TE Bvwg Beschluss 2018/11/30 G313 2201371-2

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Veröffentlicht am 30.11.2018
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Entscheidungsdatum

30.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs4

Spruch

G313 2201371-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA.: Rumänien vertreten durch RA Mag. Georg MORENT vom 11.06.2018 beschlossen:

A)

Dem Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 33 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 11.06.2018 wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein dreijähriges Aufenthaltsverbot verhängt (Spruchpunkt I.) gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), Dieser Bescheid wurde der BF zHd des RV am 14.06.2018 rechtswirksam zugestellt. Die BF ist Teil einer Familie, die diesbezüglichen Bescheide vom 12.06.2018 und 19.06.2018, ebenfalls ein Aufenthaltsverbot für den Ehemann, sowie Ausweisungen aus dem Bundesgebiet betreffend die vier mj Kinder, wurden zHd des RV am 15.06.2018, und 22.06.2018 rechtswirksam zugstellt.

2. Gegen diesen Bescheid wurde am 13.07.2018 betreffend die BF bei der belangten Behörde Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, das gegen sie erlassene Aufenthaltsverbot ersatzlos zu beheben, in eventu dieses auf eine angemessene Dauer herabzusetzen.

3. Am 23.07.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) sämtliche gegenständliche Beschwerden der Familie und dazugehörigen Verwaltungsakten ein.

4. Da sich die gegenständliche Beschwerde als verspätet darstellte, wurde am 26.07.2018 ein Verspätungsvorhalt an die BF übermittelt.

5. In der einlangenden Stellungnahme dazu wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF, Staatsangehörige von Rumänien, erhob nach Erlassung des BFA-Bescheides vom 11.6.2018, mit welchem über sie ein dreijähriges Aufenthaltsverbot verhängt wurde, Beschwerde. Diese war jedoch nicht fristgerecht erhoben worden, langte das Beschwerdeschreiben erst am 13.07.2018 bei der belangten Behörde ein.

Im Antrag auf Wiedereinsetzung wurde geltend gemacht, dass der vorletzte Tag der Frist wie seit Jahren gehandhabt im Fristenbuch der Kanzlei vermerkt wurde. Dies wurde vom Sekretär im Kanzleikalender jedoch ausnahmsweise mit dem letzten Tag der Frist vermerkt. Die Prüfung der Fristen obliegt seit Jahren den Konzipienten und wird vom RA nachgeprüft. Der zuständige Konzipient hat seit drei Jahren bis dato immer zuverlässig gearbeitet und die Fristen geprüft. Im gegenständlichen Fall wurde aufgrund der gemeinsamen Aktenvorlage der gesamten Familie bzw. gemeinsamer Übermittlung sämtlicher Bescheide nicht jeder Akt getrennt nachgeprüft, sondern hat sich der Konzipient auf die Eintragung am Kanzleikalender verlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsaktes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages:

3.1.1. Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 2 VwGVG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Gemäß § 33 Abs. 5 VwGVG tritt durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

3.1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/008, mwH). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. etwa VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, mwN).

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht auch nicht erwartet werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Den Antragsteller trifft die Obliegenheit, im Wiedereinsetzungsantrag selbst den Wiedereinsetzungsgrund zu behaupten und glaubhaft zu machen. Dies setzt eine konkrete Beschreibung jenes unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses voraus, welches die Partei an der Einhaltung der Frist gehindert hat, sowie die Glaubhaftmachung dieses behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes bereits im Wiedereinsetzungsantrag, was aber als Grundlage entsprechende Behauptungen voraussetzt.

Diese Konkretisierungspflicht umfasst auch die zeitlichen Komponenten, aus denen zum einen geschlossen werden kann, dass die Antragstellung rechtzeitig erfolgte und zum anderen, dass der Wiedereinsetzungswerber gehindert war, die versäumte Handlung rechtzeitig vorzunehmen, also Vorbringen dazu, wann das Hindernis in Form welches konkreten Ereignisses begonnen und wann es aufgehört hat. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (VwGH 20.11.2015, Zl. Ra 2015/02/0209; 27. Mai 2014, Zl. 2013/11/0243).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 10. Juli 2008, 2008/16/0073, mwN), stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. den hg. Beschluss vom 30. März 2006, 2006/15/0109).

Im gegenständlichen Fall hat der RV mehrere Kontrollsysteme im Kanzleibetreib eingeführt und wurden seit Jahren zuverlässig Fristen richtig eingetragen und auch von verschiedenen Stellen nachgeprüft. Im gegenständlichen Fall und wie den beiliegenden Aufzeichnungen zu entnehmen ist, war einzig diese Frist der BF falsch eingetragen, sämtliche andere Fristen richtig.

Da der BF mit seinem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag somit glaubhaft machen konnte, dass ihm eine rechtzeitige Beschwerdeerhebung aufgrund eines minderen Grades eines Versehens nicht möglich war, konnte dem vorgelegten Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

minderer Grad eines Versehens, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2201371.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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