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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. B in E, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 18. Dezember 1998, Zl. 5-V-A2317/6-1998, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G für die Dauer von drei Monaten ab der (am 22. September 1998 erfolgten) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides entzogen.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, nach der Anzeige habe der Beschwerdeführer am 14. März 1998 um 13.30 Uhr mit seinem Pkw auf der A 3 von Hornstein in Richtung Pottendorf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h um 40 km/h überschritten, wobei zur Tatzeit sehr starker Seitenwind vorherrschend gewesen sei (Sturmböen bis 100 km/h). Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei durch Nachfahren mit einem Kraftfahrzeug mit einem geeichten Tachometer festgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsstrafverfahren zunächst bestritten, mit einer Geschwindigkeit von 170 km/h gefahren zu sein. Mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom 2. Juli 1998 sei er für schuldig erkannt worden, seinen Pkw bei starkem Seitenwind (Sturmböen bis 100 km/h) und überhöhter Geschwindigkeit (170 km/h) gelenkt und sich somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen gegenüber anderen Straßenbenützern rücksichtslos verhalten zu haben. Über ihn sei gemäß § 20 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt worden.
Nach der von der belangten Behörde eingeholten Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik sei es am 14. März 1998 zwischen 13.00 und 14.00 Uhr im Raum Nordburgenland stark bewölkt bis bedeckt gewesen. Es habe starker bis stürmischer Wind aus Nordwest mit Spitzen zwischen 70 und 90 km/h geweht.
Die über Antrag des Beschwerdeführers als Zeugen vernommenen (in seinem Pkw seinerzeit mitfahrenden) zwei Personen hätten angegeben, dass der Beschwerdeführer durchgehend ca. 160 km/h bzw. "die meiste Zeit ca. 140 bis 150 km/h" gefahren, die Fahrt durch den Wind aber nicht wesentlich erschwert gewesen sei.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, im Hinblick auf die rechtskräftige Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 liege eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG vor. Bei der gemäß § 7 Abs. 5 leg. cit. vorzunehmenden Wertung habe die belangte Behörde die Windböen mit Spitzen zwischen 70 und 90 km/h berücksichtigt. Hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit werde dem Gendarmeriebeamten D. mehr Glauben geschenkt als den Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugen. Die Überschreitung sei durch unmittelbares Nachfahren in einem gleich bleibenden Abstand von ca. 70 m festgestellt worden. Es bestehe kein Grund anzunehmen, dass der Gendarmeriebeamte den Beschwerdeführer wahrheitswidrig belasten wolle. Zu Gunsten des Beschwerdeführers sei somit zu berücksichtigen, dass er keine Vorstrafen aufweise und der Wind lediglich mit Spitzen zwischen 70 und 90 km/h geweht habe. Zu seinen Lasten falle die Fahrgeschwindigkeit von 170 km/h ins Gewicht, weshalb mit der "Verhängung der gesetzlichen Mindestentzugsdauer (§ 25 Abs. 3 FSG) von drei Monaten das Auslangen gefunden werden konnte".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG gilt als eine - die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende - bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung von Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbei zu führen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten und vergleichbaren Einrichtungen sowie auf Schutzwegen oder Radfahrerüberfahrten, das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen oder das Fahren gegen die Fahrtrichtung auf Autobahnen.
Diese Bestimmung gleicht im Wesentlichen § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 i.d.F. der 17. KFG-Novelle. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in Anbetracht der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 die Kraftfahrbehörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 auszugehen hat (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1996, Zl. 96/11/0102, vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0208, und vom 26. Juni 1997, Zl. 95/11/0147). Diese Rechtsprechung kommt in gleicher Weise zum Tragen, wenn das Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG zu beurteilen ist. Auch im Rahmen der Wertung hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die seiner Bestrafung zugrunde liegende Übertretung begangen hat. Dazu gehören auch die Sachverhaltselemente, aus denen die Verwaltungsstrafbehörde die Erfüllung des Tatbestandes nach § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 abgeleitet hat. Im vorliegenden Fall sind dies die Stärke des Seitenwindes und das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung.
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Gemäß § 7 Abs. 5 FSG sind für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer werde die Verkehrszuverlässigkeit erst drei Monate nach der (am 22. September 1998 erfolgten) Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, somit erst mehr als neun Monate nach Begehung der Übertretung vom 14. März 1998 wiedererlangen. Die dieser Auffassung zugrunde liegende Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG ist rechtswidrig. Zu Lasten des Beschwerdeführers fällt im Rahmen der Wertung zwar die (im Hinblick auf die Bindungswirkung anzunehmende) besondere Gefährlichkeit der von ihm begangenen Übertretung ins Gewicht; zu seinen Gunsten ist aber - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - die Tatsache zu berücksichtigen, dass er keine Vorstrafen aufweist. Dazu kommt - was die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt hat -, dass der Beschwerdeführer nach der Tat bis zur Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, also länger als ein halbes Jahr, weiterhin im Besitz seiner Lenkerberechtigung gewesen ist und sich in dieser Zeit nach der Aktenlage wohlverhalten hat. Auch wenn in dieser Zeit das Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt wurde und seit Juli 1998 das Entziehungsverfahren anhängig war und dem Wohlverhalten während der Anhängigkeit dieser Verfahren geringeres Gewicht zukommt als einem Wohlverhalten zu Zeiten, in denen dies nicht der Fall ist, führt das Wohlverhalten des Beschwerdeführer in der genannten Zeit im Zusammenhalt mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer vor und nach der Tat vom 14. März 1998 keine sonstigen Übertretungen begangen hat, zu dem Ergebnis, dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Prognose, der Beschwerdeführer werde seine Verkehrszuverlässigkeit erst am 23. Dezember 1998 wiedererlangen, verfehlt und der angefochtene Bescheid demnach rechtswidrig ist. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 27. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999110035.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009