Entscheidungsdatum
25.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W152 1423061-3/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Afghanistan, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2014, Zl. 810842806-1384087, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Spruchpunkt I des Bescheides behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste am 05.08.2011 (illegal) in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am 05.08.2011 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einer Erstbefragung unterzogen wurde.
Im Rahmen dieser Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, sein Vater habe bei der kommunistischen Regierung gearbeitet, weshalb er dann mit den Taliban Probleme gehabt habe. Die Taliban hätten eines Tages das Haus der Familie angezündet, wobei der Beschwerdeführer verletzt worden sei. Kurz vor seiner Ausreise aus Afghanistan sei der Beschwerdeführer zweimal von den Taliban festgenommen worden, wobei er auch geschlagen worden sei. Seither habe er starke psychische Probleme.
Am 13.09.2011 erfolgte eine Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Außenstelle XXXX, wobei der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbrachte, sein Vater habe für die Taliban als Kommunist gegolten und acht Monate nach der Machtübernahme durch die Taliban sei das Haus der Familie in Brand gesteckt worden, seine Eltern seien hiebei getötet worden und der Beschwerdeführer habe Brandverletzungen an den Beinen erlitten. Weiters sei der Beschwerdeführer zweimal von den Taliban festgehalten und hiebei auch geschlagen worden und man habe von ihm verlangt, mit den Taliban in den Dschihad zu ziehen.
Das Bundesasylamt beauftragte in weiterer Folge XXXX vom Polizeiärztlichen Dienst der BPD XXXX eine Untersuchung der vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzungen vorzunehmen.
Im mit 06.10.2011 datierten Bericht von XXXX wurde unter anderem ausgeführt, dass am rechten Fußrücken, an der rechten Wade und an beiden Gesäßhälften Verbrennungsnarben zu sehen seien, wobei auch deren angegebenes Alter als glaubwürdig erachtet werde.
Das Bundesasylamt, Außenstelle XXXX, wies dann mit Bescheid vom 18.11.2011, Zahl: 11 08.428-BAG, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgesprochen (Spruchpunkt III).
Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber Beschwerde, wobei unter anderem ein "Vorläufiger Befund", der am 15.11.2011 im Krankenhaus XXXX erstellt wurde, beigeschlossen war, wonach beim Asylwerber "PTSD" diagnostiziert werde.
Der Asylgerichtshof behob mit Erkenntnis vom 10.04.2013, GZ: C4 423.061-1/2011/8E, in Erledigung der Beschwerde den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
Am 03.07.2013 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, wobei er abermals die zweimalige Anhaltung durch die Taliban und die hiebei erlittenen Misshandlungen relevierte. Hiebei wurde ein von XXXX, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, erstellter und mit 16.05.2013 datierter "Medizinischer Befund" vorgelegt, worin unter anderem abermals eine "Posttraumatische Belastungsstörung" diagnostiziert werde, wobei die Verhandlungsfähigkeit zwar in vollem Umfang gegeben sei, jedoch bei Ansprechen von belastenden Themen sei mit sichtlicher Anspannung und stockender Sprache zu rechnen.
Das Bundesasylamt, Außenstelle XXXX, wies dann mit Bescheid vom 04.07.2013, Zahl: 11 08.428-BAG, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab(Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II) und gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgesprochen (Spruchpunkt III).
Das Bundesverwaltungsgericht behob in Erledigung der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 05.05.2014, GZ: W174 1423061-2/6E, den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück. Hiebei wurde insbesondere ausgeführt, dass der von XXXX erstellte "Medizinische Befund" nicht die Anforderungen eines fachärztlichen Gutachtens erfülle, vielmehr hätte die belangte Behörde einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit der Erstellung eines Gutachtens aus psychisch-neurologischer Sicht über die konkrete gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers beauftragen müssen.
In weiterer Folge wurde am 12.09.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vorgenommen, wobei protokolliert wurde, dass dem Beschwerdeführer ein Termin für eine ärztliche Untersuchung bekannt gegeben werde, wobei die Ladung zur ärztlichen Untersuchung dem Beschwerdeführer - nach Vereinbarung mit dessen Vertreter - persönlich zugestellt werde. Der Beschwerdeführer habe sich dann am angegebenen Tag beim Arzt einzufinden, wobei dort ein Dolmetscher anwesend sein werde. Diese dem Beschwerdeführer avisierte Ladung zum Arzttermin erfolgte dann - nach der Aktenlage zu schließen - jedenfalls nicht. Es sind nämlich nach dieser Einvernahme keine weiteren Ermittlungsschritte vom Bundesamt vorgenommen worden.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 16.09.2014, Zahl: 810842806-1384087, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis 16.09.2015 erteilt (Spruchpunkt III). Hiebei wurde insbesondere ausgeführt, dass die Behauptungen hinsichtlich der angeblichen Entführungen durch die Taliban lediglich in den Raum gestellt worden seien, ohne diese in irgendeiner Weise näher schildern zu können. So habe der Beschwerdeführer den Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht entsprechen können, wobei die vor der Asylbehörde präsentierte aktuelle "Fluchtgeschichte" als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene Beschwerde, wobei insbesondere ausgeführt wird, dass die Behörde erneut keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich des psychischen Zustandes des Beschwerdeführers unternommen habe. Dieser habe jedoch einen wesentlichen Einfluss auf das Aussageverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere hinsichtlich der von der Behörde geforderten Kriterien eines Erlebnisberichtes. So beeinflusse eine Belastungsstörung das Aussageverhalten, wobei in der Fachliteratur als Symptome einer Belastungsstörung, Teilnahmslosigkeit, Gleichgültigkeit und emotionale Stumpfheit angeführt werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt(§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung,BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Obwohl gemäß § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)§ 28 VwGVG Anm. 11).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014,Zl. Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt weitere Entscheidungen getroffen, in denen er diese Grundsätze weiter ausgebildet hat. So hat er im Erkenntnis vom 19.04.2016,Zl. Ra 2015/01/0010, ausgeprochen, dass auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, dies allein noch nicht dazu führt, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 20.05.2015, Zl. Ra 2014/20/0146).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:
Das Bundesamt stützte sich in erster Linie darauf, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers den Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht entspreche. Die vor der Asylbehörde präsentierte aktuelle "Fluchtgeschichte" sei als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren. Die belangte Behörde unterließ es jedoch, dem im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes ausgesprochenen Auftrag, einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie mit der Erstellung eines fachärztlichen Gutachtens aus psychisch-neurologischer Sicht über die konkrete gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers zu befassen, nachzukommen. Das Bundesamt hegte zwar in der letzten Einvernahme offensichtlich zunächst noch die Absicht, eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen, setzte dann aber keine weiteren Ermittlungsschritte und erstellte vier Tage nach der Einvernahme den angefochtenen Bescheid. Das Beschwerdevorbringen erweist sich daher als zutreffend, dass das Aussageverhalten des Asylwerbers - auch angesichts der bereits vorliegenden Befunde - nicht mehr ohne weiteres vom Bundesamt uneingeschränkt bewertet werden durfte.
Abschließend wird jedoch betont, dass - nach der derzeitigen Aktenlage - keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers obwalten, weshalb von der Rechtswirksamkeit der Zustellungen, der Bevollmächtigung eines Vertreters und daher auch von der Zulässigkeit der Beschwerde auszugehen ist.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da also der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) ab. Bereits durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W152.1423061.3.00Zuletzt aktualisiert am
06.03.2019