TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/14 LVwG-AV-1169/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

BAO §98
ZustG §9 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH in ***, vom 4. Juli 2018, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 11. Juni 2018, ohne Geschäftszahl, mit dem eine Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde *** vom 23. Jänner 2018, EDV Nr. ***, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Berichtigung der Kommunalsteuererklärungen für 2012 bis 2014, als unbegründet abgewiesen worden war, zu Recht:

1.   Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Der Berufung wird Folge gegeben und der Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde *** vom 23. Jänner 2018, EDV Nr. ***, aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Sachverhalt:

Für die Kalenderjahre 2010 bis 2015 wurden seitens der A GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) jeweils zeitgerecht durch ihre steuerliche Vertretung Jahressteuererklärungen der Kommunalsteuer elektronisch im Wege von FinanzOnline übermittelt.

Aus diesen ab der elektronischen Übermittlung auch für die Abgabenbehörden der Marktgemeinde *** abfragbaren jährlichen Kommunalsteuererklärungen ist jeweils die steuerliche Vertretung mit Zustelladresse ersichtlich.

Mit der am 11. März 2013 übermittelten Kommunalsteuererklärung für 2012 wurde als steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die C SteuerberatungsgesmbH bekannt gegeben.

Aufgrund eines zwischenzeitlich seitens der NÖ Gebietskrankenkasse übermittelten GPLA-Prüfergebnisses erging eine als „Bescheid über die Festsetzung der Kommunalsteuer“ bezeichnete Erledigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 13. März 2014, betreffend die Jahre 2010 bis 2012, adressiert und zugestellt an die A GmbH.

Mit der am 24. Februar 2016 übermittelten Kommunalsteuererklärung für 2015 wurde als steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die D SteuerberatungsgesmbH bekannt gegeben.

Aufgrund eines zwischenzeitlich seitens des Finanzamtes *** übermittelten GPLA-Prüfergebnisses erging eine weitere als „Bescheid über die Festsetzung der Kommunalsteuer“ bezeichnete Erledigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 7. Jänner 2016, betreffend die Jahre 2013 und 2014, adressiert und zugestellt an die A GmbH.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 legte die D SteuerberatungsgesmbH namens der Beschwerdeführerin für die Jahre 2012 bis 2015 berichtigte Kommunalsteuererklärungen vor.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 wurde namens der Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene steuerliche Vertretung bei der Abgabenbehörde der Antrag gestellt, die Kommunalsteuer für die Jahre 2012 bis 2015 berichtigt festzusetzen und das dadurch entstehende Guthaben zurückzuzahlen.

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde *** vom 23. Jänner 2018, EDV Nr. ***, wurde über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Berichtigung der Kommunalsteuerbemessungsgrundlage dahingehend abgesprochen, dass der Antrag „für den Abgabenzeitraum 2012-2014 wegen entschiedener Sache gemäß § 92 BAO zurückgewiesen“ wurde.

Bereits mit den Abgabenbescheiden vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 sei für den Zeitraum 2012 bis 2014 die Abgabe rechtskräftig festgesetzt worden, eine Berichtigung daher rechtlich nicht mehr möglich. Anträge auf Abänderung rechtskräftiger Bescheide seien wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung fristgerecht Berufung gegen diesen Bescheid der Bürgermeisterin und begründete diese umfangreich. Vor allem wurde vorgebracht, dass die Bescheide vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 der A GmbH als Vertretener und nicht der jeweils zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertretung zugestellt worden sei.

Durch die Zustellung der Bescheide vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 direkt an die A GmbH habe die Abgabenbehörde gegen § 9 Abs. 3 Zustellgesetz verstoßen und habe die Zustellung dieser Bescheide gegenüber der Beschwerdeführerin auch keine Rechtswirkungen entfalten können. Eine Sanierung der Zustellmängel durch tatsächliches Zukommen der Schriftstücke an die Zustellbevollmächtigten habe nicht stattgefunden. Mangels Rechtswirkung dieser beiden Bescheide liege auch keine entschiedene Sache vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 11. Juni 2018, ohne Geschäftszahl, wurde diese Berufung als unbegründet abwiesen. Begründend wurde dabei im Wesentlichen dargelegt, dass im Berufungsverfahren nur der Abgabenzeitraum 2012 bis 2014 verfahrensgegenständlich sei. Für diesen Zeitraum sei der Antrag auf Berichtigung im erstinstanzlichen Bescheid wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Die Abgabenbehörde habe vom Vorliegen einer Zustellbevollmächtigung keine Kenntnis gehabt, da eine solche über FinanzOnline für die Abgabenbehörde nicht ersichtlich sei. Die direkt an die Beschwerdeführerin zugestellten Bescheide vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 seien daher rechtswirksam zugestellt und in Rechtskraft erwachsen. Die Entscheidung der Abgabenbehörde erster Instanz, die Berichtigungsanträge für den Zeitraum 2012 bis 2014 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sei daher nicht zu beanstanden.

Dagegen richtet sich die nunmehrige Beschwerde vom 4. Juli 2018, rechtzeitig eingebracht durch die ausgewiesene Vertretung der Beschwerdeführerin.

Für den Abgabenzeitraum 2012 bis 2014 liege keine entschiedene Sache vor, das Wissen der GPLA-Prüforgane, welche als Organ der jeweils berührten Gemeinde tätig seien, über das Vorliegen einer Zustellbevollmächtigung sei der Abgabenbehörde zuzurechnen. Die erteilte Vertretungsvollmacht schließe eine Zustellvollmacht mit ein, sodass die Direktzustellung Bescheide der vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 an die A GmbH keine Rechtswirkungen auslösen konnte. Den Zustellungsbevollmächtigten seien keine Bescheidausfertigungen zugegangen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2018 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Marktgemeinde ***.

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2. Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung – BAO:

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.2. Zustellgesetz – ZustG:

Zustellungsbevollmächtigter

§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1.:

In Abgabenverfahren sind gemäß § 98 BAO Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen. Auch für die Zustellung der beiden Kommunalsteuerbescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 hatte die Abgabenbehörde das Zustellgesetz zu beachten.

Für beide Dokumente hat die Abgabenbehörde deren Zustellung an die „A GmbH“ verfügt. Im Falle der Bestellung eines Zustellbevollmächtigten hat die Behörde gemäß § 9 Abs. 3 Zustellgesetz diesen als Empfänger zu bezeichnen. Unterbleibt die Bezeichnung des Zustellbevollmächtigten als Empfänger und erfolgt die Zustellung an den Vertretenen, so ist die Zustellung unwirksam.

Die Bevollmächtigung erfolgt gegenüber der Behörde bei berufsmäßigen Parteienvertretern durch Berufung auf die Vollmacht (vgl. bis 2017 § 88 Abs. 9 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz bzw. nunmehr § 77 Abs. 11 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017: „Beruft sich ein Berufsberechtigter im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis.“). In der Übermittlung einer Steuererklärung namens des Abgabepflichtigen kann eine entsprechende Berufung auf ein bestehendes Vollmachtsverhältnis erblickt werden.

Vom Bestehen eines Vertretungsverhältnisses musste die Abgabenbehörde im Falle der A GmbH jedenfalls bereits ab Übermittlung der Steuererklärungen durch die steuerliche Vertretung Kenntnis haben.

Eine allgemeine Vollmacht umfasst auch die Zustellungsbevollmächtigung (vgl. VwGH 2001/15/0158, 2001/09/0180, 2012/13/0102, uva).

Die Zustellungen der beiden Kommunalsteuerbescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 hätten jedenfalls nur an den jeweils Zustellungsbevollmächtigten erfolgen dürfen. Da dies nicht geschehen ist, würde die Zustellung (erst) in dem Zeitpunkt als bewirkt gelten, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl. VwGH vom 20. Mai 2010, Zl. 2010/07/0014, und vom 7. März 2016, Zl. Ra 2015/02/0233).

Dass eine der beiden Bescheidausfertigungen einem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen wäre, wird in der Beschwerde ausdrücklich bestritten und konnte auch nicht festgestellt werden.

Dementsprechend ist dem Beschwerdevorbringen insofern zu folgen, als die beiden Kommunalsteuerbescheide des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 13. März 2014 bzw. 7. Jänner 2016 nicht wirksam einem Zustellungsbevollmächtigten zugestellt wurden und daher auch keine Rechtswirkungen entfalten konnten.

Das Rechtshindernis einer entschiedenen Sache steht der beantragten Berichtigung bzw. Neufestsetzung der Kommunalsteuer für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum daher nicht entgegen.

Die formelle Zurückweisung dieses Antrages erweist sich daher als rechtswidrig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2. – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Insbesondere liegt der Entscheidung gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde.

Schlagworte

Finanzrecht; Verfahrensrecht; Zustellmangel; Zustellvollmacht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1169.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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