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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, in der Rechtssache der Revision des F M in W, vertreten durch Dr. Thomas Boller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2018, Zl. W253 2134544- 1/17E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach Einreise in das Bundesgebiet am 18. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 11. August 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Juli 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen gerichtete Beschwerde ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde nach Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. November 2018, E 3328-3332/2018-16, ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Zur Ablehnung der Beschwerdebehandlung führte der VfGH u. a. aus, in Bezug auf die behauptete Verletzung von Art. 3 EMRK habe das BVwG weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen, noch seien ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom VfGH aufzugreifende Verletzung des genannten Grundrechts darstellen würden.
5 Gegen das angeführte Erkenntnis des BVwG richtet sich die nunmehr vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, der Revisionswerber sei aus Angst vor einer zukünftigen Zwangsrekrutierung durch die Taliban geflohen. Das BVwG verkenne, dass auch schon Flüchtling sei, wer vor künftig befürchteter Verfolgung fliehe.
10 Entgegen der Revision ging das BVwG nicht davon aus, dass eine (zukünftige) Zwangsrekrutierung keinen Fluchtgrund darstellen könne. Vielmehr erachtete es das Vorbringen betreffend eine drohende Zwangsrekrutierung schlichtweg als nicht glaubwürdig, weshalb es nicht als Sachverhalt festgestellt und insoweit keiner rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde.
11 Soweit die Revision weiter vorbringt, das BVwG habe sich bei der Beurteilung der behaupteten Verfolgung durch die Taliban nicht ordnungsgemäß mit dem diesbezüglichen Vorbringen und den Länderberichten auseinandergesetzt, ist dem zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall Bedeutung besitzt (vgl. etwa jüngst VwGH 6.12.2018, Ra 2017/01/0379, mwN).
12 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2018/01/0364, mwN). Einen derart krassen Fehler in der durch das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorgenommenen Beurteilung zeigt das Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.
13 Was die Prüfung der Zuerkennung subsidiären Schutzes betrifft, traf das BVwG im angefochtenen Erkenntnis konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage (Sicherheits- und Versorgungslage) im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. So führte das BVwG einzelfallbezogen aus, dass es sich beim Revisionswerber um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung handle, der in Kabul über zwei Tanten verfüge, Sprachkenntnisse in Dari und Farsi aufweise und der mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut sei, zumal er bis zu seinem neunten Lebensjahr in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen sei. Das BVwG berücksichtigte auch den Umstand, dass der Revisionswerber Afghanistan im Alter von neun Jahren verlassen und anschließend im Iran gelebt habe. Diesbezüglich verwies es auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach ein langjähriger Aufenthalt im Iran die Unzumutbarkeit der innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul nicht zu begründen vermag (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001).
14 Im vorliegenden Fall begegnet die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalles in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, unter Bedachtnahme auf die bisherigen Ausführungen keinen Bedenken (vgl. auch die Ablehnung der Behandlung seiner Beschwerde an den VfGH, Rz 4).
15 Mit dem Zulassungsvorbringen, der Revisionswerber habe keine familiären Anknüpfungspunkte in Kabul bzw. möglicherweise eine Tante, zu der kein Kontakt bestehe, entfernt sich der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt, weshalb schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegen kann (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0083; 8.9.2017, Ra 2017/20/0079- 0081, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018200420.L00Im RIS seit
06.03.2019Zuletzt aktualisiert am
11.03.2019