Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/04/0139Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision 1.) des Dipl.-Ing. F F und
2.) der I F, beide in L, beide vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. Oktober 2017, Zl. LVwG-2017/25/1818-6, betreffend ein Genehmigungsverfahren zur Änderung einer Betriebsanlage gemäß § 359b GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben zu ungeteilten Handen dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid vom 3. Juli 2017 stellte die belangte Behörde fest, dass die Änderung der in der Nachbarschaft der Revisionswerber situierten Betriebsanlage den Bestimmung des § 359b Abs. 1 GewO 1994 iVm § 1 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl Nr 850/1994 idF BGBl II Nr 19/1999, iVm § 93 Abs. 5 ASchG entspreche.
2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerber ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Bedeutung - aus, hinsichtlich des Vorliegens der Frage des Zutreffens der Voraussetzungen für das vereinfachte Verfahren komme den Beschwerdeführern Parteistellung zu. Das Vorliegen der Voraussetzungen sei jedoch nicht in Abrede gestellt worden. Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf die Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte beziehe, erweise es sich als unzulässig.
4 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- , in eventu Abweisung der Revision beantragte.
6 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 4.1. In der vorliegenden Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit ausgeführt, es liege ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil das Verwaltungsgericht dem Antrag der Revisionswerber auf Einholung eines lärmtechnischen Sachverständigengutachtens nicht nachgekommen sei. Die Wesentlichkeit des aufgezeigten Verfahrensmangels ergebe sich daraus, dass die Aufnahme dieses Beweises im Zusammenhang mit der Beurteilung der Rechtsfrage, ob das vereinfachte Verfahren zurecht angewandt worden sei, zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die Interessen des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 GewO 1994 berührt seien.
9 4.2. Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Entscheidung zu führen (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2016/04/0040, mwN).
10 4.3. § 359b GewO 1994 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 96/2017 (siehe zum Inkrafttreten dieser Bestimmung § 382 Abs. 89 GewO 1994) lautet auszugsweise:
"§ 359b. (1) Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Abs. 2 bis 4 ist durchzuführen, wenn
1. jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage,
deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder
2. das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung
stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m2 beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt oder
3. die Art der Betriebsanlage in einer Verordnung nach
Abs. 5 genannt ist oder 4. das Verfahren eine Spezialgenehmigung (§ 356e) betrifft oder 5. bei einer nach § 81 genehmigungspflichtigen Änderung hinsichtlich der Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung einer der in Z 1 bis 4 festgelegten Tatbestände erfüllt ist.
(2) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353), dass zumindest eine der Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt ist, so hat die Behörde das Projekt mit dem Hinweis bekanntzugeben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, drei Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können. Für diese Bekanntgabe ist § 356 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Innerhalb dieser Frist können Nachbarn (§ 75 Abs. 2) einwenden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht vorliegen. Erheben sie innerhalb der gesetzten Frist keine diesbezüglichen Einwendungen, endet die Parteistellung. Auf diese Rechtsfolge ist in der Bekanntmachung ausdrücklich hinzuweisen. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß. Darüber hinaus gehend steht den Nachbarn keine Parteistellung zu.
(3) Nach Ablauf der in der Bekanntgabe angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn und, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen.
(4) Der Bescheid gemäß Abs. 3 gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat binnen zwei Monaten nach Einlangen des Genehmigungsansuchens und dessen Beilagen (§ 353) zu entscheiden. Die Verwaltungsgerichte der Länder haben spätestens zwei Monate nach Einlangen der Beschwerde gegen den Bescheid zu entscheiden. IPPC-Anlagen und Betriebe im Sinne des § 84b Z 1 sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen.
(5) Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hat durch Verordnung Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 2 bis 4 zu unterziehen sind, weil auf Grund der vorgesehenen Ausführung der Anlagen (insbesondere der Beschaffenheit und Wirkungsweise der Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, der elektrischen Anschlussleistung der eingesetzten Maschinen und Geräte, der Betriebsweise, der räumlichen Ausdehnung der Anlage, der Art und Menge der in der Anlage gelagerten, geleiteten, umgeschlagenen, verwendeten oder hergestellten Stoffe) nach Art, Ausmaß und Dauer der Emissionen dieser Anlagen zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt und Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden.
(...)"
11 Aufgrund der - zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits geltenden - Neustrukturierung des Tatbestandes ergibt sich, dass die Unbedenklichkeitsprognose im Hinblick auf die gewerberechtlichen Schutzgüter nicht mehr mit dem Anwendungstatbestand verknüpft ist, sondern nach der Bekanntmachung gemäß § 359b Abs. 2 GewO 1994 als selbständiges Kriterium von der Gewerbehörde zu prüfen ist (vgl. RV 1475 BlNR 25. GP 2, 14). Die Parteistellung der Nachbarn bezieht sich hingegen ausdrücklich nur auf die vorgelagerte Frage, ob die Zuordnung zu einem der Anwendungsfälle der Norm vorliegt (Bergthaler, Betriebsanlagen nach der Verwaltungsreform 2017, in Furherr (Hrsg), Verwaltungsreform im Anlagenrecht, 51ff (57)). Darüber hinaus gehend steht den Nachbarn laut ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine Parteistellung zu.
12 4.4. Die vorgebrachte Verfahrensrüge kann die Zulässigkeit ausgehend von der eben dargestellten Rechtslage nicht begründen, weil den Revisionswerbern als Nachbarn nur eine eingeschränkte Parteistellung in dem Verfahren nach § 359b GewO 1994 zukommt, in deren Rahmen ihnen nicht das Recht zusteht, die Schutzgüter des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu relevieren. Die Relevanz des vorgebrachten Verfahrensmangels ist daher nicht gegeben.
13 4.5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 30. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017040138.L00Im RIS seit
05.03.2019Zuletzt aktualisiert am
19.04.2019