TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W207 2187550-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2187550-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 04.01.2018, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 10.05.2017 im Wege ihrer Rechtsvertretung mit einem mit 09.05.2017 datierten Schreiben einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in diesen Behindertenpass und auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO; dem mit 09.05.2017 datierten Schreiben wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen und ein Meldezettel beigelegt.

Im Akt befindet sich eine von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Vollmacht vom 02.05.2017 zugunsten des KOBV.

Mit Schreiben vom 06.10.2017 wurden weitere medizinische Unterlagen der Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung nachgereicht.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 23.12.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 21.12.2017, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Operative Behandlung eines muzinösen Borderline Tumors des linken Ovars 4/2016, Gebärmutterentfernung, beide Adnexe und Netzresektion. Postoperativ keine Chemotherapie nur Kontrollen. Auftreten von drei Narbenbrüchen, die wurden operativ saniert, jetzt ist wieder einer aufgetreten.

Durchfallsleiden mit diversen Intoleranzen, noch nicht vollständig abgeklärt, eine Dünndarminspektion steht noch aus. Ist nächstes Jahr geplant.

Weiters bekannt rheumatoide Arthritis betrifft Hände, Knie, Füße, verläuft schubweise, ist beim Rheumatologen in Behandlung.

Es besteht eine psychische Beeinträchtigung durch Depression und Angststörung wird neurologisch/psychologisch behandelt.

Derzeitige Beschwerden:

Hauptproblem Gelenksschmerzen an den Fingern, Knien und Füßen, es kommt dann oft tagsüber zu plötzlichem Anschwellen, wenn sie ein entzündungshemmendes Medikament nimmt wird es etwas besser. Die Beweglichkeit ist dadurch allgemein eingeschränkt, benötigt auch Hilfestellung und Assistenz durch den Gatten. Die psychische Befindlichkeit ist beeinträchtigt, es besteht Ängstlichkeit und Unsicherheit, wenn sie alleine ist, braucht Begleitung.

Erschwerend kommt ein Durchfallleiden dazu, dessen Ursache noch nicht gefunden wurde. Sie ist mehrfach pro Tag stark durchfällig, das kann auch zu Inkontinenzproblemen führen. Die bisherige Abklärung des Darmtraktes war aber in Ordnung, der Dünndarm muss noch untersucht werden.

Ein weiterer Narbenbruch muss noch einmal operiert werden.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Venlafaxin 150mg, Folsan 5mg 3x/Woche, Ebetrexat 10mg 1/Woche, Enterobene 2mg bei Bedarf, Cadestat, Novalgintropfen, Kreon 40000Einheiten 3x täglich, Resochin, Prednisolon 25 mg dzt. als Stoßtherapie

Sozialanamnese:

Zuletzt Reinigungskraft, dzt. beim AMS.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Im Akt vorhanden Entlassungsbericht RZ S. 2016: Borderline-Tumor des linken Ovars, Verdacht auf Laktose- und Fructoseintoleranz, Verdacht auf rheumatoide Arthritis. Röntgenbefund beider Hände: Geringe interphalangeale Gelenksarthrosen.

Ultraschall der Bauchdecke: Drei Narbenhernien.

Rheumatologischer Befund 7/17: Rheumatoide Arthritis, die Kriterien sind erfüllt. Einleiten einer rheumatologischen Therapie.

Nebenbefundlich: Osteoporose.

MRT-HWS: Bandscheibenprotrusionen (2016).

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

reduziert

Größe: 157,00 cm Gewicht: 46 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule:

Beckenstand annähernd gerade, Schultertiefstand links, Körper vorgeneigt, beide Knie leicht gebeugt.

HWS: Rechts-/Linksdrehung je 20°, KJA 13/15 cm.

LWS: FBA 40 cm, Schoberzeichen 12/10 cm, auch hier ist eine völlig unphysologische und unnatürliche Körperhaltung mit gebeugten Ellbögen auffällig. Zehen- und Fersenstand und Einbeinstand sind nicht möglich. Schmerzen bestehen an der gesamten Wirbelsäule.

Obere Extremitäten:

Das Heben der Arme ist ihr aktiv nicht einmal bis 90° möglich, passiv kommt man bis 90°, dann setzt sie Widerstand entgegen, außerdem gibt sie Schmerzen an. Ellbögen, Unterarme, Handgelenke und Finger sind suffizient nicht aktiv und auch nicht passiv prüfbar, es besteht aber eine völlig abnorme Haltung und bei passiver Bewegung wird ein Widerstand entgegengesetzt. Die Gelenke sind optisch und palpatorisch weder überwärmt noch deformiert oder geschwollen. Das Nagelwachstum ist regulär, den Faustschluss kann sie vollständig machen.

Untere Extremitäten:

Hüften: Bds. S 0/0/110°, R 20/0/20°.

Knie: S 0/0/130°.

Sprunggelenke: S 15/0/30°, Zehenbeweglichkeit aktiv herabgesetzt, passiv frei. Auch keine Überwärmung, keine Schwellung, keine abnorme Achsenabweichung und Schmerzangabe generalisiert bei allen Untersuchungen. Peripher kein sensomotorisches Defizit verifizierbar.

Nebenbefundlich: Längsverlaufende Narbe im Abdominalbereich mit 7 cm großer Bruchpforte im untersten Drittel mit einer reponierbaren Herniation. Peripher keine Stauungszeichen.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt in Begleitung des Gatten zur Untersuchung, normale Schuhe, keine Gehhilfen. Beim Aus- und Ankleiden ist ihr der Gatte behilflich. Das Gehen dann mit vorgeneigtem Körper, kleinschrittig, rechts hinkend mit verkürzter Schrittlänge. Kniebeuge bis etwa 80° möglich, sehr langsam ausgeführt und in einer völlig unphysiologischen Haltung und Bewegungsablauf.

Status Psychicus:

Äußerst klagsam, schlecht affizierbar, Gedankenductus aber normal, Stimmungslage gedrückt, wirkt depressiv.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Angststörung und depressive Erkrankung Oberer Rahmensatz, da schwer auffällige Symptomatik mit chronischen Ganzkörperschmerzen, Angstzuständen, Unsicherheit und somatisch nicht erklärbarem Durchfall. Das spiegelt sich in den angegebenen Symptomen und im Untersuchungsbefund eindeutig wieder. Die angegebenen Beschwerden sind mit somatischen Parametern nicht in Einklang zu bringen, daher Einschätzung unter dieser Richtsatzposition. Erfasst wird auch die Behandlungsnotwendigkeit.

03.04.02

70

2

Borderline-Tumor des Ovars Unterer Rahmensatz, da vollständig entfernter Tumor, keine weiterführende Behandlungsnotwendigkeit innerhalb der Heilungsbewährung.

13.01.03

50

3

Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat Oberer Rahmensatz, berücksichtigt Abnützungen der Wirbelsäule und die vom Rheumatologen bestätigte rheumatische Erkrankung bei jedoch unauffälligen optischen und palpatorischen Gelenksbefund bei der heutigen Untersuchung.

02.02.01

20

4

Hernien, Narbenbruch Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da 7 cm große Bruchpforte, jedoch gut reponierbar.

07.08.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch das schwerwiegende Leiden 2 um eine Stufe angehoben, Leiden 3 und 4 erhöhen nicht weiter.

[X] Dauerzustand

Frau S. kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen: [X]JA

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sowie das Überwinden von Niveauunterschieden ist aus eigener Kraft und ohne Hilfsmittel aus medizinischer Sicht möglich. Transport ist möglich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

..."

Am 03.01.2018 wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde ein Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v.H. ausgestellt. Diesem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.01.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10.05.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Das eingeholte Gutachten vom 23.12.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Ein bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Mit Schriftsatz vom 20.02.2018 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch den KOBV, Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.01.2018, mit dem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen worden war. In dieser Beschwerde wird in inhaltlicher Hinsicht (hier in anonymisierter Form wiedergegeben) Folgendes ausgeführt:

"...

In umseits näher bezeichneter Rechtssache hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 04.01.2018, den bevollmächtigten Vertretern zugestellt am 10.01.2018, den Antrag vom 10.05.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung in den Behindertenpass abgewiesen.

Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Dazu wird nachstehendes ausgeführt:

Das Sozialministeriumservice hat aufgrund des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.12.2017 festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Dieses Gutachten ist jedoch nicht ausreichend zur Beurteilung des neurologischen bzw. rheumatologischen Beschwerdebildes. Die Beschwerdeführerin leidet an einer seronegativen rheumatoiden Arthritis. Entgegen den Ausführungen des allgemeinmedizinischen Sachverständigen treten sehr wohl häufig deutliche Schwellungen im Bereich der Gelenke beider Hände sowie eine typische livide Verfärbung im Bereich des Gelenkspaltes auf. Ein Faustschluss ist nicht möglich (eingeschränkt auf etwa 4 cm) und die Feinmotorik ist deutlich herabgesetzt. Auch ist die Beweglichkeit im Bereich der Schulter, der Hüft-, der Knie- und der Sprunggelenke eingeschränkt. Die Benützung von Stützkrücken oder eines Rollators ist der Beschwerdeführerin aufgrund des fehlenden Faustschlusses, der Kraftlosigkeit und der Schmerzen in den Händen nicht zumutbar.

Beweis:

> beiliegender Befund von Dr. T. vom 19.07.2017

> beiliegendes fachärztliches Gutachten von Dr. W. vom 30.09.2017

Der allgemeinmedizinische Sachverständige der belangten Behörde führt in seinem Gutachten aus, dass die Gelenke weder optisch und palpatorisch überwärmt noch deformiert geschwollen seien.

Dazu wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der bevorstehenden Untersuchung bei der belangten Behörde entsprechende starke entzündungshemmende Medikamente genommen hat, sodass vorübergehend eine leichte Besserung der Beschwerdesymptomatik eingetreten ist.

Wie jedoch aus dem beiliegenden Befund von Dr. T. bzw. aus dem Gutachten von Dr. W. hervorgeht, bestehen sehr wohl deutliche Schwellungen im Bereich der Hand- aber z.B. auch der Kniegelenke, sodass im Regelfall die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.

Der allgemeinmedizinische Sachverständige führt weiters aus, dass das Gangbild kleinschrittig rechts hinkend mit verkürzter Schrittlänge ist. Warum er schlussendlich zu dem Ergebnis kommt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, ist keinesfalls nachvollziehbar. Der Sachverständige führt weiters in seinem Gutachten aus, dass der Zehen- und Fersenstand und der Einbeinstand nicht möglich sind. Dies wird auch durch den Sachverständigen Dr. W., welcher die Beschwerdeführerin im Rahmen eines gerichtsanhängigen Pflegegeldverfahrens untersucht hat, bestätigt. Auch in diesem Punkt ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der allgemeinmedizinische Sachverständige zu der Einschätzung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gelangt.

Erschwerend kommt hiezu, dass Depressionen und eine massive Angststörung bestehen, es konnte trotz engmaschiger fachärztlicher bzw. psychotherapeutischer Behandlungen keine Besserung erzielt werden.

Beweis:

> bereits aufliegender Befund von Dr. W. vom 20.06.2017

> Bestätigung der Psychotherapeutin Frau O. vom 31.07.2017

Der allgemeinmedizinische Sachverständige der belangten Behörde ist auch auf die Probleme der bestehenden Durchfälle nicht eingegangen. Laut dem fachärztlichen Gutachten von Dr. W. leidet die Beschwerdeführerin aufgrund der Fructose- und Lactoseinteranz an Durchfällen, welche ca. 6-7 Mal in 24 Stunden auftreten. Auch dies stellt eine Gesundheitsschädigung dar, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht.

Beweis:

> w.o.

Das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten der belangten Behörde vom 21.12.2017 ist aufgrund der oben angeführten Ausführungen unschlüssig und nicht nachvollziehbar und steht im eklatanten Widerspruch zu dem im gerichtsanhängigen Pflegegeldverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. W.

Um eine Grundlage für die Entscheidung zu erlangen, wäre daher ein internistisch-rheumatologisches bzw. psychiatrisches Gutachten einzuholen gewesen.

Beweis:

> w.o.

> Durchführung einer mündlichen Verhandlung

> einzuholende Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der

¿ Rheumatologie/Internen Medizin

¿ Psychiatrie

Aus genannten Gründen stellt die Beschwerdeführerin daher die

ANTRÄGE

1. Das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde Folge geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass stattgeben;

2. in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen."

Dieser Beschwerde wurden weitere medizinische Unterlagen beigelegt.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.02.2018 von der belangten Behörde vorgelegt.

Aufgrund des Inhaltes der eingebrachten Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 16.10.2018 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung ein. Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 16.10.2018 wurde - hier auszugsweise und in anonymisierter Form dargestellt - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

56 Jahre alte Frau, die in Begleitung ihres Ehemannes C. zur Untersuchung in meine Praxis kommt. Sie sei bis 4/2016 Reinigungskraft gewesen. Seither habe sie nicht mehr gearbeitet. Ein Pensionsverfahren laufe. Sie sei in erster Ehe verheiratet. Ein Sohn, der vor 5 Jahren an einem Autounfall verstorben sei.

Frühere Erkrankungen:

+ 2016 Operation eines bösartigen Tumors des rechten Ovars mit Entfernung der

Appendix, der Ovarien, Gebärmutter, sämtlicher Lymphknoten, des Netzes. Keine Nachbehandlung.

+ Danach mehrfache Narbenbrüche, 3 Mal nachoperiert worden und Implantate. Die letzte Operation 3/2017. Trotzdem großer Narbenbruch. Ständig Schmerzen. Muss ein Mieder tragen. Jede Bewegung schmerze. Man könne nicht mehr operieren, weil kein Gewebe mehr vorhanden sei.

+ Lactose/Fructose-Intoleranz

+ Rheumatoide Arthritis

+ Osteoporose

+ Cervico-Lumboischialgie mit befundmäßig mehrfachen Protrusionen im

Cervicalbereich

+ Zustand nach CTS-Operation beidseits

+ Migräne mit Aura

+ 10.1.2018 Insult mit Halbseitenzeichen links

Vegetativ: Größe: 155 cm Gewicht: 45 kg Nikotin: seit 2 Monaten 0, vorher 5-10 pro Tag. Alkohol: 0 Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:

Venlafaxin 150 mg 1, Ebetrexat 10 mg 2 x wöchentlich, Folsan 5 mg 2 x wöchentlich 1, Prednisolon 25 mg 12 x 1, Ca De Stad 1

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Halbseitenzeichen links beinbetont. Bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe rechts unauffällig. Links beinbetonte Schwäche. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche links beinbetont etwas dysmetrisch. Romberg einigermaßen möglich, aber unsicher. Unterberger nicht mehr durchführbar wegen Unsicherheit. Zehen- und Fersenstand rechts möglich, links wegen Unsicherheit nicht möglich. Gangbild einerseits wegen der ausgeprägten Schmerzsymptomatik wegen des Narbenbruches im Bauchbereich beeinträchtigt und andererseits wegen der Halbseitensymptomatik links nicht mehr ausreichend sicher und zügig möglich. Das Steigen auf einen 20 cm hohen Schemel ohne Unterstützung nicht durchführbar.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit deprimiert, leicht verzweifelt über die aussichtslose Lage ihres Narbenbruches und ihrer Schmerzen. Aber kooperativ. In alle Richtungen noch ausreichend zu Offizieren. Stabil. Keine Suizidalität.

Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

1.1. Gemischte Depression mit Angst-Störung

1.2. Borderline-Tumor des Ovars

1.3. Zustand nach Insult mit Halbseitenzeichen links

1.4. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat

1.5. Hernien-Narbenbruch nach mehrfachen Bauchoperafionen

2. Ja. Es liegen erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten vor. Nach dem Insult im Jänner 2018 kam es zu Halbseitenzeichen links, die im Zusammenhang mit der Schmerzsymptomatik auf Grund der zahlreichen Bauch-Narbenbruch-Operationen zu einer Verschlechterung der Gehfähigkeit geführt haben.

3. Nein. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.

4. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer oder intellektueller Fähigkeiten vor. Aber neurologischer Funktionen.

5. Nein. Es liegt keine anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

6. Nein. Es liegt keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit und Taubblindheit vor.

7. Wegen des im Jänner 2018 stattgehabten Insultes mit Halbseitenzeichen links im Zusammenhang mit dem ausgeprägten Schmerzsyndrom auf Grund der zahlreichen Bauch-Narbenbruch-Operationen ist Beschwerdeführerin (BF) nicht mehr in der Lage, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen, übliche Niveauunterschiede, wie sie bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden sind, zu bewältigen, der Transport und das Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht mehr ausreichend sicher gewährleistet und auch die Sitzplatzsuche ist nicht mehr uneingeschränkt möglich. Therapeutische Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten liegen nicht vor.

8. Zu den Einwendungen der BF Aktenblatt (AB) 52-55: Schreiben des KOBV vom 20.2.2018: Die in diesem Schreiben angeführten Gründe unterliegen einerseits dem internen Fachgebiet, andererseits, soweit sie das nervenfachärztliche Fachgebiet betreffen, wie "Depressionen und Angststörung", würden sie auch nicht genügen, um die Benützung der öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich zu machen, weil dafür entsprechende spezielle Therapien, die durch mindestens 1 Jahr nachweislich durchgeführt worden sein müssten. Dies ist nicht der Fall.

9. Stellungnahme zu den Befunden:

AB 56-77: Gutachten wegen Bemessung des Pflegegeldes. Stufe 2 wurde zugestanden.

Stellungnahme: Die Pflegestufe wurde vor allem wegen der rheumatoiden Arthritis zugestanden und auch wegen der Depression. Für das hierortige Verfahren keine zusätzlichen Erkenntnisse.

AB 78: Befund Dr. T. vom 19.7.2017: Diagnosen: Rheumatoide Arthritis, COPD, Psoriasis vulgaris, Zustand nach Ovarialcysten Tumor, Bauchwandhernien, Fructoseintoleranz, Osteoporose.

Stellungnahme: Ebenfalls ohne Relevanz für das hierortige Verfahren.

10. Zum vom angefochtenen Gutachten AB 40-46 abweichenden Ergebnis kommt es einerseits wegen des zwischenzeitlich aufgetretenen Insultes vom Jänner 2018 mit Halbseitenzeichen links und andererseits wegen der anders bewerteten Schmerzsymptomatik, die für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder Nichtbenützbarkeit auch ein wesentliches Kriterium darstellt, weil es auch heißt, dass das Zurücklegen einer Strecke von 300 bis 400 Meter ohne große Schmerzen möglich sein müsste. Und dies ist bei der BF nicht mehr der Fall. Also nicht nur wegen der zwischenzeitlich aufgetretenen Halbseitensymptomatik, sondern auch wegen der ausgeprägten Schmerzsymptomatik, die wegen der großen Bauchwandhernie (=Bruch), die nicht mehr zu operieren ist und nur mehr durch ein elastisches Mieder einigermaßen stabil gehalten werden kann, hervorgerufen wird. Jede Bewegung, beim Aufstehen, beim Drehen, beim Bewegen führt sichtbar und merkbar zu Schmerzen. Und das ist mit ein Grund, warum öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr zumutbar sind.

11. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

12. Nein"

Am 14.11.2018 wurden die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin und die belangte Behörde, sohin die Parteien des Verfahrens, vom Bundesverwaltungsgericht telefonisch über das Ergebnis dieser medizinischen Beweisaufnahme informiert. Die Parteien des Verfahrens gaben an, dass keine Einwendungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgebracht werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 10.05.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in diesen Behindertenpass und auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.

Der Beschwerdeführerin wurde von der belangten Behörde ein Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 80 v. H. ausgestellt, die Beschwerdeführerin ist somit Inhaberin eines Behindertenpasses.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 04.01.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden für das gegenständliche Verfahren betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" relevanten Funktionseinschränkungen:

* Gemischte Depression mit Angst-Störung

* Borderline-Tumor des Ovars

* Zustand nach Insult mit Halbseitenzeichen links

* Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat

* Hernien-Narbenbruch nach mehrfachen Bauchoperationen

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt nicht zumutbar.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden, im gegenständlichen Verfahren relevanten Funktionseinschränkungen und ihrer Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 16.10.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 16.10.2018, in dem sich die medizinische Sachverständige auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde umfassend und nachvollziehbar mit der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auseinandergesetzt hat. Die medizinische Sachverständige kommt - anders als im Vorgutachten vom 23.12.2017 - zum Ergebnis, dass die Beschwerdeführerin wegen des im Jänner 2018 - und sohin erst nach Erstellung des Vorgutachtens - stattgehabten Insultes mit Halbseitenzeichen links im Zusammenhang mit dem ausgeprägten Schmerzsyndrom auf Grund der zahlreichen Bauch-Narbenbruch-Operationen nicht mehr in der Lage ist, eine Strecke von 300 bis 400 Meter ausreichend sicher zurückzulegen und übliche Niveauunterschiede, wie sie bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu überwinden sind, zu bewältigen. Der Transport und das Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht mehr ausreichend sicher gewährleistet und auch die Sitzplatzsuche ist nicht mehr uneingeschränkt möglich. Therapeutische Optionen oder Kompensationsmöglichkeiten liegen nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist daher nicht mehr in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel ausreichend sicher zu benutzen.

Dieses medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 16.10.2018 blieb von den Parteien des Verfahrens unbestritten; sie gaben telefonisch bekannt, keine Einwendungen zu erheben. Dieses Sachverständigengutachten von 16.10.2018, das eine höhere Aktualität aufweist als das Vorgutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 23.12.2017, wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Zu dem vom Gutachten vom 23.12.2017 abweichenden Ergebnis kommt es insbesondere wegen des zwischenzeitlich - nach Erstellung des Vorgutachtens - aufgetretenen Insultes vom Jänner 2018 mit Halbseitenzeichen links und wegen der anders bewerteten Schmerzsymptomatik.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

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erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

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eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

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eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend - Folgendes ausgeführt:

"§ 1 Abs. 2 Z 3:

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

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arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

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Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

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hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

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Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

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Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

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hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

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anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

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fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

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selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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