TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W207 2196844-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2196844-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 18.04.2018, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 05.12.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Die Beschwerdeführerin legte diesem Antrag ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 20.03.2018 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.02.2018 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

2007 KTEP rechts Orthopädisches Spital X.

2015 KTEP links KH.

2016 HTEP rechts KH.

4- und 9-2017 CTS-OP, einmal rechts, dann links, KH.

Für 3.5.2018 ist eine Schulter-tep im KH geplant.

Sonst keine Unfälle und Operationen am Bewegungsapparat.

Derzeitige Beschwerden:

Schmerzen nach langen Sitzen, Gehen und Stehen in der rechten Hüfte. Im November 2017 aus heiterem Himmel gestürzt. Sie hat seither immer wiederkehrend mit dem Gleichgewicht Probleme. Der Einbeinstand auf der rechen Seite ist sehr wackelig. Seit 11-2017 wird nach längerem Gehen auch eine Unterarmstützkrücke verwendet. Zuhause verwendet Frau K. keine. Zunehmende Schulterschmerzen auf der linken Seite werden angegeben. Die Beweglichkeit über 90 Grad ist deutlich eingeschränkt und hindert bei Überkopftätigkeiten.

Seit November 2017 ist eine Blutzuckerkrankheit medikamentös eingestellt.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Letzte phys. Therapie

12-2017 wegen der linken Schulter.

Schmerzstillende Medikamente:

Als Bedarfsmedikation Parkemed 500 mg.

Weitere Medikamente: Diabetex 500 und Simvastatin.

Hilfsmittel:

Eine Unterarmstützkrücke.

Sozialanamnese:

Wohnung im 1. Stock. Es ist ein Lift vorhanden, allerdings im Halbstock, acht Stufen müssen zurückgelegt werden.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Im Akt:

20.3.2007 Patientenbrief Orthopädisches Spital X.

Implantation einer zementierten Knie-tep am 12.3.2007 mit unauffälligem postoperativem Verlauf.

28.5.2015 Patientenbrief KH. über Implantation einer Knietotalendoprothese links bei Panarthrose.

1.9.2016 Patientenbrief KH.

Implantation einer Totalendoprothese des rechten Hüftgelenkes bei Coxarthrose rechts und unauffälligem postoperativen Verlauf.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Kommt alleine, aufrecht gehend, normale Straßenkleidung, normaler Konfektionsschuh.

An- und Auskleiden selbständig, rasch, ohne Fremdhilfe.

Guter AZ und EZ. Rechtshänderin, adipös.

Caput, Thorax, Abdomen unauffällig.

Die Haut ist rosig, normal durchblutet. Reizlose OP-Narbe im Bereich der rechten Hüfte und im Bereich beider Kniegelenke. Reizlose OP-Narben im Bereich der Handgelenke.

Ernährungszustand:

gut

Größe: 163,00 cm Gewicht: 117,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule gesamt

Im Lot, Becken- Schultergeradstand, symmetrische Taillendreiecke, symmetrische Muskulatur, keine Atrophien, physiologische Krümmungen.

HWS:

Frei beweglich.

BWS:

Frei beweglich.

LWS:

Frei beweglich.

Peripher neurol.:

Lebhafte Muskeleigenreflexe, Sensibilität, grobe Kraft, Koordination symmetrisch und seitengleich.

Obere Extremität

Allgemein

Rechtshänderin, normale Achse, normale Gelenkkonturen, normale Muskulatur, Durchblutung-Sensibilität seitengleich, Handgelenkspulse gut tastbar, seitengleiche Gebrauchsspuren.

Schultergelenk rechts:

Frei beweglich.

Schultergelenk links:

S 40/0/130, F 130/0/30, Rotation frei. Alle Bewegungen sind endlagig schmerzhaft. Ellbogen-, Hand- Langfingergelenke:

Frei beweglich.

Schürzen- Nackengriff:

Rechts gut möglich. Links möglich aber schmerzhaft und langsam durchgeführt.

Kraft- Faustschluss, Fingerfertigkeit:

Seitengleich.

Untere Extremität

Allgemein:

Keine Beinlängendifferenz, normale Achse, etwas plumpe Kniekontur, seitengleiche Muskulatur, keine Atrophien, Durchblutung-Sensibilität seitengleich, Fußpulse gut tastbar.

Hüfte rechts:

S 0/0/100, R je 20, F je 20 endlagiger Bewegungs-, Beuge- und Rotationsschmerz.

Hüfte links:

S 0/0/120, R je 30, F je 30 ohne Beschwerden.

Knie beidseits:

S 0/0/120, bandfest, kein Erguss, gutes Patellaspiel, Zohlenzeichen + positiv.

OSG und USG:

Frei beweglich.

Füße:

Senk- Spreizfuß beidseits ohne Dekompensationszeichen mit Hammerzehenbildung 2 beidseits und streckseitiger Schwielenbildung über dem PIP-Gelenk.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Breitbeinig, leichtes Hinken auf der rechten Seiten. Zehen-Fersenstand, Einbeinstand gut und sicher, Hocke mit Hilfe. Gangbild ist insgesamt flüssig.

Transfer auf die Untersuchungsliege gelingt selbständig, Wendebewegungen auf der Untersuchungsliege selbständig.

Status Psychicus:

Orientiert, freundlich, kooperativ.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Knietotalendoprothese beidseits. Unterer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da Beugung bis 120 Grad und bandstabile Verhältnisse.

02.05.19

20

2

Hüfttotalendoprothese rechts. Oberer Rahmensatz dieser Positionsnummer, da gute Beweglichkeit, endlagiger Bewegungs- und Belastungsschmerz.

02.05.07

20

3

Diabetes Typ II Mittlerer Rahmensatz, da medikamentös gut eingestellt.

09.02.01

20

4

Schultergelenksabnützung links. Fixer Richtsatz, berücksichtigt die eingeschränkte Überkopffunktion.

02.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Gesamt GdB 20 v.H., da das führende Leiden 1 nicht ungünstig durch Leiden 2 beeinflusst wird, da eine gute Funktion in Hüfte und Knie vorliegend ist. Die Funktionsbehinderung im Bereich der linken Schulter betrifft einen anderen Körperteil ohne Beeinflussung der unteren Extremität.

Leiden 4 betrifft ein Organsystem ohne Wechselbeziehung zum führenden Leiden.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Z. n. Entlastung des Carpaltunnel beidseits (CTS-OP) ohne Funktionseinschränkung und Sensibilitätsabschwächung erreicht aus orthopädischer Sicht keinen Grad der Behinderung.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstgutachten

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine höhergradigen Funktionsbehinderungen am Bewegungsapparat.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Keine vorliegend.

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.03.2018 wurde die Beschwerdeführerin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Der Beschwerdeführerin wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der ihr dafür gewährten Frist keine Stellungnahme ein.

Mit Bescheid vom 18.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.12.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 20 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

Mit einem handschriftlichen Schreiben vom 13.05.2018, bei der Behörde eingelangt am 15.05.2018, erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 18.04.208 fristgerecht Beschwerde. Darin führt sie aus, dass sie mit einigen Beurteilungen nicht zufrieden sei und vieles nicht angeführt worden sei. Die Schmerzen in der rechten Hüfte würden bereits bei kürzerem Stehen, Gehen und Sitzen auftreten. Die Unterarmkrücke werde in jedem Fall beim Gehen außer Haus verwendet, aber auch in der Wohnung z.B. beim Gang zur Toilette. Seit der Untersuchung sei sie trotz Krücken zweimal auf der Straße gestürzt. Die Gleichgewichtsprobleme hätten sich verschlechtert, das Gehen sei dauerhaft wackelig. Die acht Stufen von und zum Lift könne sie nicht mit rechts/links gehen, sondern nur mit einem Fuß, den anderen Fuß müsse sie nachsetzen. Kniebeugen zu machen, wie dies im Befund stehe, sei nicht möglich. Dann führt die Beschwerdeführerin eine Liste von Dingen an, die sie ohne Hilfe nicht machen könne (u.a. einkaufen, Wohnung putzen). Sie brauche daher jemanden, der diese Dinge für sie erledige. Beim Straßenbahnfahren müsse sie immer auf einen Zug warten, bei dem man eben einsteigen könne. Sie benötige daher sehr oft Hilfe von Verwandten und Bekannten, die ihr im Alltag helfen müssten. Diese würden sie auch oft mit dem PKW zu Arztbesuchen, Einkäufen etc. fahren. Daher wäre für sie ein Behinderten- Fahrausweis (gemeint wohl Parkausweis) optimal, da für PKW ein Parkplatz in Behinderten-Zonen eher zu finden sei. Sie könne sich längeres Gehen zu ihren Zielen ersparen.

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 05.12.2017 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Knietotalendoprothese beidseits; Beugung bis 120 Grad möglich, es sind bandstabile Verhältnisse gegeben

2. Hüfttotalendoprothese rechts; gute Beweglichkeit, endlagiger Bewegungs- und Belastungsschmerz.

3. Diabetes Typ II; medikamentös gut eingestellt.

4. Schultergelenksabnützung links; berücksichtigt ist die eingeschränkte Überkopffunktion.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten vom 20.03.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 20.03.2018.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden ausreichend konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 20.03.2018 schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen bei der Beschwerdeführerin vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als 20 v.H. objektiviert werden.

Die in der Beschwerde vorgebrachten Schmerzempfindungen waren bereits im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung im Zuge der persönlichen Untersuchung und bei der Gutachtenserstellung im Rahmen der vorzunehmenden Einstufungen mit zu berücksichtigen. Ebenso wurde vom Gutachter das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Beschwerdeführerin im Alltag eine Unterarmstützkrücke verwendet. Die in der Beschwerde vorgebrachten Funktionseinschränkungen sind in ihrem Ausmaß aufgrund des Ergebnisses der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und der von ihr vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht objektiviert.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sich ihre Gleichgewichtsprobleme verschlechtert hätten und dass sie beim Gehen nunmehr dauerhaft wackelig sei, so wurde das Eintreten einer Verschlechterung des Gleichgewichts seit der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.02.2018 von ihr nicht durch entsprechende der beschwerde beigelegte medizinische Unterlagen belegt.

Insofern die Beschwerdeführerin in der Beschwerde rügt, dass es ihr - wie im Sachverständigengutachten vom 20.03.2018 festgehalten worden sei - nicht möglich sei, Kniebeugen zu machen, ist festzuhalten, dass aus dem Gutachten nicht hervorgeht, dass es der Beschwerdeführerin möglich sei, Kniebeugen zu machen. Der Facharzt für Orthopädie, welcher das Gutachten vom 20.03.2018 erstellt hat, hielt unter dem Punkt "Gesamtmobilität - Gangbild" lediglich fest, dass es der Beschwerdeführerin möglich ist, mit Hilfe in die Hocke zu gehen. Abgesehen davon ergeben sich für das erkennende Gericht keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass der medizinische Sachverständige pflichtwidrig falsche Tatsachen protokolliert hätte und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen der Beschwerdeführerin.

In ihrer Beschwerde bringt die Beschwerdeführerin weiters vor, dass ihr ein Parkausweis sehr gelegen kommen würde, da sie damit Behindertenparkplätze benutzen könne und sich längeres Gehen zu ihren Zielen ersparen könne. Insoweit die Beschwerdeführerin auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § § 29 b StVO abzielt, ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde über die Ausstellung eines Ausweises gemäß § § 29 b StVO nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, weshalb diese Frage mangels Vorliegens eines diesbezüglich anfechtbaren Bescheides nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist. Da aber mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 20 v. H. kein Anspruch auf die Ausstellung eines Behindertenpasses besteht, sind auch die Vornahme allfälliger Zusatzeintragungen (wie z. B. "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel") und die Ausstellung eines Ausweises gemäß § § 29 b StVO (Parkausweis) rechtlich nicht zulässig.

Der Beschwerde wurden, wie bereits erwähnt, keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden. Die Beschwerdeführerin ist daher dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, die im Auftrag der Behörde erstellten Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 20.03.2018. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 20.03.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Anwendung der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung zum Entscheidungszeitpunkt 20 v. H. beträgt.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht substantiiert entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien und sie hat auch sonst im Rahmen des Verfahrens keinerlei Unterlagen vorgelegt, die ein zusätzliches Dauerleiden belegen würden oder aber Hinweise auf eine wesentliche Änderung gegenüber den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde berücksichtigten Leidenszuständen ergeben würden.

Das medizinische Sachverständigengutachten vom 20.03.2018 ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, nicht gegeben sieht. Auch in der Beschwerde werden diesbezüglich keine Ausführungen getroffen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist - wie bereits erwähnt - darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2196844.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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