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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ArbVG §34;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2017/04/0018Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. X und 2. Y, beide in W und beide vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_Innen GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. Mai 2017, Zlen. 1) VGW-101/056/2679/2016-52 und 2) VGW-101/V/056/2680/2016, betreffend aufsichtsbehördliches Verfahren nach § 137 WKG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: (nunmehr) Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort; mitbeteiligte Parteien: 1. S L GmbH, 2. S B GmbH, 3. S B P GmbH, alle drei in W und vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 sowie der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 wies der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft den Antrag des Erstrevisionswerbers vom 26. Februar 2013 auf aufsichtsbehördliche Fachgruppenzuordnung bezüglich der S L GmbH (erstmitbeteiligte Partei) gemäß § 137 in Verbindung mit § 44 Abs. 5 Wirtschaftskammergesetz 1998 (WKG) als unzulässig zurück sowie bezüglich der S B GmbH und der S B P GmbH (zweit- und drittmitbeteiligte Partei) gemäß § 137 WKG als unbegründet ab.
2 Ein Abspruch darüber, ob die Ausübung des Bäckerhandwerks in Form eines Industriebetriebes vorliege, setze - so die belangte Behörde - die Ausübung dieses Gewerbes und somit die Erzeugung von Backwaren voraus. Dies sei hinsichtlich der erstmitbeteiligten Partei nicht der Fall, weshalb der Antrag insoweit zurückzuweisen sei. Hinsichtlich der zweit- und drittmitbeteiligten Partei wurde das Vorliegen eines Industriebetriebes verneint.
3 2. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. Mai 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber als unzulässig zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass sowohl zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung als auch vor Durchführung der mündlichen Verhandlung die Zahl der Arbeitnehmer bei der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Partei jeweils unter 250 gelegen sei. Weiters stellte das Verwaltungsgericht die Tätigkeitsbereiche, die Gewerbeberechtigungen und Umsatzzahlen dieser Unternehmen sowie die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen ihnen (die erstmitbeteiligte Partei sei alleinige Gesellschafterin der zweit- und drittmitbeteiligten Partei) dar.
5 Das Verwaltungsgericht stellte die Ergebnisse der am 24. März 2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung dar, in der seitens der Vertreter der erst-, zweit- und drittmitbeteiligten Partei vorgebracht worden sei, dass die drei Unternehmen jeweils für sich Mitglied der Wirtschaftskammer seien. Seitens der revisionswerbenden Parteien sei wiederum ins Treffen geführt worden, dass die Dienstnehmer sämtlicher drei GmbH zusammenzurechnen seien und die Gesamtzahl daher höher als 250 sei, weil für den "Betriebsbegriff des § 138 WKG" § 34 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) maßgeblich sei, zumal die Frage der Mitgliedschaft innerhalb der Wirtschaftskammer lediglich die Vorfrage für die Entscheidung der Hauptfrage sei, welcher Kollektivvertrag Geltung habe.
6 In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht auf die Erläuterungen zum WKG (RV 1155 BlgNR 20. GP), denen zufolge an den Grundzügen des Handelskammergesetzes und an der Pflichtmitgliedschaft festgehalten werde. Die Wirtschaftskammer sei ein Selbstverwaltungskörper mit der Vertretung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder als Hauptzweck. Die Pflichtmitgliedschaft setze ipso iure bei Vorliegen der in § 2 WKG genannten Voraussetzungen ein.
7 § 138 WKG sehe - so das Verwaltungsgericht weiter - keine Rechte der dort genannten Organisationen auf eine bestimmte inhaltliche Gestaltung der Entscheidung der Aufsichtsbehörde vor. Die Zulässigkeit der Beschwerde und damit die Parteistellung der kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer würden dadurch bestimmt, dass das betroffene Kammermitglied mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftige. Strittig sei, ob die bei den drei Unternehmen der S Gruppe beschäftigten Arbeitnehmer (von jeweils unter 250) bei der Auslegung des Begriffes "Kammermitglied" zusammenzufassen seien. Nach der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe kein einheitlicher Betriebsbegriff, der in sämtlichen materiellen Rechtsbereichen gelte. Auch wenn die Zuordnung zu einer Fachgruppe nach dem WKG Basis für die Frage des anwendbaren Kollektivvertrages sei, könne kein Wertungswiderspruch erkannt werden, wenn der Betriebsbegriff des § 34 ArbVG nicht umfassend in allen davon berührten Bereichen übernommen werde, zumal das ArbVG anderen Zielen diene als das WKG. Der Fachgruppenzuordnung nach dem WKG liege die Frage zugrunde, wie die bestmögliche Interessenvertretung der Mitglieder der Wirtschaftskammer verwirklicht werde.
8 Gegenständlich handle es sich um drei unterschiedliche Unternehmen, die ihre Tätigkeiten jeweils getrennt voneinander - mit jeweils ihnen zugeordneten Arbeitnehmern - an unterschiedlichen Standorten durchführen würden und die drei Kammermitgliedschaften bei der Wirtschaftskammer innehätten. Ein organisatorischer, personeller oder sonstiger Zusammenhang zwischen einzelnen Kammermitgliedern führe nicht dazu, dass diese als ein einziges Kammermitglied anzusehen seien. Vor dem Hintergrund des Zwecks des WKG würde es keinen Sinn ergeben, den Begriff des Kammermitglieds in § 138 WKG anders auszulegen als in den sonstigen Bestimmungen. Da somit drei unterschiedliche Kammermitglieder mit jeweils unter 250 Arbeitnehmern vorlägen, sei die Beschwerdelegitimation der Revisionswerber nicht gegeben.
9 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Begriffes "Kammermitglied" gemäß § 138 Abs. 2 WKG bei der hier vorliegenden Verflechtung von mehreren Kammermitgliedern fehle.
10 3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
11 Zur Zulässigkeit verweisen die Revisionswerber auf die vom Verwaltungsgericht formulierte Frage, die für die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von "äußerster Relevanz" sei, zumal die Zuordnung zu einer Fachgruppe darüber entscheide, welcher Kollektivvertrag gelte, und die Frage der Mitgliedschaft bei einer Fachgruppe lediglich eine Vorfrage dafür sei. Dieser Relevanz sei dadurch Rechnung getragen worden, dass der kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer das Recht zur Erhebung einer Aufsichtsbeschwerde sowie - wenn es um die Fachgruppenzugehörigkeit eines Arbeitgebers mit mehr als 250 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gehe - eine Parteistellung und ein Beschwerderecht im aufsichtsbehördlichen Verfahren eingeräumt worden sei. Eine (wie vorliegend) willkürliche Aufteilung der (hier 550) Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen auf verschiedene Gesellschaften einer Unternehmensgruppe könne nicht zur Ausschaltung dieses Beschwerderechts führen. Es müsse daher vom Betriebsbegriff des § 34 ArbVG ausgegangen werden. Es wäre ein nicht nachvollziehbarer Wertungswiderspruch, wenn die Frage, ob ein einheitlicher Betrieb vorliege, nach anderen Normen und Kriterien zu prüfen wäre als die Frage, ob eine Überprüfung der Zuordnung durch die Wirtschaftskammer vorgenommen werden dürfe.
12 Nach Ansicht der Revisionswerber handle es sich bei den drei Gesellschaften angesichts der organisatorischen Einheit in örtlicher, personeller, technischer und finanzieller Hinsicht um einen einzigen Betrieb im Sinn des § 34 ArbVG. Ob einzelne Teile dieses Betriebes in verschiedene gesellschaftsrechtliche Formen gekleidet seien, sei nicht maßgeblich. Das Verwaltungsgericht sei darauf nicht eingegangen und habe es verabsäumt, Feststellungen zu den konkret ausgeübten Tätigkeiten der drei Gesellschaften, zur Aufgabenverteilung und zum Zusammenwirken zu treffen. Diese Feststellungen vorausgesetzt, hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen müssen, dass die Beschwerde meritorisch zu erledigen gewesen wäre. Zudem habe das Verwaltungsgericht dem Antrag der Revisionswerber auf Durchführung eines Ortsaugenscheins an den Betriebsstandorten der drei Gesellschaften nicht stattgegeben.
13 4. Die erst-, zweit- und drittmitbeteiligte Partei (gemeinsam) sowie die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in denen die Abweisung bzw. Zurückweisung der Revision beantragt wird. Die seitens des Verwaltungsgerichtes im Vorverfahren beigezogene Wirtschaftskammer Österreich erstattete ebenfalls eine als solche bezeichnete Revisionsbeantwortung (vgl. zur fehlenden Mitbeteiligtenstellung von Formalparteien in Verfahren über Revisionen Dritter VwGH 29.6.2017, Ra 2016/04/0118; 9.9.2014, Ro 2014/09/0049, jeweils mwN).
14 4.1. Die belangte Behörde führt in ihrer Revisionsbeantwortung den Unterschied zwischen der Regelung der Kammermitgliedschaft in § 2 WKG (die eine Qualifikation als Rechtssubjekt voraussetze) und der Regelung des § 34 ArbVG (der zwischen dem Betrieb und dem Rechtssubjekt differenziere) ins Treffen. Ein "einheitlicher Betrieb" könne mangels Rechtspersönlichkeit nicht Kammermitglied sein. Dies würde, sollte es sich dabei um einen derartigen Betrieb handeln, auch auf die S-Gruppe zutreffen.
15 4.2. Auch die erst-, zweit- und drittmitbeteiligte Partei verweisen in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Regelung der Mitgliedschaft in § 2 WKG, die auf Rechtsträger abstelle. Den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer sei im aufsichtsbehördlichen Verfahren nur eine eingeschränkte Rechtsmittellegitimation eingeräumt worden. Es bestehe kein Bedarf, den Begriff "Kammermitglied" in § 138 Abs. 2 WKG anders auszulegen als in den sonstigen Bestimmungen des WKG. II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.
16 1. Die Revision ist im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht sowie den Revisionswerbern ins Treffen geführte Rechtsfrage zulässig.
17 2.1. Die maßgeblichen Regelungen des Wirtschaftskammergesetzes 1998 (WKG), BGBl. I Nr. 103 in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2016, lauten auszugsweise:
"Mitgliedschaft
§ 2. (1) Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen sind alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind.
(...)
(3) Mitglieder sind auch alle im Firmenbuch eingetragenen Holdinggesellschaften, soweit ihnen zumindest ein Mitglied gemäß Abs. 1 angehört.
(...)
(5) Die Mitgliedschaft wird in der Bundeskammer sowie in jenen Landeskammern und Fachorganisationen begründet, in deren Wirkungsbereich eine Betriebsstätte vorhanden ist, die der regelmäßigen Entfaltung von unternehmerischen Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 dient.
(...)
Rechte und Pflichten der Mitglieder
§ 4. (1) Den Mitgliedern kommen insbesondere folgende Rechte zu:
1. das aktive und passive Wahlrecht,
2. die Mitwirkung an der Willensbildung der Organe in
den Wirtschaftskammern und Fachorganisationen,
3. der Zugang zu den Leistungen der Organisationen der
gewerblichen Wirtschaft,
4. die Einsichtnahme in die genehmigten Voranschläge
und Rechnungsabschlüsse und
5. das Recht auf Auskunftserteilung.
(2) Die Mitglieder haben insbesondere folgende Pflichten:
1. die Anzeige der Aufnahme einer unternehmerischen
Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 bis 3, sofern nicht eine behördliche
Meldung gemäß § 68 Abs. 2 vorgesehen ist,
2. die Entrichtung von Umlagen,
3. die Erteilung von Auskünften und
4. die Mitwirkung an statistischen Erhebungen.
(...)
Fachorganisationen
§ 14. (1) Im Bereich jeder Sparte sind Fachorganisationen zur Wahrung und Vertretung der fachlichen Interessen ihrer Mitglieder zu errichten:
1. Fachgruppen im Bereich der Landeskammern und
2. Fachverbände im Bereich der Bundeskammer.
(...)
Fachgruppen
Errichtung, Aufgaben und Mitglieder
§ 43. (1) Die Landeskammern sind nach Maßgabe der Fachorganisationsordnung sowie der Beschlüsse des Erweiterten Präsidiums der Bundeskammer gemäß § 15 Abs. 2 berechtigt, Fachgruppen zu errichten, wenn es die wirtschaftliche Bedeutung und die Interessenlage des Berufszweiges erfordern sowie die Bedeckung des Aufwandes gewährleistet ist. (...)
(...)
(3) Die Fachgruppen haben im eigenen Wirkungsbereich die fachlichen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Als fachliche Angelegenheiten gelten insbesondere:
(...)
7. der Abschluss von Kollektivverträgen,
(...)
(5) Die Mitgliedschaft zu einer Fachgruppe wird durch die Fachorganisationsordnung bestimmt.
Fachgruppenzuordnung und Entscheidung in strittigen Fällen
§ 44. (1) Die Zuordnung eines Unternehmens gemäß § 2 zu einer oder mehreren Fachgruppe(n) erfolgt durch die Landeskammer durch die Eintragung in das Mitgliederverzeichnis.
(...)
(7) Wird von einer nach diesem Bundesgesetz gebildeten Körperschaft öffentlichen Rechts oder einer Bundes- oder Landessparte die von der Kammerdirektion gemäß Abs. 1 vorgenommene Eintragung eines Mitgliedes bestritten, hat das Präsidium der Landeskammer nach Anhörung der betroffenen Sparte auf Grund eines diesbezüglichen Antrages darüber zu entscheiden, welcher Fachgruppe oder welchem Fachverband das Mitglied angehört.
(8) Einen Antrag gemäß Abs. 7 kann auch das unmittelbar betroffene Mitglied selbst stellen.
(9) Gegen die Entscheidung des Präsidiums gemäß Abs. 7 und 8 steht den betroffenen Organisationen und Mitgliedern innerhalb von vier Wochen ab Zustellung die Beschwerde an das Verwaltungsgericht offen.
(...)
Aufsichtsbehördliche Fachgruppenzuordnung
§ 137. (1) Erhebt eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes, ist ein paritätischer Ausschuß gemäß § 140 einzurichten. Dieser Ausschuß besteht aus vier Mitgliedern, wobei je zwei von der antragstellenden kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer und von der zuständigen Landeskammer nominiert werden. Den Vorsitz führt in abwechselnder Reihenfolge ein Vertreter der beiden Körperschaften.
(2) Kommt der Ausschuß gemäß Abs. 1 nicht innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu einer einvernehmlichen Regelung, ist ein solcher paritätischer Ausschuß bei der Bundeskammer einzurichten. Je zwei Mitglieder werden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Bundeskammer nominiert.
(3) Kommt der Ausschuß gemäß Abs. 2 nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Regelung oder wird die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen, hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden. Gegen deren Entscheidung kann binnen vier Wochen ab Zustellung Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden.
Parteistellung
§ 138. (1) Im aufsichtsbehördlichen Verfahren haben die nach diesem Bundesgesetz errichteten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Sparten und Fachvertretungen sowie die betroffenen Organe und Organwalter und das betroffene Mitglied Parteistellung sowie das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide binnen vier Wochen Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu erheben und gegen dessen Entscheidungen beim Verwaltungsgerichtshof nach Maßgabe des Art. 133 Abs. 4 B-VG Revision zu erheben und vor dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.
(2) Sind in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern Arbeitnehmerinteressen berührt, gilt dies auch für die in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer."
18 2.2. § 34 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974 in der Fassung BGBl. Nr. 563/1986, lautet:
"Betriebsbegriff
§ 34. (1) Als Betrieb gilt jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.
(2) Das Gericht hat auf Grund einer Klage festzustellen, ob ein Betrieb im Sinne des Abs. 1 vorliegt. Das Urteil des Gerichtes hat so lange bindende Wirkung, als sich nicht die Voraussetzungen, die für das Urteil maßgebend waren, wesentlich geändert haben und dies in einem neuerlichen Verfahren festgestellt wird.
(3) Zur Klage im Sinne des Abs. 2 sind bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses der Betriebsinhaber, der Betriebsrat, mindestens so viele wahlberechtigte Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglieder zu wählen wären, sowie die zuständige freiwillige Berufsvereinigung und die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer berechtigt. Jeder im Betrieb bestehende Wahlvorstand ist im Verfahren parteifähig."
19 3. Soweit die erst-, zweit- und drittmitbeteiligte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung ins Treffen führen, dass die Revisionswerber nicht in subjektiven Rechten verletzt sein könnten und ihnen bereits deshalb die Revisionslegitimation fehle, ist Folgendes vorauszuschicken:
20 Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Ausdruck gebracht, dass den Bestimmungen des § 138 WKG keine den genannten Organisationen und Körperschaften zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechte zu entnehmen sind (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/04/0092). Den Revisionswerbern kommen daher als Formalparteien keine materiellen subjektiven Rechte zu (vgl. zur Revision einer Umweltanwältin etwa VwGH 25.6.2015, Ro 2015/07/0009). Allerdings machen die Revisionswerber vorliegend mit der Bekämpfung der zurückweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtes die Verletzung ihrer prozessualen Rechte geltend. Der Formalpartei kommt zur Durchsetzung ihrer - aus der durch Gesetz eingeräumten Stellung folgenden - prozessualen Befugnisse auch die Revisionslegitimation im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zu (siehe wiederum VwGH Ro 2015/07/0009, sowie 6.4.2016, Fr 2015/03/0011, jeweils mwN).
21 4. Gemäß § 138 Abs. 2 WKG kommt den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer Parteistellung und ein Beschwerderecht im aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzuordnung zu, wenn es um ein Kammermitglied mit mehr als 250 Arbeitnehmern geht. Eine ausdrückliche Definition des Begriffs "Kammermitglied" findet sich im WKG nicht. Allerdings bestimmt § 2 Abs. 1 WKG, dass alle physischen und juristischen Personen sowie sonstigen Rechtsträger, die (näher bestimmte) Unternehmen rechtmäßig selbständig betreiben, Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen sind. Die Regelung des § 2 Abs. 1 WKG knüpft somit die Mitgliedschaft ihrem Wortlaut nach an das Vorhandensein eines Rechtsträgers. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass den Mitgliedern in § 4 WKG bestimmte Rechte zuerkannt bzw. Pflichten auferlegt werden, was eine Rechtsfähigkeit voraussetzt.
22 Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes sind die erst-, zweit- und drittmitbeteiligte Partei jeweils für sich genommen Kammermitglied. Dass diese drei juristischen Personen auch in zusammengefasster Form (seitens der Revisionswerber wird diesbezüglich einmal der Begriff S-Konzern verwendet) Kammermitglied (im Sinn des § 2 WKG) wären, wird in der Revision nicht behauptet (vgl. diesbezüglich etwa die Regelung des § 2 Abs. 3 WKG, der zufolge auch alle im Firmenbuch eingetragenen Holdinggesellschaften, soweit ihnen zumindest ein Mitglied gemäß § 2 Abs. 1 WKG angehört, Mitglieder sind, wodurch nach den Erläuterungen (RV 1155 BlgNR 20. GP 60) auch Holdinggesellschaften erfasst werden sollen, die nach § 2 Abs. 1 WKG selbst "nicht Mitglied werden").
23 Weder den Bestimmungen zur Aufsicht noch den Erläuterungen lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Begriff des Kammermitglieds in § 138 Abs. 2 WKG eine vom sonstigen - insbesondere in § 2 Abs. 1 WKG zugrunde gelegten - Verständnis abweichende Bedeutung haben solle. Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsbegriff des § 34 ArbVG für die Auslegung des Begriffs "Kammermitglied" in § 138 Abs. 2 WKG maßgeblich sein solle (vgl. dazu, dass ein Betrieb im Sinn des § 34 ArbVG auch nicht unbedingt auf eine rechtliche Handlungsfähigkeit angewiesen ist, Strasser in Jabornegg/Resch, ArbVG § 34 Rz 15).
24 Entgegen der Auffassung der Revisionswerber führt auch der Umstand, dass sich aus der Zuordnung zu einer Fachgruppe der jeweils maßgebliche Kollektivvertrag bestimmt (siehe § 8 ArbVG; vgl. auch Pfeil in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht 25 (2015) § 8 Rz 18), zu keinem anderen Ergebnis. Der Abschluss von Kollektivverträgen ist nur eine Aufgabe der Fachgruppe (von vielen) und ändert nichts daran, dass der primäre bzw. übergeordnete Zweck der Errichtung von Fachgruppen die Wahrung und Vertretung der fachlichen Interessen der ihr zugeordneten Mitglieder ist (siehe allgemein dazu RV 1155 BlgNR 20. GP 59).
25 Das Verwaltungsgericht ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass ein organisatorischer, personeller oder sonstiger Zusammenhang zwischen den drei Gesellschaften nicht dazu führt, dass diese als ein einziges Kammermitglied im Sinn des § 138 Abs. 2 WKG anzusehen wären. Anders als die Revisionswerber meinen, handelt es sich dabei nicht um eine "einschränkende" Interpretation, sondern das Verwaltungsgericht hat dem Begriff "Kammermitglied" in § 138 Abs. 2 WKG in systemkonformer Weise die gleiche Bedeutung beigemessen wie in anderen Bestimmungen (und insbesondere in § 2 Abs. 1) des WKG.
26 5. Ausgehend davon kommt es auf die von den Revisionswerbern monierten fehlenden Feststellungen zur Frage des Vorliegens eines einheitlichen Betriebs im Sinn des § 34 ArbVG fallbezogen nicht an.
27 6. Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. Jänner 2019
Schlagworte
InteressenvertretungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017040017.J00Im RIS seit
05.03.2019Zuletzt aktualisiert am
15.04.2019