TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 99/11/0017

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §40 Abs1;
FSG 1997 §8;
KDV 1967 §35 Abs5;
KFG 1967 §73 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in D, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser und Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, Kirchengasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Jänner 1999, Zl. 11-39-506/98-1, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit mündlich verkündetem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg wurde dem Beschwerdeführer eine bis 11. Juli 2000 befristete Lenkerberechtigung der Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F erteilt. Der Bescheid enthielt u.a. die Auflage, jährlich einen Augenarztbefund vorzulegen. Am 20. August 1997 wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein ausgefolgt. Der befristeten Erteilung der Lenkerberechtigung lag das amtsärztliche Gutachten vom 20. August 1997 zugrunde, in dem der Beschwerdeführer als "bedingt geeignet" (§ 69 Abs. 1 lit. b KFG 1967) beurteilt worden war, weil der "Visus trotz Korrektor herabgesetzt" sei. Der Amtsarzt stützte sich dabei auf einen vom Beschwerdeführer vorgelegten augenfachärztlichen Befund Dris. S. vom 10. Juli 1997, nach dessen Inhalt das Sehvermögen rechts und links "6/12 p." und binocular 6/12 betrug.

Der Beschwerdeführer legte der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg mit Schreiben vom 25. September 1998 einen augenfachärztlichen Befund Dris. S. vom 18. September 1998 vor, nach dessen Inhalt die Sehschärfe rechts mit Korrektur 0,4 und links mit Korrektur "0,5 partiell" beträgt.

In ihrem Gutachten vom 1. Oktober 1998 führte die ärztliche Amtssachverständige aus, der Beschwerdeführer erreiche nicht den im § 7 Abs. 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV geforderten Visus von mindestens 0,5 auf einem Auge und mindestens 0,4 auf dem anderen Auge und sei daher aufgrund mangelnder Sehschärfe zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 nicht geeignet. Aufgrund dieses Gutachtens entzog die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 iVm § 8 Abs. 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A, B und F.

In der dagegen erhobenen Berufung behauptete der Beschwerdeführer, es sei zu keiner Verschlechterung der Sehschärfe gekommen. Er erfülle die Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 KDV 1967. Dem Erfordernis der Sehschärfe nach § 7 Abs. 2 Z. 1 FSG-GV werde auch bei einer Sehschärfe von 0,5 binocular entsprochen. Im Übrigen sei in seinem Fall zufolge § 41 Abs. 1 FSG nicht die FSG-GV sondern die KDV 1967 anzuwenden. Er besitze die im § 35 Abs. 5 KDV 1967 geforderte Mindestsehschärfe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

In der Begründung ihres Bescheides führte sie aus, die in der Berufung zitierte Übergangsvorschrift sei im Fall des Beschwerdeführers nicht anzuwenden, weil das Verfahren zur Erteilung der befristeten Lenkerberechtigung bereits mit Bescheid abgeschlossen gewesen sei, sodass es sich nicht um ein im Zeitpunkt des Inkrafttretens des FSG anhängiges Verfahren im Sinne des § 41 Abs. 1 leg. cit. handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Das FSG ist gemäß § 43 Abs. 1 leg. cit. mit 1. November 1997 in Kraft getreten.

Gemäß § 40 Abs. 1 erster Satz FSG bleiben Lenkerberechtigungen, die aufgrund der vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in Geltung gewesenen Bestimmungen erteilt worden sind und die hierüber ausgestellten Bestätigungen (Führerscheine), sofern nichts anderes bestimmt ist, unberührt. Derartige Bestimmungen enthalten die Übergangsbestimmungen des FSG in Ansehung der im Beschwerdefall relevanten Kraftfahrzeuggruppen A, B und F nicht.

Gemäß § 41 Abs. 1 FSG sind die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verfahren aufgrund der §§ 64 bis 77 KFG 1967 nach der bisher geltenden Rechtslage zu Ende zu führen.

1.2. Aus § 40 Abs. 1 FSG folgt, dass die nach den Bestimmungen des KFG 1967 und der KDV 1967 erteilten Lenkerberechtigungen unberührt bleiben, d.h. sie bleiben bestehen, selbst wenn der Besitzer der Lenkerberechtigung die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nach dem FSG und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen nicht erfüllen würde. Die Entziehung solcher Lenkerberechtigungen mangels gesundheitlicher Eignung ist daher nur dann zulässig, wenn der Besitzer die für die seinerzeitige Erteilung der Lenkerberechtigung maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde zu beurteilen hatte, ob der Beschwerdeführer noch die nötige Sehschärfe gemäß § 35 Abs. 5 KDV 1967 besitzt.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch die - in der Beschwerde enthaltene - Überlegung bestätigt, dass die Auffassung der belangten Behörde zu dem durch sachliche Gründe nicht zu rechtfertigenden Ergebnis führen würde, dass zwar Personen, die keine Lenkerberechtigung besitzen, aber vor dem Inkrafttreten des FSG die Erteilung beantragt haben, die Lenkerberechtigung zufolge § 41 Abs. 1 FSG nach den Vorschriften des KFG 1967 und der KDV 1967 erteilt werden müsste, hingegen Personen, denen bereits eine Lenkerberechtigung unter Anwendung dieser Bestimmungen erteilt wurde, die Lenkerberechtigung entzogen werden müsste, selbst wenn sie zwar weiterhin die Voraussetzungen nach diesen Vorschriften, nicht aber nach dem FSG und den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen erfüllen würden.

2.1. § 35 Abs. 5 KDV 1967 lautet wie folgt:

(5) Die im Abs. 1 lit. i angeführte mangelhafte Sehschärfe liegt vor, wenn nicht erreicht wird eine Sehschärfe

a) für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F von

mindestens 0,5 auf einem Auge und von mindestens 0,25 auf dem anderen,

b) für das Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen C, D, E und

G von

mindestens 0,75 auf einem Auge und von mindestens 0,5 auf dem anderen.

Wird die in der lit. a angeführte Sehschärfe nicht erreicht, so gilt die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppen A, B und F als gegeben, wenn durch einen fachärztlichen Befund bestätigt wird, dass die Sehschärfe mit beiden Augen mindestens 0,5 beträgt."

2.2. Nach dem - dem angefochtenen Bescheid erkennbar zugrunde liegenden - oben wiedergegebenen Gutachten der amtsärztlichen Sachverständigen vom 1. Oktober 1998 wird die mangelnde Sehschärfe deshalb angenommen, weil der geforderte Mindestwert von 0,5 links nur partiell erreicht wird. Mangels entsprechender Ausführungen im amtsärztlichen Gutachten und dem ihm zugrunde liegenden augenfachärztlichen Befund kann nicht nachvollzogen werden, was unter dem "partiellen" Erreichen einer bestimmten Sehschärfe zu verstehen ist und ob sich dies im Fall des Beschwerdeführers in der Weise auswirkt, dass vom Erreichen einer Sehschärfe von mindestens 0,5 im Sinne des § 35 Abs. 5 lit. a KDV 1967 nicht mehr gesprochen werden kann.

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass diese Frage auch dann zu klären gewesen wäre, wenn die Sehschärfe des Beschwerdeführers nach § 7 Abs. 2 Z. 1 FSG-GV zu beurteilen gewesen wäre, weil diese Bestimmung eine Mindestsehschärfe von 0,5 auf einem Auge und 0,4 auf dem anderen Auge voraussetzt.

2.3. Außerdem hat sich die belangte Behörde - ausgehend von ihrer oben unter Punkt 1.2. dargestellten unrichtigen Rechtsansicht nicht damit auseinander gesetzt, ob der Beschwerdeführer - selbst wenn man zu dem Ergebnis käme, die Sehschärfe auf dem linken Auge erreiche nicht mindestens 0,5 - im Sinne des § 35 Abs. 2 zweiter Satz KDV 1967 als geeignet zu gelten hat. Zur Frage der Sehschärfe mit beiden Augen im Sinne dieser Verordnungsstelle enthält der angefochtene Bescheid keine Ausführungen.

3. Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110017.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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