TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/5 W124 2134237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2018
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Entscheidungsdatum

05.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W124 2134232-1/12E

W124 2134228-1/12E

W124 2134230-1/7E

W124 2134234-1/7E

W124 2134237-1/7E

W124 2145020-1/6E

W124 2184745-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerden (1.) der XXXX , geboren am XXXX , (2.) des XXXX , geboren am XXXX , (3.) der XXXX , geboren am XXXX , (4.) des XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , (5.) des XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , (6.) der XXXX , geboren am XXXX und (7.) XXXX , geboren am XXXX alle afghanische Staatsangehörige, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. XXXX nach einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) i.d.g.F. der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass, XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die BF 1 und der BF 2 (die die gemeinsamen Eltern der Dritt-, bis SiebtbeschwerdeführerInnen) sind, stellten am XXXX bzw. für sich und deren Kinder (Dritt-, bis SiebtbeschwerdeführerInnen) Anträge auf internationalen Schutz.

In der mit der BF 1 am XXXX aufgenommenen Niederschrift führte diese dazu aus, dass sie Analphabetin sei, hier gerne etwas lernen und ihre Kinder großziehen würde. Eine Schul-, bzw. Berufsausbildung würde sie nicht haben und würde einer Beschäftigung als Hausfrau nachgehen.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan habe diese Angst um das Leben des BF 2. Außerdem würde sie dann immer zu Hause bleiben müssen und könne nicht rausgehen. Als die Kinder von der Schule nach Hause gekommen seien, hätte sie immer Angst gehabt, dass etwas passieren würde.

Zweimal in der Woche würde sie von ihrem Vermieter in der deutschen Sprache unterrichtet werden. Dies würde im Weg der XXXX geschehen. In ihrer Freizeit würde sie sich meistens zu Hause aufhalten und deren Haushalt erledigen.

Ihre Eltern hätten vor einem Monat noch im Heimatbezirk der BF 1 gelebt, während diese mittlerweile nach Pakistan gezogen seien. Zu ihren noch in Afghanistan lebenden Verwandten würde sie noch ab und zu Kontakt haben. Die Situation ihrer Familie sei nicht besonders gut, als diese von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt gewesen sei. In Pakistan sei die Lage auch nicht besser und habe man den jüngeren Bruder der BF 1 getötet.

In Afghanistan habe ihr Mann, BF 2, eine Konditorei gehabt und sei Autoverkäufer gewesen. Er habe große Schulden gemacht, weswegen ihm die Taliban seine Autos weggenommen hätten. Dasselbe habe für das Badehaus und die Konditorei gegolten. Die Gläubiger seien mit den Taliban befreundet gewesen und hätten immer an der Tür geläutet, weil sie Geld haben hätten wollen. Man habe dabei BF 2 geschlagen und gefoltert. Der BF 2 sei zweimal, einmal für drei Monate und ein anderes Mal für einen Zeitraum, an den sie sich nicht mehr erinnern habe können, festgenommen worden. Sie hätten das Haus immer so zugesperrt, das niemand hereinkommen hätte können. Sie seien wie in einem Gefängnis gewesen.

BF 2 und ihr Schwager hätten sich in einem offiziellen Gefängnis aufgehalten. Als BF 2 nach Hause gekommen sei, habe sie gesehen, dass seine Kleidung durcheinander gewesen sei und er am Ohr geblutet habe. BF 2 sei wegen den Schulden des Schwagers belangt worden, weil sie im selben Haus gewohnt hätten. Sie seien dann in den Iran gezogen, von wo aus sie aber wieder nach Afghanistan abgeschoben worden wären, weil BF 2 keine Dokumente für den Iran gehabt habe. BF 1 und deren Schwiegermutter sei dann im Iran alleine geblieben. Sie seien dann in der Folge aber wieder nach Afghanistan zurückgekehrt.

Später habe man BF 2 angeschossen und sei dieser verletzt bzw. danach operiert worden. Sein Cousin habe BF 2 in der Folge ins Krankenhaus gebracht. BF 2 habe nicht weiter in Afghanistan bleiben können, sei dann nach Pakistan, wo er ärztlich behandelt worden sei. Nach der Rückkehr des BF 2 aus Pakistan hätten sie wieder in den Iran gewollt, hätten aber keine Reispässe gehabt, weshalb sie illegal in den Iran gegangen seien.

Nach der Ausreise aus dem Iran sei BF 2 angeschossen worden, wobei sie nicht wissen würde, ob es sich dabei um die Gläubiger oder Taliban gehandelt habe. BF 2 habe ihr gesagt, dass sie zu Hause bleiben solle. Sie sei mit der Schwägerin immer daheim gewesen. BF 1 selbst habe auch große Angst gehabt, wobei die Schwiegermutter, Schwägerin und BF 1 in einem Haus gewesen sei.

BF 2 selbst gab in der Erstbefragung vor der Landespolizeidirektion Salzburg vom XXXX im Wesentlichen an, dass er im Falle der Rückkehr die Todesstrafe durch die Taliban befürchten würde. In der Niederschrift vom XXXX führte der BF 2 aus, dass die Taliban eines Tages die Autos seines Bruders zerstört hätten, weil dieser sie an die Amerikaner vermietet habe. Der Bruder des BF 2 sei in der Folge getötet worden, weil er in das Gebiet gegangen sei, wo man die Autos zerstört habe. Sein Bruder XXXX habe die Autos mit dem Geld verschiedener Leute gekauft und dabei entsprechende Schulden gemacht. Nach dem Tod des Bruders des BF 2 hätten die Leute ständig Geld von ihm gewollt, da diese vermutet hätten, dass das Geld bei ihm sei. Sogar ein Sohn des berühmten Kommandanten XXXX sei unter den Gläubigern gewesen, sodass er einerseits von Seiten der Regierung unter Druck gestanden sei die Schulden abzuarbeiten und andererseits von den Taliban wegen der Vermutung der Zusammenarbeit mit den Amerikanern. BF 2 habe zwei Häuser, ein Badehaus und eine Konditorei gehabt, die nunmehr weg sein würden.

Man habe ihn auch zur Polizei gebracht, wo man ihn geschlagen habe und er keine Macht gegen diese Leute gehabt habe. Anschließend sei er zu seinem Onkel nach XXXX gegangen und habe dort in dessen großen Haus wohne dürfen. Beim Hinausgehen habe er sein Gesicht mit einem Turban verschleiert. Er sei in Afghanistan sehr unter Druck gestanden, weshalb er mit seiner Familie in den Iran gereist sei. Nachdem man ihn im Iran erwischt habe, sei er nach Afghanistan abgeschoben worden, worauf ihm seine Familie gefolgt sei. In Afghanistan habe er nicht mehr weiterleben können und sei er im weiteren Verlauf auch angeschossen und schwer verletzt worden.

Am Anfang hätten die Taliban gedacht, dass BF 2 dem Tod geweiht sei, aber es sei der ersten Behandlung in XXXX , die zweite Behandlung in Pakistan gefolgt. Als der BF 2 nach Afghanistan zurückgekehrt sei, sei er neuerlich telefonisch bedroht worden und habe man ihm gesagt, dass er noch einmal Glück gehabt habe, aber ihn beim nächsten Mal diese ihn in den Kopf schießen würden.

In Afghanistan würde er niemanden mehr haben und könne dort leider nicht mehr zurück. Er habe so viel durchgemacht, weshalb er nicht mehr zurückwolle. Er würde von den Taliban und normalen Menschen Angst haben.

Österreich würde sehr humane Menschen haben und habe ihnen jemand ihre Wohnung vermietet bzw. würden sie von Nachbarn bzw. Vermieter immer wieder besucht.

In Österreich dürfe BF 1 natürlich auch alleine nach draußen gehen. In Afghanistan hätten die Frauen dafür aber keine Sicherheit gehabt, weshalb man sie schützen habe müssen. In Afghanistan sei es nicht möglich, dass eine Frau alleine auf den Bazar gehe.

BF 2 würde zweimal in der Woche den Deutschkurs besuchen und würde ihn zweimal in der Woche die Vermieterin unterrichten.

5. Mit den angefochtenen Bescheiden vom XXXX wies das Bundesasylamt die Anträge der Erst-, bis SiebtbeschwerdeführerInnen auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchteil I.), wies gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchteil II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen nicht ausgestellt. Gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Erst-, bis SiebtbeschwerdeführerInnen eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gem. § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. (Spruchteil III.).

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesasylamt neben den Länderfeststellungen im Wesentlichen aus, dass durch die Aussage der BF 1 und des BF 2 ein Widerspruch entstanden sei. Laut Angaben der BF 1 sei BF 2 zum Zeitpunkt der Exekution bereits in Haft gewesen. In Zusammenschau beider Aussagen müsse angenommen werden, dass es sich um "Normale" Gläubiger handle, die ihre Schulden und die Schulden des Bruders des BF 2 einzutreiben versucht hätten. Die Gläubiger hätten sich dabei legal der behördlichen Hilfe des Staates, die die Exekution der Eigentümer verfügt hätten, bedient. Die zusätzliche Einbringung von Seiten der Taliban habe BF 2 lediglich zur zusätzlichen Untermauerung eingebracht. Der BF 2 habe von den Schulden Bescheid gewusst und sei im Zuge der Ermittlungen durch die Behörden auch wegen dieser Schulden zu Recht belangt worden. Selbst in Österreich würde es derartige Haftungen geben, die den Verlust des Eigentums der Firmeninhaber bewirken würde. Dies würde aber in keiner Hinsicht einen Fluchtgrund i.S.d. GFK darstellen. Bei der abschließenden Befragung am XXXX sei der BF 2 befragt worden, ob er wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung im Sinne der GFK verfolgt werden würde. Dies habe der BF 2 ausdrücklich verneint.

BF 2 habe gegen ihn selbst gerichtete Bedrohungshandlungen vorgebracht, in der er seinen Angaben nach von den Taliban in XXXX nach seiner Abschiebung aus dem Iran schwer verletzt und verwundet worden sei. BF 2 habe dies im Zusammenhang mit den Vorfällen wegen seiner Schulden, seinem Zusammenhang mit seinem Bruder und dessen Geschäften mit den Amerikanern vorgebracht.

BF 2 habe in keinem Abschnitt der Einvernahme glaubhaft darstellen können, dass es sich dabei um Taliban handeln würde oder nur um Verbrecher bzw. Wegelagerer. Der BF 2 sei nach diesem Überfall in XXXX behandelt worden und würde darüber hinaus über genügend Mittel verfügen sich im benachbarten Pakistan behandeln zu lassen. Den Iran habe der BF 2 verlassen, weil er sich dort illegal aufgehalten habe und schon einmal von dort abgeschoben worden sei.

Es habe nicht glaubhaft gemacht werden können, dass BF 2 einer staatlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Die vom BF 2 angegeben Verfolgungen würden auf die von ihm und seinen Bruder gemachten Schulden beruhen und würden sich die Gläubiger Instrumente des Staates bedienen, um deren Rechte durchzusetzen. Es hätten sich im Verwaltungsverfahren keine begründeten Hinweise auf die Flüchtlingseigenschaft seiner Person ergeben. Zudem würde der BF 2 wegen der widersprüchlichen Aussagen in vielen Bereichen nicht glaubhaft sein. Die Begründung im angefochtenen gegenständlichen Bescheid der BF 1 wurde im Wesentlichen auf die Argumentation der Begründung des BF 2 gestützt. Darüber hinaus habe die BF 1 keine gegen sie selbst gerichtete Bedrohungshandlung vorgebracht. Es habe auch im Ermittlungsverfahren keine Bedrohungshandlung gegen die BF 1 festgestellt werden können. Den Iran habe die BF 1 verlassen, weil sie sich illegal aufgehalten habe. Es habe nicht glaubhaft gemacht werden können, dass die BF 1 einer staatlichen Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Es hätten sich keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft in ihrer Person ergeben.

Betreffend Feststellungen zur Situation im Falle der Rückkehr nach Afghanistan wurde ausgeführt, dass in der Republik Afghanistan landesweit nicht eine solche extreme Gefährdungslage bestehen würde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 EMRK und 3 EMRK ausgesetzt sei oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschen würde, dass das Überleben von Personen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt sei. Die BF würden an keiner Erkrankung leiden und könne eine solche auch nicht erkannt werde. Die BF selbst würden an sich gesund sein.

Sie würden familiären Anschluss in deren Heimatstadt XXXX haben und wohne die Familie (2 Onkel mütterlicherseits und drei Tanten väterlicherseits, 4 Tanten mütterlicherseits) in dieser Stadt.

Die traditionelle afghanische Familienstruktur reiche weit über die Kernfamilie hinaus, sodass davon auszugehen sei, dass diese die entsprechenden Anknüpfungspunkte haben würden und in den Kreis der Familie zurückkehren könnten. Es sei für BF 1 und BF 2 wirtschaftlich möglich das Geld (12.000 US Dollar) für die Flucht aufzubringen. Die vom BF 2 geschilderte Mittellosigkeit in Afghanistan relativiere sich dadurch.

Entsprechend den Aussagen der BF 1 habe der BF 2 in XXXX zusätzlich vor seiner Ausreise ein Haus gemietet und dort bis zu seiner Ausreise gelebt. Dies würde auch bei einer Rückkehr der Fall sein.

Aus den landeskundlichen Feststellungen sei zu entnehmen und bereits oben festgestellt worden, dass die Sicherheitslage in Afghanistan lokal unterschiedlich ausgeprägt sei. Im Falle der BF sei XXXX als eines der sichersten Gebiete anzusehen und existiere in XXXX ein internationaler Flughafen mit sicherer Infrastruktur.

Die BF hätten in eventu die Möglichkeit von deren Familie unterstützt zu werden und dort unterzukommen. Die Familie könnte die BF in erster Zeit in XXXX unterstützen und würde es mehrere Möglichkeiten der Geldüberweisung in XXXX geben.

Eine reale Gefahr im Fall der Rückkehr sei nicht vorgebracht worden und könne auch im Ermittlungsverfahren keine dargestellt werden. Ein Rückkehrhindernis, welches in ihrer Person gelegen sei, bestehe nicht.

Es würde dem BF 2 zumutbar sein durch eigene und notfalls weniger attraktive Arbeiten oder erforderlichenfalls durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten beizutragen, um das zum Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können.

Zu den regelmäßigen zumutbaren Arbeiten würden auch Tätigkeiten gehören, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geben und die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen würde, etwa weil diese keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern würden und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, ausgeübt werden könnten.

In Zusammenschau sei davon auszugehen, dass die BF auch weiterhin in der Lage sein würden sich selbst in ihrem Herkunftsstaat versorgen zu können. Auf Grund der Länderfeststellungen und den Angaben im Verfahren gehe das Bundesamt davon aus, dass sie in XXXX Fuß fassen und dort ihr Leben entsprechend fortsetzen könne.

Gemäß § 67 AsylG 2005 könne auch eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für einen Neubeginn in der Republik Afghanistan gewährt werden. RückkehrerInnen würden auf Basis der gesetzlichen Grundlage vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt werden. Die Bereitschaft zur Rückkehr sei darüber hinaus eng verbunden mit der Schaffung von Überlebensgrundlagen im Herkunftsstaat. Abgestimmt auf die individuelle Situation der Rückkehrenden seien verschiedene Formen der Unterstützung notwendig bzw. möglich. Durch den Aufbau eines Netzwerkes von Kontakten zu Hilfsorganisationen in den jeweiligen Rückkehrländern solle der Neubeginn der Rückkehrenden, in der Regel der entwurzelten Menschen, während der Anfangsphase erleichtert werden.

Ziel des Refoulmentschutzes sei es nämlich nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen zu beschützen, sondern allein einen Schutz vor Lebenssituationen, die von den im § 50 FPG aufgefassten Normen erfasst werden würden, zu gewähren. Das Vorbringen bzw. seine Situation sei jedoch nicht in diese Normen zu subsumieren. Da den BF im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe und die BF Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat haben würden, gehe die Behörde davon aus, dass ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen würde, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Zum Privat-, und Familienleben der BF wurde ausgeführt, dass die BF 1 für ihre leiblichen Kinder keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe. Es sei durch das Bundesamt ein Familienverfahren geführt worden und könne im nunmehrigen Familienverfahren zu keiner anderslautenden Entscheidung kommen. Die Rückkehrentscheidung stelle somit keinen Eingriff in deren Familienleben dar, welches der EMRK zuwiderlaufen würde.

Die BF seien spätestens am XXXX mit deren Familien unrechtmäßig ins Bundesgebiet eingereist und würden keine weiteren Familienangehörigen in Form ihres Schwagers und dessen Frau im Bundesgebiet haben. Für die leiblichen Kinder seien keine eigenen Fluchtgründe für die Kinder geltend gemacht worden.

Zum Privatleben sei anzuführen, dass auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer keine tiefgreifenden Bindungen zu Österreich bestehen würden und auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer auch sonst keine erheblichen Gründe hervorgetreten seien, welche auf eine besondere Bindung zu Österreich verweisen würde.

Auf Grund der bei der Einreise getätigten falschen Angaben der Geburtsdaten zweier Kinder seien diese in der Volksschule untergebracht worden. Die Volksschule habe daraufhin beim Bundesamt urgiert und die Geburtsdaten richtiggestellt: XXXX vom XXXX auf den XXXX und XXXX vom XXXX auf den XXXX .

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet in Österreich sei nur durch illegale Einreise und der unbegründeten Stellung eines Asylantrages vorübergehend legalisiert worden.

Die BF würden nach wie vor ihre im Herkunftsstaat gesprochene Sprachen auf Muttersprachenniveau beherrschen und würden offenbar die in Afghanistan herrschenden kulturellen Gepflogenheiten kennen. Das Bundesamt habe nicht erkennen können, dass der Aufenthalt der BF ein zwingender sei. Dafür würden sich einfach keine ausreichenden Hinweise ergeben.

In einer Gesamtschau sei davon auszugehen, dass ein schützenswertes Privatleben in Österreich, insbesondere auch hinsichtlich der widersprüchlichen Aussagen und der falschen Angaben der Geburtsdaten ihrer Kinder nicht entstanden sei und stelle daher die Ausweisung auch keinen Eingriff in deren Privatleben dar.

6. Gegen den Bescheid der Erst-, bis SiebentenbeschwerdeführerInnen wurde vom Zweitbeschwerdeführer bzw. Erstbeschwerdeführerin von dieser als gesetzliche Vertreterin für den Drittbeschwerdeführer bis Siebentenbeschwerführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Bescheide wurden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

BF 2 halte seine Aussagen inhaltlich aufrecht und würde sich seines Erachtens aus seinem Vorbringen ein Fluchtgrund ergeben. Die dennoch behauptete mangelnde Glaubwürdigkeit seines Vorbringens und den Vorwurf der fehlenden Verfolgungsgründe wolle er mit seinen bislang getätigten Aussagen aufrechterhalten. Er würde der Beschwerde ein Schreiben beilegen, in welchem er noch einmal seine Fluchtgründe darlegen wolle. BF 2 habe am Verfahren soweit wie möglich mitgewirkt und alle Fragen beantwortet. Er sei der Meinung, dass er seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen sei.

Seinen Bruder XXXX sei mit Bescheid vom XXXX der Status als subsidiär Schutzberechtigter gem. § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt worden. Seine Fluchtgründe würden mit seinem Bruder zusammenhängen. Sie seien alle vom Tod des Bruders XXXX durch die Taliban betroffen.

Die belangte Behörde habe es unterlassen ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Befragung zu seinem Fluchtgrund vor der belangten Behörde würde sich als für die Ermittlung des wesentlichen Sachverhaltes hinsichtlich des Fluchtgrundes als völlig unzureichend darstellen, sodass eine neuerliche Befragung zur Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes im vorliegenden Fall unerlässlich sei. Der angefochtene Bescheid würde daher an schwerwiegenden Verfahrensmängel leiden.

Falls seinem Vorbringen keine Asylrelevanz zugebilligt werden könne, stelle der BF 2 in eventu den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, weil im Falle der Abschiebung nach Afghanistan eine reale Verletzung von Art 2 und Art 3 EMRK drohe und für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt mit sich bringe und die Gefahr bestehe, dass der BF 2 in eine ausweglose Lage geraten würde. Im Falle einer Rückkehr würde BF 2 in einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sein. Aus diesen Gründen hätte dem BF 2 zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Er würde daher auch den Antrag auf Aufhebung der in Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides gegen ihn ausgesprochenen Rückkehrentscheidung beantragen.

7. Am XXXX fand vor dem BVwG eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, bei der die Erstbeschwerdeführerin ausführte, dass sie in der Stadt XXXX in XXXX , im ersten Bezirk, in der Provinz XXXX geboren sei. Sie habe ausschließlich in dieser Stadt und an keinem anderen Ort als in Afghanistan gelebt. Nachdem sie geheiratet habe sei zu ihrem Ehemann BF 2 gezogen. Dieser habe auch in XXXX gelebt. Kennengelernt habe BF 2 den BF 1 dadurch, dass deren Familien befreundet gewesen seien. Sie seien zwar nicht miteinander verwandt, die Familien hätten sich allerdings gekannt.

Die Verwandten der BF 2 würden in XXXX und XXXX leben. Dies würde in der Stadt XXXX sein. Außerdem habe sie auch in Zalakhan in der Stadt XXXX Verwandte. Sie glaube, dass es sich dabei um ein Dorf handle, weil dort viele Grundstücke und Gärten sein würden. In XXXX bzw. Mazar-e Sharif habe sie weder Verwandte noch dort jemals gelebt. Ob BF 2 außerhalb seines Heimatortes gelebt habe, wisse BF 1 nicht. Verwandte, die in XXXX oder in XXXX gelebt hätten, seien zu ihnen zu Besuch gekommen. Sowohl die Verwandten der BF 1 als auch ihres Ehemannes würden in dieser Gegend leben. Ein Verwandter des BF 2 würde in XXXX leben. Eine Tante und ein Onkel mütterlicherseits in XXXX in Pakistan.

In Österreich würde die BF 1 keine Verwandten haben, allerdings würde ein Bruder und Freund ihres Ehemannes in Österreich leben. Dieser würde mit seiner Familie hier leben und glaube diese, dass sie internationalen Schutz bekommen hätten.

In Afghanistan sei es für BF 1 sehr schlimm gewesen, weil sie dort nicht hinausgehen habe dürfen, weder auf die Straße noch in den Bazar. Sie sei die ganze Zeit zu Hause gewesen. Ihre Schwiegermutter und Schwägerin hätten dies nicht gewollt. Einmal im Jahr sei sie bei ihren Eltern auf Besuch gewesen. In Österreich sei es ganz anderes. Hier dürfe sie hinausgehen und selbst darüber entscheiden. In Afghanistan habe sie keinen Bazar gesehen, weil ihr dies ihre Schwiegermutter und Schwägerin nicht erlaubt hätten. Wenn sie gegen den Willen dieser beiden hinausgegangen wäre, wäre alles durcheinander gewesen und das Verhältnis zerstört worden. Sie hätten es nicht gewollt und immer gesagt, dass sie zu Hause bleiben solle. Nur manchmal habe sie zu Verwandte mitgehen dürfen.

In Afghanistan habe sie dort übliche, traditionelle Kleidung tragen müssen und habe sie eine Kleidung, wie sie sie heute anhabe, nicht tragen dürfen. Sie habe eine Burka tragen müssen. In Österreich würde sie keine Burka tragen, weil es hier keinen Zwang geben würde. Weder ihre Schwiegermutter noch ihre Schwägerin würden hier sein. Wenn sie ohne Kopftuch hinausgehe, würde ihr Mann dazu nichts sagen. In Afghanistan habe nicht ihr Ehemann bestimmt, dass sie eine Burka zu tragen gehabt hätte, sondern sei dies von Seiten Ihrer Schwiegermutter bzw. ihrer Schwägerin ausgegangen. Ihr Ehemann habe sich diesbezüglich nicht eingemischt. Die Schwägerin sei älter als ihr Ehemann und habe dieser daher nicht entscheiden.

Ihre Kinder müssten in Österreich kein Kopftuch tragen. Für die Beschwerdeführerin selbst habe es keine andere Wahl in Afghanistan gegeben als die Burka zutragen. Sie habe es sich nicht aussuchen können. Sie sei dazu gezwungen worden. In Österreich sei sie sehr froh keine Burka mehr tragen zu müssen und habe sie schon in Afghanistan keine solche tragen wollen. Mit der Burka würde sie einen Zwang bzw. ein unfreiwilliges Tragen dieser verbinden. Man habe ihr gesagt, dass sie die Burka zu tragen habe, damit sie niemand sehen könne. Es sei eine Tradition, dass man in Afghanistan das Gesicht einer Frau nicht sehe und diese ihr Gesicht zu verdecken hätte.

In Österreich würde die Beschwerdeführerin meistens alleine außer Haus gehen und komme es eher selten vor, dass der BF 2 mit ihr zum Supermarkt gehen würde. Auf Vorhalt, dass die Beschwerdeführerin beim BFA am XXXX aber auf die Frage, ob sie schon alleine hinaus gegangen sei, geantwortet habe, dass sie nur einmal mit dem Bus ihr Kind vom Kindergarten abgeholt habe, gab diese an, dass dies richtig sei und sie deshalb so geantwortet habe, weil dies in den ersten Monaten so gewesen sei. Mittlerweile würde sich die Beschwerdeführerin aber auskennen und könne alleine hinausgehen.

Ihren Kindern würde es Österreich in der Schule ganz gut gehen und würden diese schon sehr viel verstehen. Außerdem würden die Kinder auch gerne lernen und dabei von der Besitzerin des Hauses, in welchem die Beschwerdeführerin BF 1 leben würde, unterstützt werden. Diese würde zu ihnen nach Hause kommen und mit den Kindern lernen. Veranlasst worden sei dies von der Beschwerdeführerin BF 1 selbst. Ihre Kinder hätten ihr gesagt, dass sie in der Schule nicht alles verstehen würden und gerne neben der Schule dieses Defizit aufholen würden. Nachdem die BF 1 mit der Hausbesitzerin gesprochen habe, habe sich diese bereit erklärt, mit den Kindern der Beschwerdeführerin zu lernen. Dies würde zwei bis dreimal in der Woche geschehen.

In die wievielte Klasse genau ihre Tochter gehen würde, wisse sie nicht. Es sei entweder die zweite oder dritte Klasse Mittelschule. Auf Vorhalt, dass diese dann Schwimmunterricht haben würde, gab diese an, dass ihr dies ihre Tochter bisher nicht gesagt haben würde. An Schwimmkleidung würde sie ihre Tochter jene Sachen kaufen, die in Österreich üblich sein würden. Sie dürfe sich dies selbst aussuchen. Ob ihre Kinder an einer Schulsportwoche oder "Wien Woche" teilnehmen würden, gab die BF 1 an, dass sie dies ihren Kindern überlassen würde. Sie wolle dazu aber sagen, dass ihre Kinder noch nie alleine woanders gewesen seien. Sie könne dazu jetzt nichts sagen und müsse dies mit ihren Kindern besprechen.

Die Ehepartner könnten sich die Kinder selbst aussuchen. Sie wisse nicht, ob ihre Tochter einen Andersgläubigen heiraten würde, doch würde im Endeffekt die Entscheidung bei ihrer Tochter liegen. Der zukünftige Ehemann ihrer Tochter müsse nicht zu deren Glauben konvertieren, sie würde niemanden dazu zwingen. Sie wisse nicht, ob es ein Problem wäre, wenn die Enkelkinder eine andere Religion als die BF 1 haben würden. Sie glaube aber nicht, dass das ein Problem sein würde. Die Frage, wie die BF 1 darauf reagieren würde, wenn einer ihrer Söhne mit einem Mann eine eingetragene Lebenspartnerschaft führen würde, gab diese an, dass ihre Kinder nicht so sein würden. Auf Fragewiederholung gab die BF 1an, dass es die Entscheidung ihrer Söhne sei. Sie glaube aber noch immer, dass ihre Söhne so etwas nicht tun würden. Wenn diese aber erwachsen sein würden, würden diese das machen, was diese wollen würden. Eine eingetragene Partnerschaft einer ihrer Söhne mit einem anderen Mann sei sehr schwierig, weil dies nicht ihrer Tradition entsprechen würde. Es würde den islamischen Glauben nicht entsprechen.

In Österreich wolle die Beschwerdeführerin BF 1 eine Ausbildung zur Schneiderin machen und sich um ihre Kinder kümmern. Sie könne dies unter einen Hut bringen. In Österreich würde sie Frauen sehen, die dies auch schaffen würden. In der Nachbarschaft würde es Leute geben, die arbeiten würden. Auch die Besitzerin des Hauses arbeite und glaube sie, dass sie selbst es auch schaffen würde, müsse aber dazu sagen, dass sie keine Erfahrung als Schneiderin habe und diesen Beruf erlernen müsse. Eine Schul-, bzw. Berufsausbildung habe die BF 1 nicht. Sie sei relativ jung gewesen als sie geheiratet habe und danach ihre Kinder bekommen habe. Ihre Schwägerin hätte auf ihre Kinder, während sie in der Schule gewesen wäre nicht aufgepasst. Diese habe selbst als Lehrerin gearbeitet. Unterrichtet worden sei die BF 1 nicht, da diese wegen ihrer Haushaltsarbeiten und ihrer kleinen Kinder dazu keine Zeit gehabt habe.

Einen Deutschkurs würde die Beschwerdeführerin nicht besuchen, weil ihnen die Diakonie gesagt habe, dass sie einen negativen Bescheid bekommen und deshalb keinen Kurs bekommen hätten. Privat würde sie Deutsch lernen und habe schon das Alphabet gelernt.

Zumindest ihrem Namen könne die Beschwerdeführerin schon schreiben.

XXXX und die 20 Uhr Nachrichten ansehen. Sie würde diese anschauen, könne aber nicht alles verstehen.

Der Beschwerdeführer BF 2 bestätigte in der Folge in der Verhandlung, dass seine Mutter bzw. Schwester die BF 1 nicht nach draußen gelassen hätten. Als Grund dafür gab der BF 2 zunächst an, dass die Frauen in Afghanistan meist zu Hause sein würden. Wenn die Mutter des BF 2 nach draußen gegangen sei, habe diese eine Burka getragen, damit sie nicht erkannt werden würde. Die Mutter und Schwester des BF 2 seien auch nur nach draußen gegangen, wenn sie etwas für Zuhause benötigt hätten. Dabei seien sie auch zum Bazar gegangen, ansonsten seien Sie viel zu Hause gewesen. Möglicherweise habe die Mutter des BF 2 mehr Erfahrung gehabt und sei deshalb einkaufen gegangen. Die BF 1 sei möglicherweise deshalb nicht mitgenommen worden, weil dies nicht notwendig gewesen sei. Der BF 2 selbst hätte nichts dagegen gehabt, wenn seine Mutter seine Frau mitgenommen hätte. Die Mutter des BF 2 sei die Älteste im Hause gewesen, somit habe der BF 2 dieser nicht widersprechen wolle. Darüber hinaus habe seine Mutter die Haushaltskasse verwaltet. Das Geld sei bei seiner Mutter gewesen, weshalb auch diese selber zum Bazar gegangen sei. In den letzten Monaten, als der BF 2 keine Arbeit mehr gehabt habe, sei seine Mutter auch zum Bazar gegangen.

In Österreich würde die Haushaltskasse von ihm mit seiner Ehegattin gemeinsam verwaltet werden. Im Übrigen könne man das Leben in Österreich mit jenem in Afghanistan nicht vergleichen. Die Stellung der Frau sei in Österreich eine völlig andere. In Afghanistan sei man gezwungen die Frau einzuschränken, weil die Gesellschaft und die dortigen Traditionen dies erfordern würden. Viele Leute würden hinter dem Rücken von Frauen sprechen. Außerdem sei die Sicherheitslage in ganz Afghanistan so schlecht, dass die Männer den Frauen nicht erlauben würden hinauszugehen. Es sei nicht möglich, dass eine Frau überall in die Schule gehen könne. In Österreich sei dies ganz anders, als die Frau des BF 2 allein hinausgehen und er sich keine Sorgen machen würde, weil er einerseits wisse, dass sie in Österreich in einem sicheren Land leben würde und andererseits sicher sei, dass niemand von ihr schlecht denken würde. Die Frage, was der BF 2 mit einer "schlechten Frau" gemeint habe, beantwortete dieser damit, dass diese Frauen als verzogene Frauen angesehen werden würden. Man hinterfrage oft, wohin diese gehen würden, wenn sie das Haus verlassen würden. Um dies zu vermeiden, würden es die Männer den Frauen in Afghanistan nicht erlauben oft aus dem Hause zu gehen. Man meine damit, dass sie zu schlechten Plätzen gehen und Beziehungen zu anderen Männern haben würden.

In Österreich würde die BF 1 vom BF 2 nicht eingeschränkt werden, weil er sich hier keine Sorgen machen müsse. Seine Frau könne allein hinausgehen bzw. seine Tochter in die Schule gehen. Seine Tochter würde manchmal später von der Schule nach Hause kommen, doch sei ihm dies alles recht, weil er wisse, dass es ihr gut gehen würde. Hinsichtlich der Haushaltskasse wolle er sagen, dass seine Frau aus der gemeinsamen Kasse Geld nehmen und es danach kein Gespräch darüber gegeben würde, wie viel Geld sie wofür ausgegeben habe.

Hinsichtlich des Tragens eines Kopftuches führte dieser aus, dass es sich dabei um eine freie Entscheidung handeln würde. BF 2 sei nicht der Meinung, dass eine Frau mit Kopftuch auf jeden Fall besser sei als eine, die kein Kopftuch tragen würde. Er würde nicht schlecht über Frauen denken, die kein Kopftuch tragen würde. Bei der Entscheidung der Partnerwahl würde er seinen Kindern mitgeben, dass er sich über einen Afghanen oder eine Afghanin freuen würde. Allerdings liege die Entscheidung bei seinen Kindern und würde er eine Entscheidung von diesen akzeptieren. Eine Ehe habe er nicht arrangiert. In Afghanistan würde dies sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Es würde Leute geben, die ihre Tochter an einen alten Mann verheiraten würden. Es würde aussehen wie Großvater und Enkelkind. Es würde aber auch dort Familien geben, die gleichartige Partner für Ihre Kinder aussuchen würden. Die Kinder des BF 2 könnten sich ihre Partner selbst aussuchen. Er müsse ehrlich gestehen, dass auch er gefragt wurde, ob er einverstanden sei, seine Frau heiraten. Obwohl er sie vorher nie gesehen habe, habe er ja gesagt.

Bei seinen Kindern könne es sein, dass sich diese jemanden aussuchen und ihn vielleicht fragen würde. Wenn die Kinder von deren Glück überzeugt sein würden, würde er sich nicht dagegen aussprechen. Er würde nichts dagegen haben, denn wenn seine Kinder sich für einen Partner entscheiden würden, würden diese möglicherweise auch daran denken, diesen Partner zu heiraten. In Österreich würde es keine Probleme geben, wenn seine Tochter einen Nichtgläubigen oder Andersgläubigen heiraten würde. In Afghanistan würde es allerdings ein Problem sein.

Er wisse, dass seine Söhne nicht mit einem Mann eine eingetragene Partnerschaft bzw. mit einem Mann zusammenleben würden. Wenn Sie es dennoch machen würden, würde er sich nicht einmischen. In Afghanistan würde so etwas nicht geben, aber würde er es seinen Kindern erlauben.

Die Frage, welche Aufgaben der Beschwerdeführer im Haushalt übernehmen würde, beantwortete dieser damit, dass er sich die meiste Zeit über das Internet mit Deutschlernprogrammen beschäftigen würde. Ansonsten würde er seiner Frau helfen, wenn es Arbeit geben würde. Es würde ihm ansonsten Zuhause langweilig sein. Die Aufgaben des gesamten Haushaltes würde er übernehmen, wenn seine Frau Vollzeit arbeiten würde. Er würde auch nichts dagegen haben, wenn die BF 1 eine Vollzeitarbeit übernehmen würde. In Afghanistan wäre es die Verantwortung der Eltern seiner Frau gewesen diese in eine Schule zu schicken. Seine Schwester sei in die Schule gegangen und habe später eine Arbeit als Lehrerin gefunden. Allerdings sei diese mit einer Mutter zum Unterricht gegangen und genauso wieder zurückgekommen. In Österreich motiviere er die BF 1 dazu einen Deutschkurs zu besuchen, um die Sprache zu lernen, weil sie hier die Möglichkeiten dazu habe. In Afghanistan sei dies allerdings anders gewesen. Die Frage, ob sich der Beschwerdeführer 2 gegen seine Mutter nicht durchsetzen habe können, beantwortete dieser damit, dass er großen Respekt vor seinen Eltern gehabt habe. Als sein Vater am Leben gewesen sei, seien die Entscheidungen von seinen Eltern getroffen worden. Nach seinem Tod habe seine Mutter die Entscheidung getroffen und der BF 2 diese respektiert.

Zu seinem eigentlichen Fluchtvorbringen führte der BF 2 aus, dass sie ursprünglich drei Brüder gewesen seien. Sie hätten alle in einem Haus, welches ihnen von ihrem Vater verblieben sei, gelebt. BF 2 habe ein Badehaus besessen und sei sein Geschäft sehr groß gewesen. Sein Bruder XXXX habe sogar Fahrzeuge den Amerikanern vermietet und bei dieser Arbeit einen großen finanziellen Schaden erlitten. BF 2 habe über die Arbeit seines Bruders nicht viel gewusst, da jeder mit seinen eigenen Arbeiten genug beschäftigt gewesen sei.

Eines Tages seien die Fahrzeuge seines Bruders aber von den Taliban angegriffen und dabei in Brand gesetzt worden bzw. von den anderen Taliban mitgenommen worden. Der Bruder des BF 2 habe bei dieser Aktion einen hohen Verlust gemacht. Trotzdem habe ihnen dieser nichts davon erzählt. Eines Tages sei der Bruder des BF 2 von den Taliban getötet worden. Diese würden jeden töten, der mit dem Staat Verträge schließe und insbesondere für die Amerikaner arbeiten würde. Diese Leute würden aus der Sicht der Taliban als ungläubig angesehen und verfolgt werden. Nach dem Tod des Bruders des BF 2 seien sehr viele Leute zu Ihnen gekommen, die behauptet hätten, dass sie seinem Bruder Geld gegeben hätten. Nachdem er tot gewesen sei, hätten sie die Schulden begleichen müssen. Es sei oft vorgekommen, dass er in einem "Hamam" gesessen sei und Leute zu ihm gekommen wären bzw. Geld von ihm verlangt hätten. Er habe allen gesagt, dass er mit diesem Geld nichts zu tun gehabt hätte. Er würde nichts darüber wissen und wäre auch seinerzeit nicht dabei gewesen. Die Leute hätten den BF 2 aber trotzdem unter Druck gesetzt.

Unter den Leuten seien sehr mächtige Personen gewesen. Sie hätten für die Regierung gearbeitet und würden noch immer dort sein. Sie würden mit deren Panzer von der Distriktleitung zu ihnen nach Hause kommen und sie bedrohen, damit man ihnen ihr Haus übergeben würde. Der BF 2 sei davon überzeugt, dass unter diesen Leuten auch Taliban gewesen seien. In XXXX würden die Leute tagsüber in die Stadt kommen und wie normale Menschen arbeiten. Wenn diese Leute aber am Nachmittag in die Provinz fahren würden, würden sie Taliban sein. Der BF 2 sei sowohl telefonisch als auch per Nachricht von den Taliban bedroht worden. Vom Sicherheitskommando seien Polizisten in deren Haus gekommen.

Einige Zeit hätten sie diese Schwierigkeiten ausgehalten, weil sie nicht bereit gewesen wären ihr Zuhause aufzugeben. Sie seien mehrmals zu Ihnen nach Hause gekommen. Eine genaue Anzahl könne er aber nicht mehr angegeben. Das Haus, das Badehaus und die Zuckerfabrik sei ihnen weggenommen worden. Sie seien dann vom ersten Bezirk ins Haus ihres Onkels mütterlicherseits, der in XXXX lebe, übersiedelt. Aber auch dort seien sie nicht in Ruhe gelassen worden. Es seien Leute gekommen und hätten von ihnen ihre Schulden verlangt. Sie hätten ihnen gesagt, dass sie den anderen ihr Haus bzw. ihre Fabrik und das "Hamam" gegebenen hätten. Bekommen hätten diese dafür nichts. Es seien viele Leute gewesen, die behauptet hätten, dass sein Bruder ihnen viel Geld schulden würde. Die Probleme hätten insgesamt ca. eineinhalb Jahre angedauert und hätten sie sich oft in XXXX zu Hause versteckt. Wenn der BF 2 hinausgegangen sei, dann habe er sich dort mit den für Männer übliche Tüchern sein Gesicht zum Teil versteckt.

In den 8 bis 9 Monaten seien die Männer sehr oft gekommen. Nach XXXX seien nicht nur jene Leute gekommen, die nichts bekommen hätten, sondern auch diejenigen, die unter Zwang deren Haus, die Zuckerfabrik und das "Haman" genommen hätten. Der BF 2 sei auch geschlagen und misshandelt worden und oft sei es vorgekommen, dass man ihn am Kragen gehalten und aus dem "Haman" hinausgezogen habe. Es sei ihm dabei keine Möglichkeit gegeben worden seine Schuhe anzuziehen.

Die Möglichkeit sich an die Polizei zu wenden habe der BF 2 nicht gehabt, weil unter den Gläubigern auch Leute gewesen seien, die bei der Polizei bzw. der Distriktsverwaltung gearbeitet hätten. Eine der Personen sei sogar der Sohn des Generals gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die strafgerichtlich unbescholtenen BeschwerdeführerInnen tragen die im Spruch angeführten Namen. Sie sind afghanische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennen sich zur Religion der Schiiten. Die Erstbeschwerdeführerin ist mit dem Zweitbeschwerdeführer verheiratet. Die Dritt-, bis SiebentbeschwerdeführerInnen sind die Kinder der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers.

Die Erstbeschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und es droht ihr im Zusammenhang damit im Fall ihrer Rückkehr Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen.

Des Weiteren steht die persönliche Haltung der BF1 über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen im Herkunftsstaat mehrheitlich unterworfen sind. Die BF1 ist von ihrer persönlichen Wertehaltung her überwiegend an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert.

Eigene und in ihrer Person liegende Gründe einer asylrelevanten Verfolgung der BF3, BF4, BF5 BF6, BF 7 im Herkunftsstaat sind nicht hervorgekommen.

Die Fluchtgründe des BF 2 waren auf Grund dessen Schilderung und den dazu gemachten Ausführungen der BF 1 als unglaubwürdig einzustufen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der Kl der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen

Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election Day

Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-threelooking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analvsts.org/election-dav-oneevening-update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two:

A triumph of administrative chaos, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/.

Zugriff 22.10.2018

AAN - Afghanistan Analysts Network (20.10.2018): Election Day One: A rural-urban divide emerging,

https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-a-rural-urban-divide-emerging/. Zugriff 22.10.2018

AFP - Agence France Presse (20.10.2018): Nearly 170 casualties as violence rocks chaotic Afghan elections, https://www.afp.com/en/news/15/nearly-170-casualties-violence-rocks-chaoticafghan-elections-doc-1a599v9, Zugriff 22.10.2018

AJ - Al Jazeera (19.10.2018): Afghanistan: Kandahar elections delayed by a week after killings, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/afghan-election-polls-kandahar-delayed-week-

181019082632025.html Zugriff 22.10.2018

CNN - Cable News Network (27.10.2018): Kandahar goes to the polls in Afghan parliamentary vote delayed by violence, https://edition.cnn.com/2018/10/27/asia/afghan-elections-kandahar-intl/ index.html, Zugriff 29.10.2018

LS - La Stampa (21.10.2018): Ancora sangue sul secondo giorno di voto in Afghanistan,

http://www.lastampa.it/2018/10/21/esteri/ancora-sangue-sul-secondo-giorno-di-voto-in-

afghanistan-auhK2AP00HBuCKGBEHU8TN/pagina.html. Zugriff 22.10.2018

RN - Rainews (21.10.2018): Chiusi I seggi in Afghanistan, 4 milioni al voto nonostante gli attacchi dei Talebani, http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Chiusi-i-seggi-in-Afghanistan-4-milioni-alvoto-nonostante-gli-attacchi-52f120d0-cda8-4c1c-b469-363549cb767c.html. Zugriff 22.10.2018

UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018),

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_

3rd quarter report 2018 10 oct.pdf. Zugriff 25.10.2018

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der

Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018a)

Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 1.4.2018 - 30.9.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.

Bild kann nicht dargestellt werden

(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Bild kann nicht dargestellt werden

(UNAMA 15.7.2018)

Dennoch unternahm die a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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