TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/12 I419 2176074-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2018
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Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §53 Abs3 Z2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2176074-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.10.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.11.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der erste Satz des Spruchpunktes III zu lauten hat: "Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte Ende 2011 in Griechenland, 2013 in Ungarn und dann nach illegaler Einreise am 27.04.2013 noch am selben Tag in Österreich internationalen Schutz. Erstbefragt erklärte er, Mitte Dezember 2011 den Herkunftsstaat verlassen zu haben. Seit der Schulzeit sei er bei einer geheimen Organisation gewesen und habe speziell zu Wahlzeiten Menschen bedrohen und schlagen müssen. Da er damit habe aufhören wollen, sei er mit dem Tod bedroht worden. Weiters sei er Mitglied der Partei PDP und werde daher von verschiedenen Gruppen bedroht. Er sei auch aus wirtschaftlichen Gründen geflohen, weil er in einer armen Familie aufgewachsen sei und im Herkunftsstaat keine Arbeit finde.

2. Nachdem eine Rückstellung nach Ungarn gescheitert war, weil der Beschwerdeführer nicht aufgefunden werden konnte, erklärte dieser 2017 einvernommen, er müsse sich erst auf die Vernehmung vorbereiten, und gab in der Woche darauf sinngemäß an, wegen seiner Ausstiegswünsche - er habe auch Wahlurnen getauscht - sowie als Befürworter eines freien Biafra verfolgt zu werden, und weiters auch von den Moslems bedroht worden zu sein, und zwar deshalb, weil er homosexuell sei. Er sei deshalb auch bei der Polizei angezeigt worden.

3. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria (Spruchpunkt II) ab. Einen Aufenthaltstitel aus "berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß "§ 57 AsylG" erteilte es nicht, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde aberkannte das BFA in Spruchpunkt IV die aufschiebende Wirkung. Für die freiwillige Ausreise bestehe keine Frist (Spruchpunkt V). Gegen den Beschwerdeführer wurde ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

4. Dagegen erhob dieser fristgerecht Beschwerde und führte darin ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, speziell mangelhafte Länderberichte ins Treffen. Die belangte Behörde hätte danach zum Thema Homosexualität in Nigeria mehr recherchieren müssen. Dazu zitiert der Beschwerdeschriftsatz auszugsweise Berichte aus den Jahren 2014 bis 2017. Beantragt wurde auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

5. Am 13.08.2018 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft verhängt, die Beschwerde. dagegen wies dieses Gericht am 03.09.2018 ab. Die Behandlung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof dagegen hat dieser am 27.11.2018 zu E 3629/2018-7 abgelehnt. Über eine außerordentliche Revision hat der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden.

6. Der Beschwerdeführer wurde am 13.09.2018 per Charterflug abgeschoben, nahm an der mündlichen Verhandlung nicht teil und wurde auf seinen ausdrücklichen Wunsch in dieser von seiner Rechtsberaterin vertreten, welche die schriftliche Ausfertigung der verkündeten Entscheidung begehrte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Seit 11.09.2018 hat der Beschwerdeführer im Inland keinen Wohnsitz mehr. Er hat im Herkunftsstaat zwölf Jahre den Kindergarten die Grundschule und ein College sowie 2003 bis 2007 eine Universität besucht. Weiters hat dort den Beruf eines Malers erlernt. Er ist gesund, volljährig, ledig, kinderlos und arbeitsfähig, stammt aus Kano State und gehört der Volksgruppe der Ibo. Seine Identität und Religion stehen nicht fest. Er hat keine Sorgepflichten und spricht außer seinen Muttersprachen Ibo und Englisch noch Hausa und Yoruba, aber kaum Deutsch. In der Haft hat er einen Sprachkurs besucht, aber keine Kenntnisse nachgewiesen.

Er hielt sich seit der Antragstellung in Österreich auf und bezog kurz Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, die ihm wegen unbekannten Aufenthaltes seit 12.05.2013 nicht mehr gewährt wurde. Außerhalb der Haftzeiten hatte der Beschwerdeführer 2014/15 für rund 10 Monate einen gemeldeten Wohnsitz in Österreich. Seinen Aufenthalt im Bundesgebiet finanzierte er zumindest auch durch Drogenhandel. Nach eigenen Angaben konsumierte er vor seiner Haft wöchentlich 2 bis 3 Gramm Kokain.

Er hatte hier kein Familienleben und keine sozialen oder wirtschaftlichen Anbindungen. In der Schubhaftverhandlung hat er angegeben, "gute" Freunde in Österreich zu haben und konnte eine Frau mit Vornamen nennen, die ein "afrikanisches Geschäft" betreibe, erinnerte sich aber nicht an deren Nachnamen. Über die alltäglichen Verrichtungen und die Kontakte zu Mithäftlingen und Justizpersonal hinausgehende private Bindungen können nicht festgestellt werden. Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer homosexuell wäre.

Im Herkunftsstaat leben seine Mutter und ein Freund, zu denen er nach eigenen Angaben seit 2010 keinen Kontakt mehr pflegt. Die Mutter handelt dort wie früher sein Vater mit Kürbissen. Ihr Bruder lebt in Griechenland. Der Beschwerdeführer kann als Maler und Anstreicher, aber auch als Kunstmaler und Gestalter von Visitenkarten tätig sein und hat dies vor seiner Ausreise auch getan. Seine Aufträge hat er bei seiner Arbeit auf einem Markt erhalten. Als die Auftragslage schwierig wurde, hat er sich entschlossen, das Land zu verlassen.

Der Beschwerdeführer wurde am oder vor dem 11.07.2013 bei der Vorbereitung von Suchtgifthandel in großer Menge auf frischer Tat festgenommen und später wie folgt strafgerichtlich verurteilt:

Vom LGS XXXX am 19.09.2013 wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten, sieben davon bedingt nachgesehen, und am 14.11.2013 wegen des gleichen Vergehens zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, wobei die bedingte Nachsicht der Erstverurteilung widerrufen wurde,

vom BG XXXX am 14.07.2015 wegen des genannten Vergehens zu einer Geldstrafe von 250 Tagsätzen, wobei die zur bedingten Entlassung aus der vorigen Strafhaft bestimmte Probezeit verlängert wurde, und

vom LG XXXX am 14.12.2016 wegen der Vergehen des Suchtgifthandels, des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und des Gebrauchs fremder Ausweise zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wobei die genannte bedingte Entlassung widerrufen wurde, wobei zu Grunde lag, dass er von September 2015 bis August 2016 Suchtgift in einer die Grenze des § 28b SMG zweifach übersteigenden Menge, konkret 200 g Heroin und weiters Marihuana und Kokain weitergegeben, eine fremde Asylkarte zum Abschluss eines Mietvertrags eingesetzt und einen Polizeibeamten geschlagen hatte, um seine Anhaltung und Festnahme zu verhindern.

Infolgedessen verbrachte er folgende Zeiten in Untersuchungs- oder Strafhaft: 11.07. bis 12.08. und 25.08. bis 24.09.2013, 17.10.2013 bis 06.11.2014 und 11.08.2016 bis 21.08.2018.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im gegebenen Zusammenhang sind mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

1.2.1 Opposition inkl. MASSOB und IPOB

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit 1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der Opposition ist (AA 21.11.2016). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 21.11.2016).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicherheitsorgane in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 21.11.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB), die im Jahr 2012 gegründet wurde (NZZ 30.5.2017).

Seit dem Regierungswechsel 2015 und der zwischenzeitlichen Verhaftung eines der Führer der Biafra-Bewegung, dem Direktor des in London ansässigen und inzwischen in Nigeria verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" Nnamdi Kanu im Oktober 2015, kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 4.2017a).

Amnesty International berichtet, dass nigerianische Sicherheitskräfte mindestens 150 Menschen töteten (AI 24.11.2016) und Hunderte willkürlich verhafteten (USDOS 3.3.2017), die im Südosten des Landes zwischen August 2015 und August 2016 für die Unabhängigkeit Biafras von Nigeria demonstrierten. Eingeschlossen ist die Zahl von Biafra-Aktivisten, die am 30.5.2016, dem Biafra-Gedenktag, getötet wurden. An dem Tag trafen sich in Onitsha im Bundesstaat Anambra rund 1.000 Unterstützer der IPOB. Sicherheitskräfte erschossen an mehreren Orten willkürlich Menschen. In der Nacht vor der Versammlung stürmten Sicherheitskräfte Häuser und eine Kirche, in denen IPOB-Mitglieder übernachteten. Amnesty International geht davon aus, dass an den beiden Tagen insgesamt mindestens 60 Menschen getötet, 79 verletzt (AI 24.11.2016). Mit Stand Dezember 2016 wurden diese Vorfälle von der Regierung noch nicht untersucht (USDOS 3.3.2017).

Am 30.5.2017 jährte sich die Erklärung einer unabhängigen Republik Biafra im Südosten Nigerias, die den nigerianischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte, zum fünfzigsten Mal. Gemäß AFP blieben Läden, Schulen und Geschäfte im Südosten Nigerias geschlossen, und die staatlichen Sicherheitskräfte waren sichtbar präsent. Der Anführer der Bewegung IPOB, Nnamdi Kanu, erklärte, es ginge ihm um zivilen Ungehorsam, um ein Referendum über die Selbstbestimmung der Region herbeizuführen. Die nigerianische Polizei hatte angekündigt, bei einem Bruch des Friedens oder unrechtmäßigen Protesten entschieden zu handeln. Gemäß einem von AFP zitierten Sprecher der Armee seien die Sicherheitsvorkehrungen im Südosten an tatsächlichen oder möglichen Krisenherden verstärkt worden. Laut Amnesty International wurden mehr als 100 Mitglieder zweier Pro-Biafra-Gruppen, des MASSOB und des Biafra Independent Movement (BIM), in den Staaten Enugu, Ebonyi und Cross Rivers am 22.5.2017 während Feiern im Vorfeld des Jahrestages festgenommen (SFH 22.6.2017).

1.2.2 Homosexuelle

Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).

In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).

Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).

Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).

Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).

Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).

Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).

Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wiederaufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).

UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).

Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).

Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).

Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).

1.2.3 Meldewesen

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis

äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 9.2016).

Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 9.2016).

1.2.4 Behandlung nach Rückkehr

Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zurückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere

außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).

Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z. B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).

1.3 Zum Vorbringen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass ihm eine gegen seine Person gerichtete Verfolgung wegen seiner sexuellen Neigung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen derart droht, dass er keinen Schutz durch staatliche Behörden erwarten könnte.

Er wird nach seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Der Beschwerdeführer hat Nigeria wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten verlassen, somit aus nicht asylrelevanten wirtschaftlichen Gründen. Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Insbesondere wird er wegen einer Zugehörigkeit zur Sekte "Aye", der Gruppe der "Red Scorpions" oder Unterstützung der PDP keiner Verfolgung ausgesetzt sein, der er sich nicht durch innerstaatliche Ortswahl entziehen könnte, z. B. durch Ansiedlung in der Hauptstadt Abudja.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser und der weitere festgestellte Sachverhalt ergaben sich überwiegend aus dem Inhalt der Verwaltungsakten des BFA zu den bisherigen Verfahren einschließlich der strafgerichtlichen Urteile, sowie des vorliegenden Gerichtsaktes und des Protokolls der Schubhaftverhandlung.

Ergänzend wurden das Register der Sozialversicherungen, jenes der Grundversorgung, das ZMR und das Strafregister abgefragt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers seinen Lebensumständen, seinem Personenstand und seiner Kinderlosigkeit, seinem Gesundheitszustand und seiner Arbeitsfähigkeit beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben sowie den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen. Mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten des Beschwerdeführers steht seine Identität nicht fest.

Er gab ursprünglich 2013 an, Christ zu sein, 2017 dann Sunnit. Eine religiöse Zugehörigkeit war daher nicht festzustellen.

Die Feststellung der illegalen Einreise des Beschwerdeführers ergab sich aus seinen Angaben, wonach er nie einen Reisepass besessen (2017) bzw. diesen bereits im Libanon verloren habe (2013).

Die Feststellung über die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregister und der Urteilsausfertigung zu seiner vierten strafgerichtlichen Verurteilung.

Die Feststellungen zum Aufenthalt und dem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem Betreuungsinformationssystem.

Seine Aussagen, wonach er nach dem Ausbleiben von Aufträgen ausgereist sei und im Herkunftsstaat keine Arbeit fände, lassen auf die wirtschaftliche Motivation schließen.

Die Negativfeststellung betreffend seine sexuelle Neigung gründet sich zum einen darauf, dass er sich erstbefragt zwar zu den Fluchtgründen der Sekten- und der Parteimitgliedschaft sowie zusätzlich den wirtschaftlichen Gründen der Armut und der Arbeitslosigkeit äußerte, jedoch erst nach mehr als vier im Inland und fünf in der EU verbrachten Jahren erstmals Homosexualität als Verfolgungsgrund vorbringt. Dazu kommt, dass er dazu angab, sich bereits im Alter von elf Jahren geoutet und seiner Mutter gesagt zu haben, dass er Männer liebe. Darauf habe diese ihn geschlagen, und er sei ständig beschimpft und nicht als Mensch behandelt worden. Manchmal habe man ihn angespuckt, mit einem Stock geschlagen oder mit Steinen nach ihm geworfen. Auch bedroht habe man ihn. Dies will er mehr als elf Jahre lang erlitten haben, bis er aus Anlass einer Razzia gegen Homosexuelle Kano verlassen und sich bis zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX versteckt habe.

Abgesehen vom lebensfremden Alter für die Festlegung der sexuellen Präferenz widerspricht auch die behauptete Langmut - selbst bei Annahme großer kultureller Unterschiede - der Lebenserfahrung. Ein gesunder Mann im betreffenden Lebensabschnitt wäre nicht so lange am Ort der Verfolgung verblieben.

Die Schilderung einer derart langen Diskriminierung blieb zudem ohne Beschreibung auch nur eines konkreten Details oder einer Emotion, wie es bei den sehr allgemein aufgezählten Misshandlungen zu erwarten wäre. Der Ablauf wird auch dadurch nicht plausibler, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Steigerung des Vorbringens seine Schulausbildung auf drei Jahre reduziert, wogegen er erstbefragt noch Namen und Standorte von Vor- und Volksschule, College und Universität angab. Schließlich vermochte der Beschwerdeführer noch im September 2018 keinen einzigen männlichen Bekannten in Österreich namentlich zu nennen, obwohl er angab, hier "gute Freunde" zu haben.

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsstaat nicht entgegen, sondern erklärte, zum ausgehändigten Länderinformationsblatt nichts sagen zu wollen. Auch zur Vorbereitung der Verhandlung wurde ihm dieses übermittelt, blieb aber unkommentiert.

2.3 Zum Fluchtvorbringen:

Generell belastet die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers neben seinem schnellen Untertauchen nach Antragstellung die unerklärt sehr späte Ausführung der vollständigen Fluchtgründe. Selbst nachdem ihm mittels "Parteiengehör" im Jänner 2017 Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot angekündigt worden waren, erklärte er dem BFA gegenüber noch sieben Monate später und nach vier Jahren Aufenthalt, er habe sich noch nicht auf die Befragung vorbereitet. Die wechselnden Angaben zum Besitz eines Reisepasses wurden oben bereits erwähnt. Erstbefragt wollte er zudem aus dem eigenen Herkunftsort in Kano nach Lagos und weiter nach Äthiopien geflohen sein, 2017 einvernommen erklärte er, die vier Monate vor seiner Ausreise ("bis zu dieser") in XXXX verbracht zu haben.

Betreffend die angebliche Homosexualität war wie zu 2.1 dargelegt eine Negativfeststellung zu treffen. Die behauptete politische (respektive politisch-kriminelle) Aktivität betreffend gab er an (AS 179), 2009/10 an gefährlichen Kämpfen von Gruppen teilgenommen zu haben, die verschiedenen Parteien zuzurechnen seien. Er habe deswegen aus seiner Gruppe aussteigen wollen, worauf er gewarnt worden sei, in diesem Fall werde er "von den eigenen Leuten" getötet. Geflohen sei er schließlich aus Angst, verhaftet und, damit er nicht über die Partei reden könne, eingesperrt zu werden.

Letzteres ist schwer nachvollziehbar, wäre es doch mindestens so naheliegend, (bereits) aus Angst vor dem Tod zu fliehen, wie (erst später) aus Angst vor Inhaftierung. Für eine frühe Flucht spräche auch die vom Beschwerdeführer selbst geäußerte Annahme, in einem Bundesstaat ohne vorangegangene Aktivitäten von "Red Scorpions" werde er "vermutlich keine Probleme haben" (AS 181). Schließlich gibt der Beschwerdeführer noch an, in den Jahren 1991 und 1993 an Demonstrationen teilgenommen zu haben, bei denen auf die Demonstrierenden geschossen worden sei (AS 182). Auch dies erscheint wenig überzeugend, da er seiner Altersangabe zufolge damals 2 bis 3 und 4 bis 5 Jahre alt gewesen wäre.

Dabei erweist sich anhand der Länderfeststellungen im Zusammenhang mit dem Vorbringen, dass sich daraus noch keine asylrelevante Gefahrenlage ergäbe, zumal er den behaupteten Verfolgungen, wären sie unrechtmäßig und ohne Aussicht auf staatlichen Schutz, nicht ohne innerstaatliche Fluchtalternative ausgeliefert wäre. Er könnte in die gemischt-konfessionelle Hauptstadt oder je nach seiner religiösen Zugehörigkeit z. B. in einer der Städte des überwiegend christlichen Südens des Staatsgebiets ziehen und dort unerkannt bleiben, oder umgekehrt im eher muslimischen Norden.

Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat und sich seine Beschwerdebegründung darauf konzentrierte, die Länderberichte mit wenig aktuellen Beiträgen zu Homosexualität zu ergänzen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der vom BFA getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde als Homosexueller verfolgt werden, ist auf die Notwendigkeit zu verweisen, eine Verfolgung zumindest glaubhaft zu machen. Wie ausgeführt, ist das dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Er hat auch keine andere Verfolgung glaubhaft gemacht, der er nicht innerstaatlich ausweichen könnte.

3.1.3 Im vorliegenden Fall liegt daher die Voraussetzung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht vor. Daraus ergibt sich rechtlich gesehen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und daher der Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

3.2.1 Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser Antrag in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden.

3.2.2 Selbst wenn man in Bezug auf die Bekämpfung der Terroristen der Boko Haram durch die staatlichen Sicherheitskräfte von einem innerstaatlichen Konflikt ausginge, wäre der überwiegende Teil Nigerias, vor allem der Süden, nicht von einem solchen betroffen und wie dargestellt auch fluchtweise erreichbar.

3.2.3 Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage wie allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen gleichwertige Elementarereignisse liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes nach Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

3.2.4 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits öfters erkannt, dass die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch Angehörige oder Freunde des Beschwerdeführers unterbleibt. Dieser ist mit seiner (Schul-) Bildung und seinen bisherigen Tätigkeiten als Bildermaler sowie als Maler und Anstreicher im Arbeitsmarkt integrierbar, sei es wie zuvor mit einem Marktstand, sei es in seinem künstlerischen Talent oder in anderen Branchen.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Ausspruch in Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):

3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels

Im Spruchpunkt III im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war der Bescheidbegründung nach (S. 98, AS 306) offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Von den alternativen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 liegt hier keine vor und wurde vom Beschwerdeführer auch keine behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl betreffend den Status des Asyl-, als auch jenen des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, wie im bekämpften Bescheid geschehen, ist nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG vorgesehen, dass das BFA eine Rückkehrentscheidung erlässt.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine solche wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer hat unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens über die Frau mit dem "afrikanischen Geschäft" sowie den Umgang mit Mithäftlingen und Justizpersonal hinaus kaum ausgegangen werden.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der - unterbrochene - Aufenthalt des volljährigen und arbeitsfähigen Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise gut 5,5 Jahre gedauert hat, davon drei Jahre und drei Monate in Haft, und der Beschwerdeführer 24 der letzten 25 Monate seines Aufenthalts Freiheitsstrafen verbüßt hat. Von einer "Aufenthaltsverfestigung" kann daher und schon unabhängig davon keine Rede sein, dass er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste. Außerdem fußte der Aufenthalt auf einem Asylantrag, dessen Zurückweisung das BFA nur deshalb aufheben musste, weil der Beschwerdeführer seine Abschiebung nach Ungarn vereitelte.

Mit der Verurteilung vom 19.09.2013 hat er zudem auch nach § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG 2005 sein durch den Asylantrag bewirktes Aufenthaltsrecht verloren. Somit besaß der Beschwerdeführer lediglich für einen Zeitraum von knapp 6 Monaten ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht.

Es liegen keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen solchen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der Beschwerdeführer übte in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich und selbst nach 5 Jahren Aufenthalt keine zertifizierten Deutschkenntnisse nachweisen.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Es würde eine Benachteiligung jener Fremden gleichkommen, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmun-gen in Österreich beachten, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen ursprünglich unzulässigen Asylantrag erzwungen hat und zwischen den Zeiten der Untersuchungs- und Strafhaftperioden ohne Aufenthaltsberechtigung fortsetzte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig betont die Rechtsprechung des VwGH jedoch unter Hinweis auf jene des EGMR, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Das gilt auch, wenn eine Unterstützung durch Angehörige ausbleiben sollte. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.

Er spricht mehrere der Landessprachen und ist im Herkunftsstaat aufgewachsen und ausgebildet worden, wo er auch gut 2/3 seines Lebens verbrachte, weshalb er dort zweifelsfrei die Möglichkeit hat, am Arbeitsmarkt fündig zu werden, ob mit handwerklicher oder anderer Arbeit.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich - auch ohne Drogendelikte - wirtschaftlich besser leben und versorgt werden kann, genügt nicht für die Annahme, er würde im Herkunftsstaat keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht im Herkunftsstaat keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind - wie die Feststellungen zeigen - im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht konkret personenbezogen behauptet.

Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.4 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde (Spruchpunkt IV):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (§ 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG). Das ist der Fall, weil die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers - bereits jede für sich - nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG sogar eine schwerwiegende Gefahr im genannten Sinn induzieren (die Geldstrafe wegen des Rückfalls), sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.

Nach § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ein Antragsrecht, das auf diese Entscheidung gerichtet wäre, ist nicht vorgesehen. Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung erweist sich damit als unzulässig, weshalb er mit Beschluss zurückzuweisen wäre, würde er nicht mit der Erlassung der vorliegenden inhaltlichen Entscheidung ohnehin gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174 mwH).

3.5 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V):

Das BFA hat die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt und dies mit der im folgenden Punkt zu erörternden Voraussetzung des § 18 Abs. 1 BFA-VG begründet. Wie eben gezeigt, hat es diese Bestimmung zu Recht angewendet.

Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier - nach dem Spruchpunkt IV des angefochtenen Bescheides - der Fall ist.

Es besteht daher keine Frist für die freiwillige Ausreise. Deshalb war die Beschwerde auch zu diesem Spruchpunkt abzuweisen.

3.6 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VI):

Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Eine solche Tatsache, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen ist, ist nach Abs. 3 Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten, aber auch die mehrmalige Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Delikten.

Damit liegen die Voraussetzungen mehrfach vor, was sich auch auf die Dauer eines Einreise-verbots auswirkt.

Der Beschwerdeführer wurde in bereits vier Strafurteilen wegen Drogendelikten schuldig gesprochen, erstmals unter anderem, weil er schon rund 2,5 Monate nach seiner Einreise auf frischer Tat betreten wurde, was nach § 53 Abs. 3 Z. 2 FPG für sich allein bereits schwerwiegende Gefahr im obigen Sinn induziert. Er wurde bereits zuerst mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, später zweimal zu einem Jahr oder mehr. Aus dem Strafregister ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer jeweils kurz nach (bedingter) Entlassung rückfällig wurde.

Seine jüngste Verurteilung erweist auch, dass sich die Missachtung der rechtlich geschützten Werte beim Beschwerdeführer inzwischen auf unterschiedliche Rechtsgüter bezieht. Mit dem Unterlassen von Anmeldungen nach dem MeldeG hat der Aufenthalt des Beschwerdeführers zudem auch die öffentliche Ordnung im Sinn des § 53 Abs. 2 Z. 1 FPG gefährdet.

Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers gefährdet sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Es besteht kein Zweifel, dass von ihm eine massive Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Kriminalität, speziell von Drogendelikten ausgeht. Wie der VwGH betont, ist Drogenhandel unter die typischerweise schweren Verbrechen einzuordnen, zu denen auch Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung und Brandstiftung zählen (z. B. 05.04.2018, Ra 2017/19/0531 mwH) Nach seiner ständigen Rechtsprechung handelt es sich bei Suchtgiftdelinquenz um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, "bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht" (jüngst 15.11.2018, Ra 2018/19/0541 mwH).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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