TE Bvwg Beschluss 2018/11/30 W115 2198881-1

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Veröffentlicht am 30.11.2018
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Entscheidungsdatum

30.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W115 2198881-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von

XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom XXXX , OB: XXXX , in Form von Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am XXXX beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) durch seinen bevollmächtigten Vertreter unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt.

1.1. Zur Überprüfung der Anträge wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH bewertet wurde und die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

Die Funktionseinschränkungen wurden wie folgt beurteilt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Colostomie fixer Rahmensatz

07.04.18

50 vH

02

Chronische Darmstörung Heranziehung dieser Position, da nachgewiesener Morbus Crohn. Unterer Rahmensatz, da moderate Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes.

07.04.05

30 vH

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

 

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

Leiden 2 erhöht nicht weiter, da Leidensüberschneidung.

2. Ohne dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu bringen, hat die belangte Behörde dem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses stattgegeben und dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH und der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996 liegt vor" übermittelt.

Als Beilage wurde von der belangten Behörde das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX übermittelt.

2.1. Mit Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

3. Gegen diese Bescheide wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage eines Befundes des XXXX vom XXXX wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers hinsichtlich der Ausstellung des Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der Behindertenpass mit einem höheren Grad der Behinderung hätte ausgestellt werden müssen. Der Beschwerdeführer leide an chronischen Darmstörungen zumindest schweren Grades mit schweren chronischen Schleimhautveränderungen und habe sich bisher ca. 100 Operationen und zusätzlich fünf Fisteloperationen an der Blase unterziehen müssen. Zudem würde alle fünf bis sechs Wochen eine neue Fistel an der Blase entstehen. Ferner sei auch der Allgemein- und Ernährungszustand des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt, da er bei einer Größe von 1,96 m nur 64 kg wiege, was die Zuführung ergänzender Spezialnahrung (Kubitan) erforderlich mache und der Beschwerdeführer dennoch massiv untergewichtig sei. Das Colostoma müsse 30-mal täglich entleert werden. Darüber hinaus müsse der Beschwerdeführer bis zu 20-mal täglich die Toilette zum Harnlassen aufsuchen. Der Sachverständige sei auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht im Einzelnen eingegangen und es sei nicht nachvollziehbar, wie er zu seiner Beurteilung gekommen sei. Zur Beurteilung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Leiden sei die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Innere Medizin/Gastroenterologie und Urologie erforderlich. Da der Beschwerdeführer an schweren chronischen Darmstörungen und schweren chronischen Schleimhautveränderungen leide, welche zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes geführt hätten, sei diese Gesundheitsschädigung unter die Positionsnummer 07.04.06 mit einem Grad der Behinderung von zumindest 60 vH einzuschätzen.

3.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde im Rahmen einer beabsichtigten Beschwerdevorentscheidung von der belangten Behörde ein auf der Aktenlage basierendes ergänzendes Sachverständigengutachten vom bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH bewertet wurde und Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen.

3.2. Die belangte Behörde hat in weiterer Folge von einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen und die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

4. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 54 Abs. 18 BBG tritt § 46 BBG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 mit 1. Juli 2015 in Kraft.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe

schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid (Anmerkung: in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses) erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Der Beschwerdeführer hat mit seinem Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein umfangreiches Konvolut an fachärztlichen Befunden betreffend seine internistischen Leiden in Vorlage gebracht. Die belangte Behörde hat zur Überprüfung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen jedoch lediglich ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung des beim Beschwerdeführer vorliegenden komplexen internistischen Beschwerdebildes, insbesondere auch im Hinblick auf eine mögliche wechselseitige Leidensbeeinflussung der festgestellten Gesundheitsschädigungen, nicht geeignet. Aufgrund der vorgelegten medizinischen Beweismittel liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Innere Medizin unbedingt erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesamtleidenszustandes des Beschwerdeführers zu gewährleisten. Die Heranziehung eines Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.

Darüber hinaus ist sowohl das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten als auch das im Rahmen der beabsichtigten Beschwerdevorentscheidung eingeholte ergänzende Sachverständigengutachten hinsichtlich der Beurteilung des Gesamtleidenszustandes nicht nachvollziehbar. So ist eine schlüssige und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den vorgelegten medizinischen Beweismitteln durch den befassten Sachverständigen nicht erfolgt. Im Sachverständigengutachten, das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt worden ist, wird lediglich ausgeführt, dass ein Aktenkonvolut von medizinischen Berichten über zahlreiche Krankenhausaufenthalte, Darm- und Blasenoperationen wegen Morbus Crohn, Blasenfistel sowie Hemicolektomie vorliegt. Im ergänzend eingeholten Sachverständigengutachten wird lediglich auszugsweise der Inhalt des im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befundes des XXXX vom XXXX zitiert. Aussagen über die Schwere der darin beschriebenen Gesundheitsschädigungen bzw. Feststellungen hinsichtlich deren Auswirkungen und Einfluss auf den Grad der Behinderung sind aber auch dort nicht bzw. nicht im ausreichenden Maße getroffen worden.

Dies wiegt umso schwerer, als dass die Anlage zur Einschätzungsverordnung unter Abschnitt 07.04. sehr differenziert die Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung für Erkrankungen des Magens und/oder des Darms regelt und in den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismitteln hinsichtlich der festgestellten Gesundheitsschädigungen u.a. das Erfordernis oftmaliger Operationen, häufige Durchfälle, Schleimhautveränderungen sowie einen herabgesetzten Ernährungszustand dokumentiert sind. So ist dem Sachverständigengutachten nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen die beim Beschwerdeführer vorliegende chronische Darmstörung unter Positionsnummer 07.04.05 und nicht unter die Positionsnummer 07.04.06 eingeschätzt worden ist.

Darüber hinaus ist dem im angefochtenen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten keine ausreichende Begründung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung zu entnehmen. Es wird lediglich ausgeführt, dass Leiden 2 nicht weiter erhöht, da eine Leidensüberschneidung vorliegt. Der Sachverständige lässt aber Ausführungen darüber, wie er zu dieser Schlussfolgerung kommt, vermissen. Auch finden sich keinerlei Aussagen zu dem beim Beschwerdeführer befunddokumentierten Blasenleiden (Fistelbildung). Vor allem ist dem eingeholten Sachverständigengutachten keine Begründung zu entnehmen, warum eine Einschätzung dieses Leidens unterblieben ist. Auch dem im Rahmen der beabsichtigten Beschwerdevorentscheidung eingeholten Sachverständigenbeweis sind in dieser Hinsicht keine Aussagen zu entnehmen.

Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen. Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage daher nicht möglich.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin einzuholen, da - wie bereits oben ausgeführt - zur schlüssigen und umfassenden Einschätzung der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen und in weiterer Folge zur umfassenden Beurteilung des Gesamtleidenszustandes jedenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens dieser Fachrichtung erforderlich gewesen wäre.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, zu den oben dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Verfahrens keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten und auszuführen ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W115.2198881.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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