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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs1 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des M O, zuletzt in W, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen Spruchpunkt A.III. des am 10. September 2018 mündlich verkündeten und am 4. Oktober 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, W174 2205016-1/16E, betreffend Verpflichtung zum Aufwandersatz in einem Schubhaftbeschwerdeverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und der angefochtene Spruchpunkt A.III., dessen erster Halbsatz ("Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGVG nicht stattgegeben;") als von der Revision unbekämpft unberührt bleibt, in Anwendung des § 42 Abs. 1 und 4 VwGG iVm § 22a Abs. 1a BFA-VG und § 35 Abs. 1 bis 3 VwGVG dahin abgeändert, dass der zweite Halbesatz ("der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Z 3 und 4 VwG-Aufwandersatzverordnung, dem Bund, vertreten durch den Bundesminister für Inneres, Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.") zu entfallen hat und statt dessen ausgesprochen wird, dass der Aufwandersatzantrag des Bundes abgewiesen wird.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Gegen den Revisionswerber, einen ägyptischen Staatsangehörigen, wurde mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 19. Juni 2018 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG in Verbindung mit § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung angeordnet und daran anschließend in Vollzug gesetzt.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen, in der Verhandlung am 10. September 2018 mündlich verkündeten und nach fristgerechtem Antrag am 4. Oktober 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gemäß § 22a BFA-VG iVm § 76 FPG Folge und behob den Schubhaftbescheid vom 19. Juni 2018 ersatzlos. Unter einem erklärte es die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft seit 19. Juni 2018 für rechtswidrig (Spruchpunkt A.I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG stellte das BVwG hingegen fest, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Des Weiteren gab das BVwG dem Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz gemäß § 35 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGVG nicht statt, verpflichtete ihn aber gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV zum Aufwandersatz an den Bund (Spruchpunkt A.III.). Schließlich sprach das BVwG noch aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
3 Gegen Spruchpunkt A.III. - der Sache nach nur gegen dessen zweiten Halbsatz - richtet sich die vorliegende Revision, die sich entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG wegen Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig und auch als berechtigt erweist. Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erwogen:
4 Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG ist (untere anderem) die Kostenregelung des § 35 VwGVG auch im Verfahren über Schubhaftbeschwerden anzuwenden. Dessen Abs. 1 bis 3 lauten:
"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei."
5 Diese Bestimmungen werden in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahin ausgelegt, dass ein Aufwandersatz nur bei vollständigem Obsiegen einer Partei in Betracht kommt (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0240, Rn. 11, mit dem Hinweis auf VwGH 4.5.2015, Ra 2015/02/0070). So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zuletzt genannten Beschluss klargestellt, dass die zu § 79a AVG ergangene Rechtsprechung zum Kostenersatz im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wonach bei einem bloß teilweisen Obsiegen hinsichtlich von mehreren als Einheit zu wertenden Amtshandlungen ein Aufwandersatz nicht stattfindet, auch auf die inhaltlich entsprechende Nachfolgebestimmung des § 35 VwGVG zu übertragen ist. Dass aber in Bezug auf den Abspruch über den Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung einerseits und den Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG andererseits nicht von unterschiedlichen Verwaltungsakten, sondern von einem einheitlichen Beschwerdegegenstand "Schubhaft" auszugehen ist, lässt sich nicht nur dem Erkenntnis VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014, Rn. 23 bis 26 (siehe daran anschließend auch VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161, 0162, Rn 12), sondern auch dem schon genannten Erkenntnis VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0240, Rn. 11 (siehe daran anschließend auch VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0128, Rn 11) entnehmen. Demzufolge wurde in den beiden zuletzt genannten Fällen vom VwGH jeweils auch davon ausgegangen, dass bei einer Beschwerdestattgebung in Bezug auf den Schubhaftbescheid und Rechtswidrigerklärung der darauf gegründete Anhaltung einerseits und Feststellung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft andererseits weder dem Beschwerdeführer noch der belangten Behörde ein Aufwandersatz zusteht. Eine solche Konstellation liegt auch im gegenständlichen Fall vor. Das macht die Revision zutreffend geltend.
6 Demgegenüber bleibt die vom BVwG mit dem zweiten Halbsatz des Spruchpunktes A.III. vorgenommene Auferlegung von Kostenersatz durch den Revisionswerber an den Bund im angefochtenen Erkenntnis vollkommen unbegründet. Dieser Ausspruch steht vielmehr in einem unauflöslichen Spannungsverhältnis zur im selben Spruchpunkt vom BVwG vorgenommenen Abweisung des Aufwandersatzbegehrens des Revisionswerbers. Diese Entscheidung begründete das BVwG nämlich in Anlehnung an die Begründung des (von ihm auch zitierten) Erkenntnisses VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0240, damit, dass ein vollständiges Obsiegen des Beschwerdeführers nicht vorliege, weil er hinsichtlich eines Teiles der vom BVwG zu beurteilenden Schubhaft, nämlich des Ausspruches nach § 22a Abs. 3 BFA-VG als endgültig unterlegen zu betrachten sei, was einem Kostenersatz nach dem gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG auch in Schubhaftverfahren anwendbaren § 35 VwGVG entgegen stehe. Davon hätte das BVwG aber - wie oben dargelegt - auch in Bezug auf das BFA ausgehen müssen, das wegen der Beschwerdestattgebung mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses ebenfalls (teilweise) unterlegen, somit nicht als vollständig obsiegend anzusehen ist.
7 Der Revision war daher Folge zu geben, wobei gemäß § 42 Abs. 1 und 4 VwGG in der Sache selbst wie aus dem Spruch ersichtlich - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - entschieden werden konnte.
Wien, am 24. Jänner 2019
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210228.L00Im RIS seit
04.03.2019Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019