TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 98/06/0051

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;

Norm

BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z1;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des R P und der F P, beide in G, vertreten durch D u.a., Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Februar 1998, Zl. 03-12.10 G 111 - 98/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. C in H, 2. Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- je zur Hälfte binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 5. August 1997 eingelangten Baugesuch vom selben Tag beantragte die erstmitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: Bauwerberin) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit angebauter Garage auf einem Grundstück im Gemeindegebiet. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes.

Mit Kundmachung vom 25. August 1997 wurde von der erstinstanzlichen Baubehörde unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (BauG) eine Bauverhandlung für den 15. September 1997 anberaumt, zu welcher auch die Beschwerdeführer geladen wurden. Diese erhoben in der Bauverhandlung Einwendungen gegen das Vorhaben.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 24. September 1997 wurde der Bauwerberin die angestrebte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden (der Sache nach) als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit dem Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Dezember 1997 als unbegründet abgewiesen wurde.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem nun angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Zusammengefasst führte die belangte Behörde begründend nach Darstellung der Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach dem BauG im Wesentlichen aus, die einer Partei eingeräumten prozessualen Rechte könnten nicht weiter reichen, als die ihr durch das Gesetz gewährleistete Sphäre materieller Rechte. Demzufolge könnten die Beschwerdeführer nur die in § 26 Abs. 1 BauG genannten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen. Hinsichtlich des behaupteten Widerspruches des Vorhabens zum Flächenwidmungsplan komme den Beschwerdeführern kein Mitspracherecht zu. Als einziges subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 26 Abs. 1 BauG sei die Einwendung hinsichtlich der Verletzung der Abstandsvorschriften zu sehen. Obwohl das (im Verfahren erstattete) Gutachten des Amtssachverständigen mangelhaft sei, könne auf Grund des der Verhandlung zugrundeliegenden Planes festgestellt werden, dass das geplante Bauwerk die vom Gesetz geforderten Abstände einhalte. Aus dem Plan sei nämlich ersichtlich, dass das Gebäude einen Abstand von 4 m zur Grundgrenze aufweise. Somit werde der für ein zweigeschoßiges Gebäude vorgeschriebene Grenzabstand eingehalten. Es stehe jedenfalls fest, dass dieser Plan bei der Verhandlung aufgelegen sei und die Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt hätten, in diesen Plan Einsicht zu nehmen. Sie könnten daher nunmehr nicht mit Erfolg behaupten, es wäre ihnen nicht möglich gewesen, die Einhaltung der vom Gesetz vorgeschriebenen Abstände zu prüfen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Abs. 1 BauG), die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);

5.

die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

              6.              die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

Dem umfangreichen Vorbringen in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängeln ist mit der belangten Behörde zu entgegnen, dass die Verfahrensrechte der Nachbarn nur soweit reichen, als ihnen subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt sind (siehe dazu beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0115, mwN).

Die Beschwerdeführer machen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weiterhin geltend, dass das Vorhaben im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan stehe, weil das Grundstück als "Freiland" gewidmet sei. Die belangte Behörde verkenne die Bestimmungen des § 26 BauG, weil es sich bei dem im vorliegenden Fall gegebenen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan "sehr wohl um die Verletzung eines Rechtes handelt, welches ein öffentlich-rechtliches Nachbarrecht" darstelle.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass § 26 Abs. 1 Z. 1 BauG dem Nachbarn nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes einräumt. Der Nachbar hat vielmehr nur ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die Widmungskategorie eingehalten wird, wenn die Widmungskategorie der zu bebauenden Grundfläche auch einen Immissionsschutz gewährleistet. Auch wenn die Annahme der Beschwerdeführer zutreffen sollte, dass das zu bebauende Grundstück im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen ist (im erstinstanzlichen Bescheid wurde den Beschwerdeführern diesbezüglich entgegengehalten, ihre Annahme sei unzutreffend, das Grundstück sei vielmehr als "reines Wohngebiet" ausgewiesen), wäre für sie daraus nichts zu gewinnen, weil dem Nachbarn kein Anspruch auf Einhaltung der Widmung Freiland zukommt, wobei im Übrigen § 25 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 keinen Immissionsschutz gewährleistet (siehe hiezu die zur vergleichbaren Rechtslage nach § 61 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 bei Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht3, in E 44 zu § 26 BauG und E 16 zu § 25 ROG, wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführer machen weiters geltend, die belangte Behörde habe ihre Annahme, dass es sich um ein bloß zweigeschoßiges Gebäude handle, nicht näher begründet. Jedenfalls wäre das ausbaufähige Dachgeschoß als ein für die Abstandsberechnung heranzuziehendes Geschoß im Sinne des § 13 Abs. 2 BauG anzusehen gewesen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 13 Abs. 2 BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um zwei, ergibt (Grenzabstand).

Nach Abs. 4 leg. cit. sind als Geschoße in der jeweiligen Gebäudefront jene anzurechnen, die voll ausgebaut oder zu Aufenthaltsräumen ausbaufähig sind und deren Außenwandfläche zu mehr als 50 % und im Mittel mindestens 1,5 m hoch über dem natürlichen Gelände liegt.

Den Bauplänen zufolge weist das projektierte Gebäude ein Erdgeschoß und ein Dachgeschoß auf; es ist zudem teilweise unterkellert. Dass das Kellergeschoß als Geschoß im Sinne des § 13 Abs. 4 anzurechnen wäre, behaupten die Beschwerdeführer gar nicht; es ergibt sich dies auch nicht aus den Bauplänen. Damit wiese das Gebäude auch dann, wenn man dem Vorbringen der Beschwerdeführer folgte, dass das Dachgeschoß als Geschoß anzurechnen sei, nicht mehr als zwei Geschoße (Erdgeschoß und Dachgeschoß) auf, womit der nach § 13 Abs. 2 BauG erforderliche Grenzabstand ohnedies eingehalten ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998060051.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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