX zurück.

Mit Bescheid des BFA, RD Salzburg, vom 23.10.2018, zugestellt am 25.10.2018, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 05.05.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 05.11.2018 Beschwerde erhoben und auf eine rechtsfreundliche Vertretung durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Anton Karner verwiesen. Es wurde beantragt, der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.11.2018 vorgelegt.

Am 26.12.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass die Beschwerdeführerin schwanger sei und es sich beim Vater des ungeborenen Kindes um einen subsidiär Schutzberechtigten aus Nigeria namens XXXX handeln würde.

Am 14.01.2019 wurde am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Verhandlung durchgeführt; die Beschwerdeführerin wurde unter Heranziehung einer Dolmetscherin für die englische Sprache einvernommen; sie wiederholte, Opfer von Frauenhandel zu sein. Ihr Lebensgefährte wurde als Zeuge einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest. Sie ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Edo, stammt aus XXXX und bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie hat in Nigeria neun Jahre die Schule besucht und erste Berufserfahrung als Angestellte in einem Lokal gesammelt.

Ihre Mutter, ein Halbbruder und zwei Halbschwestern leben in XXXX, ihr Vater ist verstorben. Sie steht in Kontakt zu ihrer Mutter.

Die Beschwerdeführerin hat Nigeria im September oder Oktober 2016 verlassen und hielt sich ab November 2016 in Italien auf, ehe sie Anfang Mai 2017 nach Österreich gekommen war.

Die Beschwerdeführerin war von 19.09.2017 bis 03.05.2018 in Österreich in einem Nachtclub wohnhaft, in dem sie als Prostituierte tätig war. Nach der Einvernahme durch das BFA kehrte sie in das Grundversorgungsquartier nach XXXX zurück und kam sie (zunächst) auch wieder ihrer Wohnsitzbeschränkung nach, ehe sie ihren Wohnsitz ab 19.11.2018 nach XXXX verlegte.

Die Beschwerdeführerin führt in Österreich seit etwa einem Jahr und vier Monaten eine Beziehung zu einem subsidiär Schutzberechtigten aus Nigeria. Dieser leidet an paranoider Schizophrenie. Seit etwa zwei Wochen (03.01.2019) besteht ein gemeinsamer Wohnsitz. Die Beschwerdeführerin befand sich am 21.12.2018 zwischen der vierten und der achten Schwangerschaftswoche.

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und ist erwerbsfähig.

Die Beschwerdeführerin weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht auf. Sie hält sich etwas weniger als zwei Jahre im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten, verletzte allerdings ihre Wohnsitzbeschränkung gemäß § 15c AsylG 2005.

Der Beschwerdeführerin droht keine Gefahr, in Nigeria von Menschenhändlern gegen ihren Willen erneut nach Europa verbracht zu werden bzw. von diesen andersweitig verfolgt zu werden. Ihr Vorbringen zu ihrer Verbringung nach Europa und die Bedrohung durch eine Frau, der sie Geld schulden würde, ist nicht glaubhaft.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin in der realen Gefahr ist, für den Fall einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.10.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Die wesentlichen Feststellungen lauten:

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Congress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten. Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel.

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Darüber hinaus sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nichtstaatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen.

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken Nigerian Police Force (NPF). Die NPF untersteht dem Generalinspektor der Polizei. Er ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Ihm unterstehen in jedem Bundesstaat Assistenten zur Leitung der Polizeikräfte. Bundesstaaten dürfen gemäß Verfassung über keine eigenen Sicherheitskräfte verfügen. In Notsituationen kann die Bundespolizei jedoch dem Gouverneur eines Staates unterstellt werden. Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein. Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee. Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten.

In Nigeria sind rund 50 Prozent der Bevölkerung Muslime, 40-45 Prozent Christen und 5-10 Prozent Anhänger von Naturreligionen. Der Norden ist überwiegend muslimisch, der Süden überwiegend christlich bzw. "christlich-animistisch". Allerdings gibt es im Norden, wo die moslemischen Hausa-Fulani überwiegen, auch signifikante Anteile christlicher Bevölkerung. Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist äußerst gespannt. Oft genügt ein geringer Anlass, um blutige Unruhen auszulösen. Ein Teil des Landes ist von starker Verfolgung betroffen (der Teil, der überwiegend von Muslimen bewohnt wird), wohingegen der andere, überwiegend von Christen bewohnte, Landesteil überhaupt nicht beeinträchtigt ist.

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen, neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass in Nigeria beschäftigungslose Angehörige von der Großfamilie unterstützt werden und die Beschwerdeführerin diese Unterstützung, etwa aufgrund der Erkrankung ihrer Mutter, nicht erhält, ist davon auszugehen, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik. Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard. Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria. Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung). In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten An-tibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass ein ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführter Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt außerdem darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.

1.3. Zur Situation von Frauen in Nigeria (auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria:

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht, kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 3.3.2017). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias dennoch in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt. Dies wird am deutlichsten in Bereichen, in denen vor allem traditionelle Regeln gelten: So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 21.11.2016). Allerdings berichtet die Bertelsmann Stiftung, dass der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil entschied, dass Witwen das Recht haben von dem Verstorbenen zu erben (BS 2016). Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 21.11.2016). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden. Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen jedoch kaum eine Rolle (BS 2016).

Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz. So findet sich z.B. beim Obersten Gerichtshof eine oberste Richterin, auch die Minister für Finanz und für Erdöl sind Frauen (BS 2016). Insgesamt bleiben Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. In den 36 Bundesstaaten Nigerias gibt es keine Gouverneurin, allerdings vier Vizegouverneurinnen (AA 21.11.2016). Die Zahl weiblicher Abgeordneter ist gering - nur 6 von 109 Senatoren und 14 von 360 Mitgliedern des Repräsentantenhauses sind Frauen (AA 4.2017a). In der informellen Wirtschaft haben Frauen eine bedeutende Rolle (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 3.3.2017).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sich mit sexueller Gewalt, körperlicher Gewalt, psychologischer Gewalt, schädlichen traditionellen Praktiken und sozioökonomischen Gewalt. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, FGM/C usw. Straftatbestände da. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Das Gesetz ist nur im Federal Capital Territory (FCT) gültig, solange es nicht in den anderen Bundesstaaten verabschiedet wird (USDOS 3.3.2017).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert. Die Polizei schreitet oft bei häuslichen Disputen nicht ein. In ländlichen Gebieten zögerten die Polizei und die Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht überstieg (USDOS 3.3.2017).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von Maximum drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 3.3.2017). Frauen zögern oft, Misshandlungsfälle bei den Behörden zu melden. Viele Misshandlungen werden nicht gemeldet. Begründet wird dies damit, dass die Polizei nicht gewillt ist, Gewalt an Frauen ernst zu nehmen und Anschuldigungen weiterzuverfolgen. Die Zahl an Fällen strafrechtlicher Verfolgung von häuslicher Gewalt ist niedrig, obwohl die Gerichte diese Vergehen zunehmend ernst nehmen. Die Polizei arbeitet in Kooperation mit anderen Behörden, um die Reaktion und die Haltung gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Dies beinhaltet den Aufbau von Referenzeinrichtungen für Opfer sexueller Misshandlung, sowie die Neuerrichtung eines Genderreferats. Im Allgemeinen sind die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten, wobei Frauen mit größeren Schwierigkeiten bei der Suche und beim Erhalt von Schutz insbesondere vor sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert sind als Männer (UKHO 8.2016b).

Vergewaltigung ist ein Kriminaldelikt. Das VAPP erweitert den Anwendungsbereich des bestehenden Rechts mit Bezug auf Vergewaltigungen. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche die Gerichte dazu ermächtigt, den Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen (USDOS 3.3.2017).

Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von zehn bis neunzehn Jahren eine Vergewaltigung war. Sozialer Druck und Stigmatisierung reduzieren die Zahl der tatsächlich zur Anzeige gebrachten Fälle (USDOS 3.3.2017).

Das Bundesgesetz kriminalisiert weibliche Beschneidung oder Genitalverstümmlung (USDOS 3.3.2017). Etwa 20 Millionen nigerianische Frauen sind Opfer von FGM. Das Gesundheitsministerium, Frauengruppen und viele NGOs führen Sensibilisierungskampagnen durch, um die Gemeinden hinsichtlich der Folgen von FGM aufzuklären (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 21.11.2017).

Das kanadische Immigration and Refugee Board berichtet, dass es unterschiedliche Zahlen zur Prävalenz der FGM in Nigeria gibt. Einige Quellen geben an, dass über 40 Prozent% der Frauen in Nigeria FGM ausgesetzt sind. Laut anderen Quellen liegt die Prävalenz der FGM zwischen 25-27 Prozent (IRB 13.9.2016) Dabei gibt es erhebliche regionale Diskrepanzen. In einigen Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd wird die große Mehrzahl der Mädchen auch heute noch Opfer von Genitalverstümmelungen, in weiten Teilen Nordnigerias ist der Anteil erheblich geringer. Genitalverstümmelungen sind generell in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in den Städten (AA 21.11.2016).

Es gibt für Opfer von FGM bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM bedroht sind, Schutz und/oder Unterstützung durch Regierungs- und NGO-Quellen (UKHO 2.2017). Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen, die von FGM bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln können, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO .2.2017). U.a. folgende Organisationen gehen in Nigeria gegen FGM vor: The National Association of Nigerian Nurses and Midwives (NHW 10.5.2016), Nigerian Medical Women's Association -Nigerian Medical Association (AllAfrica 3.9.2014). UNFPA, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, und UNICEF starteten in Zusammenarbeit mit dem Office of the First Lady, und den Bundesministerien für Gesundheit, Frauen und soziale Entwicklung am 9.2.2016 ein gemeinsames Projekt gegen FGM (UNFPA 9.2.2016).

Es besteht kein spezielles Unterstützungsprogramm für allein zurückkehrende Frauen und Mütter. Organisationen, die Unterstützungsprogramme betreiben, konzentrieren sich hauptsächlich auf Opfer des Menschenhandels (IOM 8.2013). Nigeria verfügt hier über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianisches Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EUMS bei der Reintegration. NAPTIP ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖBA 9.2016).

Hinsichtlich Menschenhandels ist ein ausgeklügeltes und effektives rechtliches und institutionelles Netz aktiv. Die wichtigste Institution ist NAPTIP. Sie ist für die Untersuchung und Anklage von Fällen des Menschenhandels verantwortlich, für Kooperation und Koordination, für die Unterstützung von Opfern und für die Vorbeugung. Das nigerianische Modell wird als eines der besten existierenden Modelle erachtet (OHCHR 14.3.2014). NAPTIP hat nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung bis 2011 über 4.000 Opfer des organisierten Menschenhandels befreit und seit 2008 die Verurteilung von mindestens 120 Menschenhändlern erreicht (AA 21.11.2016).

Es gibt viele Frauengruppen, die die Interessen der Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016b). In Nigeria sind neben den UN-Teilorganisationen 40.000 NGOs registriert, welche auch im Frauenrechtsbereich tätig sind. Die Gattinnen der 36 Provinzgouverneure sind in von ihnen finanzierten "pet projects" gerade im Frauenbildungs- und Hilfsbereich sehr aktiv und betreuen Frauenhäuser, Bildungseinrichtungen für junge Mädchen, rückgeführte Prostituierte und minderjährige Mütter sowie Kliniken und Gesundheitszentren für Behinderte, HIV-Erkrankte und Pensionisten neben zahlreichen Aufklärungskampagnen für Brustkrebsfrühuntersuchungen, gegen Zwangsbeschneidung und häusliche Gewalt. Für unterprivilegierte Frauen bestehen in großen Städten Beschäftigungsprogramme, u.a. bei der Straßenreinigung (ÖBA 9.2016).

Auch Diskriminierung im Arbeitsleben ist für viele Frauen Alltag.

Alleinstehende Frauen begegnen dabei besonderen Schwierigkeiten: Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind sie oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 21.11.2016).

Die Verfassung und Gesetze sehen für interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation für insbesondere alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart, im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016b).

Eine Auswahl spezifischer Organisationen:

• African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email: , , (AWEG o. d.a). Die AWEG versucht, Frauen die nötigen Fähigkeiten zu vermitteln, um sich privat und beruflich weiterzuentwickeln und sich durch Bildung, Lese- und Schreibkenntnisse Perspektiven zu eröffnen. Die AWEG hat in der Vergangenheit Wiedereingliederungshilfe für Frauen, die Opfer von Menschenhandel wurden, geleistet und wurde hierbei vom UN Office on Drug and Crime Control (UNODC) unterstützt. Die Organisation bemüht sich um Finanzmittel, um das Projekt fortzusetzen. Die AWEG hat in Zusammenarbeit mit religiösen Organisationen eine Unterkunft für Opfer von Menschenhandel eingerichtet, beherbergt hier jedoch derzeit keine Personen (IOM 8.2013; vgl. AWEG o.D.b).

• The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel.: 234-1-2635300, 2635331234-4-1-2635331, 234-(0) 8033347896, Email: wocon95@yahoo.com (WOCON o.D.a). Das Women's Consortium of Nigeria (WOCON) ist eine private gemeinnützige Organisation (NGO), die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Aktuelle Projekte: Aufklärung bezüglich Menschenhandel, Mobilisierung der Frauen, der Jugend, der öffentlichen Transportunternehmen und der Hotelmitarbeiter im Kampf gegen TIP [Anm.: Trafficking in people]. WOCON leitet Opfer des Menschenhandels an die entsprechenden Schutzunterkünfte der Regierung weiter. Andere Reintegrationsleistungen sind Beratung, Berufsausbildung und Familienzusammenführung sowie die Mobilisierung qualifizierter Frauen zur Teilnahme an der Politik. Das Projekt erstreckt sich auf die Regionen Ogun, Lagos und Ondo (IOM 8.2013; vgl. WOCON o.D.b).

• Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA), ,

19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja;, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com, (WRAPA o.D.a). Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA) ist eine Organisation, die Opfern von häuslicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Belästigung etc. kostenlose Rechtsberatung bietet. Darüber hinaus bietet die Organisation Frauen bei entsprechender Finanzierung Berufsausbildungsprogramme. Die Organisation betreibt Büros in jedem der 36 Bundesstaaten Nigerias. Die Organisation plant die Einrichtung zehn landesweiter Beratungszentren für kostenlose Rechtsberatungen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen, sucht aber noch nach der entsprechenden Finanzierung. Die Organisation bietet in ihren verschiedenen Büros auch weiterhin kostenlosen Rechtsbeistand und Beratungen für Frauen an (IOM 8.2013; vgl. WRAPA o. D.b).

• Women Aid Collective (WACOL), Email: wacolenugu@wacolnigeria.org, wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@yahoo.com; Women House, No. 12 Mathias Iloh Avenue, Newton Enugu;, Tel.:

+234-0909-561-9586 +234-0806-609-2184, Fax: +234-42-256831, (WACOL o. D.a); Women Aid Collective (WACOL) ist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von der African Commission on Human and Peoples' Rights beobachtet wird. WACOL bietet verschiedene Unterstützung an: Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste. Die Angebote für Frauen und Kinder umfassen: Schutz und sichere Unterkunft in Krisensituationen, Rechtsberatung und Beistand, Beratung von Opfern und deren Familien (IOM 8.2013; vgl. WACOL o.D.b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/D3.8.2016, Zugriff 22.6.2017

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AA - Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): Contact Information, http://awegng.org/contactus.htmZugriff 5.7.2017

-

AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): About us, http://awegng.org/aboutus.htmZugriff 5.7.2017

-

AllAfrica (3.9.2014): Nigeria: Eradicating Female Genital Cutting, Hope for the Nigerian Child,

http://allafrica.com/stories/201409040129.html, Zugriff 4.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 4.7.2017

-

IBT - International Business Times (26.5.2015): Nigeria Bans Female Genital Mutilation: African Powerhouse Sends 'Powerful Signal' About FGM With New Bill, http://www.ibtimes.com/nigeria-bans-female-genital-mutilation-african-powerhouse-sends-powerful-signal-about-1938913, Zugriff 4.7.2017

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (13.9.2016):

Responses to Information Requests, http://www.irb.gc.ca/Eng/ResRec/RirRdi/Pages/index.aspx?doc=456691&pls=1, Zugriff 22.6.2017

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1.4. Zum Menschenhandel:

Nigeria ist eine Drehscheibe des Menschenhandels; jährlich werden hunderte Mädchen und Frauen von dort nach Europa verbracht. Die meisten Opfer von Menschenhandel stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo. Die Rekrutierung Minderjähriger hat zugenommen. Viele werden auch von Frauen, den sogenannten "Madames" angeworben, welche teilweise auch vorgeben, Magie und Zauberei ("Juju") anzuwenden. Diese "Madames" sind häufig sowohl in Nigeria, wie auch im Zielland aufhältig und überwachen die Mädchen bzw. Frauen nach ihrer Ankunft.

Nur sehr wenige Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, kehren freiwillig nach Nigeria zurück. Dennoch kann nicht festgestellt werden, dass Frauen und Mädchen generell dem Risiko unterliegen, Opfer von Frauenhandel zu werden. Es kann ebenfalls nicht generell davon ausgegangen werden, dass ein Opfer von Frauenhandel, das nach Nigeria zurückkehrt, automatisch einer Verfolgung der Menschenhändler unterliegt, welche sie ursprünglich nach Europa verbracht hatten. Dies ist abhängig von der individuellen Situation. Insbesondere wenn eine enge Beziehung zwischen dem Opfer (bzw. seiner Familie) und den Ausbeutern besteht, ist die Gefahr groß, vor allem, wenn noch Schulden offen sind. Manche Frauen können im Fall der Rückkehr auch diskriminiert und sozial stigmatisiert werden, insbesondere, wenn sie nicht vermögend zurückkehren und ihre Familie in den Menschenhandel involviert war.

2005 gab es Berichte, dass nach Nigeria zurückkehrende Frauen teilweise einige Tage am Flughafen festgehalten worden waren und nur gegen Bezahlung freigelassen wurden. Aktuelle Berichte dazu liegen allerdings nicht vor.

Nigeria hat in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um den internationalen Standards zur Bekämpfung von Frauenhandel zu entsprechen, die Mittel zum Opferschutz wurden allerdings gekürzt. Die Kapazitäten der Organisation National Agency for Prohibition of Traffic in Persons and other related matters (NAPTIP) sind allerdings eingeschränkt und ist die Organisation auch nicht immer darüber informiert, wenn Opfer von Menschenhandel nach Nigeria rückgeführt werden. Laut dem neuen Bericht von USDOS gibt es inzwischen 10 NAPTIP-Unterkünfte, welche 315 Personen Schutz bieten. Zumeist wird eine Unterkunft maximal für sechs Wochen gewährt.

Diese Feststellungen basieren auf den folgenden Quellen:

* US Department of State: Trafficking in Persons Report 2018 - Nigeria

* European Asylum Support Office (EASO) vom Oktober 2015 zu "Nigeria: Sexhandel mit Frauen"

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht ihre Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrer Arbeitsfähigkeit, ihrer Herkunft sowie ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA (Protokoll vom 28.03.2018) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. In der Einvernahme durch das BFA am 28.03.2018 gab die Beschwerdeführerin an, keinen Kontakt zu ihrer in Benin City lebenden Familie zu haben. In der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 erklärte sie allerdings, im Dezember 2018 mit ihrer Mutter telefoniert zu haben; diese habe Herzprobleme.

Die Beschwerdeführerin machte im Verfahren keine über Magenprobleme und ihre Schwangerschaft hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf eine dauerhafte bzw. behandlungsbedürftige gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar. Die (frühe) Schwangerschaft der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Befund eines medizinisch-diagnostischem Labors vom 21.12.2018, wonach sich die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt zwischen der 4. und 8. Schwangerschaftswoche befand.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich beruhen ebenfalls auf deren Aussagen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf den Aussagen ihres Lebensgefährten in der mündlichen Verhandlung. Dass sie von Mai bis Oktober 2018 einen Deutschkurs besuchte, ergibt sich aus dem in der Verhandlung vorgelegten Deutsch-Lernpass. Dass sie sich aktuell für einen A1.1. Kurs angemeldet hat, ergibt sich aus der vorgelegten Zahlungsbestätigung; dass sie eine Straßenzeitung verkauft, aus der Vorlage des entsprechenden Ausweises vom Jänner 2019.

In der mündlichen Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, seit etwa einem Jahr und vier Monaten eine Beziehung zum nigerianischen Staatsbürger XXXX zu führen. Die Erkrankung ihres Freundes an paranoider Schizophrenie und dessen Status als subsidiär Schutzberechtigter in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria ergeben sich aus dem Bescheid des BFA vom 10.09.2018 zu 830543302/1646308.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 07.01.2019.

Die Verletzung ihrer Wohnsitzbeschränkung gemäß § 15c AsylG, über welche die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme durch das BFA am 28.03.2018 informiert worden war, ergibt sich aus einem Aktuellen Auszug aus dem Melderegister, der zeigt, dass sie seit 19.11.2018 nicht mehr in XXXX, sondern zunächst bei einem Bekannten und seit 03.01.2019 bei ihrem Freund in XXXX lebt.

2.3. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hatte, sowohl in der Einvernahme durch das BFA wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, behauptet, dass sie in Benin City auf dem Markt von einer Frau angesprochen worden sei und dass diese ihre Reise nach Italien organsiert habe. Dort sei ihr mitgeteilt worden, dass sie der Prostitution nachgehen müsse, um ihre Schulden für die Reise zurückzuzahlen. Sie habe sich geweigert und sei monatelang eingesperrt gewesen, ehe ihr die Flucht gelungen sei. Ein unbekannter Mann habe ihre Zugfahrt nach Österreich bezahlt. Im Flüchtlingslager sei sie telefonisch von der Frau kontaktiert worden; diese habe ihr gedroht, ihrer Familie in Nigeria etwas anzutun, wenn sie nicht ihre Schulden bezahlen würde. Daraufhin habe sie sich eine Tätigkeit als Prostituierte gesucht und einem Mann am XXXX Hauptbahnhof monatlich übergeben, was sie verdient habe. Dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin ist allerdings von Widersprüchen und Unstimmigkeiten geprägt, wie im Folgenden zu zeigen sein wird:

Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Verhandlung an, den Namen der Frau nicht zu kennen, welche ihre Ausreise organisiert hatte. Es erscheint aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes aber sehr ungewöhnlich (gerade auch wenn man Vertrauen zu einem potentiellen Opfer von Menschenhandel herstellen wollte bzw. wenn man telefoniert), dass man keinen, nicht einmal einen Vornamen angibt.

Der in der mündlichen Verhandlung geschilderte Ablauf der Ereignisse ist im Übrigen auch nicht mit den Angaben der Beschwerdeführerin in der Erstbefragung vereinbar: Dort hatte sie erklärt, bis Ende September 2016 im Wettlokal gearbeitet zu haben und dann am 21.10.2016 ausgereist zu sein. Nach diesen Angaben wäre sie maximal ein Monat am Markt tätig gewesen, da sie diese Tätigkeit nach der Schließung des Lokals aufgenommen hatte (Im Übrigen hatte die Beschwerdeführerin in der Erstbefragung erklärt, Nigeria am 21.10.2016 verlassen zu haben, während sie dem BFA das Datum des 21.09.2016 nannte). In der mündlichen Verhandlung dagegen erklärte sie, dass sie von der Frau am Markt angesprochen worden sei, als sie Wasser verkauft habe; danach habe es einige Monate gedauert, bis sie von einem Mann für die Ausreise abgeholt worden sei.

In der Einvernahme durch das BFA am 28.03.2018 meinte die Beschwerdeführerin außerdem, sie und ihre Verwandten würden durch Voodoo bedroht werden: "In meiner Muttersprache nennt man es Oloeku. Es ist eine starke Voodoo-Kraft, die sie für mich eingesetzt hat. Etwas, das einen leicht töten kann. Ich hatte große Angst." Die Verwendung von Voodoo-Ritualen und Schwüren vor der Ausreise aus Nigeria ist eine typische Vorgehensweise von nigerianischen Menschenhändlern, um Mädchen und Frauen unter Druck zu setzen und in Abhängigkeit zu bringen (vgl. dazu etwa EASO-Bericht zu "Nigeria:

Sexhandel mit Frauen" (Oktober 2015)). Dass ein entsprechendes Voodoo-Ritual mit der Beschwerdeführerin abgehalten worden wäre, fand allerdings keine Erwähnung in der mündlichen Verhandlung. Zudem schilderte sie die angebliche Bedrohung in der mündlichen Verhandlung auch nur mehr stark abgemildert; auf die Frage, woher die Frau die Adresse ihrer Mutter haben sollte, um gedungene Mörder dorthin zu schicken, meinte sie: "Das weiß ich nicht. Ich glaube, dass sie manchmal vielleicht Voodoo verwendet." Dies erweckt aber nicht mehr, wie noch vor dem BFA, den Eindruck, dass sich die Beschwerdeführerin in erster Linie vor der Anwendung von Voodoo-Ritualen fürchten würde.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin erfährt in der mündlichen Verhandlung im Übrigen dahingehend eine Steigerung, dass die Beschwerdeführerin erstmals angab, dass sie von zuhause weggelaufen sei, da sich nach dem Tod ihres Vaters herausgestellt habe, dass dieser sie einem älteren Mann als Ehefrau versprochen habe. Ihre Mutter habe sich geweigert und es sei zu Problemen gekommen, so dass sie weggelaufen und dann obdachlos gewesen sei. Die Furcht vor einer Zwangsverheiratung wurde im ganzen bisherigen Verfahren mit keinem Wort erwähnt und lässt es sich außerdem nicht damit vereinbaren, dass die Beschwerdeführerin ansonsten immer angegeben hatte, bis zu ihrer Ausreise bei ihrer Mutter gelebt zu haben. Wenn die Beschwerdeführerin auf die Frage, warum sie davon nicht früher berichtet habe, erklärt, sie spreche nicht gerne darüber, da es sie deprimiere, ist dies aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht überzeugend, ist die Beschwerdeführerin doch anwaltlich vertreten und wurde ihr bereits vom BFA die Möglichkeit gewährt, alle Umstände ihrer Flucht offenzulegen. Das Vorbringen zur Zwangsverheiratung ist daher nicht glaubhaft.

In Bezug auf ihren Aufenthalt in Italien erklärte die Beschwerdeführerin gleichbleibend, monatelang in einem Haus festgehalten worden zu sein, wo man sie zur Prostitution zwingen wollte. Dieses Geschehen entspricht durchaus der Vorgehensweise, von der viele Opfer von Menschenhandel aus Nigeria berichten. Aus Sicht der erkennenden Richterin ergibt sich aber auch hier eine offene Frage, erscheint es doch schwer vorstellbar, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben, etwa in der mündlichen Verhandlung am 14.01.2019, monatelang erfolgreich gegen den Mann wehrte, der sie gefangen hielt, sie verge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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