TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 W217 2211801-1

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Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W217 2211801-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA, als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 12.12.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Herr XXXX (in der Folge: BF) verfügt seit 03.04.2015 über einen Behindertenpass, befristet bis zum 30.11.2019 ausgestellt, mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.

Folgende Funktionseinschränkungen wurden im Sachverständigengutachten vom 30.03.2015 festgestellt:

1. Nierenzellkarzinom rechts

2. Diabetes mell.

3. Bluthochdruck

Mit dem am 01.08.2018 eingebrachten Antrag begehrte der BF:

"Am 03.04.2015 wurde mir der Behindertenpass Nr. XXXX ausgestellt, nachdem mir wegen eines bestehenden Karzinoms ein Teil der rechten Niere entfernt worden war. Nunmehr musste wegen eines Rezidivs die rechte Niere komplett entfernt werden (OP Bericht beiliegend). Mein Diabetes Typ II hat sich kaum verändert. Ich ersuche daher um Verlängerung des (befristeten) Behindertenpasses."

In dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 07.11.2018 wurden nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des BF am 17.10.2018 folgende Funktionseinschränkungen festgestellt:

1. Bösartige Neubildung der Niere mit Entfernung der Niere rechts Nierenzellkarzinom rechts

unter Rahmensatz, da keine Absiedlungen Pos.Nr. 13.01.03 50% GdB

2. Diabetes mellitus, insulinpflichtig

unter Rahmensatz, darunter einmaliger Insulingabe kompensiert

Pos.Nr. 09.02.02 30% GdB

3. arterielle Hypertonie Pos.Nr. 05.01.01 10% GdB

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 60 v.H. eingeschätzt. Eine Nachuntersuchung wurde für 07/2023 - nach Ablauf der Heilungsbewährungsphase - vorgeschlagen.

Mit Schreiben vom 13.11.2018 übermittelte die belangte Behörde dem BF im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens. Eine Stellungnahme seitens des BF wurde nicht abgegeben.

Mit Bescheid vom 12.12.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ab, und stellte fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 60 % keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 20.12.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben. Der BF bringt dazu vor, dass der Bescheid nicht seinem Antrag entspreche: "Ich habe NICHT eine Neufestsetzung des Grades der Behinderung beantragt. Vielmehr wurde nach meiner ersten Nierenoperation 2014 (Teilresektion der rechten Niere) ein Behinderungsgrad von 60 % festgestellt und mir der Behindertenpass Nr. XXXX, gültig bis November 2019, ausgestellt. Da mir nunmehr im Juli 2018 die rechte Niere komplett entfernt wurde, habe ich eine VERLÄNGERUNG DER GÜLTIGKEIT DES BEHINDERTENPASSES beantragt. Auf diesen Antrag wird im vorliegenden Bescheid in keiner Weise eingegangen. Ich ersuche daher um bescheidmäßige Absprache über meinen Antrag und Bestätigung des Eingangs der Beschwerde."

Am 27.12.2018 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Inhaber eines befristet bis zum 30.11.2019 ausgestellten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H.

Der BF brachte am 01.10.2018 den Antrag auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses ein.

Der BF hat keinen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und der gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Wie bereits oben festgestellt, ist der BF Inhaber eines befristet bis zum 30.11.2019 ausgestellten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H.

Der BF brachte am 01.10.2018 den Antrag auf Verlängerung des befristet ausgestellten Behindertenpasses ein. Mit dem im Antragsschreiben vom 01.10.2018 unmissverständlichen Satz "Ich ersuche daher um Verlängerung des (befristeten) Behindertenpasses" hat der BF klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses stellen zu wollen.

Der BF hat zwar einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Behindertenpasses gestellt, die belangte Behörde hat hingegen nicht über diesen Antrag, sondern über die - nicht beantragte - Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgesprochen.

Die Behörde hat daher in einem grundsätzlich antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren ohne einen diesbezüglichen Antrag eine behördliche Entscheidung getroffen. In dieser Fallkonstellation ist von einer mangelnden Zuständigkeit der Behörde auszugehen. Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erlässt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt nämlich auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. VwGH 16.11.1983, 83/01/0243; 9.7.1985, 83/07/022725; 23.2.1996, 93/17/0200), auf Verfassungsebene das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. VfGH 20. 6. 1964, Slg. Nr. 4730, 19. 3 1968, Slg. Nr. 5685).

Nach § 27 VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht unabhängig vom Beschwerdevorbringen die Unzuständigkeit der Behörde aufzugreifen. Damit erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die vorliegende Beschwerde und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde, sollte sie dies noch nicht getan haben, noch über den Antrag auf Verlängerung des befristet ausgestellten Behindertenpasses abzusprechen hat.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auf die in der Begründung zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Antragsbegehren, Behebung der Entscheidung, Behindertenpass,
Unzuständigkeit, Verlängerungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2211801.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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