TE Lvwg Erkenntnis 2018/12/20 VGW-031/054/14011/2017

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Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L40009 Sonstige Polizeivorschriften Wien;
L40019 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen Wien

Norm

VStG §45 Abs1 Z1
WLSG §1 Abs1 Z1
WLSG §1 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Konecny über die Beschwerde der Frau A. B., geboren 1985, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 25.08.2017, Zl. ..., betreffend Übertretungen des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde zu Spruchpunkt 1.) und 2.) des Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis in diesem Umfang bestätigt, dies mit der Maßgabe dass im Tatvorwurf zu Spruchpunkt 1.) und 2.) die erste Anführung des Tatorts „C.-straße,“ zu entfallen hat. Im Tatvorwurf zu Spruchpunkt 1.) ist überdies die Abkürzung „uEB“ durch die Wortfolge „Polizeibeamten“ zu ersetzen.

Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG zu diesen beiden Spruchpunkten einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von gesamt EUR 40,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafen, zu leisten.

II. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde zu Spruchpunkt 3.) Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Umfang behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin zu diesem Spruchpunkt keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Landespolizeidirektion Wien hat am 25.08.2017 an die Beschwerdeführerin ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch gerichtet:

“1. Sie haben am 28.05.2017 um 19.56 Uhr in Wien, C.-straße, C.-straße ggü nebst D. durch folgende Begehungsweise den öffentlichen Anstand verletzt: beschimpfen der uEB als Scheißkinder.

2. Sie haben am 28.05.2017 um 20:00 Uhr in Wien, C.-straße, C.-straße in der Straßenbahnlinie durch folgende Begehungsweise den öffentlichen Anstand verletzt: zeigen des Mittelfingers in provokanter Weise gegen die Polizeibeamten.

3. Sie haben am 28.05.2017 um 19:40 Uhr in Wien, Bahnhof E., in der Bahnhofshalle durch folgende Begehungsweise ungebührlicherweise störenden Lärm erregt: Grölen von Rapid Gesänge und „A.C.A.B.“

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 1 Abs. 1 Z. 1 WLSG

§ 1 Abs. 1 Z. 1 WLSG

§ 1 Abs. 1 Z. 2 WLSG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von €  falls diese uneinbringlich ist,  gemäß

1) € 100,--   1 Tage(n)    § 1 Abs. 1 WLSG

2) € 100,--   1 Tage(n)    § 1 Abs. 1 WLSG

3) € 100,--   1 Tage(n)    § 1 Abs. 1 WLSG

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsauspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner hat der Beschuldigte gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 30,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 330,--.”

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde wie folgt ausgeführt:

“… … …

Ich habe die mir zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht begangen und erhebe weiterhin Einspruch dagegen bzw. lege Beschwerde gegen den Bescheid ein.

Entgegen der Behauptung der verfolgenden Behörde, Landespolizeidirektion Wien, sind die Verwaltungsübertretungen nicht als erwiesen anzusehen. Es ist ein unstrittiger Fakt, dass Instp. F. in seiner Anzeige und seiner Stellungnahme angibt, dass er meinen Bruder, G. B., „A.C.A.B.“ rufen gehört haben will. Ich habe die Buchstaben nicht gerufen, wurde in diesem Zusammenhang mit keinem Wort erwähnt, wurde aber deswegen angezeigt, Der Einspruch gegen diesen Widerspruch (Aussagen und Verwaltungsstrafe) wurde mit Verweis auf die „Angaben“ des „besonders geschulten Organs“ zurückgewiesen und die Anzeige aufrecht erhalten. Die Prüfung durch die eigene Behörde erfolgte daher meiner Meinung nach nicht objektiv und/oder unzureichend.

In der Begründung der Straferkenntnis wird korrekt angeführt, dass ich laut meiner Aussage nicht „Scheißkinder“ zu den beiden Polizisten gesagt habe, aber die Angaben des Meldungslegers, Insp. F., entgegenzuhalten sind. Dieser hat jedoch selbst angegeben, dass ich zu besagtem Zeitpunkt ein Telefonat geführt habe.

Eine „stille Geste“ an sich stellt keine Anstandsverletzung dar, die den angeführten Unrechtsgehalt der Tat als „ausreichend“ für die Erfüllung des Tatbestands der öffentlichen Anstandsverletzung rechtfertigen würde, um sie doch noch als solche gegeben zu sehen. Die Geste wurde genau beschrieben. Ich habe nicht, wie in der Begründung der Straferkenntnis angeführt, lediglich eine Schulterbewegung als Rechtfertigung angegeben, sondern eine Antwort, die plausibel nachvollzogen werden kann, der aber dem Anschein nach keine Beachtung geschenkt wurde.

Bezüglich dem in der Begründung der Straferkenntnis getätigten Verweis auf das „besonders geschulte Organ“ möchte ich folgendes anmerken. Ich hoffe nicht, dass die bereits geschilderte Vorgangs- und Handungsweise des Insp. F. dem eines besonders geschulten Organs entsprechen.

Weder einen Dienstausweis, noch eine Dienstnummerkarte mitzuführen/ vorzuzeigen und/oder auszuhändigen, die Dienstnummernbekanntgabe unbegründet zu verweigern und ers nach mehrmaliger Aufforderung bekannt zu geben, den Ausweis auf den Boden fallen zu lassen und andere genannte Begebenheiten gehören bestimmt nicht zur Ausbildung eines Exekutivbeamten. Auch die Prämisse Polizeibeamte handeln objektiv und haben daher auch kein Interesse am Ausgang des Verfahrens findet in diesem Fall keine Anwendung, da eine von Insp. F. geforderte Bestrafung „über das Maß hinaus“ dagegen spricht.

Es besteht sehr wohl auch der Anlass die Angaben des Insp. F. in Zweifel zu ziehen, da er, wie dem Akt zu entnehmen ist, nachweislich widersprüchliche Aussagen getätigt hat und Fehler in der Argumentation bzw. Widersprüche im Ablauf der Amtshandlung aufgekommen sind.

Nebenbei bemerkt, der Polizist, der seine schwangere Freundin und sein Kind getötet hat, der Polizist, der eine Frau zu Boden gestoßen hat und weggefahren ist, der Polizist, der eine Wirtin wegen Geld verprügelt und schwer verletzt hat, das waren auch „besonders geschulte Organe“, aber eben auch Menschen mit persönlichen Motiven.

Die Faktenlage und die Begründung des Bescheids legen die Vermutung nahe, dass nicht alle angeführten Argumente berücksichtigt wurden, sondern lediglich das Standardprozedere durchgeführt wurde. Es liegt auch noch keine Aussage von Insp. H. vor, die möglicherweise punktuell entlastend für mich sein könnte.

Deshalb ersuche ich um eine unabhängige Prüfung durch das Bundesverwaltungsgericht und beantrage, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wird.

Ich möchte von meinem Recht Gebrauch machen, eine öffentliche mündliche Verhandlung zu beantragen. Weiters stelle ich hiermit den Antrag auf ungekürzte Akteneinsicht im betreffenden Verfahren. Ich erhebe weiterhin Einspruch gegen die mir zu Last gelegten Verwaltungsübertretungen und ersuche um Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, sowie im Falle einer weiteren Verfolgung, unter Bedachtnahme der Milderungsgründe, um Strafmilderung. …“

Das gegenständliche Strafverfahren basiert auf Anzeigen des Insp. I. F., Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 29.05.2017. Diese Anzeigen enthalten folgende (gleichlautende) Tatbeschreibung:

„Am 28.05.2017 um 19.40 Uhr konnten wir (Insp. H. und ML) im Zuge unseres Fußstreifendienstes als ... die beiden Angezeigten, Herr und Frau B. (niA) in Wien, Bahnhof E. in der Bahnhofshalle wahrnehmen, wie diese, sichtlich als Rapid Fans gekleidet, lautstark „SK RAPID“ sangen und ihre Fahnen und Schals herum wehten. Bei Ansicht werden der uEB konnte von ML wahrgenommen werden, wie Hr. B. zwischen den „SK RAPID“ Gegröle, lautstark „A.C.A.B“ (All Cops are Bastards) schrie und die Bahnhofshalle in Richtung Bahnhofsvorplatz verließ.

Die neben den weiteren Rapid Fans anwesenden Personen, welche die öffentlichen Verkehrsmittel nutzten, waren sichtlich durch das Gegröle der beiden Personen gestört und fanden keinen Anklang über das der beiden Angezeigten gegebene Verhalten.

Die uEB wurden beim Nachgehen von Passanten aufmerksam gemacht, dass wir die beiden Personen gefälligst kontrollieren sollen.

Dessen ungeachtet konnten die beiden, trotz schnellen Schrittes am Vorplatz zum Bahnhof E./J. ggü für eine Personenkontrolle angehalten werden.

Dieser kamen die beiden nur widerspenstig nach. Laut Frau B. wurde mehrmals lautstark gegen ML widersprochen, dass eine Personenkontrolle einen Gesetzesbruch darstellt.

Hr. B. merkte mehrere Male an, dass wir keine echten Polizisten sondern nur Witzfiguren sind. Seine Schwester sei seit mehr als 20 Jahren bei der Polizei und diese sei eine echte Uniformierte.

Hier wurde Hr. B. zum ersten Mal abgemahnt, seine renitente und ungehaltene Art zu mäßigen, da er bei einem weiteren Verstoß mit einer Anzeige gem. „Aggressives Verhalten ggü Organen der öffentlichen Aufsicht zu rechnen hat“ (Anm. § 82 SPG).

Den beiden Angezeigten wurde von ML erklärt, dass ihre Nationale überprüft werden und dass der Grund für die Anhaltung die zuvor begangenen Verwaltungsübertretungen (Anstandsverletzung und Lärmerregung) seien. Frau B. schrie daraufhin erneut lautstark und über das normale Maß hinaus gegen ML, dass alles nur Schikane sei. Sie haben nichts gemacht und werden zu Unrecht von den uEB beschuldigt. Sie habe Zeugen, dass sie und ihr Bruder unschuldig seien. Vorbringen konnte sie jedoch keine Zeugen. Mehrmals fielen die Worte bzw. Satzstücke wie „Sauerei“, „Ihr seids eine Frechheit“, „Ihr seids lächerlich und sonst nichts“.

Erneut folgte eine Abmahnung bezüglich der Umfangsform seitens der Angezeigten ggü den uEB.

Erneut wurde Frau B. erklärt, dass ihr Bruder und sie wegen Lärmerregung und ihr Bruder alleine wegen Anstandsverletzung zur Anzeige gebracht werden.

Von ML wurden die beiden Ausweisdokumente retourniert und mitgeteilt, dass sie die Anzeige per Post erhalten werden und sollten sie dieser nicht entsprechen, sie die Möglichkeit haben einen Einspruch zu machen.

Frau B. wurde daraufhin neuerlich laut und ungehalten, fing zu weinen an und zog die ohnehin bereits anwesenden Blicke der Personen auf die Amtshandlung, welche zum Teil per Handykamera mitgefilmt wurde. Aufgrund der vorherigen Anzeige wurde über eine neuerliche Anzeige bzgl. Lärmerregung Abstand genommen.

Herr B. ging daraufhin zu seiner Schwester und schrie diese an, dass sie sich beruhigen sollen und fügte folgende Worte hinzu: „Lass die 2 Wappler die haben keine Ahnung“ und zeigte dabei auf die uEB.

Herr B. wurde daraufhin erneut zur Rede gestellt und über die Anzeigenlegung gem. § 1/1/1 WLSG (Anstandsverletzung) um 19.52 Uhr i.K. gesetzt.

Dieser drehte sich daraufhin zu ML und verlangte die Dienstnummer, welche ihm mündlich zur Kenntnis gebracht wurde. Des Weiteren schoss er einige Fotos von den uEB und stellte eine Beschwerde in Aussicht.

ML klärte Hrn. B. darüber auf, sollte er die Fotos öffentlich stellen, er mit einer Zivilrechtlichen Strafverfolgung seitens der uEB zu rechnen hat. Hr. B. konterte lautstark: „Wos soll i de öffentlich stellen, euch 2 Orschlöcher will eh keiner sehen!“

Eine neuerliche Anzeige gem. § 1/1/1 WLSG wurde um 19.53 Uhr gelegt. Hr. und Fr. B. gingen daraufhin in Richtung Pizzastand und anschließend zur Station der Straßenbahnlinie ... in Wien, C.-straße.

Die uEB, welche ihren Streifenbereich fortsetzten, stellen sich ggü. der K. Filiale auf um ggfs. Personenkontrollen der im D. und den dazugehörigen Gastgarten anwesenden Personen zu machen.

Als um 19.56 Uhr Herr und Frau B. die beiden uEB passierten, telefonierte Frau B. und schrie neuerlich „Jetzt gehen wir eh gerade vorbei an ihnen, die 2 Polizisten sind Scheiß Kinder!“

Ihr Bruder richtete sich daraufhin mit dem Gesicht zu uns und spuckte rechts vor die Beine von Kollege Insp. H..

Beide wurden neuerlich über ihr Verhalten aufmerksam gemacht und von der Anzeige i.K. gesetzt.

Als die beiden Angezeigten sich in die Garnitur der Straßenbahnlinie ... setzten und diese los fuhr, richtete sich Frau B. um 20.00 Uhr neuerlich in Richtung der uEB und zeigte diesen aus der Straßenbahn heraus den Mittelfinger. Eine weitere Person in der Straßenbahn drehte sich ebenfalls um, um Nachschau zu halten, wem diese Geste galt. Als sie die uEB wahrnahm, musste sie das Gehabe der beiden Angezeigten mit einem Kopfschütteln abtun.

Angemerkt wird, dass aufgrund des äußerst unkooperativen und renitenten Verhaltens der beiden Angezeigten Personen ggü den UEB, über eine Strafansetzung über das „normale“ Maß hinaus angedacht wird.“

Vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde in Angelegenheit der erhobenen Beschwerde – verbunden mit der Beschwerde des Herrn G. B. zur GZ. VGW-... - eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher die beiden Beschwerdeführer als Partei (und jeweils im anderen Verfahren als Zeuge) sowie der Meldungsleger Insp. I. F. und Herr Insp. I. H. als Zeugen geladen worden sind.

Die Beschwerdeführer bzw. deren Vertreterin haben in der Verhandlung folgende Angaben gemacht:

Die Bf gibt zu Protokoll:

Ich bin mit meinem Bruder, G. B., und einem Onkel mit seiner kleinen Nichte in der Bahnhofshalle beim Aufgang Schnellbahn gegenüber der Trafik gestanden, von einem Match kommend, und haben gemeinsam mit dem Mädchen und dem Onkel „Rapid Wien Allee Allee Allee“ gesungen. Vor uns und hinter uns waren eine große Anzahl weiterer Rapid Fans. Es war die ganze Halle voll. Nicht richtig ist es, dass ich oder mein Bruder die Worte „A.C.A.B“ gesungen hätten. Soetwas machen wir nie. Wir sind ja keine Hooligans, wir sind normale Rapid Fans.

Die BfV gibt zu Protokoll:

Die beiden Beschwerdeführer waren nicht mit einschlägiger Kleidung mit einem Aufdruck „A.C.A.B.“ bekleidet.

Die Bf gibt zu Protokoll:

Wir hatten lediglich einen Rapid Schal und eine Rapid Fahne. Letztere haben wir dem Mädchen geschenkt. Den Mann mit dem Mädchen haben wir in der Schnellbahn ... kennengelernt und sind wir mit ihnen weiter mit der U... bis E. gefahren. Wir haben mit der anwesenden Gruppe von Rapid Fans mitgesungen. Wir haben nicht lange gesungen, sondern nur zwei Mal „Rapid Wien Allee Allee Allee“.

Der Bf gibt zu Protokoll:

Wir sind nach dem Singen in der Bahnhofshalle auf den Vorplatz des Bahnhofs gegangen und wurden von den Polizisten angehalten. Man hat von uns einen Ausweis verlangt, welchen wir den Polizisten auch gegeben haben. Einer der Polizeibeamten hat gesagt, dass ich „A.C.A.B.“ gesungen hätte. Ich habe dies bestritten und habe ich mit dem Polizeibeamten deswegen diskutiert. Im Zuge dieser Diskussion am Vorplatz habe ich die Polizeibeamten nicht als „Arschlöscher“ bezeichnet. Ich habe von den beiden Polizeibeamten am, Vorplatz mit dem Handy ein Foto gemacht, weil dieser uns keinen Dienstausweis zeigen wollte. Dieser hat gesagt, dass er weder Dienstnummer noch Dienstausweis hat. Der Polizeibeamte hat gesagt, dass er mich wenn ich das Foto in das Internet stellen werde, anzeigen wird. Ich habe darauf geantwortet: „So schön seid ihr nicht, dass ich das Foto online stelle.“ Ich bin dann mit meiner Schwester zu der Straßenbahnstation gegenüber dem K. gegangen – laut BfV ungefähr 20 Meter – und haben auf die Straßenbahn gewartet. Ich habe dem Polizeibeamten aber nicht vor die Füße gespukt. Nach der Diskussion mit den Polizeibeamten bin ich in das Lokal „L.“ am Bahnhofsvorplatz hineingegangen um mir etwas zu trinken zu besorgen. Erst dann sind wir zur Straßenbahn gegangen. Der letzte Kontakt mit den Polizeibeamten war, als ich das Foto von ihnen gemacht habe.

Die Bf gibt zu Protokoll:

Ich habe mit meinem Freund telefoniert und habe nicht gesehen, dass uns die Polizeibeamten nachgegangen sind. Es kann sein, dass dabei die Worte „Scheißkinder“ gefallen sind. Ich habe dies aber nur aus meinem Ärger raus, meinem Freund erzählt. Wir sind schon in der Straßenbahn gesessen, als wir die Polizeibeamten vor dem Lokal „D.“ gesehen haben. Sie haben gelacht. Ich habe nur meine beiden Arme aufgemacht und mit den Schultern gezuckt, als stille Geste. Ich habe aber nicht den Mittelfinger gezeigt. Auf dem Weg vom Bahnhofsvorplatz zur Straßenbahnlinie ... Richtung M. haben wir die Polizeibeamten nicht mehr passiert.

Der Bf gibt zu Protokoll:

Ich bestätige die Richtigkeit der Angaben meiner Schwester.

Die Bf gibt zu Protokoll:

Ich bestätige die Richtigkeit der Angaben meines Bruders.“

Herr Insp. I. F. hat als Zeuge befragt folgende Angaben gemacht:

„Ich und Herr Insp. H. hatten Fußstreifendienst in einem Bereich, welcher auch den Bahnhof E. umfasst. Im Bahnhof befanden sich insgesamt geschätzt ca. 50-70 Personen. Wie viele Rapid Fans darunter waren, kann ich heute nicht mehr sagen. Diese sind mit der U... und der Schnellbahn angekommen. Ich stand mit meinem Kollegen bei der Bahnhofsaufsicht mit Blick auf den Aufgang zur U.... Wir konnten eine Gruppe von Personen, etwa 4-5 Personen, wahrnehmen, welche Rapidgesänge gegrölt haben. Ob bei dieser Gruppe ein Kind dabei war, weiß ich heute nicht mehr. Zwei in dieser Gruppe waren die beiden Angezeigten, welche auch Rapidgesänge gegrölt haben. Dies war schon laut. Dies hat die normale Lautstärke in einer Bahnhofhalle weit überschritten. Es hat dritte Personen gegeben, die an uns herangetreten sind wegen der Lautstärke und sinngemäß gemeint hätten, es wird Zeit, dass von der Polizei kontrolliert wird. Ich habe mit dem Angezeigten Blickkontakt aufgenommen und konnte im selben Moment hören, dass während des Rapidgesänges auch die Buchstabenfolge „A.C.A.B.“ gerufen wurden. Ich bin auf der gegenüberliegenden Seite im Bahnhof gestanden. Zwischen mir und dem Angezeigten lag die Breitseite des Bahnhofs. Die Angezeigte hat zwar auch die Rapidgesänge von sich gegeben, aber nicht die Worte „A.C.A.B.“. Die besagten Buchstaben bedeuten „All Cops Are Bastards“. Es kommt immer wieder vor, dass diese Abkürzung bei Fußballspielen gerufen wird.

Die Personengruppe hat sich dabei auf den Bahnhofsvorplatz zubewegt. Wir sind der Gruppe in Richtung Bahnhofsvorplatz gefolgt und konnten die beiden Angezeigten kurz nach dem Ausgang antreffen. Dort haben wir sie zur Ausweisleistung aufgefordert. Von Herrn B. habe ich gleich einen Reisepass ausgehändigt bekommen, Frau B. hat sich etwas geziert und wollte nicht einsehen, dass es zu einer Personenkontrolle gekommen ist. Die Angezeigte war aufgebracht, wurde auch etwas lauter und hysterisch. Sie hat aber dann letztlich einen Ausweis hergezeigt und wurde von uns angeben weshalb die Anhaltung erfolgt ist, nämlich wegen der „A.C.A.B.“ Rufe und dem Gegröle.

Nach dem wir die Personalien aufgenommen hatten, haben wir die Ausweise zurückgegeben und haben mittgeteilt, dass eine Anzeige erfolgen wird. Die beiden Angezeigten sind in Richtung Straßenbahn gegangen aber wieder zurückgekommen und wollten eine Dienstkarte mit meiner Dienstnummer haben. Eine solche habe ich aber nicht, sondern nur einen Dienstausweis. Diesen habe ich ihnen gezeigt und meine Dienstnummer genannt. Die Angezeigte hat am Bahnhofsvorplatz telefoniert und ihr Bruder hat zu ihr gesagt, „Komm lass die beiden Wappler stehen, wir gehen jetzt.“.

Die beiden haben sich dann wieder entfernt. Ich stand mit meinem Kollegen dann vor dem D. und die beiden Angezeigten sind an uns vorbeigegangen. Die Angezeigte hat noch telefoniert und hat in das Telefon gesagt: „Jetzt gehen wir eh gerade vorbei bei den beiden Orschlöchern.“. Über Vorhalt der Anzeige wonach die Angezeigte beim Vorbeigehen uns zwei Polizisten „Scheißkinder“ genannt hätte, gebe ich an: Ich kann mich nicht mehr genau an alle Details erinnern, ich beziehe mich da auf die Anzeige. Es war so wie ich es in der Anzeige festgehalten habe. Ich habe die Anzeige noch am selben Abend geschrieben. Es ist richtig, dass am Bahnhofsvorplatz vom Angezeigten Fotos von uns gemacht wurden. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass er diese nicht öffentlich stellen darf, da es sonst Probleme mit dem Datenschutz geben könnte. Das daraufhin vom Angezeigten gesagte habe ich in der Anzeige festgehalten. Dies hätte ich nicht so geschrieben, wenn es so nicht gewesen wäre. Der Angezeigte ist wie gesagt mit seiner Schwester an uns vorbeigegangen und hat beim Vorbeigehen rechts vor die Beine des Kollegen H. gespuckt. Meine Auffassung war, dass er dies deswegen getan hat, weil wir dort gestanden sind.

Die Angezeigten sind dann in die Straßenbahn in der Unterführung eingestiegen und konnte ich wahrnehmen, wie sich die Angezeigte zu uns umgedreht hat, in unsere Richtung geschaut hat und uns dabei den Mittelfinger gezeigt hat. Ich bin mir sicher, dass es der Mittelfinger gewesen ist. Die Angezeigten hatten sich auf der linken Seite der Straßenbahn hingesetzt. Dort befand sich auch eine Frau, die sich auch zu uns umgedreht hat und das Zeigen des Mittelfingers wahrgenommen hat. Warum hätte sie sich sonst umdrehen sollen.

Über Befragen der BfV:

Im Zuge der Amtshandlung hat der Angezeigte nur eine Dienstkarte verlangt damit er sich meine Dienstnummer nicht aufschreiben muss. Eine Dienstkarte hatte ich nicht. Den Dienstausweis habe ich aber hergezeigt und ihm meine Nummer gegeben. Das Beschimpfen mit „Orschlöchern und Scheißkindern“ hätte sicherlich von anderen Personen wahrgenommen werden können, die sich dort befunden haben. Dies ist anzunehmen, weil es im Mai war. Auch das Spucken vor die Füße war für Anwesende unbeteiligte wahrnehmbar bzw. hätte wahrgenommen werden können.

Auf dem Bahnhofsvorplatz hat sich ein fremder Mann genähert, der versucht hat auf die beiden Angezeigten beruhigend einzureden. Er hat auch dann mit mir gesprochen und gefragt weshalb die Amtshandlung geführt wird.“

Herr Insp. I. H. hat als Zeuge wie folgt ausgesagt:

„Die gegenständliche Amtshandlung ist mir ungefähr erinnerlich. Ich war mit meine(m) Kollegen auf Fußstreife und haben wir die Bahnhofshalle betreten. Wir konnten die beiden Angezeigten wahrnehmen und in deren Nähe auch 2-3 Personen. Ob diese zu den beiden gehörten, kann ich heute nicht mehr sagen. Von dieser Seite kamen Rapidgesänge wie „SK Rapid“ und gleichzeitig auch die Buchstabenfolge „A.C.A.B.“. Ob diese Gesänge von den beiden Angezeigten oder auch von anderen waren, weiß ich heute nicht mehr so genau. Das Singen der Buchstabenfolge war der Grund für unser Einschreiten. Ob auch die Angezeigte die betreffende Buchstabenfolge gesungen bzw. gegrölt hat, kann ich nicht sagen. Es war jedenfalls eine Männerstimme. Dieses Gegröle war schon laut. Aber für mich wäre das Maßgebliche gewesen, das Grölen der Buchstabenfolge. Die Amtshandlung hat dann vor dem Bahnhof auf dem Vorplatz stattgefunden. Für die beiden Angezeigten war nicht klar, weshalb die Anhaltung erfolgte. Der Anhaltegrund wurde sicherlich von meinem Kollegen ausgesprochen worden, dass das „A.C.A.B“ laut gegrölt worden wäre und dass dies von meinem Kollegen eindeutig wahrgenommen wurde. Die beiden waren nicht sehr erfreut über die Amtshandlung. Ich kann mich erinnern, dass die Worte „Wappler“ gefallen sind und dass wir keine ordentlichen Polizisten wären. Als die erste Amtshandlung beendet war und die beiden Richtung Straßenbahn gegangen sind, sind wir ihnen noch einmal begegnet und hat einer von den Angezeigten telefoniert und da sind die Worte: „Wir gehen bei den Orschlöchern vorbei.“ gefallen. Über Vorhalt der Anzeige wonach die Worte „Orschlöcher“ zuvor im Zuge der Aufnahme der Fotos gefallen sind und beim späteren Passieren der beiden Angezeigten die Worte „Jetzt gehen wir eh gerade vorbei an ihnen, die zwei Polizisten sind Scheißkinder“, gebe ich an: Das kann auch so gewesen sein. Ich kann mich heute nicht mehr so genau daran erinnern. Ich kann auch nicht mehr sagen, wer von den beiden Angezeigten die angeführten Worte gesagt hat.

Der Angezeigte hat beim Passieren auch ausgespuckt. Dies hat mich aber nicht getroffen sondern war zur Folge meiner heutigen Erinnerung ca. 5-10 Meter entfernt. Da die vorhergehende Amtshandlung nicht (gu)t abgelaufen ist, habe ich den Entschluss (richtig: Schluss) gezogen, dass das Ausspucken uns gilt. Ich weiß, dass ich als die beiden Angezeigten bereits in die Straßenbahn eingestiegen sind, gesehen habe, wie die Angezeigte beim Vorbeifahren in der Straßenbahn den Mittelfinger in unsere Richtung gezeigt hat. Ich habe zu dem Kollegen dann auch gesagt: „Jetzt hat sie uns auch den Mittelfinger gezeigt.“ Zur Tatzeit war sicherlich ein hohes Personenaufkommen im gegenständlichen Bereich, sodass das Beschimpfen, Spucken und Mittelfingerzeigen, sicherlich auch von anderen wahrgenommen werden konnte. Ob in der Bahnhofshalle noch mehrere Fußballfans gewesen sind, entzieht sich meiner Erinnerung.

Über Befragen der BfV:

Vom wem das „A.C.A.B.“ gekommen ist, habe ich nicht mitbekommen. Ich schließe aus, dass es von einer Frau gekommen ist. Ich bin dem Kollegen nachgegangen, ich habe den Fokus nicht so sehr Anfangs auf der Gruppe gehabt. Die erste Amtshandlung war schon vorbei, als sich der Angezeigte noch einmal umgedreht hat und die Dienstnummer verlangt hat.“

In den Schlussausführungen haben die Beschwerdeführer auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Im Hinblick auf das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens wird folgender Sachverhalt als feststehend angenommen:

Die Beschwerdeführerin ist am 28.05.2017 um 19.40 Uhr, von einem Fußballmatsch kommend, in der Bahnhofshalle des Bahnhofs E. beim Aufgang zur U... gemeinsam mit ihrem Bruder als Gruppe mit zwei oder drei weiteren Personen gestanden und hat als Rapidfan gemeinsam mit den anderen laut Rapid Gesänge (wie “SK Rapid” und “Rapid Allez Allez Allez”) gesungen. Lediglich vom Bruder, allerdings nicht von der Beschwerdeführerin, wurde auch lautstark die Buchstabenfolge “A.C.A.B.” (eine Abkürzung für die Wortfolge “all cops are bastards”) gesungen.

Die Beschwerdeführerin hat in weiterer Folge mit ihrem Bruder die Bahnhofshalle verlassen und sich auf den Bahnhofsvorplatz begeben, wo sie vom Meldungsleger BzI F. und Insp. H. aufgrund des Verhaltens in der Bahnhofshalle zu einer Personenkontrolle angehalten worden sind. Die Beschwerdeführerin und ihr Bruder haben im Zuge der Kontrolle die Amtshandlung ua. als Schikane bezeichnet und die gemachten Vorhalte bestritten. Der Bruder der Beschwerdeführerin machte gegen Ende der Amtshandlung Fotos von den Polizeibeamten und wurde vom Meldungsleger darauf hingewiesen, dass dieser bei Veröffentlichung der Fotos mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe, worauf der Bruder darauf erwiderte: “Wos soll I de öffentlich stellen, euch zwei Orschlöcher will eh keiner sehen.”

Die beiden Beschwerdeführer gingen daraufhin in Richtung Pizzastand und danach zur Haltestelle der Straßenbahnlinie ... in C.-straße. Der Meldungsleger und sein Kollege nahmen ihren Streifendienst wieder auf und stellten sich ggüber der dortigen K. - Filiale zur Vornahme allfälliger Personenkontrollen auf. Um etwa 19.56 Uhr passierte die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Bruder die beiden Polizeibeamten und telefonierte die Beschwerdeführerin. Während des Vorbeigehens schrie sie “Jetzt gehen wir eh gerade vorbei an ihnen, die zwei Polizisten sind Scheiß-Kinder”. Der Bruder hat beim Passieren der Beamten etwa fünf bis zehn Meter von Insp. H. entfernt ausgespuckt. Nach Hinweis auf eine neuerliche Anzeigelegung durch den Meldungsleger haben sich die Beschwerdeführer zur Straßenbahnhaltestelle begeben, sich in eine Garnitur der Straßenbahnlinie ... gesetzt und hat die Beschwerdeführerin beim Losfahren der Straßenbahn gegen 20.00 Uhr sich in Richtung der außerhalb befindlichen beiden Polizeibeamten aufgerichtet und diesen aus der Straßenbahn heraus den Mittelfinger gezeigt. Dieses Verhalten wurde von einer weiteren Person in der Straßenbahn wahrgenommen, welche sich zu den Polizeibeamten umdrehte und wahrnahm, dass der gezeigte Mittelfinger diesen galt.

Die getroffenen Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf der in zeitlicher Nähe zur Amtshandlung aufgrund seiner Wahrnehmungen erstellten schriftlichen Anzeige des Insp. F. in Verbindung mit dessen Angaben sowie den Angaben des Insp. H. als Zeugen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien am 28.11.2018. Die beiden Zeugen machten in der Verhandlung ihre Angaben glaubhaft, nachvollziehbar und im Wesentlichen widerspruchsfrei, wobei von den Zeugen erkennbar nur das geschildert wurde, was noch zweifelsfrei in ihrer Erinnerung haften geblieben ist. Die Angaben der Zeugen erfolgten spontan und unmittelbar, wirkten keinesfalls konstruiert und erweckten diese nicht den Eindruck, den Beschwerdeführer zu Unrecht einer strafbaren Handlung bezichtigen zu wollen. Dass nicht alle Details der Amtshandlung, wie in der Anzeige vom Meldungsleger noch am selben Abend festgehalten (wie etwa der Zeitpunkt der Beschimpfung bzw. Bezeichnung als “Orschlöcher”) den Zeugen noch erinnerlich waren, erscheint aufgrund der seither verstrichenen längeren Zeit nachvollziehbar und vermochte deren Glaubwürdigkeit nicht zu erschüttern. Widersprüchliche Angaben in den Aussagen (so schilderte Insp. F., dass der Beschuldigte beim Vorbeigehen Insp. H. vor die Beine gespuckt habe, während dieser zufolge seiner Erinnerung konkreter angab, das Spucken sei ca. fünf bis zehn Meter von ihm entfernt erfolgt) waren offensichtlich darauf zurückzuführen. Da der Zeuge H. in dieser Hinsicht seine Angaben mit größerer Sicherheit gemacht hat als der Zeuge F., wurde ersterem hinsichtlich des Ausspuckens durch den Beschwerdeführer der Vorzug gegeben.

Zufolge den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und in der Verhandlung waren für diesen die in die Rapid-Gesänge eingestreuten “A.C.A.B.”- Rufe des Beschwerdeführers deutlich wahrnehmbar und konnte von ihm die Quelle auch eindeutig dem Beschwerdeführer zugeordnet wurden. Dies erscheint insofern nachvollziehbar, als der Meldungsleger in der Bahnhofshalle von der gegenüberliegenden Seite in Richtung Aufgang zur U... und in diesem Bereich gezielt auf eine dort befindliche relative kleine Gruppe von vier bis fünf Personen blickte, worunter sich auch der Beschwerdeführer und seine Schwester befand. Zum Zeitpunkt der Wahrnehmung hatte er Blickkontakt mit dem Beschwerdeführer und konnte das “A.C.A.B.”- Rufen eindeutig dem Bruder der Beschwerdeführerin zuordnen. Schon aus der Anzeige ergibt sich aber, dass die Beschwerdeführerin an diesen Rufen nicht beteiligt war.

Die Angaben des Bruders, welcher nicht die Rapidgesänge in der Bahnhofshalle, aber das Rufen der Buchstabenfolge “A.C.A.B.” als auch die Bezeichnung der Polizeibeamten am Bahnhofsvorplatz als “Arschlöcher” nach Anfertigen von Fotos mit dem Handy von den Polizeibeamten sowie das Ausspucken beim Vorbeigehen an diesen bestritten hat, wirkte im persönlichen Eindruck wenig glaubhaft und von dem Bemühen vorgetragen, einer Bestrafung zu entgehen. Die Erklärung, er habe lediglich gesagt “So schön seids ihr nicht, dass ich das Foto Online stelle” steht in diametralem Gegensatz zu den Angaben der beiden Polizeibeamten. Es hat sich aber in der Verhandlung kein Hinweis dafür ergeben, dass der Meldungsleger, welchem die straf- und dienstrechtlichen Konsequenzen einer Falschaussage durchaus bewusst sein müssen, die Beschwerdeführer wahrheitswidrig einer strafbaren Handlung hätte bezichtigen wollen. Dass die Richtigkeit der Verantwortung der Beschwerdeführerin, welche das Schimpfen “Scheißkinder” am Vorplatz als auch das Singen von Rapidgesängen in der Bahnhofshalle an sich nicht bestritten hat, auch von ihrem Bruder als Zeuge in der Verhandlung bestätigt wurde, vermochte die Glaubwürdigkeit der Angaben der beiden Polizeibeamten nicht zu erschüttern, da auch der Beschwerdeführer als Zeuge diesbezüglich nicht überzeugend wirkte.

Dass die Beschwerdeführerin in der Bahnhofshalle nicht lautstark “A.C.A.B” gesungen hat, lässt sich schon den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige aber auch in der Verhandlung entnehmen und spricht für dessen Wahrheitsliebe. Da diese Buchstabenfolge in Zusammenhang mit Rapid nach einem Match in Anwesenheit von Polizeibeamten gesungen worden ist, besteht für das Verwaltungsgericht auch kein Zweifel, dass diese die Bedeutung “all cops are bastards” aufgewiesen hat. Eine andere schlüssige Bedeutung konnte von den Beschwerdeführern nicht dargelegt werden. Das Verwaltungsgericht Wien folgte daher der Sachverhaltsdarstellung des Meldungslegers in der Anzeige im Zusammenhalt mit dessen Angaben in der Verhandlung und den Angaben des Zeugen Insp. H. anlässlich deren Vernehmung vor dem Gericht. Diese wirkten im persönlichen Eindruck pflichtbewusst und korrekt.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

1. Zu den Bestrafungen nach § 1 Abs. 1 Z. 1 WLSG:

Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 700 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen ist, begeht gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 Wiener Landessicherheitsgesetz - WLSG, LGBl. Nr. 51/1993 idF. LGBl. Nr. 10/2013, wer den öffentlichen Anstand verletzt .

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Bei der Beurteilung der Verletzung jener Formen des äußeren Verhaltens, die nach Auffassung gesitteter Menschen der Würde des Menschen als sittlicher Person bei jedem Heraustreten aus dem Privatleben in die Öffentlichkeit entsprechen, ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 15.09.2011, 2009/09/0154 mwN).

Nach der diesbezüglich weiter zu berücksichtigenden Rechtsprechung zum Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes gehört zum Tatbild der Anstandsverletzung nicht, dass das Delikt an einem öffentlichen Ort begangen wird, jedoch muss die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben sein. In der Judikatur wird weiters darauf verwiesen, dass Zeugen (“Opfer”) einer öffentlichen Anstandsverletzung keineswegs als “Beteiligte” an derselben anzusehen sind (vgl. 22.03.1993, 91/10/0178 mwN).

Das Beschimpfen der Polizeibeamten als Scheißkinder als auch das Zeigen des Mittelfingers gegenüber Polizeibeamten steht mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang und stellt jedes einzelne dieser Verhaltensweisen einen groben Verstoß gegen diejenigen Pflichten dar, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat.

Aufgrund des zur Tatzeit laut den Angaben der Zeugen anzunehmenden Personenverkehrs am Vorplatz des Bahnhofs E. bestand weiters die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus. Selbst wenn die Beschwerdeführerin diese Worte im Zuge eines Telefongesprächs beim Vorbeigehen an den Polizeibeamten ausgesprochen hat, muss aufgrund des Umstandes, dass diese Worte lautstark ausgesprochen wurden, sodass sie auch von den Polizeibeamten vernommen werden konnten, davon ausgegangen werden, dass diese beleidigenden Worte auch von unbeteiligten Dritten am Vorplatz vernommen werden konnten und eindeutig einen Bezug zu den dort stehenden Polizeibeamten aufwiesen.

Was das Zeigen des Mittelfingers aus dem Wagon eines Straßenbahnzuges betrifft, so wurde dies von beiden Polizeibeamten als Zeugen klar bestätigt. Zufolge den Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und als Zeuge in der Verhandlung wurde dieses Zeigen des Mittelfingers in Richtung der Polizeibeamten auch von einer unbeteiligten Person im Wagon des Straßenbahnzuges wahrgenommen und hat diese dritte Person auch wahrgenommen, dass dieses Zeigen des Mittelfingers den außerhalb des Straßenbahnzuges stehenden Polizeibeamten gegolten hat.

Die gegenständlichen Anstandsverletzungen sind daher als “öffentlich” begangen zu qualifizieren. Es unterliegt sohin keinem Zweifel, dass im vorliegenden Fall durch das der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt 1.) und 2.) des Straferkenntnisses zur Last gelegte Verhalten jeweils der objektive Tatbestand einer Übertretung des § 1 Abs. 1 Z. 1 WLSG erfüllt worden ist.

Auch ist aufgrund der äußeren Tatumstände hinsichtlich beider Tatvorwürfe von vorsätzlichem Verhalten auszugehen.

Die Beschwerde war daher in der Schuldfrage hinsichtlich Spruchpunkt 1.) und 2.) des Straferkenntnisses abzuweisen.

2. Zur Bestrafung nach § 1 Abs. 1 Z. 2 WLSG (Spruchpunkt 3.)):

Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 700 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche zu bestrafen ist, begeht gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 Wiener Landessicherheitsgesetz - WLSG, LGBl. Nr. 51/1993 idF. LGBl. Nr. 33/2013, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind unter “störendem Lärm” wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung tretende Geräusche zu verstehen, mögen sie durch Betätigung der menschlichen Sprechorgane oder durch Anwendung von Werkzeugen und dergleichen unmittelbar oder mittelbar hervorgerufen werden. Nicht aber schon die Erregung von störendem Lärm ist aber strafbar, sondern es muss als zweites Tatbestandsmerkmal hinzukommen, dass dieser ungebührlicher Weise erregt wurde. Lärm ist dann ungebührlicher Weise erregt, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Lärms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss, das heißt es muss jene Rücksichten vermissen lassen, die die Umwelt verlangen kann (s. VwGH 29.01.2009, 2006/09/0202).

Die Strafbarkeit der ungebührlichen Erregung störenden Lärms ist bereits dann gegeben, wenn die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von anderen nichtbeteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden. Zur Feststellung, ob Lärm objektiv geeignet ist, von unbeteiligten Personen als ungebührlich oder störend empfunden zu werden, genügen die Erfahrungen des täglichen Lebens (VwGH 29.03.1993, 90/10/0153).

In diesem Zusammenhang kommt es auf den Inhalt der geschrienen Worte nicht an, sondern ob der Lärm wegen seiner Art und/oder Intensität geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören.

Im vorliegenden Fall war unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin für eine kurze Dauer (nämlich beim Hinausbewegen auf den Vorplatz des Bahnhofs) gemeinsam mit ihrem Bruder und anderen Fußballfans in der Bahnhofshalle zur Tatzeit lautstark “SK Rapid”, “Rapid Allez, Allez, Allez” und “A.C.A.B.” gesungen hat.

Ein solches Verhalten in einer an sich nur mit Aus- und Eingängen sowie Ab- und Zugängen versehenen, aber ansonsten geschlossenen Bahnhofshalle, wie es der E. Bahnhof ist, ist angesichts des dort stattfindenden, die öffentlichen Verkehrsmittel nutzenden Personenverkehrs (laut Meldungsleger zur Tatzeit ca. 50 – 70 Personen) als “ungebührlich” anzusehen, da es gegenüber den (sonstigen) Benützern des Bahnhofs jene Rücksichtnahme vermissen lässt, die die Umwelt verlangen kann.

Was das Tatbestandselement des “störenden” Lärms betrifft, so erscheint es angesichts des nicht näher festgestellten sonstigen Lärmpegels am Bahnhof und der nur kurzen Dauer des Gesangs fraglich, ob dieser am Tatort zur Tatzeit nach einem objektiven Maßstab geeignet war, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören. Dies kann, selbst wenn das Singen in der Bahnhofshalle für jedermann deutlich hörbar war, aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens (laut Angaben des Zeugen Insp. H. war eigentlich das Singen “A.C.A.B.” Anlass für das Einschreiten und nicht die Lautstärke) nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden.

Der Beschwerde war daher in Ansehung des Spruchpunktes 3.) des Straferkenntnisses Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Strafbemessung (zu Spruchpunkt 1.) und 2.)):

Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Hinsichtlich beider als erwiesen angenommener Verwaltungsübertretungen ist weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (Wahrung des öffentlichen Anstands) noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat gering. Der Unrechtsgehalt war daher in beiden Fällen als nicht unbedeutend anzunehmen.

Das Verschulden konnte nicht als geringfügig angenommen werden, da weder hervorgekommen ist noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Aufgrund der Wissentlichkeit der Begehung ist von einem hohen Verschuldensgrad auszugehen.

Als mildernd kam der Beschwerdeführerin nichts zugute. Erschwerende Umstände lagen ebenfalls nicht vor.

Die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin stellte sich zufolge ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung (Einkommen: ca. EUR 1.600,-- mtl. nto.; kein Vermögen) nicht als ungünstig dar. Sorgepflichten bestehen nicht.

Unter Bedachtnahme auf die dargestellten Strafzumessungsgründe, insbesondere den nicht nicht unbeträchtlichen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, und den gesetzlichen Strafsatz von bis zu EUR 700,-- stellen sich die von der belangten Behörde festgesetzten Strafen als angemessen und nicht zu hoch dar. Einer Strafreduktion standen auch spezial- und generalpräventive Erwägungen entgegen.

Aus denselben Erwägungen waren auch die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen unter Bedachtnahme auf

§ 16 Abs. 2 VStG zu bestätigen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die im Spruch des Erkenntnisses angeführten zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Erkenntnis des Verwaltungsgerichts keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Entscheidung wurde von der auch angeführten als einheitlich zu beurteilenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen der Voraussetzungen der einzelnen gesetzlichen Tatbestände nicht abgegangen. Auch liegen sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Verletzung des öffentlichen Anstandes; Öffentlichkeit; ungebührliche störende Lärmerregung; störender Lärm; Ungebührlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.031.054.14011.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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