Entscheidungsdatum
28.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2191043-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Somalia, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei, eine weibliche Staatsangehörige Somalias, stellte am XXXX.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, in Mogadischu geboren worden zu sein. Sie habe fünf Jahre lang in Saudi-Arabien als Hausmädchen gelebt und sei dann in ihr Heimatland zurückgekehrt, wo sie aufgefordert worden sei, ein Mitglied der Al Shabaab zu heiraten.
3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX.2018 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst und soweit wesentlich an, sie gehöre dem Clan der Hawiye, Subclan XXXX an. Nach ihrer Rückkehr aus Saudi-Arabien im September 2015 sei sie zur Familie ihres Bruders ins Dorf XXXX in der Nähe der Stadt Janaale gezogen. Der Bruder ihrer Schwägerin habe sich als Mitglied der Al Shabaab entpuppt und habe die beschwerdeführende Partei zuerst aufgefordert, Arabisch zu dolmetschen und dann gemeint, er wolle sie heiraten. Sie habe aber gesagt, dass sie in Saudi-Arabien bereits geheiratet habe. Ihr sei dann eine heimliche, damit unislamische, Eheschließung vorgeworfen und sie sei bedroht worden.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte eine befristete Aufenthaltsgenehmigung (Spruchpunkt III.).
5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheids wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.
6. Am XXXX.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und der beschwerdeführenden Partei sowie ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in der diese zu ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Beschwerdevorlage von der Teilnahme an der Verhandlung.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung wurde von der Vertretung der beschwerdeführenden Partei eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt, in der auf die geschlechterspezifische Gewalt durch Al Shabaab, das Fehlen von staatlichem Schutz in Somalia und die Gefahr einer Reinfabulation hingewiesen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine weibliche Staatsangehörige Somalias, die am XXXX.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei wurde in Mogadischu geboren, besuchte dort ein Jahr lang eine Koranschule und lebte dort im Bezirk XXXX, bis sie 2011 nach Saudi-Arabien zog, wo sie bis September 2015 als Hausmädchen gearbeitet hat. Nachdem sie durch die saudi-arabischen Behörden nach Somalia abgeschoben worden war, ging sie zu ihrem Bruder nach XXXX, der dort sei 2006 mit seiner Frau lebte.
Die beschwerdeführende Partei heiratete im April 2015 in Saudi-Arabien einen somalischen Staatsbürger traditionell. Diese Ehe wurde am XXXX.2018 in Österreich - traditionell-islamisch - geschieden.
Acht Halbgeschwister der beschwerdeführenden Partei lebten in Mogadischu. Ein Bruder lebt in Mogadischu, allerdings ohne festen Wohnsitz; ein Bruder lebt in Kenia und wo sich der Bruder aufhält, der zuletzt in XXXX war, weiß die beschwerdeführende Partei nicht. Ihre Eltern sind bereits verstorben. Die beschwerdeführende Partei steht in keinem Kontakt zu ihren in Somalia lebenden Verwandten.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der Hawiye, Subclan XXXX an.
1.1.4. Die beschwerdeführende Partei ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei den Heiratsantrag des Bruders ihrer Schwägerin, eines Mitglieds der Al Shabaab, unter Verweis auf ihre in Saudi-Arabien geschlossene Ehe ablehnte, woraufhin sie von der Miliz entführt, einer heimlichen Ehe bezichtigt und mit dem Tode bedroht wurde. Die beschwerdeführende Partei wurde nach eintägiger Gefangenschaft erst nach Zusicherung ihres Bruders, innerhalb von fünf Tagen Zeugen für eine aus Sicht der Al Shabaab "legale" Ehe beizuschaffen, freigelassen.
XXXX liegt nach Angaben der beschwerdeführenden Partei in der Umgebung von Janaale, einer Stadt, die wiederum in der Umgebung von Merka - Qoryooley - Shalan Bod angesiedelt ist.
Im Falle einer Rückkehr nach XXXX würde die beschwerdeführende Partei einer Gefährdung durch Al Shabaab über den Schwager ihres Bruders unterliegen, da sie sich einer Zwangsheirat und Mitarbeit mit der Miliz bereits einmal widersetzt hat.
1.3. Es werden die folgenden Feststellungen zur Situation in Somalia getroffen:
Die al Shabaab hat 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal zurückgewonnen, darunter die Stadt Bariire. Regierungskräfte hatten sich von dort aus Protest gegen Rückstände bei der Auszahlung des Soldes zurückgezogen (ICG 20.10.2017). Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen (DIS 3.2017). Einerseits bildet das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab (BFA 8.2017). Andererseits ist die Gewalt im Gebiet eher von Clanauseinandersetzungen geprägt, als von al Shabaab (DIS 3.2017). Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck sind folglich AMISOM, Milizen und al Shabaab. Dabei kommt es in und um Afgooye häufig zu Anschlägen und Angriffen (BFA 8.2017). Zwar wird Afgooye von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist die al Shabaab bereits mehrfach in die Stadt eingedrungen und hat die SNA dort auch regelmäßig zurückgeworfen. Genauso regelmäßig ist die al Shabaab aus Afgooye auch wieder abgezogen. Al Shabaab hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie die Stadt länger besetzt halten oder mit der dort stationierten AMISOM den Kampf aufnehmen möchte (BFA 8.2017).
Qoryooley wird zwar von AMISOM kontrolliert (DIS 3.2017), doch ist das Gebiet gefährdet. Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei (BFA 8.2017).
Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär. Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe - insbesondere in IDP-Lagern - ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (AA 1.1.2017).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.
Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellung zur Clanzugehörigkeit, zur Schulbildung, zur Herkunft, zum Aufenthalt in Saudi-Arabien und zum Wohnort in Somalia beruhen auf den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens. Teilweise wurden diese Feststellungen auch schon durch die Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen (vgl. AS156, S. 10 des angefochtenen Bescheids).
Die Feststellungen zur Eheschließung und Scheidung und zur Familie der beschwerdeführenden Partei beruhen auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens und auf der Vorlage der traditionell-islamischen Scheidungsurkunde. Die Feststellung, dass zu ihren in Somalia lebenden Verwandten kein Kontakt mehr besteht, beruht auf den diesbezüglich ebenfalls glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellung zum Gesundheitszustand beruht auf den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei.
Dass die beschwerdeführende Partei strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister.
2.3. Zum Fluchtvorbringen ist zu sagen, dass, wenn die belangte Behörde vermeint, dass die beschwerdeführende Partei nicht in der Lage gewesen sei zu ihrem Fluchtvorbringen glaubhafte Angaben zu machen, diese Ansicht von der erkennenden Richterin nicht geteilt werden kann. Im Laufe des gesamten Verfahrens machte die beschwerdeführende Partei zur versuchten Zwangsheirat durch den Bruder ihrer Schwägerin, einen Angehörigen der Al Shabaab, gleichbleibende und nachvollziehbare Angaben. Die diesbezüglichen Ausführungen blieben auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht kohärent und weitgehend widerspruchsfrei. Daher muss auch in Bezug auf den Vorwurf der Behörde, die beschwerdeführende Partei habe in ihrer Erstbefragung andere Angaben gemacht, erwidert werden, dass die beschwerdeführende Partei auch damals bereits gesagt hat, aufgefordert worden zu sein, einen Dschihadisten heiraten zu müssen - was ihrem späteren Vorbringen nicht entgegensteht. Während die Ausführungen in der Erstbefragung zu "Mädchen für die Dschihadisten" tatsächlich merkwürdig sind, so wurde von der beschwerdeführenden Partei auch in diesem Kontext angesprochen, dass es zu Zwangsheiraten mit Dschihadisten hätte kommen sollen. Die Angaben der Erstbefragung reichen daher für die erkennende Richterin alleine und im Lichte des § 19 Abs. 1 AsylG nicht aus, das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei als unglaubhaft zu charakterisieren.
Auch kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach nicht nachvollziehbar sei, dass die beschwerdeführende Partei nach nur einem Tag Gefangenschaft auf Drängen des Bruders und dem Angebot, Zeugen für die in Saudi-Arabien stattgefundene Heirat ausfindig zu machen, freigelassen worden sei, vor dem Hintergrund, dass zu jenem Al Shabaab-Mitglied, das sie zwangsweise heiraten wollte, enge verwandtschaftliche Bande bestanden, nicht aufrechterhalten werden. Es wirkt nämlich durchaus lebensnah, dass der Bruder der Schwägerin der beschwerdeführenden Partei diese auf Druck der Familie unter der Bedingung, Beweise für eine aus Sicht der Al Shabaab "legale" Ehe herbeizuschaffen, kurzzeitig freiließ.
Gerade auch wegen der zuvor genannten verwandtschaftlichen Nähe der beschwerdeführenden Partei zu einem Mitglied der Al Shabaab, dessen Heiratsantrag sie angelehnt hat, kann eine Gefährdung im Falle der Rückkehr in das Dorf XXXX nicht ausgeschlossen werden.
Diese Einschätzung wird insbesondere auch durch die Länderfeststellungen unterstützt, nach denen die Region um XXXX einen einsatztechnischen Schwerpunkt der Al Shabaab darstellen, die betreffend das hohe Gewaltausmaß der Konflikte dort als relevanter Akteur auftritt. Von einer starken Präsenz der Miliz in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei muss daher ausgegangen werden. In ihrer Beweiswürdigung hält die belangte Behörde dem Faktum, dass das geschilderte fluchtauslösende Vorbringen durchaus in diesem Gebiet vorkommen kann, nichts Wesentliches entgegen.
2.4. Die Feststellungen zu 1.3. fußen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus 2018. Sie beruhen auf den folgenden Detailquellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
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ICG - International Crisis Group (20.10.2017): Managing the Disruptive Aftermath of Somalia's Worst Terror Attack , http://www.refworld.org/docid/59e9b7e74.html, Zugriff 11.11.2017
Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Verlässlichkeit und Aktualität der Länderinformationen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei den Heiratsantrag des Bruders ihrer Schwägerin, eines Mitglieds der Al Shabaab, unter Verweis auf ihre in Saudi-Arabien geschlossene Ehe ablehnte, woraufhin sie von der Miliz entführt, einer heimlichen Ehe bezichtigt und mit dem Tode bedroht wurde.
Es besteht daher eine ausreichend wahrscheinliche und aktuelle Verfolgungsgefahr, dass die beschwerdeführende Partei als Mitglied der sozialen Gruppe der Frauen im Falle einer Rückkehr nach XXXX einer Zwangsheirat oder einer Bestrafung durch den Schwager ihres Bruders bei einer Weigerung unterliegen würde. Nicht nur geht diese Gefahr durch Mitglieder der Familie ihrer Schwägerin aus, weshalb es für die beschwerdeführende Partei schwierig wäre, sich ihr zu entziehen, so spielt außerdem gegenständlich die Mitgliedschaft des Gefährders bei der Al Shabaab insoferne eine Rolle, als dass die Miliz in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei präsent ist und diese Frauen in noch einem verstärkten Maße gefährdet.
3.2.2. Eine entsprechende Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden wird von den Länderberichten nicht attestiert.
3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit, sozialeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2191043.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.03.2019