TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W207 2180194-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2180194-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.11.2017, OB: XXXX , betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen weiterhin vor. Der Grad der Behinderung beträgt nunmehr 70 (siebzig) von Hundert (v.H.).

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin ist seit 25.03.2010 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. Die Ausstellung des Behindertenpasses erfolgte auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 22.03.2010, in dem die Funktionseinschränkungen 1. "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v. H. nach der Positionsnummer 190 der Richtsatzverordnung, 2. "Knietotalendoprothese links" bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 418 der Richtsatzverordnung und 3. "Zustand nach Uteruscarcinom, Zustand nach Ovarialcarcinom" bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer g.Z. 722 der Richtsatzverordnung festgestellt wurden. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde damit begründet, dass der führende Grad der Behinderung unter der Position 1 aufgrund der zusätzlichen Leidensbeeinflussung der weiteren Leiden um je eine Stufe erhöht werde.

Mit Schreiben vom 25.08.2017, bei der Behörde eingelangt am 29.08.2017, stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Diesem Antrag wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen, ein Gutachten zum Antrag auf Zuerkennung des Pflegegeldes der PVA und ein Meldezettel beigelegt.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage eines Arztes für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 21.11.2017 ein. In diesem Aktengutachten wird - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2017-8 Pflegegeldgutachen der Pensionsversicherungsanstalt:

Vertebrostenose u. Spondylolisthese L3-L5, PLIF 3-511/16 bei Claudicatio spinalis, K-TEP Ii 07, Hammerzehen- Op bds.6/14, Z. n. Gebärmutter- und Eierstockentfernung bei Malignom 97, Ovarektomie 03, Ileus 03, Op 14 mit Dünndarmteilresektion, Wundheilungsstörung, H. cicatricia-Op 14, rezidivierende Harnwegsinfekte, Adipositas, Venenleiden, Beinödeme, PG der Stufe 2 wird vorgeschlagen

2013-10, Laktose-H2-Atemtest, FAZ Wien leichtgradig

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Hydal, Pantoprazol, Euthyrox, Legalon, Ultibro, Antistax, CalDeVita

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mittelgradige Funktionseinschränkungen nach Operation wegen Vertebrostenose und Spondylolisthese L3-L5

02.01.02

40

2

Degenerative Gelenksveränderungen bei Adipositas Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mäßige Funktionseinschränkungen beider Hüften und Knie nach Knieprothese links , Hammerzehen-Operation beidseits und Schultergelenksabnützung beidseits

02.02.02

30

3

Venenleiden Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Beinödeme

05.08.01

20

4

Zustand nach Gebärmutter- und Eierstockentfernung bei Malignom 1997 Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mehr als 15 Jahre rezidivfrei

13.01.02

10

5

Zustand nach Darmverschluss 2003 Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da Zustand nach erfolgreicher Dünndarmteilresektion - inkludiert auch Hernia cicatricia-Operation

07.04.04

10

6

Laktoseunverträglichkeit Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da diätisch beeinflußbar

07.04.04

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die Erhöhung der führenden funktionellen Einschränkung 1 durch Leiden 2 um 1 Stufe ist aufgrund der zusätzlichen Beeinträchtigung durch dieses Leiden gerechtfertigt.

Leiden 3-6 erhöhen nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Ein durch Gallenblasenentfernung saniertes Gallensteinleiden erreicht keinen Grad der Behinderung

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Keines vorliegend

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Eine höhergradige Einschränkung der selbstständigen Gehfähigkeit ist durch die vorhandenen Befunde nicht belegt

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

..."

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23.11.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 29.08.2017 unter Zugrundelegung des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.11.2017 abgewiesen, da keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung von 50 v.H. eingetreten sei. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das eingeholte Gutachten vom 21.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 11.12.2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde folgenden Inhaltes (hier in anonymisierter Form wiedergegeben):

"Auf meinen Antrag auf Neufestsetzung des Behinderungsgrades vom 29.8.2017 erhielt ich im November den Bescheid, dass sich mein Behinderungsgrad nicht erhöht hätte. Das kann ich so nicht akzeptieren. Es wurde nicht erwähnt, dass ich seit meiner Operation im Vorjahr auf den Rollator angewiesen bin, auch in den Wohnräumen. Die Operation hat leider keinen Erfolg gebracht, im Gegenteil, laut Dr. F. und den neuesten Befunden, wäre ein neuerlicher Eingriff nötig. Ich hatte gebeten, ob ein Arzt bei einem Hausbesuch meinen Zustand prüfen kann, leider wurde dies abgelehnt. Stattdessen wurde vom Allgemeinmediziner Dr. W. eine "Ferndiagnose "gestellt. Ich wurde von verschiedenen Fachärzten, auch der Ärztin für das Pflegegeld, daraufhin gewiesen, den Behindertengrad neu bestimmen zu lassen. Wenn man schreibt, dass ich in der Lage bin, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, sollte man bedenken, dass nicht alle barrierefrei zu benützen sind. Mit Rollator daher fast unmöglich. Meine Wohnung liegt im zweiten Stock ohne Lift, ich kann daher nicht ohne fremde Hilfe das Haus verlassen. Ich ersuche um nochmalige Überprüfung des Gutachtens.

..."

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.12.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.

Aufgrund der eingebrachten Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung ein. Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.10.2018 wurde - hier auszugsweise und in anonymisierter Form dargestellt - Folgendes ausgeführt:

"...

GUTACHTEN 1. INSTANZ: Abl. 4-8 vom 11.03.2010, Gesamt-GdB 50 v.H.

Abl. 31-35 vom 20.11.2017, Gesamt-GdB 50 v.H.

SACHVERHALT:

Gegen den Bescheid des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 23.11.2017, mit welchem der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und der Grad der Behinderung weiterhin mit 50 % festgesetzt wird, wird Beschwerde vorgebracht.

Im Beschwerdevorbringen der BF vom 11.12.2017, Abl. 41, wird eingewendet, dass nicht erwähnt worden sei, dass sie seit der Operation im Vorjahr auf den Rollator angewiesen sei, auch in den Wohnräumen. Die Operation habe leider keinen Erfolg gebracht, im Gegenteil, laut Dr. F. und den neuesten Befunden wäre ein neuerlicher Eingriff nötig. Mit Rollator sei es fast unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Die Wohnung liege im 2. Stock und sie könne nicht ohne fremde Hilfe das Haus verlassen.

Vorgeschichte:

1997 Gebärmutterkarzinom, anschließende Strahlentherapie

Ovarialkarzinom 2003, anschließende Chemotherapie

Chemotherapieinduzierte Polyneuropathie

Knietotalendoprothese links 2007

Hammerzehen-Operation beidseits 06/2014

Dünndarmteilresektion bei Zustand nach Ileus 2013, Wundheilungsstörung, Hernia cicatricea-Operation 2014

11/2016 Degenerative Veränderungen der WS, PLIF L3 bis L5, Claudicatio spinalis

Venenleiden, Beinödeme, Laktoseunverträglichkeit, Hypothyreose-medikamentös substituiert

Pflegegeld der Stufe 2

Zwischenanamnese seit letzter Begutachtung 20.11.2017:

Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.

Befunde:

Abl. 11,12,13 Befund Allergiezentrum X. vom 25. 6.2013, 14.10.2013, 18.10.2013 (Gesamt IgE 235, DAO- Spiegel erniedrigt, negativer Fructose H2-Atemtest, leichtgradig positiver Laktose-Atemtest)

Abl. 14 bis 15, Bericht I. vom 4.11.2013 (inkarzerierte Narbenhernie mit Perforation in die Bauchdecke und lokale Peritonitis, Laparotomie und Dünndarmteilresektion, Seit-zu-Seit-Anastomose, subcutane Nekrosektomie)

Abl. 16-17, Befund 1. chirurgische Abteilung Krankenanstalt Y. vom 29.12.2014 (Hernia cicatricea, Bruchpfortenverschluss, Colezystektomie am 5.11.2014)

Abl. 18, Allergieambulatorium Z. vom 21.4.2016 (bekannte Kontaktallergie, Pflasterallergie, Insektengiftallergie)

Abl. 19,20, Bericht neurochirurgische Abteilung Krankenanstalt Y. vom 9.11.2016 (Vertebrostenose und Spondylolisthese L3/L4 und L4/L5, PLIF L3 bis L5)

Abl. 25-30, Pflegegeldgutachten vom 19.8.2017 (Pflegegeld der Stufe 2)

Sozialanamnese: Verwitwet seit 2017, 2 Kinder, lebt alleine in Wohnung im 2. Stockwerk ohne Lift

Berufsanamnese: Pensionistin, BUP seit 2003, zuvor Verkäuferin

Medikamente: Antistax, Euthyrox, Hydal retard 2 mg jeden 2. Tag, Lasix, Spirono, Legalon, Pantoprazol, Utipro, Cal D Vita

Allergien: Kontaktallergie, Pflaster, Insektengift, Penicillin,

Histamin- und Fructoseintoleranz Nikotin: 0

Laufende Therapie bei Facharzt für Orthopädie, Neurochirurgie, regelmäßige Physiotherapie

Derzeitige Beschwerden:

"Beschwerden habe ich vor allem im Bereich der Wirbelsäule, seit der Operation 2016 ist es noch schlechter geworden. Vor der Operation konnte ich ohne Rollator gehen, seither kann ich nur noch mit Rollator gehen. Der Befund hat sich verschlechtert, es ist zu einer weiteren Verschiebung gekommen und man überlegt eine Versteifung der gesamten Wirbelsäule, vorerst möchte man aber noch nicht operieren. Lähmungen habe ich nicht, Gefühlsstörungen teilweise am Oberschenkel außenseitig und teilweise in den Fingern, vor allem in der Nacht. Ich kann mich bücken, aber ich kann mich nicht mehr ganz aufrichten, es wird immer schlechter trotz regelmäßiger Physiotherapie einmal pro Woche zu Hause. Der Zustand ist fast unerträglich. Schmerzmittel nehme ich jeden zweiten Tag, Hydal 2 mg. Ich gehe nur noch mit Rollator, habe in der Wohnung einen Rollator, 2 Stockwerke muss ich ohne Lift bewältigen, im Hof habe ich einen weiteren Rollator außer Haus. Kann nur mit Niederflurwagen fahren, Stufensteigen in Straßenbahnen mit hohen Stufen ist nicht möglich, da ich mit dem Rollator fahre und ohne Rollator unsicher bin.

Seit der Darmoperation muss ich bestimmte Nahrungsmittel vermeiden, nehme laktosefreie Produkte. Bzgl. Venenleiden verwende ich zeitweise Kompressionsstrümpfe und nehme Antistax ein. Nach Gebärmutter- und Eierstockentfernung bin ich regelmäßig in Nachsorge, diesbezüglich ist alles in Ordnung.

Beschwerden habe ich im Nacken, Schulter, Oberarm durch das Gehen mit dem Rollator, immer wieder Schleimbeutelentzündungen. Mit dem linken operierten Knie geht es, das rechte Knie und die Hüften machen immer wieder Beschwerden. Bin regelmäßig in ärztlicher Behandlung bei Facharzt für Neurochirurgie und bei Orthopäden.

08/2018 wurde eine Rehabilitation in B. durchgeführt, 2017 war ich in P. Hergekommen bin ich mit dem Sohn mit dem Auto."

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 153 cm, Gewicht 97 kg, RR 135/85, 71 a, BMI 41,4

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: Narbe median Ober- und Unterbauch, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Schultergelenke beidseits: äußerlich unauffällig, keine Druckschmerzen, endlagige Bewegungsschmerzen links mehr als rechts.

Heberden'sche Arthrosen sämtlicher Langfinger mit teilweise Achsenabweichung in der Frontalebene, kein Streck- oder Beugedefizit, keine entzündliche Aktivität.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern F und S je 0/120, Rotation endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand und Fersenstand beidseits mit Anhalten angedeutet durchführbar, geringgradige Vorfußheberschwäche rechts.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten angedeutet möglich.

Die Beinachse zeigt geringgradige Valgussteilung des rechten Kniegelenks. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, geringgradig Ödeme, keine sichtbaren Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Fußsohlen als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk beidseits: kein Stauchungsschmerz, kein Rotationsschmerz

Kniegelenk links: Narbe nach Knietotalendoprothese, mäßige Umfangsvermehrung, keine

Überwärmung, kein Erguss, keine Bewegungsschmerzen auslösbar, stabil.

Kniegelenk rechts: mäßige Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, Patella mäßig verbacken, endlagige Beugeschmerzen, stabil.

Senkspreizfuß links mehr als rechts, Hallux valgus deutlich links ausgeprägt.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S 0/15/90, IR/AR 10/0/25, Knie links 0/10/110, rechts 0/10/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich annähernd frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 80° bei KG 5 möglich, die Beine können jedoch in Rückenlage nicht gestreckt auf die Unterlage abgelegt werden, Streckdefizit in Hüftgelenken bei Verkürzung des M.iliopsoas beidseits und in den Kniegelenken.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, vorgeneigte Haltung, Aufrichten eingeschränkt, Hinterhaupt 28 cm vor dem Sakrum, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Massiv Hartspann paralumbal. Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich

BWS/LWS: FBA: 0 cm, Aufrichten nicht zur Gänze möglich, siehe oben, Rotation und Seitneigen etwa zur Hälfte eingeschränkt

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe allseits nicht auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit Rollator, das Gangbild im Untersuchungszimmer ohne Gehhilfe ist kleinschrittig mit deutlicher Spurverbreiterung, gehemmtes Abrollen, vorgeneigt, sehr konzentriert und teilweise unsicher.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Teilversteifung der

Lendenwirbelsäule L3 bis L5 02.01.03 50%

Unterer Rahmensatz, da höhergradige Funktionseinschränkung vor allem in der Sagittalebene mit geringgradigem motorischem Defizit rechts und anhaltenden Beschwerden.

2) Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates 02.02.02 30%

Unterer Rahmensatz, da vor allem im Bereich beider Hüft- und Kniegelenke bei Knietotalendoprothese links mäßige Funktionseinschränkungen vorliegen.

3) Polyneuropathiesyndrom 04.06.01 30%

1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da sensible und motorische Ausfälle leichten Grades.

4) Zustand nach Gebärmutter- und Eierstockentfernung bei Malignom 1997

13.01.02 10%

Unterer Rahmensatz, da mehr als 15 Jahre rezidivfrei.

5) Venenleiden 05.08.01 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da geringgradige Beinödeme.

6) Zustand nach Darmverschluss 2003 07.04.04 10%

Unterer Rahmensatz, da guter Ernährungszustand bei Zustand nach erfolgreicher Dünndarmteilresektion und Operation einer Narbenhernie.

7) Laktoseunverträglichkeit 07.04.04 10%

Unterer Rahmensatz, da keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes.

ad 2) Einschätzung und Begründung des Gesamt-GdB: 70%

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 um 2 Stufen erhöht, da jeweils eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch Leiden 2 und 3 erheblich verstärkt.

Die weiteren Leiden erhöhen nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz.

ad 3) Stellungnahme, ob und gegebenenfalls inwiefern im aktuell erhobenen Befund im Vergleich zum Gutachten vom 10.3.2010, Abl. 4-8, eine Veränderung im Leidenszustand objektivierbar ist.

Eine maßgebliche Verschlimmerung ist insbesondere hinsichtlich Wirbelsäulenleiden, Polyneuropathie und Gangbild eingetreten, sodass eine höhere Einstufung gerechtfertigt ist. Der Zustand nach Gebärmutter- und Eierstockentfernung bei Malignom 1997 wird herabgestuft, da mittlerweile mehr als 15 Jahre rezidivfrei.

ad 4) Stellungnahme zu den Einwendungen der BF Abl. 41

Dokumentiert und objektivierbar ist eine Verschlimmerung mit Gangbildbeeinträchtigung bei höhergradiger Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit motorischem Defizit und Polyneuropathie, sodass eine Neueinstufung erforderlich ist.

Die behinderungsbedingte Verwendung eines Rollators ist aufgrund festgestellter Funktionseinschränkungen und durch vorgelegte Befunde begründbar.

ad 5) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten Abl. 31-35 abweichenden Beurteilung

Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens und Hinzukommen des Polyneuropathiesyndroms erfordern eine Neueinstufung.

Die objektivierbaren maßgeblichen Funktionseinschränkungen sind untermauert durch vorgelegte Befunde, insbesondere durch den neurophysiologischen Bericht vom 2.10.2018 und das bei der Begutachtung eingesehene Röntgen LWS vom 25.9.2018.

ad 6) Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde:

Entlassungsbericht RZ B. vom 27.8.2018 - steht in Einklang mit den aktuell feststellbaren Funktionseinschränkungen.

Labor vom 24.7.2018 (BSG geringgradig erhöht, yGT und alkalische Phosphatase geringgradig erhöht, sonst unauffällig) - führt zu keiner Änderung.

Neurophysiologischer Bericht vom 2.10.2018 (sensomotorische Polyneuropathie, Peroneusläsion rechts oder vertebragen) - untermauert vorgenommene Einstufung von Leiden 1 und 3.

Röntgen BWS und LWS vom 2.10.2017 (Multisegmentale Osteochondrose der BWS und L1 bis L3, PLIF L3 bis L5 mit massiver Anterolisthese L4, Grundplatte LWK4 ist durch die obere Kante LWK5 exkaviert) - untermauert Neueinstufung von Leiden 1.

MRT der LWS vom 2.10.2017 (Osteochondrose L1 bis L3, Enge des Spinalkanals, PLIF L3 bis L5, leichte Anterolisthese L3, gegenüber Vorbefund 01/2016, präoperativ, deutliche Befundverschlechterung im Segment L4/L5, LWK4 nach ventral abgegeben, Grundplatte der LWK4 ist durch die Oberkante LWK5 imprimiert, leichtes Marködem, Kompression beider intraforamineller Nervenwurzeln, Vertebrostenose) - untermauert Neueinstufung von Leiden 1.

Röntgen LWS vom 25.9.2018 (Zustand nach PLIF, Anterolisthese L4 gegenüber L5 und weit nach dorsal gelegenes Bandscheibeninterponat) - Röntgen wird bei der Begutachtung eingesehen, untermauert Neueinstufung von Leiden 1.

..."

Am 13.11.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde, sohin die Parteien des Verfahrens, vom Bundesverwaltungsgericht telefonisch über das Ergebnis dieser medizinischen Beweisaufnahme informiert. Die Parteien des Verfahrens gaben an, dass keine Einwendungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgebracht werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit 25.03.2010 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Am 29.08.2017 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumsservice den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23.11.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass unter Zugrundelegung des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens vom 21.11.2017 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Teilversteifung der Lendenwirbelsäule L3 bis L5; höhergradige Funktionseinschränkung vor allem in der Sagittalebene mit geringgradigem motorischem Defizit rechts und anhaltenden Beschwerden.

2. Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates; im Bereich beider Hüft- und Kniegelenke liegen bei Knietotalendoprothese links mäßige Funktionseinschränkungen vor.

3. Polyneuropathiesyndrom; sensible und motorische Ausfälle leichten Grades.

4. Zustand nach Gebärmutter- und Eierstockentfernung bei Malignom 1997; mehr als 15 Jahre rezidivfrei.

5. Venenleiden; geringgradige Beinödeme.

6. Zustand nach Darmverschluss 2003; guter Ernährungszustand bei Zustand nach erfolgreicher Dünndarmteilresektion und Operation einer Narbenhernie.

7. Laktoseunverträglichkeit; keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 70 v. H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses und zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt und ist unstrittig. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. gründet sich auf das oben wiedergegebene, durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018. Aus diesem medizinischen Sachverständigengutachten ergibt sich nachvollziehbar ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H., dies auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.10.2018 und auf Grundlage der von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung neu vorgelegten medizinischen Unterlagen. Die sachverständige Gutachterin legt nachvollziehbar dar, dass eine Verschlimmerung des Wirbelsäulenleidens und das Hinzukommen des Polyneuropathiesyndroms eine Neueinstufung im Gegensatz zu dem von der Behörde eingeholten Aktengutachten vom 21.11.2017 notwendig gemacht haben. Die objektivierbaren maßgeblichen Funktionseinschränkungen wurden durch die im Rahmen der durchgeführten Untersuchung vorgelegten Befunde untermauert, insbesondere durch den neurophysiologischen Bericht vom 02.10.2018 und das bei der Begutachtung eingesehene Röntgen der Lendenwirbelsäule vom 25.09.2018. Die behinderungsbedingte Verwendung eines Rollators ist aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen und durch die vorgelegten Befunde begründbar. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, welche als führendes Leiden 1 eingestuft wurden, werden durch die feststellten Leiden 2 (Degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates) und 3 (Polyneuropathiesyndrom) um 2 Stufen erhöht, da jeweils eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Die Auswirkungen des führenden Leidens 1 werden durch die Leiden 2 und 3 erheblich verstärkt. Die weiteren Leiden 4 - 7 erhöhen nicht, da sie von zu geringer funktioneller Relevanz sind.

Dieses medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.10.2018 blieb von den Parteien des Verfahrens unbestritten; sie gaben telefonisch bekannt, keine Einwendungen zu erheben. Dieses auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin beruhende medizinische Sachverständigengutachten von 20.10.2018, das eine höhere Aktualität aufweist als das Vorgutachten - einem Aktengutachten - eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 21.11.2017, und dem insbesondere auch aktuellere Befunde, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Vorgutachtens noch nicht existent waren - insbesondere der neurophysiologische Bericht vom 02.10.2018 und das bei der Begutachtung eingesehene Röntgen der Lendenwirbelsäule vom 25.09.2018, auf die in diesem Sachverständigengutachten Bezug genommen wird - zu Grunde liegen, wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

...

§ 55

...

(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, schlüssige, nachvollziehbare und widerspruchsfreie und von den Parteien des Verfahrens nicht substantiiert bestrittene Sachverständigengutachten vom 20.10.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 70 v.H. beträgt.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.10.2018 und den von der Beschwerdeführerin im Rahmen der persönlichen Untersuchung vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, liegen daher weiterhin vor.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der Grad der Behinderung nunmehr mit 70 v.H. festzusetzen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2180194.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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