TE Vwgh Erkenntnis 2019/1/31 Ra 2018/14/0121

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2019
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
FlKonv Art1 AbschnC;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/14/0122 Ra 2018/14/0123 Ra 2018/14/0126 Ra 2018/14/0125 Ra 2018/14/0124

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision 1. des A B, 2. der C D, 3. des E F, 4. des G H,

5. des I J, und 6. der K L, alle in X, alle vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2018, 1) W121 2165105-1/11E, 2) W121 2165119-1/14E,

3)

W121 2165101-1/8E, 4) W121 2165114-1/8E, 5) W121 2165117-1/8E,

6)

W121 2165113-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in Höhe von jeweils 1.106,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Afghanistans. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der minderjährigen Drittbis Sechstrevisionswerber.

2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 3. August 2012 wurde dem Erstrevisionswerber aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Den Zweit- bis Sechstrevisionswerbern wurde mit Bescheiden vom 5. Dezember 2014 der Asylstatus dabei im Wege des Familienverfahrens gemäß § 34 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aufgrund der Asylzuerkennung an den Erstrevisionswerber gewährt. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

3 Am 23. Jänner 2017 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon verständigt, dass festgestellt worden sei, dass der Erstrevisionswerber nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nachweislich in den Herkunftsstaat zurückgereist sei und sich dort aufgehalten habe.

4 Nach Einleitung des Aberkennungsverfahrens gab der Erstrevisionswerber im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme an, dass er für zwanzig Tage in Kabul bei seinem Bruder gewesen sei, um einen Familienstreit wegen eines Grundstückes zu schlichten.

5 Mit Bescheiden vom 28. Juni 2017 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Revisionswerbern jeweils den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte unter einem gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihnen jeweils die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde den Revisionswerbern der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt. Weiters erteilte die Behörde den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gegen die Revisionswerber und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass jeweils die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei; die Frist zur freiwilligen Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf Feststellungen zur Situation in Afghanistan und begründete die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Erstrevisionswerbers im Wesentlichen damit, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt hätten, nicht mehr vorliegen würden. Der Erstrevisionswerber sei freiwillig in das Land, das er aus behaupteter Furcht verlassen habe, zurückgekehrt und habe sich bei seinen Angehörigen in Kabul für zwanzig Tage aufgehalten. Zudem habe er sich dem Schutz des Heimatstaates wieder unterstellt. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass die Gründe, die zur Zuerkennung des Status geführt haben, nicht mehr vorliegen würden. Ebenso sei der im Rahmen des Familienverfahrens an die Zweit- bis Sechstrevisionswerber zuerkannte Schutz gleichzeitig abzuerkennen gewesen.

6 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Juli 2018 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich bei der Aberkennung des Asylstatus hinsichtlich des Erstrevisionswerbers auf das Vorliegen der Tatbestände des Art. 1 Abschnitt C Z 1 und Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und hinsichtlich der Zweit- bis Sechstrevisionswerber auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 der GFK.

7 Es stellte - soweit für den Revisionsfall von Bedeutung - fest, dass der Erstrevisionswerber am 31. Dezember 2016 freiwillig für etwa zwanzig Tage in den Herkunftsstaat ausgereist sei und sich bei seinem Bruder und dessen Familie in Kabul aufgehalten habe, die ihn in dieser Zeit versorgt habe. Als Grund für die Reise habe der Erstrevisionswerber die Schlichtung von Grundstücksstreitigkeiten genannt. Er und seine Familie seien in Afghanistan keiner konkreten Verfolgung mehr ausgesetzt.

8 Beweiswürdigend hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass hinsichtlich der Negativfeststellung betreffend die aktuelle Verfolgungsgefahr lediglich auszuführen sei, dass alleine der Umstand, dass der Erstrevisionswerber freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt und dort über längere Zeit, unter seinem ursprünglichen Namen und mit dem Flugzeug eingereist, verblieben sei, zeige, dass er seitens der afghanischen Behörden oder den Taliban keine Verfolgung zu befürchten habe. Der Grund für die Heimreise, nämlich die Schlichtung von Grundstücksstreitigkeiten, sei nicht glaubhaft, sondern wirke vielmehr konstruiert. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass der Erstrevisionswerber im Zusammenhang mit der Streitschlichtung persönlich hätte anwesend sein müssen und nicht über Kommunikationsmittel streitschlichtend hätte eingreifen können. Mit näherer Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Erstrevisionswerber schlichtweg seinen Bruder in Kabul besucht habe.

9 Das Vorliegen des Aberkennungstatbestandes nach Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK begründete das Bundesverwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht, es sei davon auszugehen, dass der Erstrevisionswerber sich so nachhaltig dem Herkunftsstaat zugewendet habe, dass daraus sein Wille hervorleuchte, seine Beziehungen zu Afghanistan zu normalisieren. Die beträchtliche Dauer von knapp drei Wochen spreche ebenso dafür, dass es sich um eine nachhaltige Unterschutzstellung handle. Darüber hinaus habe er auch den Aberkennungstatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK verwirklicht, weil er nicht habe dartun können, dass er nunmehr nach sieben Jahren nach seiner Kandidatur für ein Provinzparlament nach wie vor verfolgt werde.

10 Den Zweit- bis Sechstrevisionswerbern sei die Flüchtlingseigenschaft mangels eigener Gefährdung lediglich wegen der damaligen Gefährdung des Erstrevisionswerbers im Wege des Familienverfahrens zuerkannt worden. Dieser sei nicht mehr gefährdet und damit nicht mehr schutzbedürftig, was auch auf die Zweit- bis Sechstrevisionswerber und ihre Lebenssituation maßgebliche Auswirkungen habe und auf sie durchschlage. Das Bestehen eigener konkreter und insbesondere aktueller Gefährdungsgründe des Erstrevisionswerbers habe nicht festgestellt werden können und so könnten auch die Zweit- bis Sechstrevisionswerber nicht weiter ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Im Übrigen hätten auch die Zweitbis Sechstrevisionswerber keine eigene asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können.

11 Im weiteren verneinte das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten und erließ Rückkehrentscheidungen.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese außerordentliche Revision nach Vorlage derselben und der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht sowie nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:

13 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit ein Abweichen von - näher zitierter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Aberkennung des Status eines Asylberechtigten geltend gemacht. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, der einmalige Besuch von zwanzig Tagen im Herkunftsstaat, zu dessen Motiv das Bundesverwaltungsgericht lediglich festhalte, der Erstrevisionswerber sei in Hinblick auf die vermeintliche Streitschlichtung unglaubwürdig, könne im Sinne der bisherigen Judikatur aufgrund der Kürze und der Einmaligkeit ohne jeglichen Kontakt mit den Heimatbehörden nicht als Unterschutzstellung im Sinne der GFK (Art. 1 Abschnitt C Z 1) gewertet werden. Zudem hätte es - unter Bezugnahme auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 der GFK - Feststellungen bedurft, ob bei einer Verfolgungsgefahr durch die Taliban eine Abwesenheit von sieben Jahren ausreichend sei, um diese zu beseitigen. Zudem verkenne das Bundesverwaltungsgericht auch den Prüfungsmaßstab für die Aberkennung des internationalen Schutzes sowie dass in einem solchen Verfahren die Beweislast des Nachweises der Endigung von asylrelevanten Umständen nicht beim Flüchtling liege. Damit weiche das Bundesverwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach lediglich grundlegende politische Veränderungen im Herkunftsstaat die Annahme begründen könnten, der Anlass für Furcht vor Verfolgung bestehe nicht mehr länger. Solche grundlegenden Änderungen, die nach 2012 eingetreten wären, seien vom Bundesverwaltungsgericht nicht angeführt worden. Insbesondere sei von einer Intensivierung von Angriffen der Taliban die Rede.

14 Die Revision ist im Sinn des Zulassungsvorbringens zulässig und berechtigt.

15 Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.

16 Die sogenannten "Beendigungsklauseln" des Art. 1 Abschnitt C Z 1 bis 6 des Abkommens definieren die Umstände, unter denen ein Flüchtling aufhört, ein Flüchtling zu sein. Diese Klauseln beruhen auf der Überlegung, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist (siehe dazu auch UNHCR, Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 2011, Abs. 111).

17 Nach Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK ist dieses Abkommen auf Personen, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fallen, nicht mehr anzuwenden, wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, unterstellen.

18 Einleitend ist festzuhalten, dass der Umstand einer Heimreise in den Herkunftsstaat ein Indiz dafür sein kann, dass der Asylberechtigte keinen Schutzbedarf mehr hat und sich vielmehr dem Schutz seines Heimatlandes erneut unterstellt hat. Daher wird der Asylberechtigte im Aberkennungsverfahren die Gründe für sein Verhalten plausibel zu erklären haben (vgl. zum Fall, dass sich ein Asylwerber einen Reisepass seines Heimatlandes hat ausstellen lassen, VwGH 15.5.2003, 2001/01/0499).

19 Das Bundesverwaltungsgericht ist vom Eintritt dieses Endigungsgrundes deshalb ausgegangen, weil der Erstrevisionswerber einmalig für etwa zwanzig Tage in den Herkunftsstaat ausgereist sei und sich bei seinem Bruder und seiner Familie in Kabul aufgehalten habe und der Grund des Erstrevisionswerbers für seine Ausreise bzw. seinen Aufenthalt im Heimatstaat - nämlich dass er Grundstücksstreitigkeiten innerhalb der Familie habe beseitigen müssen - nicht glaubhaft sei. Vielmehr nimmt es als Grund der Heimreise den Besuch des Bruders an.

20 Aus der bloßen Feststellung der besuchsweisen Heimreise lässt sich die rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, der Erstrevisionswerber habe nach seiner Anerkennung als Flüchtling in Österreich - unter Zurücklassung seiner übrigen Familie - sich freiwillig unter den Schutz seines (damaligen) Heimatlandes, nämlich Afghanistan, begeben, nicht in gesetzesmäßiger Weise ableiten. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt bereits auf der Tatsachenebene die Auseinandersetzung mit den in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgestellten Tatbeständen bzw. Aberkennungsvoraussetzungen. Es sind die konkreten Umstände der Reise zu erheben, die Aufschluss über das Motiv der Heimreise, den Ablauf des konkreten Aufenthaltes und der vom Flüchtling vorgefundenen Gefahrenlage, geben. Es wird auch eine Gewichtung der Motivation zur Heimreise und der Gefahrenlage im Herkunftsstaat, sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht, vorzunehmen sein, um den Aufenthalt als "beabsichtigte" Unterschutzstellung werten zu können.

21 Die alleinige Feststellung des temporären Aufenthaltes im Heimatstaat reicht weder für die Annahme der Unterschutzstellung noch für deren Verneinung aus.

22 Daraus folgt, dass infolge Verkennung der Rechtslage im Verfahren keine Feststellungen getroffen wurden, die eine Unterschutzstellung begründen könnten. Somit können die bisherigen Feststellungen die rechtliche Conclusio des Bundesverwaltungsgerichtes nicht tragen.

23 Die für die Erfüllung des von der belangten Behörde primär herangezogenen Tatbestandes des Art. 1 Abschnitt C Z 1 GFK notwendigen Voraussetzungen sind vom Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall damit zu Unrecht angenommen worden, sodass das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist.

24 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Aberkennung des dem Erstrevisionswerber gewährten Asylstatus aber auch auf Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK gestützt. Zudem hat das BVwG die Aberkennung des den Zweit- bis Sechstrevisionswerbern gewährten Asylstatus auf diese Bestimmung gestützt.

25 Nach Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK ist dieses Abkommen auf Personen, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fallen, nicht mehr anzuwenden, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden sind, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen können, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

26 Ausgehend von dieser Rechtslage können nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 21.11.2002, 99/20/0171, mwN).

27 Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).

28 Das Vorliegen des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hat das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass der Erstrevisionswerber zu keiner Zeit glaubwürdig darzulegen vermocht hätte, dass bzw weshalb ihm aufgrund des damaligen Fluchtgrundes nach wie vor Verfolgung in Afghanistan drohe. Der Erstrevisionswerber habe lediglich angegeben, dass die Situation nun noch schlimmer sei als früher, was in den getroffenen Länderfeststellungen keine Deckung finde. Zudem habe der Erstrevisionswerber durch die freiwillige Rückreise in sein Heimatland gezeigt, dass er eine derartige Verfolgung nicht mehr tatsächlich befürchte.

29 Das Bundesverwaltungsgericht hat den Eintritt des in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK genannten Tatbestandes also (auch) darauf gegründet, dass beim Erstrevisionswerber die subjektive Furcht, in seinem Heimatstaat verfolgt zu werden, nicht mehr gegeben sei.

30 Wohl kann der Wegfall subjektiv empfundener Furcht allenfalls ein Indiz dafür sein, dass auch objektiv kein asylrechtlich relevanter Verfolgungsgrund mehr vorliegt, doch kann die subjektiv empfundene Furcht eines Flüchtlings vor Verfolgung allein nicht als einer der in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK angeführten Umstände gewertet werden. Diese Umstände sind gemäß dem Wortlaut der angeführten Konventionsstelle solche, auf Grund deren der Asylwerber als Flüchtling anerkannt worden ist. Durch den Wegfall (lediglich) des subjektiven Furchtempfindens eines Flüchtlings können die in Art. 1 Abschnitt C Z 5 dieser Konvention angeführten Voraussetzungen noch nicht als erfüllt angesehen werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei den "Umständen" im Sinne der zitierten Bestimmung insbesondere um solche handeln muss, die sich auf grundlegende, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention angeführten Fluchtgründe betreffende (objektive) Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (vgl. VwGH 29.1.1997, 95/01/0449, mwN).

31 Zwar ist das Bundesverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Behauptung des Erstrevisionswerbers, wonach die Situation nun noch schlimmer wäre, als früher, in den getroffenen Länderfeststellungen keine Deckung findet. Es erscheint jedoch nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse das Bundesverwaltungsgericht die Aktualität der Verfolgungsgefahr verneint, zumal Feststellungen fehlen, die die Annahme rechtfertigen würden, dass - ausgehend vom Vorbringen des Erstrevisionswerbers - die Taliban von einer weiteren Verfolgung des Erstrevisionswerbers absehen würden.

32 Die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes, dass allein durch die seit der Ausreise verstrichene Zeit sowie die freiwillige Rückreise des Erstrevisionswerbers keine Verfolgung mehr drohe, findet in den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen keine Deckung.

33 Das Erkenntnis leidet aus diesem Grund auch insofern, als die Asylaberkennung auf die Anwendung des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK - auch hinsichtlich der Zweit- bis Sechstrevisionswerber - gestützt wurde, an Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge dessen an sekundären Feststellungsmängeln.

34 Das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes war daher im Sinn obiger Ausführungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

35 Damit erübrigt sich das Eingehen auf die weiteren Revisionsgründe, insbesondere war eine Auseinandersetzung betreffend die Aberkennung des Asylstatus der restlichen Familienmitglieder sowie der Nichtzuerkennung eines sonstigen Aufenthaltstitels aufgrund des bisherigen Zwischenergebnisses nicht angezeigt.

36 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140121.L00

Im RIS seit

06.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten