Entscheidungsdatum
28.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W152 2102106-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.01.2015, Zl. 830639708-2223316, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben
und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste unbekannten Datums (illegal) in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, worauf er am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einer Erstbefragung unterzogen wurde.
Im Rahmen dieser Erstbefragung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei als Funktionär der "Chatra Dal" (lt. Wikipedia ist die "Bangladesch Jatiotabadi Chatra Dal" der Studentenflügel der Bangladesh Nationalist Party (BNP)) in seiner Heimat aufgrund seiner politischen Gesinnung von Angehörigen der regierenden Partei und von den Sicherheitsbehörden verfolgt und mit dem Umbringen bedroht worden. Seine Partei sei derzeit in Opposition. Die Regierungspartei "Awami League" versuche durch fingierte Anzeigen die Politik der Opposition zu unterbinden. Aus Angst um sein Leben habe er dann die Flucht ergriffen.
Am 24.11.2014 erfolgte eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, wobei der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbrachte, er werde aus politischen Gründen verfolgt, weil er Mitglied der BNP sei. Während seiner Studienzeit sei er auch ein Führer der "BNP-Studenten" gewesen. Er sei durch die Partei BNP bei Veranstaltungen, wie Demonstrationen, und allen anderen Tätigkeiten der Partei dabei gewesen. Bereits 2010 sei er fälschlich wegen Besitzes verbotener Waffen angezeigt worden. Es habe dann eine erfolglose Hausdurchsuchung durch die Polizei gegeben. Eine Person von der Awami League habe den Beschwerdeführer dann dahingehend angerufen, wenn er eine bestimmte Geldsumme zahle, werde die Anzeige zurückgezogen. Nachdem er sich geweigert habe, diese Geldsumme zu zahlen, sei er mit dem Umbringen bedroht worden. Am 15.12.2011 sei er dann von Mitgliedern der Awami League zusammengeschlagen worden, wobei er eine Hüftverletzung erlitten habe und ein Spitalsaufenthalt erforderlich gewesen sei. Er sei dann auch fälschlich beschuldigt worden, einen Mord begangen zu haben und werde deshalb strafrechtlich verfolgt, weshalb er dann ausgereist sei. Die Niederschrift der Einvernahme zu den Fluchtgründen umfasst hiebei bloß drei (keinesfalls eng beschriebene) Seiten. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Einvernahme auch aufgefordert, die Farben der Flagge der BNP zu nennen, die der Beschwerdeführer dann auch (richtig) angab (rot und grün), wobei er noch (richtigerweise) die auf dieser Flagge abgebildete Reisstaude anführte.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, wies dann den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 15.01.2015, Zahl: 830639708-2223316, gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Indien" (gemeint: wohl Bangladesch) abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III). Das Bundesamt stellte hiebei fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Bangladesch sei. Das Bundesamt traf hiebei auch Länderfeststellungen, worin unter anderem ausgeführt wird, dass in der Praxis eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive unterstelle. Richter werden durch die Regierung ernannt und können nicht als unabhängig betrachtet werden. Auch die Polizei sei während juristischer Verfahren von der politischen Partei abhängig, die gerade an der Macht sei. Korruption und ein erheblicher Rückstand bei den Fällen würden das Gerichtssystem behindern und Gerichtsverfahren seien geprägt durch eine überlange Verfahrensdauer, was viele Angeklagte bei der Inanspruchnahme ihres Rechtes auf ein faires Verfahren hindere, ebenso wie das Vorkommen von Zeugenbeeinflussung, Einschüchterung von Opfern und fehlender Beweise. Weiters werde ohne Basis Klage gegen jemanden erhoben, um einer Person Schaden zuzufügen oder sie zu zwingen, sich in ein teures Gerichtsverfahren zu begeben, was bis zur Aufgabe von Besitz gehen könne. Meistens gehe es dabei um Grundbesitz, manchmal seien aber auch Mitglieder einer Oppositionspartei betroffen. Dabei reiche es, dass der Name auf einem First Information Report der Polizei erscheine. Sobald die Oppositionspartei an die Macht komme, stoppe sie alle Gerichtsverfahren gegen ihre Aktivisten. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner relevierten Bedrohungssituation sei jedoch nicht glaubhaft. Beweiswürdigend wurde hiebei ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine über die Rahmengeschichte hinaus plausible Darstellung der Fluchtgründe nicht habe vorbringen können, wobei er auf Vorhalte meist nur vage reagiert habe. Man stützte sich hiebei auch darauf, dass der Beschwerdeführer die Flagge der BNP nur unzureichend beschrieben habe. Im Ergebnis könne nur davon ausgegangen werden, dass die behaupteten Ereignisse nicht aus der eigenen Erinnerung des Beschwerdeführers abgerufen worden seien, sondern dass er die Fluchtgeschichte spontan vor der Behörde konstruiert oder weiterentwickelt habe bzw. auf eine von Schleppern oder anderen mit der Einreise des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet befassten Personen zurechtgelegte Fluchtgeschichte zurückgegriffen habe. Feststellungen zur Lage der Mitglieder und Funktionäre der BNP bzw. ihres Studentenflügels unterblieben jedoch. Abschließend wird hinsichtlich des angefochtenen Bescheides noch betont, dass (fälschlicherweise) nicht nur im Spruchpunkt II "Indien" als Herkunftsstaat des Beschwerdeführers angeführt wurde, sondern auch auf Seite 12 das Herkunftsland "Indien" genannt wird, wobei weiters auf dieser Seite noch festgestellt wurde, dass die Eltern des Beschwerdeführers in "Bangladesch" leben und seine Angehörigen den Lebensunterhalt in "China" bestreiten und keine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach "China" bestehe, und auf Seite 33 von der "indischen" Staatsangehörigkeit die Rede sei und der Beschwerdeführer "Inder" sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht erhobene Beschwerde, wobei insbesondere ausgeführt wird, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid mit Ermittlungsfehlern belastet, weil eine nähere Auseinandersetzung mit dem konkreten Vorbringen und der daraus erwachsenden Verfolgungssituation des Beschwerdeführers in Bangladesch nicht erfolgt sei. Das Bundesamt habe auch keinerlei Ermittlungen, bspw. mit Hilfe eines Vertrauensanwaltes, durchgeführt.
In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer noch Kopien von Sprachzertifikaten (A1 und A2) und einer Mitgliedsbestätigung der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A):
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Obwohl gemäß § 17 iVm § 58 VwGVG seit 01.01.2014 der § 66 Abs. 2 AVG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr anzuwenden ist und gemäß § 58 VwGVG stattdessen § 28 Abs. 3 VwGVG mit genanntem Datum in Kraft trat, womit das Erfordernis des § 66 Abs. 2 leg.cit, wonach die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, weggefallen ist, und sich die Regelungsgehalte beider Normen nicht somit gänzlich decken, findet die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG grundsätzlich weiterhin Anwendung.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt weitere Entscheidungen getroffen, in denen er diese Grundsätze weiter ausgebildet hat. So hat er im Erkenntnis vom 19.04.2016, Zl. Ra 2015/01/0010, ausgeprochen, dass auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, dies allein noch nicht dazu führt, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa auch das Erkenntnis vom 20.05.2015, Zl. Ra 2014/20/0146).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung auch eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:
Das Bundesamt stützte sich in erster Linie darauf, dass der Beschwerdeführer eine über die Rahmengeschichte hinaus plausible Darstellung der Fluchtgründe nicht haben vorbringen können, wobei er auf Vorhalte meist nur vage reagiert habe. Man stützte sich hiebei auch darauf, dass der Beschwerdeführer die Flagge der BNP nur unzureichend beschrieben habe, obwohl der Beschwerdeführer die Farben dieser Flagge (richtig) nennen konnte und auch die auf dieser Flagge abgebildete Reisstaude anführte. Im Ergebnis könne nur davon ausgegangen werden, dass die behaupteten Ereignisse nicht aus der eigenen Erinnerung des Beschwerdeführers abgerufen worden seien, sondern dass er die Fluchtgeschichte spontan vor der Behörde konstruiert oder weiterentwickelt habe bzw. auf eine von Schleppern oder anderen mit der Einreise des Beschwerdeführers ins Bundesgebiet befassten Personen zurechtgelegte Fluchtgeschichte zurückgegriffen habe. Die relevierte Bedrohungssituation konnte hiebei jedoch nicht mit der erforderlichen Nachvollziehbarkeit widerlegt werden, weshalb nicht von der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes ausgegangen werden kann.
Angesichts einer einerseits bloß drei Seiten (keinesfalls eng beschrieben) aufweisenden Niederschrift der Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und andererseits der bereits vom Bundesamt getroffenen Länderfeststellungen betreffend ungerechtfertigte Anschuldigungen, Abhängigkeit der Polizei von der jeweils regierenden Partei und Korruption im Behördenapparat von Bangladesch hätte es einer eingehenden und umfassenden Einvernahme des Beschwerdeführers zu seiner relevierten Mitgliedschaft und politischen Tätigkeit bzw. Rolle bei der BNP (Bangladesh Nationalist Party) bzw. deren Studentenflügel ("Bangladesch Jatiotabadi Chatra Dal") und der daraus resultierenden Bedrohungssituation durch Mitglieder der Awami League (AL) bedurft, wobei hiezu und im Hinblick auf die relevierten Anschuldigungen - insbesondere hinsichtlich des unterstellten Mordes - Erhebungen vor Ort unter allfälliger Beiziehung eines Vertrauensanwaltes erforderlich gewesen wären. Weiters unterblieben im angefochtenen Bescheid Feststellungen zur Lage von Mitgliedern und Funktionären der BNP bzw. deren Studentenflügels in Bangladesch. Abschließend wird noch betont, dass der Bescheid das erforderliche Maß an Genauigkeit, insbesondere hinsichtlich der Bezeichnung des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers, vermissen lässt. So wurde nicht nur im Spruchpunkt II "Indien" (fälschlicherweise) als Herkunftsstaat angeführt, sondern auch auf Seite 12 "Indien" als Herkunftsland genannt, wobei weiters auf dieser Seite noch festgestellt wurde, dass die Eltern des Beschwerdeführers in "Bangladesch" leben und seine Angehörigen den Lebensunterhalt in "China" bestreiten und keine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bei einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach "China" bestehe - wodurch auf einer Seite sogar drei verschiedene Staaten im Hinblick auf den Herkunftsstaat angeführt wurden - und auf Seite 33 von der "indischen" Staatsangehörigkeit die Rede ist und der Beschwerdeführer "Inder" sei.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Da also der maßgebliche Sachverhalt im gegenständlichen Fall noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu Spruchpunkt B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063) ab. Bereits durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W152.2102106.1.00Zuletzt aktualisiert am
06.03.2019