TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/27 G313 2150888-1

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2150888-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Mazedonien, vertreten durch RA Mag. Nikolaus RAST, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 23.02.2017, wurde über den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.) gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 23.03.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Am 24.10.2018 langte beim BVwG die Mitteilung des zuständigen Straflandesgericht über die Erhebung einer Anklage gegen den BF wegen Freiheitsentziehung und schweren Raubes ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Mazedonien und im Besitz eines bis Juli 2024 gültigen mazedonischen Reisepasses.

1.2. Er ist nunmehr im Besitz eines von 23.12.2015 bis 23.12.2018 gültigen Aufenthaltstitels als Familienangehöriger und war auch davor im Bundesgebiet im Besitz von immer wieder verlängerten Aufenthaltstiteln.

1.3. Der seit 2014 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirate BF reiste im Jahr 2008 in das österreichische Bundesgebiet ein und war seither mit seiner Ehegattin und ihrer gemeinsamen 2009 geborenen Tochter bis 16.03.2016 an gemeinsamer Hauptwohnsitzadresse gemeldet, der BF an dieser danach noch bis Ende Mai 2016.

Bereits während aufrechter Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet hatte der BF - jedenfalls im September 2015 - auch einen Wohnsitz in der Schweiz.

1.4. Der BF ging im Bundesgebiet im Zeitraum von September 2008 bis Oktober 2015 immer wieder - kurzfristigen bzw. geringfügigen - unselbstständigen Beschäftigungen nach und im Zeitraum von 2012 bis 2014 als Geschäftsführer einer Firma auch einer gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit. Die Firma des BF musste aufgrund finanzieller Schwierigkeiten jedoch aufgelöst werden. Der BF sah sich bereits im Zeitraum der Liquidation der Firma im Zeitraum von Juli 2014 bis Anfang September 2016 auch in der Schweiz nach einer neuen Arbeit um.

Nachdem die Ehegattin des BF ihren Wohnsitz am 16.03.2016 abgemeldet und ihr letztes bis April 2016 im Bundesgebiet nachgegangenes Arbeitsverhältnis beendet hatte, ließ sie sich mit der gemeinsamen Tochter in der Schweiz nieder, wo sich diese seither aufhalten. Die Ehegattin des BF geht dort einer Arbeit nach und ihre Tochter besucht die Schule. Der BF hielt sich jedenfalls bereits im Jahr 2015 nicht nur in Österreich, sondern auch in der Schweiz auf, hatte er doch bereits im September 2015 eine aufrechte Wohnsitzmeldung dort. Seine Wohnsitzabmeldung in Österreich erfolgte jedenfalls erst Ende Mai 2016, obwohl er bereits ab Anfang Mai 2016 einer Beschäftigung bei einer Firma in der Schweiz nachgegangen ist.

1.5. Am 22.09.2016 wurde der in der Schweiz wohnhafte BF fest- und tags darauf in Haft genommen.

Mit Urteil eines inländischen Strafgerichtes von November 2016 wurde der BF wegen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF lag zugrunde, dass der BF im Jahr 2015 und Anfang des Jahres 2016 Personen gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt EUR 5.000,-

übersteigenden Wert durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Am 13.04.2017 wurde der BF dann bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus seiner Strafhaft entlassen. Die verhängte Probezeit von drei Jahren ist demnach noch aufrecht.

Nach Haftentlassung am 13.04.2017 ist der BF wieder in die Schweiz gereist und seither dort wohnhaft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und den vom BF vorgelegten Identitätsdokument.

2.2.2. Die im Juli 2014 in Mazedonien erfolgte Eheschließung des BF mit einer österreichischen Staatsbürgerin ergab sich aus einer Eintragung im Zentralen Melderegister.

2.2.3. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF, seiner Ehegattin und ihrer gemeinsamen Tochter beruhen auf diese Personen betreffenden Auszügen aus dem Zentralen Melderegister. Dass der BF bereits während aufrechter Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet im September 2015 eine Wohnsitzadresse in der Schweiz hatte, beruht auf einer dem Verwaltungsakt einliegenden "Personeninformation des Bundesministeriums für Inneres" über die Personendaten des BF mit Stand "14.09.2015" (AS 7).

2.2.4. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF und seiner Ehegattin beruhen auf einem AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszug. Dass der BF von 2012 bis 2014 gewerblich selbstständig war, ergibt sich nicht nur aus diesem Auszug, sondern auch aus einem eingeholten Firmenbuchauszug, in welchem der BF im Zeitraum von 2012 bis 2014 als Geschäftsführer einer Firma aufscheint. Dass er von 02.09.2009 bis 16.03.2016 zusammen mit seiner Ehegattin und Tochter und allein noch bis Ende Mai 2016 seinen Hauptwohnsitz an der Adresse seiner ehemaligen Firma hatte, ergab sich aus einer Zusammenschau der Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem Firmenbuch. Die vom BF in seiner Beschwerde dargelegten finanziellen Schwierigkeiten als gewerblich Selbstständiger waren aus einer im Firmenbuch eingetragenen im Juli 2014 begonnenen und Anfang September 2016 abgeschlossenen Liquidation der Firma ersichtlich.

Dass der BF sich bereits während laufender Liquidation seiner Firma in Österreich in der Schweiz nach Arbeit umsah, ergibt sich aus seiner nachweislich bereits im September 2015 bestehenden Wohnsitzmeldung dort. Dass er während noch aufrechter bis Ende Mai 2016 aufrechter Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet bereits ab Anfang Mai 2016 einer Beschäftigung bei einer näher angeführten Firma in der Schweiz nachgegangen ist, beruht auf seinem diesbezüglich glaubwürdigen Beschwerdevorbringen.

2.2.5. Dass die Ehegattin des BF, eine österreichische Staatsbürgerin, nach ihrer Wohnsitzabmeldung in Österreich am 16.03.2016 und der Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses Ende April 2016 in die Schweiz gereist ist und sich seither dort aufhält, war aus einer Zusammenschau der Auszüge aus dem Zentralen Melderegister und dem AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszug mit dem glaubhaften Vorbringen in schriftlicher Stellungnahme des BF vom 19.10.2016 und gegenständlicher Beschwerde von März 2017 ersichtlich.

2.2.6. Dass der BF im Bundesgebiet noch Verwandte hat, ergab sich aus seinen glaubhaften Beschwerdeangaben, in Österreich seine Schwiegereltern und Cousins zu haben.

2.2.7. Dass der BF im Bundesgebiet einen immer wieder verlängerten Aufenthaltstitel als Familienangehöriger hatte und nunmehr im Besitz eines von 23.12.2015 bis 23.12.2018 gültigen Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" ist, ergab sich aus einem Fremdenregisterauszug.

2.2.8. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des BF beruhen auf einem Strafregisterauszug und den dem Verwaltungsakt einliegenden strafgerichtlichen Unterlagen, darunter dem Strafrechtsurteil (AS 43ff). Die Feststellungen zu seiner Festnahme am 22.09.2016 und seiner Inhaftnahme tags darauf beruht auf der dem Verwaltungsakt einliegenden Strafvollzugsinformation (AS 1).

Zu Spruchteil A):

3.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte, von der belangten Behörde herangezogene, § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den BF ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, dass der mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratete BF begünstigter Drittstaatsangehöriger ist.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht nur gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger, sondern auch gegen begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

§ 2 Abs. 4 Z.11 FPG lautet wie folgt:

"§2. (...)

(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist

(...)

11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;

(...)."

Ausführungen der Bundesregierung zur Stellung von begünstigten Drittstaatsangehörigen wurde in einem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13.10.2006, Zl. G26/06 ua, etwa folgendermaßen wiedergegeben:

"(..) fordert § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, dass die zusammenführende Person - EWR-Bürger oder Schweizer Bürger oder Österreicher - einen sog. Freizügigkeitssachverhalt innerhalb des Freizügigkeitsraumes (EWR und Schweiz) verwirklicht hat oder nicht.

Das Erfordernis, innerstaatlich eine entsprechende rechtliche Differenzierung nach Freizügigkeitssachverhalten vorzunehmen, ergibt sich aus den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere aus den primärrechtlichen Garantien der Art. 18, 39 und 43 des EG-Vertrages und der Unionsbürger-RL 2004/38/EG, die mit 30. April 2006 die derzeit in Geltung befindlichen Richtlinien ersetzt und die sekundärrechtlichen Regelungen über die Freizügigkeit und den Aufenthalt von Unionsbürgern - respektive EWR-Bürgern - und deren Angehörigen in anderen Mitgliedstaaten zusammenfasst.

So bestimmt beispielsweise die Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl. Nr. L 157 vom 15. Juni 2002, S. 1, dass etwa für Familienangehörige eines EU-Bürgers, der nicht sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, im Feld "Art des Titels" auf der Aufenthaltskarte der Begriff "Familienangehöriger" anzugeben ist (...). Im Vergleich zur Unionsbürger-RL ergibt sich damit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, dass Familienangehörigen von EWR-Bürgern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausüben, ein konstitutiver Aufenthaltstitel zu erteilen ist, während Familienangehörigen von die Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EWR-Bürgern eine Bescheinigung mit deklaratorischem Charakter (Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte) auszustellen ist

(...).

Ferner bestimmt die Unionsbürger-RL, dass das Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, auch deren Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit gewährt werden soll (5. Erwägungsgrund). Voraussetzung für die Anwendung der Rechte nach der Unionsbürger-RL ist die Ausreise aus einem Mitgliedstaat und die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat, somit das Verwirklichen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (...)."

Da im gegenständlichen Fall die Ehefrau des BF zum Zeitpunkt seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet und seiner Erstmeldung am 26.08.2008 bereits langjährig in Österreich aufhältig war und bis zu ihrer Wohnsitzabmeldung am 16.03.2016 ab 22.03.1989 eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufweist, steht fest, dass sich die Ehefrau des BF von klein auf stets in Österreich aufgehalten und demzufolge bis zu ihrer Ausreise in die Schweiz nach ihrem Ende April 2016 beendeten letzten Arbeitsverhältnis ihr Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat. Eine Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit erfolgte erst danach.

Die belangte Behörde hielt dem BF auch erst nach bereits erfolgter Ausreise seiner Ehegattin mit Schreiben von Oktober 2016 die von ihr beabsichtigte Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes - vor, woraufhin der BF in einer dazu noch im Oktober 2016 abgegebenen schriftlichen Stellungnahme einen Aufenthalt seiner Ehegattin und Tochter in der Schweiz angeführt hat.

Der BF war im Bundesgebiet stets im Besitz eines Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" und ist auch derzeit im Besitz eines von 23.12.2015 bis 23.12.2018 gültigen Aufenthaltstitels mit dem Aufenthaltszweck "Familienangehöriger", obwohl er in Österreich keine näheren Familienangehörigen mehr aufweist.

Obwohl die belangte Behörde dem BF ihre Beabsichtigung, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu erlassen, vorgehalten hat, wurde mit gegenständlich angefochtenem Bescheid gegen den BF tatsächlich ein Aufenthaltsverbot erlassen, unter Annahme, es handle sich beim BF wegen Verheiratung mit einer österreichischen Staatsbürgerin um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen.

Der Europäische Gerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 12.03.2014, Rs C-456/12, Bezug nehmend auf die Unionsbürgerrichtlinie, auszugsweise Folgendes aus:

"(...)

35 Zur Richtlinie 2004/38 hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sie die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das den Unionsbürgern unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV erwächst, erleichtern soll und bezweckt, dieses Recht zu verstärken (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Juli 2008, Metock u. a., C-127/08, Slg. 2008, I-6241, Rn. 59 und 82, vom 7. Oktober 2010, Lassal, C-162/09, Slg. 2010, I-9217, Rn. 30, und McCarthy, Rn. 28).

36 Art. 21 Abs. 1 AEUV und die Richtlinie 2004/38 verleihen Drittstaatsangehörigen keine eigenständigen Rechte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2012, Iida, C-40/11, Rn. 66, und vom 8. Mai 2013, Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku, C-87/12, Rn. 34). Die etwaigen Rechte, die die unionsrechtlichen Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft Drittstaatsangehörigen verleihen, sind nämlich Rechte, die daraus abgeleitet werden, dass ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat (vgl. Urteile Iida, Rn. 67, Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku, Rn. 35, und vom 10. Oktober 2013, Alokpa u. a., C-86/12, Rn. 22).

37 Eine Auslegung der Richtlinie 2004/38 nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik und dem mit ihr verfolgten Ziel ergibt aber, dass sie für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, begründet.

38 Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 definiert als "Berechtigte" der durch die Richtlinie gewährten Rechte nämlich "jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort

aufhält, sowie ... seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2

Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen".

39 Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie sind, sieht die Richtlinie 2004/38 daher nur für den Fall vor, dass der Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Metock u. a., Rn. 73, vom 15. November 2011, Dereci u. a., C-256/11, Slg. 2011, I-11315, Rn. 56, Iida, Rn. 51, und vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C-356/11 und C-357/11, Rn. 41).

40 In den anderen Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere Art. 6, Art. 7 Abs. 1 und 2 und Art. 16 Abs. 1 und 2, ist vom Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers und vom abgeleiteten Aufenthaltsrecht seiner Familienangehörigen entweder in "einem anderen Mitgliedstaat" oder im "Aufnahmemitgliedstaat" die Rede; sie bestätigen damit, dass ein Drittstaatsangehöriger, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, aus dieser Richtlinie kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, herleiten kann (vgl. Urteile McCarthy, Rn. 37, und Iida, Rn. 64).

41 Was die teleologische Auslegung der Richtlinie 2004/38 angeht, trifft zwar zu, dass diese die Ausübung des jedem Unionsbürger unmittelbar verliehenen elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, erleichtern und verstärken soll, doch betrifft ihr Gegenstand - wie aus ihrem Art. 1 Buchst. a hervorgeht - die Bedingungen, unter denen dieses Recht ausgeübt wird (Urteil McCarthy, Rn. 33).

42 Da ein Mitgliedstaat nach völkerrechtlichen Grundsätzen seinen eigenen Staatsangehörigen das Recht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen und dort zu bleiben, nicht verwehren kann, regelt die Richtlinie 2004/38 lediglich die Voraussetzungen der Einreise und des Aufenthalts eines Unionsbürgers in anderen Mitgliedstaaten als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (vgl. Urteil McCarthy, Rn. 29).

43 Entsprechend gewährt die Richtlinie einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sich in dem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, auch kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht, wie sich aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils ergibt.

44 Da Drittstaatsangehörige, die sich in Situationen wie die von Herrn O. und Herrn B. befinden, aus der Richtlinie 2004/38 kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat herleiten können, dessen Staatsangehörigkeit ihre jeweilige Referenzperson besitzt, ist zu prüfen, ob sich ein solches Aufenthaltsrecht möglicherweise aus Art. 21 Abs. 1 AEUV ergibt.

45 Insoweit ist festzustellen, dass der Zweck und die Rechtfertigung eines solchen abgeleiteten Rechts auf der Feststellung beruhen, dass seine Nichtanerkennung den Unionsbürger in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte, weil ihn dies davon abhalten könnte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. Urteile Iida, Rn. 68, Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku, Rn. 35, und Alokpa u. a., Rn. 22).

46 Deshalb hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn sich ein Unionsbürger länger als zweieinhalb bzw. länger als eineinhalb Jahre zusammen mit einem Drittstaatsangehörigen, der sein Familienangehöriger ist, in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dort eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat, dem Drittstaatsangehörigen bei der Rückkehr des Unionsbürgers in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit dieser besitzt, dort nach dem Unionsrecht ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zustehen muss (vgl. Urteile Singh, Rn. 25, und Eind, Rn. 45). Würde der Drittstaatsangehörige nicht über ein solches Recht verfügen, könnte der Arbeitnehmer, der Unionsbürger ist, allein aufgrund der fehlenden Gewissheit, nach seiner Rückkehr in seinen Herkunftsmitgliedstaat ein etwa durch Heirat oder Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat aufgenommenes Familienleben fortsetzen zu können, davon abgeschreckt werden, den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zu verlassen, um im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis auszuüben (vgl. Urteile Eind, Rn. 35 und 36, und Iida, Rn. 70).

47 Das Hindernis für die Ausreise aus dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer besitzt, auf das in den Urteilen Singh und Eind abgestellt worden ist, besteht mithin darin, dass Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige des Arbeitnehmers sind, nachdem sich dieser mit ihnen auf der Grundlage und unter Beachtung des Unionsrechts im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, bei der Rückkehr des Arbeitnehmers in seinen Herkunftsmitgliedstaat ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verwehrt wird."

Da Voraussetzung für die Anwendung der Rechte nach der Unionsbürgerrichtlinie die Ausreise aus einem Mitgliedstaat und die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat, somit das Verwirklichen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes, ist, kann der BF als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin, die sich von klein auf stets in Österreich aufgehalten hat und erst nach ihrer Wohnsitzabmeldung im März 2016 und Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses Ende April 2016 zusammen mit der mit dem BF gemeinsamen Tochter in die Schweiz verzogen ist und seither dort lebt und dem Beschwerdevorbringen zufolge einer Arbeit nachgeht, grundsätzlich erst in der Schweiz als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" behandelt werden.

In vorhin angeführtem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12.03.2014 wird in Rz 46 festgehalten, dass, wenn ein Unionsbürger länger als zweieinhalb bzw. länger als eineinhalb Jahre zusammen mit einem Drittstaatsangehörigen, der sein Familienangehöriger ist, in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dort eine unselbstständige Tätigkeit ausgeübt hat, dem Drittstaatsangehörigen bei der Rückkehr des Unionsbürgers in den Mitgliedstaat, dessen Staatsaasangehörigkeit dieser besitzt, dort nach dem Unionsrecht ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zustehen muss.

Im gegenständlichen Fall ist die Ehegattin nach ihrer Wohnsitzabmeldung im Bundesgebiet am 16.03.2016 und Beendigung ihres letzten Arbeitsverhältnisses im Bundesgebiet Ende April 2016 zusammen mit ihrer gemeinsamen 2009 geborenen Tochter in die Schweiz ausgewandert. Dort geht sie seither einer geregelten Arbeit nach und besucht ihre Tochter die Schule.

Die Ehegattin des BF - eine österreichische Staatsbürgerin - hält sich zwar seit Mai 2016 - somit etwas länger als zwei Jahre lang - in der Schweiz und damit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, aufgehalten, dies jedoch überwiegend ohne ihren Ehegatten - den BF, der sich bereits im September 2015 mit Wohnsitz in der Schweiz melden und Ende Mai 2016 von seinem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet abmelden lassen hat. Nach Beginn einer Beschäftigung in der Schweiz Anfang Mai 2016 wurde der BF wegen zuletzt im Jänner 2016 im Bundesgebiet begangener Straftaten am 22.09.2016 fest- und tags darauf in Österreich in Haft genommen. Im November 2016 wurde der BF wegen gewerbsmäßig begangenen Einbruchsdiebstahls mit einem EUR 5.000,-

übersteigenden Gesamtschaden zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, strafrechtlich verurteilt. Auf die strafrechtliche Verurteilung des BF von November 2016 folgte im Bundesgebiet die Verbüßung der unbedingten Freiheitsstrafe des BF. Während dieser Zeit in Strafhaft konnte der BF seine Beziehung zu seinen in der Schweiz aufhältigen Familienangehörigen jedenfalls nicht aufrecht halten. Auch die Ehegattin des BF ist nicht wieder nach Österreich, dem Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzt, zurückgezogen, sondern mit der gemeinsamen Tochter in der Schweiz verblieben.

Durch das kurzzeitige Zusammenleben des BF mit seiner Ehegattin und ihrer gemeinsamen Tochter in der Schweiz besteht dem Urteil des EuGH, Rs C-456/12, zufolge während noch aufrechter Wohnsitzmeldung des BF in Österreich jedenfalls kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für den BF in Österreich - dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit seine in der Schweiz aufhältige Ehegattin besitzt.

Die belangte Behörde ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich beim BF als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin von vornherein um einen "begünstigten Drittstaatsangehörigen" handelt, ist dies doch im Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft seine Ehegattin besitzt, nicht von vornherein möglich.

Die Begünstigteneigenschaft des drittstaatsangehörigen BF ergab sich jedoch aufgrund der besonderen Fallkonstellation im gegenständlichen Fall. Da der BF mit seiner Ehegattin von August 2008 bis März 2016 - kurz vor Ausreise seiner Ehegattin in die Schweiz - einen gemeinsamen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte und bereits während aufrechter Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet im Jahr 2015 auch in der Schweiz einen Wohnsitz gegründet und einen Nachzug in die Schweiz beabsichtigt hat, ist im gegenständlichen Fall der BF, der während aufrechter Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet im Mai 2016 sogar kurzzeitig in der Schweiz erwerbstätig war und nach Verbüßung seiner mit Strafrechtsurteil von November 2016 ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe in Österreich und seiner auf eine Probezeit von drei Jahren bedingten Strafhaftentlassung am 13.04.2017 seiner Ehegattin in die Schweiz nachgezogen ist, wie nunmehr als Familienangehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin in der Schweiz, als Familienangehöriger einer ihr Freizügigkeitsrecht in der Schweiz ausübenden Unionsbürgerin auch in Österreich als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" anzusehen.

Der BF würde andernfalls gegenüber seinem derzeitigen unionsrechtlichen Aufenthaltsstatus in der Schweiz in Österreich - im gegenständlichen fremdenrechtlichen Verfahren etwa - nicht gleich wie in der Schweiz als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" behandelt.

3.1.3. Gegen den BF ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes somit grundsätzlich zulässig.

Der BF hat sich seit August 2008 und damit jedenfalls nicht in einem zehn Jahre übersteigenden Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nicht als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, darstellen muss.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Der BF wurde im Bundesgebiet einmalig im November 2016 wegen schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Dieser Verurteilung lag ein kriminelles Fehlverhalten des BF im Zeitraum von November 2015 bis Jänner 2016 zugrunde. Der BF ging im Bundesgebiet im Zeitraum von September 2008 bis zuletzt Oktober 2015 mehreren legalen Beschäftigungen nach - in den Jahren 2012-2014 auch gewerblich selbstständig.

Der BF versuchte aufgrund finanzieller Schwierigkeiten mit seiner Firma im Mai 2016 in der Schweiz beruflich Fuß zu fassen.

Davor hat der BF im Bundesgebiet im Zeitraum von November 2015 bis Jänner 2016 immer wieder Einbruchsdiebstähle - mit Gesamtschaden in Höhe von EUR 5.000,- - begangen. Deswegen wurde der BF auch zur Verantwortung gezogen und nach seiner Festnahme in der Schweiz und seiner Inhaftnahme im Bundesgebiet im Oktober 2016 im November 2017 wegen schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon zwei Jahre bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, (rechtskräftig) strafrechtlich verurteilt.

Daraus war ersichtlich, dass sich der BF in wirtschaftlicher Bedrängnis nicht davor scheut, auch auf illegale Weise zu Einnahmen zu gelangen.

Nach Entlassung des BF aus seiner Strafhaft am 13.04.2017 ist der BF gleich in die Schweiz gereist und damit seiner Ehegattin und Tochter in die Schweiz nachgezogen.

In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig betont, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe zuletzt VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8).

Ein Wohlverhalten des BF nach seiner Strafhaftentlassung in Freiheit ist wegen seiner gleich auf seine Haftentlassung folgende Ausreise in die Schweiz im Bundesgebiet nicht mehr prüf- und feststellbar.

Unter Berücksichtigung seiner steten Bemühung um legale Beschäftigung seit dem Jahr seiner Einreise in Österreich von 2008 bis Oktober 2015 - sei es unselbstständig oder als gewerblich Selbstständiger im Zeitraum von 2012 bis 2014 - kann aufgrund der Tatsache, dass der BF seinem Beschwerdevorbringen von März 2017 zufolge nach Haftentlassung am 13.04.2017 auf legalen Einkommenserwerb und auf Fortsetzung seiner bereits im Mai 2016 in der Schweiz nachgegangenen Beschäftigung bedacht ist, jedenfalls von keiner tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG ausgegangen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Mit Behebung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes steht es dem BF (weiterhin) frei, sich in der Schweiz bei seiner Ehegattin und Tochter aufzuhalten und dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

3.3. Zulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob der drittstaatsangehörige BF, der sich zunächst mit seiner Ehegattin, einer Unionsbürgerin, im Bundesgebiet - dem Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft diese besitzt, aufgehalten und während seiner aufrechten Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auch einen Wohnsitz in dem anderen Mitgliedstaat, in welchen seine Ehegattin danach gezogen ist, gegründet und einen Nachzug in den anderen Mitgliedstaat beabsichtigt und durch kurzzeitige Erwerbstätigkeit dort bereits eingeleitet hat und dann seiner Ehegattin auch tatsächlich in den anderen Mitgliedstaat nachgezogen ist, im Bundesgebiet ebenso wie nach Ausreise des BF in den anderen Mitgliedstaat dort als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter "begünstigter Drittstaatsangehöriger" angesehen werden kann.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung, keine
unmittelbar drohende Schädigung von Interessen, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2150888.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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