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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §509;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde 1) der B GmbH und 2) der U-Gesellschaft mbH, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Rudolf Fries, DDr. Christa Fries und Dr. Michael Tröthandl, Rechtsanwälte in Baden, Erzherzog-Rainer-Ring 23, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. September 1998, GZ GA 9-1615/96, betreffend Grunderwerbsteuer,
Spruch
1) den Beschluss gefasst:
Soweit die Beschwerde von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben wurde, wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2) zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 31. Mai 1996 erwarb die Erstbeschwerdeführerin von der Zweitbeschwerdeführerin Liegenschaften der EZ 565, 741, 921 und 942 der KG A in einem Gesamtausmaß von 90.775 m2 um den Kaufpreis von S 302,500.000,--.
Punkt 2.1 und 2.2 der Vertragsurkunde lauten:
"(2) Der Kaufpreis gemäß Abs. (1) schlüsselt sich auf wie folgt:
(2.1) Liegenschaft 'Westteil': S 69,600.000,-, wobei S 15,800.000,- auf das Bürogebäude 'West' entfallen, (2.2) Liegenschaft 'Ostteil': S 232,900.000,-, wobei S 54,000.000,- auf das Bürogebäude 'Ost' entfallen. Da die Verkäuferin das Kaufobjekt nicht bereits bei Vertragsabschluss räumt und sich ein zeitlich befristetes Fruchtgenussrecht vorbehält, hat sie an die Käuferin für den auf den 'Ostteil' entfallenden Kaufpreis von S 232,900.000,- bis zur vollständigen, vertragsgemäßen Räumung des gesamten Kaufobjektes jährlich jeweils im Vorhinein ab dem 1. Juni 1996 bis zum 31. August 2000 Zinsen in Höhe von 5,64 % p.a. zuzüglich USt, sollte eine fristgerechte und vertragsgemäße Räumung nicht erfolgen, danach Zinsen p.A. in Höhe der Sekundärmarktrendite zuzüglich drei Prozentpunkten zuzüglich USt, sowie stets eine Abgeltung der Abschreibung für Abnutzung des Büroobjektes in Höhe von jährlich S 1,350.000,- zuzügl. USt zu bezahlen. Als Basis der Berechnung der hier bezeichneten Zinsen dient der vierjährige ATS/IRS-Satz (offered rate) zuzüglich dem 1/4 der Differenz zwischen dem fünfjährigen und vierjährigen ATS/IRS-Satz (offered rate), veröffentlicht am Reuters-Schirm GOTY, mit dem Stichtag der Vertragsunterfertigung um 11 Uhr, zuzüglich eines Aufschlages von 3/8%-Punkte, maximal jedoch 5,99 % p.a."
§ 3 der Vertragsurkunde lautet auszugsweise:
"§ 3
Übergabe und Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes
(1) Die Übergabe des gesamten Kaufobjektes in das Eigentum der Käuferin erfolgt am 1. Juni 1996. An diesem Tag gehen Gefahr und Zufall sowie sämtliche mit dem Besitz verbundenen Vorteile und Lasten auf die Käuferin über. Dieser Tag gilt auch als Verrechnungsstichtag der Besitz- und Liegenschaftsabgaben. Die Verkäuferin behält sich jedoch nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages am gesamten Kaufobjekt das zeitlich befristete Recht des Fruchtgenusses vor, und zwar hinsichtlich der Liegenschaft 'Westteil' bis 31.12.1997, hinsichtlich der aus dem Plan Beilage ./1 hervorgehenden, für die Nutzung der Anschlussbahngeleise gemäß § 5 Abs. (1) dieses Vertrages erforderlichen Flächen beider Liegenschaftsanteile (auf Grundstück Nr. 983/4 und 1003/1 der EZ 565 und Grundstück Nr. 859/3, 939/1, 940/1 und 941/2, derzeit inneliegend der EZ 741) bis 31.5.1999, und hinsichtlich der Liegenschaft 'Ostteil' bis längstens 31. August 2000; die Käuferin räumt der Verkäuferin dieses Fruchtgenussrecht ein.
(2) Die Verkäuferin ist aufgrund ihres gemäß Absatz (1) vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes berechtigt, die Liegenschaft 'Westteil' noch bis längstens 31.12.1997, die für die Nutzung der Anschlussbahngeleise erforderliche Fläche bis 31.5.1999 und die Liegenschaft 'Ostteil' noch bis längstens 31.8.2000 zu nutzen, wobei sie jedoch alle wie immer gearteten Kosten, Gebühren und Abgaben, die mit dem Besitz und der Nutzung der Liegenschaften verbunden sind, einschließlich der Versicherungskosten (insbesondere der Brandschadenversicherung), aus eigenem zu tragen und die Käuferin diesbezüglich schad- und klaglos zu halten hat. Allfällige der Käuferin vorgeschriebene oder entstandene Kosten, Gebühren und Abgaben hat die Verkäuferin dieser gegen Rechnungslegung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
..."
In der Abgabenerklärung wurde der Wert des Fruchtgenussrechtes mit S 55,889.108,71 angegeben. Diesen Betrag bezog das Finanzamt bei Erlassung eines vorläufigen Grunderwerbsteuerbescheides an die Erstbeschwerdeführerin in die Bemessungsgrundlage ein.
In der von der Erstbeschwerdeführerin erhobenen Berufung gegen diesen Bescheid wurde eingewendet, dass die Liegenschaften lastenfrei erworben wurden und sodann der Verkäuferin gegen Entgelt ein Fruchtgenussrecht eingeräumt wurde. Letzteres stelle einen eigenen Rechtsakt dar. Das Entgelt von S 55,889.108,-- sei zur Bemessung einer Hundertsatzgebühr nach § 33 TP 9 GebG angegeben worden. Hätte das Grundstück nach den Vorstellungen der Vertragspartner tatsächlich einen Wert in Höhe des Kaufentgelts zuzüglich des eingeräumten Fruchtgenussrechtes, so wäre es unverständlich, warum die Verkäuferin für die Einräumung ein eigenes zeitabhängiges Entgelt zu entrichten hätte.
Mit dem allein an die Erstbeschwerdeführerin gerichteten angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, dass die Vertragspartner nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde nicht eine vom Liegenschaftserwerb unabhängige Vereinbarung über eine Dienstbarkeit anstrebten, sondern das Fruchtgenussrecht als "integralen" Bestandteil des Kaufvertrages ansahen. Die von der Verkäuferin für das vorbehaltene Fruchtgenussrecht zu leistenden Zinsen von 5,64 % von einem Teil des Kaufpreises seien ein Indiz für den Willen der Vertragsteile, das Fruchtgenussrecht als "Bestandteil der Gegenleistung vereinbart zu haben".
In der von den beiden Vertragsparteien erhobenen Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich dadurch in ihren Rechten verletzt, dass eine dem Verkäufer vorbehaltene Nutzung als Gegenleistung behandelt worden ist.
Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Ungeachtet des Umstandes, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine am beschwerdegegenständlichen Erwerbsvorgang beteiligte Person ist und somit gemäß § 9 Z 4 GrEStG 1987 als Steuerschuldnerin in Betracht kommt, war sie zur Erhebung der Beschwerde nicht berechtigt. Zur Beschwerdeführung an den Verwaltungsgerichtshof ist nämlich nur derjenige legitimiert, an den der letztinstanzliche Bescheid ergangen ist (vgl dazu insbesondere das hg Erkenntnis vom 21. Dezember 1992, Zl 91/16/0125). Soweit dabei in der Beschwerde auf die den Beitritt zu einer Berufung im Abgabenverfahren regelnde Bestimmung des § 257 BAO verwiesen wird, ist dem entgegenzuhalten, dass die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über eine Beschwerde im Sinne des Art 130 Abs 1 lit a B-VG nicht zur Anwendung kommen. Soweit die Beschwerde von der Zweitbeschwerdeführerin erhoben worden ist, war sie daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.
Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gegenleistung ist nach § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Zur Gegenleistung gehört dabei jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb eines Grundstückes gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstückes empfängt. Es ist aber nur jene Leistung eine Gegenleistung, die dem Veräußerer zugute kommt oder doch wenigstens seine rechtliche oder wirtschaftliche Stellung zu seinen Gunsten beeinflusst (vgl insbesondere das hg Erkenntnis vom 30. August 1995, Zl 94/16/0085).
Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass beim Verkauf einer Liegenschaft unter Vorbehalt des Fruchtgenusses der Wert dieser vorbehaltenen Nutzung der Gegenleistung zuzurechnen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 23. September 1953, Zl 1861/51, Slg 814/F). Im Beschwerdefall hat sich die Verkäuferin im Sinne des § 3 der Vertragsurkunde ein Fruchtgenussrecht am gesamten Kaufobjekt vorbehalten. Dabei wurde jedoch zwischen einem "Westteil" und einem "Ostteil" des gesamten Liegenschaftskomplexes unterschieden. Das Fruchtgenussrecht am Westteil war dabei zeitlich mit 31. Dezember 1997, jenes am Ostteil der Liegenschaften mit 31. August 2000 befristet. Nach Punkt 2.2. der Vertragsurkunde hat die Verkäuferin für die Einräumung des Fruchtgenussrechtes am Ostteil der Liegenschaft "Zinsen" bestimmter Höhe von dem auf den Ostteil der Liegenschaften entfallenden Kaufpreis zu entrichten. Daraus ergibt sich aber für den Beschwerdefall, dass sich die Verkäuferin zwar hinsichtlich des Westteils der Liegenschaften (zusätzlich zum Kaufpreis) die Nutzung zeitlich begrenzt vorbehalten hat - eine Nutzung, deren Wert übrigens von den Abgabenbehörden bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage gar nicht berücksichtigt worden ist. Soweit der Verkäuferin aber ein Fruchtgenussrecht am Ostteil der Liegenschaften eingeräumt worden ist, ist ihrer Argumentation jedoch zuzustimmen, dass es sich dabei nicht um eine vorbehaltene Nutzung im Sinne des § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 handelt. Es ist dies nicht eine Leistung des Erwerbers, die dem Veräußerer zugute kommt; vielmehr hat die Verkäuferin für diese Nutzungsüberlassung ein Entgelt zu leisten. Es handelt sich dabei ungeachtet des Umstandes, dass die Vereinbarung über die Nutzungsüberlassung in die Urkunde über den Kaufvertrag eingebettet ist, um die entgeltliche Überlassung der Nutzung der Liegenschaft, womit also die Erstbeschwerdeführerin als Käuferin die erworbene Liegenschaft bereits ab Abschluss des Kaufvertrages tatsächlich auch wirtschaftlich verwertet hat. Soweit also die Verkäuferin für das Fruchtgenussrecht an Teilen der erworbenen Liegenschaften ein Entgelt zu leisten hat - und hierüber also ein vom Kaufgeschäft unabhängiges selbständiges Rechtsgeschäft geschlossen hat (vgl. auch § 33 TP 9 GebG 1957) -, liegt eine der Gegenleistung im Sinne des § 5 GrEStG 1987 zuzurechnende vorbehaltene Nutzung nicht vor. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Der Bescheid war somit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abzusehen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am 27. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998160349.X00Im RIS seit
11.07.2001