TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W207 2151051-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2151051-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX (vormals XXXX ), geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 26.01.2017, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1 und 2 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 15.11.2016 beim Sozialministeriumsservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 24.01.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.01.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typ, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt, paroxysmale Angststörung, Essstörung, Zustand nach Magenbandoperation und Sleeve-Operation 2014, degenerative Veränderungen des Bewegungs- und Stützapparates ohne neurologische Ausfälle

Derzeitige Beschwerden:

Auskunft der Pat.:" Ich bin mit den Gelenken kaputt, ich habe Herzprobleme, ich habe immer wieder Vorhofflimmern, habe Blutdruckanfälle, es wird mir immer wieder schwindelig. Mein Blutdruck ist auch immer etwas niedrig. Ich habe selten Magenschmerzen, ab und zu leide ich unter Übelkeit, habe auch öfters Durchfall, auch traue ich mich nicht mehr alles zu essen. Wegen meiner Psyche bin ich in regelmäßiger Therapie, jeden Donnerstag in einer Gruppentherapie. Unter der Therapie geht es mir nicht gut, nachdem alles immer wieder hochkommt. Medikamente lehne ich ab, nachdem ich

meine Psyche nicht komplett verändern möchte. Auch merke ich, dass ich einen Waschzwang habe. Auch gehe ich nicht alleine außer Haus. Ich hatte 201kg."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Simvastatin, Cal D Vita, Concor Cor, Pantoloc, Supradyn, Thyrex

Sozialanamnese:

ledig, keine Kinder, bezieht Reha-Geld, davor Pension

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Psychotherapeutische Ambulanz: Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeit vom Borderline-Typ, Somatisierungsneigung, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt

Pensionsversicherungsanstalt SKA-RZ Y. vom 26.7.2016: Adipositas Grad III, Implantation eines Magenbandes 2002, Borderlinepersönlichkeitsstörung, Aufnahme zur Gewichtsreduktion

Mitgebrachter Befund: Krankenhaus X. vom 13.12.2016: Symptomatisches Dumping-Syndrom bei Zustand nach Gastric-banding 2002, Entfernung 2013 und Sleevegastrektomie 2014

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

zufriedenstellend

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 176,00 cm Gewicht: 130,00 kg Blutdruck: wegen zu kleiner Manschette nicht messbar

Klinischer Status - Fachstatus:

42 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput: Visus: unauffällige Zähne: saniert, Rachen bland, Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:

nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Schultergelenke endlagig eingeschränkt, Die übrigen Gelenke von altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird im Bereich der Hände als vermindert angegeben

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenk konstitutionsbedingt endlagig eingeschränkt, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird distal als vermindert angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 10 cm,

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich

Gesamtmobilität - Gangbild:

normales Gangbild

Status Psychicus:

bewusstseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit,

Gedankenstruktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Borderlinepersönlichkeitsstörung 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da in regelmäßiger Therapie und nur geringe Symptomatik

03.04.01

30

2

Magen und Darm, Zustand nach Magenbypassoperation. Wahl der Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da funktionelles Dumpingsyndrom.

07.04.02

20

3

Polyarthrosen. Wahl der Position mit dem oberen Rahmensatz, da ohne höhergradige relevante Funktionseinschränkungen.

02.02.01

20

4

Hypertonie, paroxysmales Vorhoflimmern Fixer Richtsatz

05.01.02

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch die weiteren Leiden nicht weiter erhöht wird. Begründung: da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung gegeben ist

[X] Dauerzustand

Frau R. kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:

[X] JA

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich. Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeit vor

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

..."

Mit Bescheid vom 26.01.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 15.11.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 24.01.2017 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit E-Mail vom 15.03.2017 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht eine Beschwerde folgenden Inhaltes, hier in anonymisierter Form wiedergegeben:

"...

Ich war am 13.1.2017 um 8:45 wegen des Sachverständigengutachtens zur Untersuchung in der Landesgeschäftstelle in der Babenbergerstraße.

Nun habe ich die Zuschrift erhalten, dass ich zu 30% behindert bin.

Leider stimmt das Gutachten nicht, so wurde z.B. mein Alter falsch hingeschrieben, ebenso wie meine Körpergröße.

Einige Dinge wurden nicht berücksichtigt. Ich durfte nicht alle Befunde kopiert abgeben, da es sonst zu viel wäre (laut Auskunft bei der Antragübergabe am Schalter)... - es wurden nur wahllos Befunde rausgesucht und kopiert. - Mit dem Worten: das macht dann sowieso alles der Arzt.

Der orthopädische Befund wurde gar nicht berücksichtigt, dabei ist er recht aktuell mit dem Datum 8.9.2016. Meine Gelenkigkeit wurde verfälscht, da ich niemals 10 cm über den Boden mit den Fingerspitzen hinkomme. Meine Knie machen mir massivst Probleme, ebenso wie die Hüften, das Rückgrat und die HWS - welche schon eine Fehlstellung zeigt.

Insgesamt war ich 3x auf Kur und nicht wie im Gutachten steht nur einmal. - Ich leide an Mangelerscheinungen, nehme laufend Medikamente ein, habe das systematische Dumpingsyndrom (das heißt, alle Symptome, die auch eine zuckerkranke Person hat, was genauso gefährlich ist, laut Krankenhaus X.). Nebenbei macht mir das immer wieder auftretende und bereits paar Mal dokumentierte parox. VHF einige Probleme psychischer und körperlicher Natur. - Ich habe immer wieder Todesangst...es beeinträchtigt mich massiv. - ebenso wie der Kindesmissbrauch und die Kindesmisshandlungen in meiner Jugend und Kindheit. Ich habe Ein und Durchschlafstörungen, schlafe oft viel zu wenig und fühle mich dadurch matt. Leider schaffe ich es nicht einmal, meinen Haushalt korrekt zu führen. Ich hatte vor ein paar Jahren um eine Hilfe angesucht und wurde leider abgelehnt, da ich "nur" Hilfe im Ausmaß von 44 Stunden gebraucht hätte, aber man erst ab 60 Stunden Hilfe bekommt. Es ist nicht besser geworden, sondern die Lage, was meine Gesundheit betrifft hat sich verschlechtert. Ich nehme nun noch mehr Medikamente, habe immer wieder Schwindelanfälle, Angst in Ohnmacht zu fallen, wenn plötzlich alles dumpf und schwarz um mich wird, während sich die Stimmen um mich herum plötzlich entfernen. Mein Herz fühlt sich dann komisch an und mir ist es, als bekomme ich keine Luft...

Wenn ich gehe, bekomme ich ohne Pausen VHF. Wenn ich vom Sitzen aufstehe und losgehe bekomme ich es ebenso. Wenn ich mich über etwas freue, weine, aufrege...oder erschrecke durch einen nahen Blitzeinschlag z.B. auch....es kommt immer wieder und das recht oft....

In den dritten Stock (ich wohne ohne Lift - 66 Stufen sind es) brauche ich um die 15 bis 20 Minuten, da ich immer wieder Pausen wegen der Herzprobleme machen muss. Von den Schmerzen, die nun auch da sind wenn ich die Stiegen runtergehe, aufstehe, rauf gehe...überhaupt gehe, ganz zu schweigen.

Immer wieder habe ich Flashbacks - Erinnerungen was früher war...bei Gerüchen, einem Wort oder einem Satz....ich habe bei Berührungen Probleme, ebenso, wenn ich was angreife, was ein anderer Mensch schon angegriffen hat....ich desinfiziere mir immer die Hände....habe auch immer was in meiner Handtasche mit...bin überfordert, wenn ich raus gehen muss...und zu viele Menschen sind in meiner Nähe....bekomme Panik, wenn es laut um mich ist....und bin selbst bei einem kleinen Einkauf überfordert. Deswegen gehe ich nicht mehr ohne eine Begleitperson außer Haus.

Nebenbei leide ich an einem Lipödem, was meinen Beinen anzumerken ist.

Ich wurde 3x am Magen operiert, was ja nicht gerade wenig ist. Natürlich habe ich auch da hin und wieder Probleme. Und ich muss lebenslang Medikamente einnehmen.

Mein Blutdruck konnte bei der Begutachtung nicht gemessen werden, da nur eine kleine Manschette vorhanden war, welche nicht passt.

In dem Befund von Dr. S. steht:

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Boderline Typus F

60.31 ICD 10 Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gemischt F42.2 ICD 10

Paroxysmale Angststörung F41.0 ICD 10 Essstörung F50.4 ICD 10

Zustand nach Magenoperation und Sleeve-Operation 2014

Aufbrauchserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparats mit subjektive Beschwerden ohne neurologische Ausfälle.

Vorhofflimmern.

..."

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.03.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.

Aufgrund des Inhaltes der eingebrachten Beschwerde holte das Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 11.09.2018 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung ein. Nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.09.2018 wurde - hier auszugsweise und in anonymisierter Form dargestellt - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

47 Jahre alte Frau, die alleine zur Untersuchung in meine Praxis kommt. Sie habe Einzelhandelskauffrau gelernt Und sie habe bis 2006 gearbeitet. Zuletzt als Verkäuferin bei "M.". Insgesamt habe sie bei unzähligen Firmen gearbeitet. Sie habe nach der Pflichtschule eine Lehre bei K. gemacht, danach bei B., M., W., auch als Hausbesorgerin, A. gearbeitet. Hin und wieder sei sie auch arbeitslos gewesen. 4 Jahre sei sie auch obdachlos gewesen. Dies sei passiert, weil ihr Expartner sich getrennt habe und er die Miete nicht bezahlt habe. Sie sei ins Frauenhaus gezogen, dann ins Obdachlosenheim. Erst dann habe sie wieder eine Wohnung bekommen.

Die 1. Ehe, die sie mit 17 Jahren eingegangen, diese sei sehr rasch geschieden worden. Bereits nach 2 Jahren 1992. Danach hätte sie eine 13 Jahre dauernde Beziehung gehabt, aber wegen seiner ständigen Untreue sei diese dann auch zu Ende gegangen. Jetzt in 2. Ehe verheiratet, da hätte es anfangs auch Probleme gegeben, sie sei seit 1 1/2 Jahren verheiratet.

Keine Kinder.

Aus der biografischen Anamnese:

Vater sei Kunstschlosser gewesen und dann Fernfahrer. Die Mutter Hausfrau. Eine 1 Jahr jüngere Schwester, danach Zwillingsbrüder. Sie sei als 13-Jährige vom Vater sexuell missbraucht worden. Auch vom Opa. Der Vater habe sich einfach auf sie raufgelegt. Das sei 2 Jahre so gegangen, bis sie mit 15 sich gewehrt habe und so bald wie möglich von zu Hause weggegangen sei. Auch die Schwester sei missbraucht worden. Der Vater sei ein richtiger Sadist gewesen. Der Opa habe nur "gegrabscht". Sie hätte schon Anzeige erstatten wollen, aber die Mutter sei dagegen gewesen. Mit 1 7 Jahren sei sie "rausgeworfen" worden. Erst seit ein paar Jahren könne sie in der Therapie darüber sprechen. Sie sei in Therapie gewesen, aber die Therapeutin sei dann weg und unauffindbar gewesen. Sie habe auch Gruppentherapie gemacht.

Frühere Erkrankungen:

+ Vorhofflimmern

+ Schilddrüsenprobleme, Thyrex 75 yg 1/2

+ Diabetes mellitus in Beobachtung

+ Herzrasen

+ Panikattacken + Lipödeme

+ 2002 Magenband wegen extremen Übergewichts, Entfernung des Magenbandes 2013

+ 2014 Sleeve Operation, danach von 201 kg auf 125 kg abgenommen. (78 kg

Gewichtsabnahme!)

+ Spät-Dumping-Syndrom

Vegetativ: Größe: 172 cm (ursprünglich 180 cm) Gewicht: 125 kg

Nikotin: 0 Alkohol: 0 Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:

Simvastatin 20 mg 1, Concor 1,25 mg 1, Pantoloc 20 mg 1, Folsan 1, Oleovit D 3 Und Supradyn, Cal D Vit. Psychopharmaca keine. Will und wollte keine nehmen und will und wollte ihre psychischen Probleme ohne medikamentöse Hilfe in den Griff bekommen.

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen.

Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger. Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig. Angaben von leichten Dysästhesien an den unteren Extremitäten.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit etwas klagsam, gedrückt, subdepressiv, aber kooperativ. In alle Richtungen ausreichend gut zu affizieren. Gibt aber immer wieder Intrusionen und flash backs an. Dies können ausgelöst werden durch unterschiedlichste Trigger wie Gerüche, Geräusche und auch visuelle Auslöser. Zwangsstörungen (Waschzwang und Angst vor Ansteckung, muss dann alles desinfizieren). Instabil. Keine Suizidalität.

Beantwortung der gestellten Fragen, die bitte dem Akt zu entnehmen sind:

1. Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung

-Position 03.05.05

-50 %

Unterer Rahmensatz. da psychisch instabil trotz jahrelanger Therapie.

2. Stellungnahme zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin (BF) Aktenblatt (AB) 33:

In diesem Schreiben der BF vom 14.3.2017 listet sie sämtliche Beschwerden auf, an denen sie leidet und beschreibt die dadurch verursachten Einbußen in ihrem Leben und in ihrem Alltag. Zuletzt zitiert sie auch einen Befund von Dr. S., in dem als Diagnose:

emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typus, Zwangsgedanken und -handlungen gemischt, Paroxysmale Angststörung, Essstörung und weitere internistische Leiden aufgelistet sind.

Stellungnahme dazu:

Auch wenn in diesem Schreiben sowie auch in dem Gutachten von Frau Dr. F. vom 31.1.2017, AB 16, von einer Borderline Persönlichkeitsstörung gesprochen wird, ist aus meiner Sicht die Hauptdiagnose wie im Befund vom PTA, psychotherapeutische Ambulanz der ÖAGG, ohne Datum, AB 14, die Hauptdiagnose: andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und erst als Folge dieser Traumata die Entwicklung einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline Typus gegeben. Auch in der Beurteilung, AB 15, aus einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten, ebenfalls ohne Datum, werden die traumatischen Kindheitserfahrungen berichtet, sodass sie als glaubhaft und gegeben angesehen werden müssen.

3. Zu einer abweichenden Beurteilung zum angefochtenen Sachverständigengutachten AB 16-21 kommt es, da aus psychiatrischer Sicht als Hauptdiagnose nicht die Borderlinestörung angenommen wird, sondern eine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung. Und diese wurde wegen der Auswirkung höher eingestuft. Begründung siehe auch unter Punkt 2.

4. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

5. Nein. Es wurden keine neuen Befunde vorgelegt.

..."

Am 15.11.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde, sohin die Parteien des Verfahrens, vom Bundesverwaltungsgericht telefonisch über das Ergebnis dieser medizinischen Beweisaufnahme informiert. Die Parteien des Verfahrens gaben an, dass keine Einwendungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgebracht werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 15.11.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden objektivierten Funktionseinschränkungen:

1. Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung, psychisch instabil trotz jahrelanger Therapie.

2. Magen und Darm, Zustand nach Magenbypassoperation; funktionelles Dumpingsyndrom.

3. Polyarthrosen; ohne höhergradige relevante Funktionseinschränkungen.

4. Hypertonie, paroxysmales Vorhoflimmern.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 50 v. H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkung und deren Ausmaß werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 11.09.2018 hinsichtlich des führenden Leidens 1 in Verbindung mit den Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin 24.01.2017 hinsichtlich der Leiden 2 bis 4 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich ebenfalls aus dem Akteninhalt und ist unstrittig. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen sind.

Mit Begleitschreiben vom 15.11.2018 legte die Beschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht eine Kopie einer Heiratsurkunde vor, aus der sich eine nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte Veränderung ihres Familiennamens wie im Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses ersichtlich ergibt.

Der Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. gründet sich auf das oben wiedergegebene, durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte, in Bezug auf das führende Leiden 1 ergangene medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 11.09.2018, dies in Verbindung mit dem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24.01.2017 hinsichtlich der weiteren Leiden 2 bis 4. Aus dem medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 11.09.2018 ergibt sich hinsichtlich des führenden Leidens 1 nachvollziehbar ein Grad der Behinderung von 50 v.H., dies auf Grundlage einer neuerlichen persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.09.2018. Die sachverständige Gutachterin legt nachvollziehbar dar, dass die Beschwerdeführerin an einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung leidet, sie ist trotz jahrelanger Therapie psychisch instabil. Dies ist - wie im vorgelegten Befund der psychotherapeutischen Ambulanz der ÖAGG - die Hauptdiagnose:

Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung und erst als Folge dieser Traumata die Entwicklung einer emotional instabilen Persönlichkeit vom Borderline Typus. Auch in der Beurteilung des vorgelegten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens wird von traumatischen Kindheitserfahrungen der Beschwerdeführerin berichtet, sodass diese als glaubhaft und gegeben angesehen werden müssen. Zu einer im Hinblick auf die Leidensposition 1 abweichenden Beurteilung zum allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24.01.2017 kommt es, da aus psychiatrischer Sicht als Hauptdiagnose nicht die Borderlinestörung angenommen wird, sondern eine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung. Diese wurde wegen der Auswirkung höher eingestuft.

Dieses medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 11.09.2018 blieb von den Parteien des Verfahrens unbestritten; sie gaben telefonisch bekannt, keine Einwendungen zu erheben. Dieses Sachverständigengutachten vom 11.09.2018, das eine höhere Aktualität aufweist als das Vorgutachten vom 24.01.2017, wird im Hinblick auf die Leidensposition 1 in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt; im Hinblick auf die weiteren Leiden 2 bis 4 wird das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten von 24.01.2017 der Entscheidung zugrunde gelegt. In ihrem Gutachten vom 11.09.2018 stellt die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie in Bezug auf das führende Leiden 1 eine andere Hauptdiagnose als die Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrem Gutachten vom 24.01.2017, nämlich eine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung, was sich in der Folge auch erhöhend auf den Gesamtgrad der Behinderung auswirkt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 1. (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

.....

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

.....

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung hinsichtlich des führenden Leidens 1 das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, schlüssige, nachvollziehbare und widerspruchsfreie und von den Parteien des Verfahrens nicht substantiiert bestrittene Sachverständigengutachten vom 11.09.2018, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 50 v.H. beträgt, zu Grunde gelegt, dies hinsichtlich der Leiden 2 bis 4 in Verbindung mit dem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24.01.2017.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.09.2018 und den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, liegen daher vor.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der Grad der Behinderung mit 50 v.H. festzusetzen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2151051.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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