TE Vwgh Beschluss 2019/1/31 Ra 2018/22/0226

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Veröffentlicht am 31.01.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §47 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des S D in W, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. August 2018, VGW-151/082/12072/2017-16, betreffend Wiederaufnahme von Aufenthaltstitelverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am 8. Jänner 2011 eine österreichische Staatsbürgerin und stellte am 10. März 2011 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger", der vom Landeshauptmann von Wien (Behörde) am 8. Mai 2012 bewilligt wurde. Auch dem Verlängerungsantrag vom 19. April 2013 wurde entsprochen. Am 17. März 2014 wurde die Ehe des Revisionswerbers und seiner österreichischen Ehefrau geschieden und am 11. April 2014 stellte er einen Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag, dem mit Erteilen des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" mit Gültigkeit für drei Jahre ab 13. April 2015 entsprochen wurde. Am 26. Juli 2015 heiratete der Revisionswerber eine (in Österreich nicht aufenthaltsberechtigte) serbische Staatsangehörige.

2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Mai 2017 wurden die Verfahren auf Erteilung sämtlicher oben genannter Aufenthaltstitel des Revisionswerbers gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG wiederaufgenommen (Spruchpunkt 1) und die Anträge gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe bzw. § 24 NAG mangels eines gültigen Aufenthaltstitels abgewiesen (Spruchpunkt 2).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass die Abweisung der Anträge auf Erteilung der Aufenthaltstitel nicht wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe, sondern wegen fehlender Familienangehörigeneigenschaft erfolge. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für nicht zulässig erklärt.

Das VwG stellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näherer Begründung fest, die Ehe des Revisionswerbers mit der österreichischen Staatsbürgerin sei zu dem Zweck geschlossen worden, ihm die Erlangung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger einer Österreicherin zu ermöglichen. Dem Einwand des Revisionswerbers, die Behörde hätte - etwa im Verfahren betreffend den Verlängerungs- und Zweckänderungsantrag - die vom ihm stets bestrittene Aufenthaltsehe früher erkennen können, hielt das VwG entgegen, dass für eine amtswegige Wiederaufnahme keine subjektive Frist vorgesehen sei und in den Verfahren betreffend die Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltstitel kein - ein "Erschleichen" ausschließender - eindeutiger Nachweis einer Aufenthaltsehe vorgelegen sei (Hinweis auf VwGH 22.2.2018, Ra 2018/22/0032, Rn. 10; 23.11.2017, Ra 2017/22/0185, Rn. 10). Anschließend wies das VwG die Anträge auf Erteilung der Aufenthaltstitel mit der Maßgabe ab, dass die Ehe des Revisionswerbers mit der österreichischen Staatsbürgerin mittlerweile geschieden worden sei, die Wiederaufnahme der Verfahren somit nicht auf § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 NAG gestützt werden könne, der Revisionswerber jedoch die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 47 Abs. 1 (Familienangehörigeneigenschaft mit einer Österreicherin) nicht erfülle, weil die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthaltsehe gewesen sei, und seine nunmehrige Ehefrau in Österreich nicht aufenthaltsberechtigt sei, weshalb auch die Erteilungsvoraussetzung des § 26 bzw. § 27 Abs. 1 NAG nicht vorliege.

4 Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Zulässigkeitsbegründung bringt der Revisionswerber vor, die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens lägen nicht vor, weil der Behörde bei der Erteilung der "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" im April 2015 sämtliche Ermittlungsergebnisse der Fremdenpolizei (gemeint wohl: betreffend den Verdacht einer Aufenthaltsehe) bekannt gewesen seien. Auch wenn er erst nach Erteilung dieses Aufenthaltstitels seine nunmehrige Ehefrau geheiratet habe, habe dies die Behörde bei der Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme am 1. Oktober 2014 "vorausgesehen". Die Behörde habe es verabsäumt, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen (Hinweis auf VwGH 25.4.1995, 94/20/0779), weshalb der Tatbestand des Erschleichens nicht vorliege. Zu der Rechtsfrage, ob die Wiederaufnahme eines Verfahrens, in dem kein Erschleichungstatbestand gesetzt worden sei, aufgrund des Erschleichens der zuvor erteilten Bewilligungen gestützt werden könne, wenn die Behörde vor Bewilligung des Antrages das Erschleichen der zuvor bewilligten Anträge erkannt und von einer Wiederaufnahme Abstand genommen habe, liege keine hg. Rechtsprechung vor. Durch die rechtskräftige Bewilligung des Verlängerungsantrages sei auch die "inzidente Entscheidung, keinen Wiederaufnahmeantrag zu verfügen, in Rechtskraft erwachsen."

9 Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber das Vorliegen einer Aufenthaltsehe mit der österreichischen Staatsbürgerin nicht bestreitet und nichts gegen die Abweisung seines Erstantrages vom 10. März 2011 und seines Verlängerungsantrages vom 19. April 2013 vorbringt.

10 Soweit der Revisionswerber der Behörde sinngemäß vorwirft, sie habe durch die Erteilung der "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" trotz Kenntnis der Aufenthaltsehe den Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG verwirkt, zeigt er nicht auf, inwiefern den Verfahren betreffend die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel ein - ein "Erschleichen" ausschließender - relevanter Ermittlungsmangel anhafte (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2018/22/0032; 23.11.2017, Ra 2017/22/0185), zumal das BFA eine Aufenthaltsehe verneinte. Dass die Behörde vor Erteilung der "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" Verdachtsmomente hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hatte, hinderte sie nicht an einer Wiederaufnahme auch dieses Verfahrens gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen. In der Erteilung eines Aufenthaltstitels liegt - entgegen der Revisionsansicht - keine "inzidente Entscheidung, keine Wiederaufnahme zu verfügen, (die) in Rechtskraft erwachsen" sei.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

12 In Hinblick darauf erübrigt sich ein neuerlicher (nachdem des VwG mit Beschluss vom 23. November 2018 dem Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben und dieser mit Schriftsatz vom 2. Jänner 2019 einen Antrag auf Abänderung dieser Entscheidung gemäß § 30 Abs. 3 VwGG gestellt hatte) Abspruch über den mit der Revision verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 31. Jänner 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220226.L00

Im RIS seit

04.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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