TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/21 W221 2208816-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2018
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Entscheidungsdatum

21.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2208816-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018, Zl. 1001680005-180173805, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2015 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.03.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.04.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs.1 5. Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Hinsichtlich XXXX wurde die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Mit Schreiben vom 08.05.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und ein Aberkennungsverfahren im Hinblick auf seinen Asylstatus nach § 7 AsylG 2005 eingeleitet worden sei. Der Beschwerdeführer wurde weiters aufgefordert, Fragen hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilungen zu beantworten und wie sich seine Lebensumstände gestalten würden bzw. welche Integrationsmaßnahmen er bis dato angestrengt habe. Außerdem wurden dem Beschwerdeführer Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich bzw. zu gesundheitlichen Aspekten gestellt. Angeschlossen waren Länderberichte zu Syrien.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018, zugestellt am 10.09.2018, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nach Syrien unzulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VII).

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs.1 5. Fall SMG, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt worden sei. Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a SMG stelle ein besonders schweres Verbrechen dar. Auch könne keine positive Zukunftsprognose erstellt werden, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen bzw. Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werde.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 10.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung - Volkshilfe Flüchtlings- und Migrantinnenbetreuung als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 02.11.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Leben mittlerweile geändert habe. Er habe Angst, nach Syrien zurückzukehren. Sein Bruder lebe in Österreich. Auch hätten seine Eltern ein Visum für die Einreise nach Österreich bekommen. Er gehe weiters seit sechs Monaten einer Beschäftigung in der Gastronomie nach. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten könne er nicht nachvollziehen, da er eine zweite Chance verdient habe.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 07.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Beschwerdeergänzung vom 16.11.2018 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass er zwar einmal wegen Körperverletzung und einmal wegen eines Suchtgiftdelikts verurteilt worden sei, jedoch deswegen noch keine negative Zukunftsprognose erstellt werden könne, da er mittlerweile umzogen sei und den Kontakt zu Personen aus dem Suchtgiftmilieu abgebrochen habe. Weshalb die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer wieder straffällig werde, sei nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe die letzten drei Monate in der Gastronomie gearbeitet. Aufgrund des Aberkennungsbescheides sei er jedoch gekündigt worden und befinde sich nun auf Arbeitssuche. All dies spreche für eine positive Zukunftsprognose und gegen eine Wiederholungsgefahr. Es sei weiters im Rahmen der Interessensabwägung zu beachten, dass der Beschwerdeführer sehr gut Deutsch spreche und sich in einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin befinde. Auch habe der Beschwerdeführer in Österreich mehrere Freundschaften geknüpft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Kurden an. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in Österreich. Die Eltern und ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers leben in Syrien.

Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs für Anfänger Stufe 1 im Umfang von 60 Einheiten, sowie einen Basisbildungskurs im Umfang von 120 Einheiten besucht.

Der Beschwerdeführer arbeitete von August bis Oktober 2018 in einem Gastronomiebetrieb.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 16.07.2015 wurde diesem Antrag auf internationalen Schutz entsprochen und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Die Begründung der Asylzuerkennung waren die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Bedrohung durch PKK-Leute, die mit seiner Mitnahme gedroht haben, sodass seine behauptete Frucht vor Entführung und Verfolgung glaubhaft war.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 29.03.2017, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten und einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.04.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs.1 5. Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Hinsichtlich XXXX wurde die bedingte Strafnachsicht (drei Monate) widerrufen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum zwischen Frühjahr XXXX und Silvester XXXX in XXXX und an anderen Orten des Bundesgebietes vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen hat, indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren Täter insgesamt zumindest 530g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 8% THCA und 0,5% Delta-9-THC, zumindest 0,2g Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 30% sowie unbekannte Mengen Amphetamin an teils bekannte sowie teils unbekannte Abnehmer weitergegeben hat. Darüber hinaus hat er anderen zumindest 5g Cannabiskraut und unbekannte Mengen Kokain angeboten und Cannabiskraut und Kokain erworben und besessen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers sowie auf die vorgelegten Dokumente. Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen, dass zwei Brüder des Beschwerdeführers in Österreich leben, und dass sich die Eltern und ein weiterer Bruder in Syrien aufhalten, ergeben sich ebenfalls aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Deutschkurs für Anfänger Stufe 1 und einen Basisbildungskurs besucht hat, ergibt sich aus den im Laufe des Verfahrens vorgelegten, im Akt befindlichen Bestätigungen (Aktenseiten 101 ff).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer von August bis Oktober 2018 in einem Gastronomiebetrieb arbeitete, ergibt sich aus seinem Vorbringen im Laufe des Verfahrens und aus dem mit Beschwerdeergänzung vom 16.11.2018 vorgelegten Verdienstnachweis.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und die Details diesbezüglich ergeben sich aus den im Akt befindlichen Urteilsausfertigungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Vor diesem Hintergrund konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie dem vorliegenden Strafurteilt des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX , geklärt erscheint. Die Beurteilung, ob die Verurteilung des Beschwerdeführers einen Grund für die Aberkennung des Status eines Asylberechtigten darstellt, stellt eine Rechtsfrage dar.

Zu A)

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützt die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und führt in der Bescheidbegründung aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilung wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG den Tatbestand des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erfüllt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid der Status eines Asylberechtigten abzuerkennen, wenn (unter anderem) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt.

Gemäß dem hier zu prüfenden § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstellt.

Gemäß Art. 33 Abs. 1 der GFK darf kein vertragsschließender Staat einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, in dem sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Nach Art. 33 Z 2 GFK kann sich ein Flüchtling aber nicht auf diese Begünstigung beziehen, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zuletzt VwGH 05.04.2018, 2017/19/0531) müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Heimat- oder Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss

-

ein besonders schweres Verbrechen verübt haben,

-

dafür rechtskräftig verurteilt worden,

-

sowie gemeingefährlich sein und

-

es müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (Güterabwägung).

Unter den Begriff des schweren Verbrechens iSd Art. 1 Abschn. F lit. b GFK fallen nach herrschender Lehre nur Straftaten, die in objektiver und subjektiver Hinsicht besonders verwerflich sind und deren Verwerflichkeit in einer Güterabwägung gegenüber den Schutzinteressen der betroffenen Person diese eindeutig überwiegt. Dieser Standpunkt - Berücksichtigung subjektiver Faktoren, wie Milderungsgründe, Schuldausschließungsgründe oder Rechtfertigungsgründe - wird auch in der Rechtsprechung des VwGH vertreten (zB VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Es genügt nicht, dass der Beschwerdeführer ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt verübt hat. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Um ein schweres Verbrechen, das zum Ausschluss von der Anerkennung als Asylberechtigter - und im vorliegenden Fall somit zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten - führen kann, handelt es sich typischerweise um Vergewaltigung, Tötung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und schließlich auch Menschenhandel bzw. Schlepperei (vgl. Putzer, Asylrecht2, 2011, Rz 125).

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 03.12.2002, 2001/01/0494, wurde eine (länger zurückliegende) Verurteilung wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 Schilling nicht als "besonders schweres Verbrechen" beurteilt, wobei der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausführte, dass "[o]hne Hinzutreten besonderer Umstände nämlich, aus denen sich ergäbe, dass sich das vom Beschwerdeführer begangene Delikt bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 12 Abs. 3 SGG) als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, [...] - selbst unter Berücksichtigung der im Urteil als erschwerend für die Strafzumessung gewerteten Gewinnsucht als Motiv für die Tatbegehung (sowie die mehrfache Tatbegehung) - aus der Verurteilung zu einer bloß zweijährigen Freiheitsstrafe, in deren Höhe die als erschwerend angenommenen Umstände bereits zum Ausdruck gekommen sind, wegen eines ‚typischer Weise' schweren Deliktes nicht geschlossen werden [kann], dass der Straftat die für ein ‚besonders schweres Verbrechen' erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet".

Auch in seinem Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, beurteilte der Verwaltungsgerichtshof eine Verurteilung (der Aktenlage nach die einzige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Drogendeliktes) aufgrund der Weitergabe einer größeren Menge an Amphetamin zu einer "trotz des exorbitant hohen Strafrahmens von ein

bis 15 Jahren ... vergleichsweise geringen Freiheitsstrafe von 20

Monaten [...] nicht als solche wegen eines in der konkreten Ausprägung ‚besonders schweren Verbrechens' im Sinne des zuvor beschriebenen Verständnisses dieses Begriffes".

Auf das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 03.12.2002, 99/01/0449, verwies der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt (insbesondere VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; zuletzt 21.09.2015, Ra 2015/19/0130), sodass weiterhin von der Aktualität dieser - wenn auch zur Vorgängerbestimmung ergangenen - Rechtsprechung auszugehen ist.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs.1 5. Fall SMG, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Nach der herrschenden Lehre und Judikatur stellt Drogenhandel typischerweise ein schweres Verbrechen, das zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten führen kann, dar (vgl. Putzer, Asylrecht2, 2011, Rz. 125).

Wie in der bereits zitierten Rechtsprechung gefordert, ist aber darüber hinaus zu prüfen, ob sich die begangene Tat im konkreten Fall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweist.

Bei unerlaubtem Umgang mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 SMG droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, während die Strafdrohung für Suchtgifthandel im Sinne des § 28a Abs. 1 SMG eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorsieht.

Selbst wenn in der aktuellen Rechtslage der Begriff "besonders schweres Verbrechen" nicht mehr als "Verbrechen, das mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist" definiert wird und die im Gesetz vorgesehene Strafdrohung daher nicht geeignet ist, um zu beurteilen, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist der Strafrahmen von fünf Jahren ein Indiz dafür, dass ohne Hinzutreten besonderer Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, der Straftat die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere nicht anhaftet.

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund eines "typischer Weise" schweren Deliktes - bei einer Strafdrohung von fünf Jahren Freiheitsstrafe für das begangene Verbrechen (bzw. sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen für das begangene Vergehen) - zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde sein teilweises Geständnis mildernd berücksichtigt, erschwerend wirkten sich die Vorverurteilung, das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und der rasche Rückfall aus. Es kann in Anbetracht der oben dargestellten Rechtsprechung auch in diesem Fall - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - nicht geschlossen werden, dass der Straftat die für ein "besonders schweres Verbrechen" erforderliche außerordentliche Schwere anhaftet.

Besondere Umstände, aus denen sich ergäbe, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte, treten fallbezogen aber gerade nicht hinzu, wobei dies bereits durch die Höhe der verhängten Strafe und ihre Relation zur Strafdrohung zum Ausdruck kommt. Aus den im Strafurteil genannten erschwerenden Umstände kann eine besondere Schwere der Verbrechen nicht abgeleitet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vorverurteilung (das Vergehen der Körperverletzung) in der Höhe der verhängten Strafe Berücksichtigung fand. Darüber hinaus wurden auch im angefochtenen Bescheid keinerlei Gründe dargelegt, aufgrund derer sich die begangene Tat als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erwiesen hätte.

Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens ist auf die weiteren zu prüfenden Punkte (Einschätzung der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers und die Güterabwägung, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung des Schutzes überwiegen) nicht weiter einzugehen.

Fallbezogen lag somit keine Verurteilung zu einem besonders schweren Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vor. Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfolgte daher zu Unrecht.

Der Beschwerde ist Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Aberkennung des Status
des subsidiär Schutzberechtigten, Abschiebung, Asylverfahren,
Aufenthaltstitel, Behebung der Entscheidung,
berücksichtigungswürdige Gründe, besonders schweres Verbrechen,
Einreiseverbot, ersatzlose Behebung, Flüchtlingseigenschaft,
freiwillige Ausreise, Frist, Güterabwägung, Interessenabwägung,
Kassation, Körperverletzung, negative Beurteilung, öffentliche
Interessen, Privat- und Familienleben, private Interessen,
Rechtskraft der Entscheidung, Rückkehrentscheidung, schwere
Straftat, strafrechtliche Verurteilung, Suchtgifthandel,
Suchtmitteldelikt, Verbrechen, Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W221.2208816.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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