TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/25 W211 2127310-1

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Veröffentlicht am 25.01.2019
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Entscheidungsdatum

25.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2127310-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX.2015 gab die beschwerdeführende Partei an, der Volksgruppe der Hawiye anzugehören und aus dem Ort Ceelbuur zu stammen. Ihre Eltern, ihre Ehefrau und acht Kinder würden in Somalia leben. Sie habe Somalia wegen Al Shabaab verlassen.

3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX.2015 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst und soweit wesentlich an, dass sie Analphabet sei und in Somalia zwei Fahrzeuge, eines davon ein Lastwagen, besessen habe. Den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie habe die beschwerdeführende Partei durch den Transport von Personen und Waren mit ihrem Lastwagen zwischen Mogadischu, Galkacyo und Ceelbuur bestritten. Als sie im Jahr 2014 mit ihrem Lastwagen von Galkacyo nach Dhusamareeb unterwegs gewesen sei, sei sie von Mitgliedern der Ahlu Sunnah angehalten worden. Diese hätten zwei Passagiere aus dem Fahrzeug geholt, da sie der Al Shabaab angehört hätten. Die beschwerdeführende Partei sei beschuldigt worden, über deren Mitgliedschaft bei der Miliz Bescheid gewusst zu haben und sei zwei Tage lang festgehalten sowie geschlagen worden. Zurück in Ceelbuur sei die beschwereführende Partei von Anhängern der Al Shabaab angehalten, entführt und fünfzehn Tage lang misshandelt worden. Nachdem die beschwerdeführende Partei von mehreren Dorfältesten freigekauft worden sei, habe sie sich nach Mogadischu begeben. Nachdem sie sich zwei Wochen in der Hauptstadt versteckt gehalten habe, habe sie ihren Lastwagen beladen und ihren zwei Brüdern übergeben. Diese seien jedoch in Ceelbuur von Mitgliedern der Al Shabaab entdeckt worden und hätten unter Schlägen den Aufenthaltsort der beschwerdeführenden Partei verraten. Sie sei daraufhin von Al Shabaab angerufen worden und habe gehört, wie ihre Brüder getötet und ihr Fahrzeug in Brand gesetzt worden sei. Auch sei sie mit dem Tod bedroht worden. Als sie wenig später in einem Restaurant gegessen und dieses anschließend verlassen habe, sei eine Bombe explodiert und habe drei Personen getötet. Al Shabaab habe sie wenig später abermals telefonisch kontaktiert und ihr gesagt, dass man sie finden werde. Obwohl die beschwerdeführende Partei mehrmals die Sim-Karte ihres Mobiltelefons gewechselt habe, sei sie immer wieder von der Miliz angerufen worden. Sie habe daraufhin beschlossen Somalia zu verlassen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

6. Am XXXX.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie nach ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Beschwerdevorlage für die Teilnahme an der Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:

1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias. Sie stellte am XXXX.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2 Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Dorf XXXX, das sich vierzig Kilometer von der Stadt Ceelbuur entfernt befindet.

Sie gehört dem Clan der Hawiye, Subclan XXXX, Subsubclan XXXX an. Sie besuchte in Somalia vier Jahre lang die Schule. In Somalia besaß die beschwerdeführende Partei einen Lastwagen, mit dem sie Personen und Waren transportierte.

Die beschwerdeführende Partei ist traditionell verheiratet und Vater von acht Kindern. Ihre Eltern und vier ihrer Kinder leben im Dorf XXXX. Ihre Ehefrau und vier weitere Kinder leben in Mogadischu. Die beschwerdeführende Partei steht in regelmäßigem Kontakt mit ihrer Ehefrau.

1.1.3. Die beschwerdeführende Partei leidet an Asthma und verwendet einen Inhalator. Ansonsten ist sie jedoch gesund. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:

Im Mai 2014 gab es eine AMISOM Garnison in Ceelbuur, wobei die Region ein offener Rückzugsraum für die Al Shabaab darstellte und die Stadt - sowie andere AMISOM kontrollierte Städte in der Region wie Buulo Barde, Maxaas und Wabxo - isoliert war (TA 18.6.2014; BFA 10.6.2014). Verbindungsstraßen in der Region waren durch Al Shabaab bedroht. Es kam dort zu lokalem Widerstand gegen die Miliz (EASO 8.2014). Die ASWJ war in der Lage, das von ihr beherrschte Gebiet unter Kontrolle zu halten. Dhusamareb wurde als ruhig beschrieben. Die Infiltrierung des ASWJ-Gebietes durch Al Shabaab wurde als äußerst unwahrscheinlich beschrieben. Al Shabaab stellte dort keine Bedrohung dar (EASO 8.2014).

Im Jahr 2018 sind dem Bundesstaat Galmudug Teile der Regionen Mudug und Galgaduud zugeordnet. Galmudug grenzt bereits an die Gebiete der al Shabaab, die Grenze des Einflussbereichs richtet sich nach der Achse Hobyo-Dhusamareb. Die Bezirke Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter der Kontrolle der al Shabaab; dies gilt auch für den Bezirk Ceel Buur. Die Stadt Ceel Buur ist nach dem Abzug äthiopischer Truppen im März 2017 von AS wieder besetzt worden (BFA 8.2017). Die Städte Dhusamareb, Guri Ceel und vermutlich auch Galkacyo und Garoowe sind weitgehend frei von al Shabaab (BFA 8.2017). Allerdings hat die Gruppe in Galkacyo - wie auch in anderen Teilen Somalias - Verbindungen in alle Gesellschaftsebenen und -Bereiche (SEMG 8.11.2017).

Die Ahlu Sunna Wal Jama'a (ASWJ) hatte mit der somalischen Bundesregierung und mit der GIA gebrochen, da sie einen eigenen Bundesstaat forderte. Die Gruppe hat zwar an Stärke verloren, ist aber nach wie vor ein relevanter Akteur. Die noch vorhandene (militärische) Präsenz der ASWJ konzentriert sich in der Region Galgaduud, wo sie auch über eine eigene Verwaltung verfügt. ASWJ kontrolliert Dhusamareb, Matabaan (Region Hiiraan), die Gebiete bis Cabudwaaq, Guri Ceel und Balanbaale. Das Gebiet der ASWJ endet wenige Kilometer südlich der Hauptstraße. Die rund 600-800 Kämpfer der ASWJ übernehmen auch Polizeiaufgaben. In Dhusamareb sind zusätzlich bilaterale Kräfte der äthiopischen Armee stationiert (BFA 8.2017). Die ASWJ ist ein betonter Widersacher der al Shabaab. ASWJ hat es geschafft, die al Shabaab von ihrem Gebiet zu verdrängen (BFA 8.2017) und fernzuhalten (LI 20.12.2017).

In Galmudug und Hirshabelle hat sich die Sicherheitslage aufgrund von Clankonflikten, politischen Spannungen und Aktivitäten der al Shabaab verschlechtert (UNSC 9.5.2017).

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstützer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als militärisches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).

Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017).

Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen:

a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017).

Spezifisch als mögliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Rückkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Händler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. für Ministerien tätig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefährdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast täglich zu Übergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verdächtigten Personen (BFA 8.2017).

1.3. Festgestellt wird, dass die Stadt Ceelbuur und der gleichnamige umliegende Bezirk seit 2017 (wieder) von Al Shabaab kontrolliert werden.

In weiterer Folge wird auch festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei als Rückkehrer in ein Gebiet, dass (wieder) von Al Shabaab kontrolliert wird, der Gefahr unterliegt, wegen des Vorwurfs der Spionage und der Kollaboration mit dem Feind bestraft zu werden.

Von einer Schutzfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden im Gebiet um Ceelbuur wird nicht ausgegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Herkunft aus Dorf XXXX, zum Schulbesuch und zur Clanzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren.

Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei traditionell verheiratet und Vater von acht Kindern ist, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung, dass ihre Ehefrau und vier ihrer Kinder in Mogadischu, sowie ihre Eltern und vier weitere Kinder im Dorf XXXX leben, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Seite 5f des Protokolls). Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei in regelmäßigen Kontakt zu ihrer Ehefrau steht ergibt sich ebenfalls aus den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Seite 6 des Protokolls).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand basieren auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Fehlen anderslautender Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

2.3. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf Informationen der Staatendokumentation aus 2018 und 2014. Sie beruhen auf den folgenden Detailquellen:

2018:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017

-

LI - Landinfo (20.12.2017): Somalia: Al-Shabaab utenfor byene i Sør-Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1515415669_2012.pdf, Zugriff 10.1.2018

-

SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

2014:

-

BFA (10.6.2014) - BFA Staatendokumentation: Beitrag der Staatendokumentation zum EASO Country Overview Report Somalia

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.10.2014

-

TA (18.6.2014) - Tiwald, Andreas: Al Shabaab in Somalia. BAMF:

Entscheider-Workshop Somalia. Vortrag beim BAMF, Nürnberg

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Verlässlichkeit und - soweit relevant - Aktualität der Länderinformationen zu zweifeln.

2.4. Die Feststellung einer Gefährdung geht mit der Feststellung des Herkunftsortes - Ceelbuur - und der dort herrschenden Kontrollsituation einher: die aktuellen diesbezüglichen Länderinformationen geben Auskunft darüber, dass nach Abzug äthiopischer Einheiten Al Shabaab die Stadt Ceelbuur wieder seit März 2017 unter ihrer Kontrolle hat, wie auch andere früher durch anti-Al Shabaab Kräfte kontrollierte Städte der Region. Diese Entwicklung verdeutlicht die Fragilität der Kontrollsituation in Somalia und die Bedeutung der ausländischen Intervention vor Ort. Bereits 2014 war Ceelbuur und die dortige AMISOM Präsenz eine Insel in Al Shabaab kontrollierten Gebiet, bzw., um bei der Diktion der Länderinformation zu bleiben, isoliert.

Aus den Länderinformationen geht weiter hervor, dass Subjekte gezielter Angriffe der Al Shabaab mutmaßliche Spione und Kollaborateure mit dem angenommenen Feind der Al Shabaab sind, darunter eben auch Rückkehrer ins Gebiet der Al Shabaab. Die beschwerdeführende Partei stammt aus einem relativ kleinen Dorf im Umfeld von Ceelbuur, von dem angenommen werden kann, dass es immer schon eine Al Shabaab Präsenz gegeben hat. Dass die beschwerdeführende Partei dort als Rückkehrer erkennbar wäre und identifiziert werden könnte, liegt nahe.

2.5. Damit muss in weiterer Folge nicht festgestellt werden, ob die beschwerdeführende Partei im Jahr 2014 von Al Shabaab bereits bedroht wurde, weil ihr unterstellt wurde, sie habe zwei Mitglieder an die ASWJ ausgeliefert. Das diesbezügliche Vorbringen ist jedoch im Grundsatz von den Länderberichten gedeckt (Gegnerschaft ASWJ und Al Shabaab, Straßensperren, Checkpoints).

2.6. Die Feststellung zur Schutzunfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergibt sich aus den diesbezüglichen Länderinformationen in Hinblick auf die Kontrollsituation in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei.

3. Rechtliche Beurteilung:

A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Aufgrund der getroffenen Feststellungen muss angenommen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatregion einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab wegen einer ihr auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung unterliegen würde.

Von einer ausreichenden Schutzfähigkeit der somalischen (und ausländischen) Sicherheitsbehörden kann auf Basis der Länderinformationen nicht ausgegangen werden.

3.2.2. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.3. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, politische Gesinnung,
Schutzunfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2127310.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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