Index
E3R E19104000;Norm
32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache der A B C, in X, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2018, W161 2207983-1/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005 und Anordnung einer Außerlandesbringung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine irakische Staatsangehörige, reiste im Jahr 2018 über die italienische Außengrenze illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein. Sie gelangte in weiterer Folge nach Österreich, wo sie am 25. Juni 2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2 Mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 lit. b iVm Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) Italien für die Prüfung des Antrags zuständig sei. Es ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Außerlandesbringung der Revisionswerberin an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Italien zulässig sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Mit Beschluss vom 27. November 2018, E 4457/2018-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Im Hinblick auf die behauptete Verletzung von Art. 8 EMRK führte der Verfassungsgerichtshof begründend aus, das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der Frage der Gefährdung der Revisionswerberin auseinandergesetzt und könne diesem unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision verweist zunächst in ihrer Zulassungsbegründung auf die Verpflichtung zum Selbsteintritt Österreichs nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO im Falle einer drohenden Verletzung von Art. 8 EMRK.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssen daher bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 8 EMRK berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschrift das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-VO ausüben (vgl. etwa VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0440, mwN).
10 Soweit die Revision die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht unter Berücksichtigung der fallbezogen vorliegenden Aspekte eines Familienlebens eine entsprechende Interessenabwägung vorgenommen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen die privaten und familiären Interessen der Revisionswerberin an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (etwa VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0301, mwN).
12 In diesem Zusammenhang vermag die Revision nicht darzulegen, dass die Interessensabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes fallbezogen unvertretbar wäre.
13 Zur Anregung in der Revision, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union mit der Frage zu richten, ob die "Nazli-Rechtsprechung auch auf Fälle des Familienlebens übertragbar sei, in denen eine Familie auf der Flucht unfreiwillig kurzfristig getrennt werde", einzuholen, genügt es darauf hinzuweisen, dass sich die diesbezüglichen Revisionsausführungen vom festgestellten Sachverhalt entfernen und dabei selbst konstatieren, dass es sich bei dem in den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses genannten Einreisedatum (Juni 2016) offenkundig um einen Schreibfehler handelt.
14 Soweit die Revision einen Verstoß gegen die Verhandlungspflicht im Hinblick auf die Güterabwägung nach Art. 8 EMRK rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zwar ausgesprochen hat, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, und zwar auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 5.4.2018/19/0082, mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall in vertretbarer Weise angenommen. Die Revision legt mit ihrem dazu abstrakt gehaltenen Vorbringen nicht dar, warum die Voraussetzungen für die Abstandnahme der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären.
15 Im Übrigen übersieht die Revisionswerberin mit ihrem weiteren zur Verhandlungspflicht erstatteten Vorbringen, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch das vorliegende Dublin-Verfahren zählt - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt. Dass das Bundesverwaltungsgericht von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. etwa jüngst VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0250, mit Hinweis auf VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018140367.L00Im RIS seit
04.03.2019Zuletzt aktualisiert am
06.03.2019