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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
EStG 1988 §34 Abs8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des H in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 20. Februar 1997, 147-GA3BK-DVi/94 und 106-GA7BK-DVi/96, in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 26. Februar 1997, 147/1-GA3BK DVi/94 und 106/1-GA7BK-DVi/96, betreffend u.a. Einkommensteuer 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit der angefochtene Bescheid Einkommensteuer 1993 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Der in der Stadt Salzburg wohnhafte Beschwerdeführer erzielte im Jahr 1993 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Finanzbeamter und solche aus selbständiger Arbeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Gebäudeschätzungen. In der Einkommensteuererklärung 1993 beantragte er u.a. die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 in Höhe von 18.000 S für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter Veronika. Die am 17. Dezember 1974 geborene Tochter habe im ersten Halbjahr 1993 die Höhere Lehranstalt für Mode und Bekleidungstechnik der Schulschwestern in Hallein und ab Herbst (Schuljahr 1993/94) die Höhere Bundeslehranstalt für Mode und Bekleidungstechnik in Wien, M-Gasse 6, besucht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug u.a. die Einkommensteuer für 1993 festgesetzt und zur Begründung ausgeführt:
Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe die
18-jährige Tochter sein Wohnhaus in Salzburg stets um 6.15 Uhr verlassen müssen, um mit dem O-Bus und dem Autobus nach Hallein zu fahren, wo der Unterricht um 7.50 Uhr begonnen habe. Die Rückfahrt nach Salzburg habe wegen der Wartezeiten auf das öffentliche Verkehrsmittel oftmals länger gedauert. Der Schulweg habe sohin mindestens eine Stunde und 35 Minuten in Anspruch genommen. Die reine Fahr- und Gehzeit für den 26 Kilometer langen Weg habe eine Stunde und 16 Minuten betragen. Es liege daher ein auswärtiger Schulbesuch iSd § 34 Abs. 8 EStG 1988 vor. Mehraufwendungen seien dem Beschwerdeführer - so sein weiteres Vorbringen im Verwaltungsverfahren - durch die Gasthausverpflegung der Tochter und die Aufwendungen für Stoffe und Schneiderzubehör erwachsen. Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei vom Familienwohnsitz des Beschwerdeführers in Salzburg aus der Bahnhof Salzburg-Gnigl in rund 15 Gehminuten erreichbar. Die Schule sei rund einen Kilometer vom Bahnhof Hallein entfernt und von dort aus in 10 bis 15 Gehminuten erreichbar. Die Fahrzeit des Zuges von Salzburg-Gnigl bis Hallein (16 km) betrage rund 18 Minuten. Der Zeitaufwand für eine Reisebewegung betrage sohin weniger als eine Stunde und sei einer Schülerin im 19. Lebensjahr zumutbar. Sowohl in den Morgenstunden als auch mittags und nachmittags würden die Züge in kurzen zeitlichen Abständen von einer halben bis einer Stunde verkehren. Wegen der Notwendigkeit des mit entsprechender Wartezeit verbundenen Umsteigens im Fall der Busbenutzung sei die Zugsverbindung an Stelle der Busverbindung zu wählen. Die Gehzeit vom Wohnsitz zum Bahnhof entspreche annähernd jener zur Bushaltestelle. Die Berufsausbildung der Tochter in Hallein sei somit im Einzugsbereich des Wohnortes erfolgt, weshalb hinsichtlich dieser Ausbildung - anderes gelte für die Ausbildung in Wien ab September 1993 - keine außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 zu berücksichtigen sei. Im Übrigen könne bei Schülern ab der 9. Schulstufe in der Regel nicht von einem Verpflegungsmehraufwand ausgegangen werden, da auf Grund der geringen Zahl an weiterführenden Schulen und des daraus resultierenden Zeitaufwandes für Schulfahrten und auf Grund des Nachmittagsunterrichtes nicht ohne weiteres gesagt werden könne, den Schülern in Ballungszentren sei die Einnahme des Mittagessens zu Hause möglich. Die Aufwendungen für Lernbehelfe der Schüler seien nicht als außergewöhnlich einzustufen. Den Gewinn aus der selbständigen Arbeit habe der Beschwerdeführer durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt. Im Berufungsverfahren habe er zwar vorgebracht, für die Gewinnermittlung die Nettomethode in Anspruch zu nehmen, die Umsatzsteuer also als durchlaufenden Posten behandelt wissen zu wollen. Nach Ansicht der belangten Behörde sei aber entscheidend, dass er in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung die Einnahmen brutto, also einschließlich Umsatzsteuer angesetzt habe. Dies habe zur Folge, dass entgegen dem Begehren des Beschwerdeführers die Umsatzsteuerzahllast 1993, weil sie erst aufgrund des im August 1994 ergangenen Umsatzsteuerbescheides 1993 bezahlt worden sei, nicht bei der Gewinnermittlung für das Jahr 1993 in Abzug gebracht werden könne. Der vom Beschwerdeführer ermittelte Gewinn sei daher um den Betrag der Zahllast (12.100 S) zu erhöhen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Durchlaufender Posten
Gemäß § 4 Abs. 3 vorletzter Satz EStG 1988 darf der Steuerpflichtige selbst entscheiden, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt.
Wer den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt, hat gemäß § 44 Abs. 4 leg. cit. seiner Steuererklärung eine Abschrift der Aufstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben beizufügen.
In der dem Finanzamt vorgelegten Aufstellung nach § 44 Abs. 4 EStG 1988 hat der Beschwerdeführer offenkundig die Betriebseinnahmen und -ausgaben einschließlich der Umsatzsteuer und zudem die Position "USt. Zahllast 1993" (von 12.100 S) angesetzt. Nachdem das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung den mit 12.957 S erklärten Gewinn um 12.100 S erhöht hatte, brachte der Beschwerdeführer im weiteren Verwaltungsverfahren ausdrücklich vor, dass er die Umsatzsteuer als durchlaufenden Posten behandle. Er brachte weiters vor - diesem Vorbringen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten -, dass dadurch der Gewinn unverändert bei 12.957 S verbleibe.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ist sohin davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Betriebseinnahmen und -ausgaben zwar einschließlich der Umsatzsteuer angesetzt, im Rahmen der Gewinnermittlung aber einen Ausgleichsposten in Höhe der in den Betriebseinnahmen und -ausgaben enthaltenen geschuldeten Umsatzsteuer bzw. abziehbaren Vorsteuer angesetzt hat. Im Zusammenhang mit dem ausdrücklichen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ergibt sich daher, dass er von dem Wahlrecht auf Behandlung der Umsatzsteuer als durchlaufenden Posten Gebrauch gemacht hat. Durch die Erhöhung des erklärten Gewinnes um die Differenz zwischen der Umsatz- und der Vorsteuer hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
2. Außergewöhnliche Belastung
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 1.500 S pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Die zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. 624/1995 ist für das Streitjahr nicht anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich der Begriff "Einzugsbereich des Wohnortes" am ehesten mit der Zumutbarkeit der täglich zurückzulegenden Wegstrecke und der dafür mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufzuwendenden Zeit umschreiben. Bei der Beurteilung, ob die Bewältigung der Entfernung vom Wohnort zur Schule und zurück einem Schüler zumutbar ist, sind dabei auch Wartezeiten auf den Schulbeginn bzw auf den Beginn der Rückreise nach Schulende zu berücksichtigen. Als zumutbar ist ein Verhalten anzusehen, das von einer für das spezifische Verhalten repräsentativen Anzahl von Menschen, die sich in gleicher oder ähnlicher Situation befinden, erwartet werden kann. Bei Prüfung dieser Frage ist vom menschlichen Erfahrungsgut auszugehen, dh es ist das konkrete Verhalten von Menschen in vergleichbaren Fällen zu erforschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, 93/15/0104).
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Züge zwischen Salzburg-Gnigl und Hallein in kurzen zeitlichen Abständen verkehrten und der Fußweg vom Wohnhaus des Beschwerdeführers zum Bahnhof in 15 Minuten, jener vom Bahnhof zur Schule in 10 bis 15 Minuten zurückgelegt werden könne. Vom Wohnhaus aus sei die Bushaltestelle etwa gleich weit entfernt als der Bahnhof. Zu den diesen Ausführungen zugrundeliegenden Feststellungen hat nach der Aktenlage weder das Finanzamt noch die belangte Behörde Parteiengehör gewährt.
Nach dem Beschwerdevorbringen komme der um 7.17 Uhr in Salzburg-Gnigl fahrplanmäßig abfahrende Zug um 7.34 Uhr in Hallein an. Der Fußweg zur Schule von mehr als einem Kilometer müsste mit der schweren Schultasche in maximal 16 Minuten zurückgelegt werden, weil der Unterricht um 7.50 Uhr beginne; dabei sei aber das Umkleiden in der Schule noch nicht berücksichtigt. Der frühere Zug fahre um 6.40 Uhr in Salzburg-Gnigl ab. Der Fußweg vom Wohnhaus des Beschwerdeführers zur Bushaltestelle habe 400 Meter, jener zum Bahnhof 1.600 Meter betragen.
Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kann im Hinblick auf die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör das Neuerungsverbot nicht entgegengehalten werden. Die vorgebrachten Umstände spielen aber für die Frage der für die Zurücklegung des Weges erforderlichen Zeit und daher für die Zumutbarkeit und der hiefür erforderlichen Zeit keine untergeordnete Rolle. Im fortgesetzten Verfahren wird sie die belangte Behörde in ihre Erwägungen zur Zumutbarkeit einzubeziehen haben.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen 93/15/0104 und vom 21. September 1993, 93/14/0078, ausgesprochen hat, liegt es auf der Hand, dass durch den auswärtigen Schulbesuch, bei dem eine Teilnahme an den Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist, idR Mehraufwendungen für die Verpflegung der Kinder entstehen. Das Gegenteil wäre von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid begründet darzustellen gewesen. Hiezu war der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis, es könne nicht ohne weiteres gesagt werden, dass in Ballungszentren den Schülern die Einnahme des Mittagessens zu Hause möglich sei, nicht ausreichend.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Ein Kostenersatz in Form des beantragten Schriftsatzaufwandes konnte gemäß § 49 Abs. 1 VwGG idF BGBl. I Nr. 88/1997 nicht zugesprochen werden, weil der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.
Wien, am 27. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997150043.X00Im RIS seit
11.07.2001