TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/9 B3324/96

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Veröffentlicht am 09.06.1997
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Oö GVG 1994 §20 Abs1
Oö GVG 1994 §31 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung der Berufung des Verpflichteten des Versteigerungsverfahrens gegen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Zuschlags

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 15. Jänner 1996 wurde die damals im Eigentum von

J B sen. und J B jun. stehende Liegenschaft EZ 3, Grundbuch 48201 Amelreiching, OÖ, zwangsversteigert. Das Bezirksgericht Schärding erteilte am selben Tag zu E2463/94h-63 den Zuschlag an die Meistbieter.

Mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Schärding vom 11. März 1996 wurde die Zuschlagserteilung grundverkehrsbehördlich genehmigt (§20 Abs1 des O.ö. Grundverkehrsgesetzes 1994, LGBl. 88 - O.ö. GVG 1994).

J B sen. und jun. erhoben gegen diesen Bescheid Berufung. Die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der o.ö. Landesregierung wies dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom 18. Juni 1996 zurück und begründete diese Entscheidung - nach einer Schilderung des Verwaltungsgeschehens - wie folgt:

"J B sen. und J B jun. ... sind Eigentümer der vom Exekutionsverfahren verfangenen Liegenschaft EZ 3, Grundbuch 48201 Amelreiching und somit nach der Bestimmung des §31, Abs2 O.ö. Grundverkehrsgesetz als Parteien im Grundverkehrsverfahren anzusehen, weil sowohl Rechtserwerber als auch die Rechtsvorgänger Partei des Verfahrens sind.

Nach ständiger Rechtsprechung der Grundverkehrsbehörden und der Höchstgerichte kommt dem Grundstückseigentümer (Rechtsvorgänger) dennoch eine Berufungslegitimation nicht zu, weil grundsätzlich der Rechtsvorgänger und Liegenschaftseigentümer in seiner Eigenschaft als Vertragspartner (verpflichtete Partei) nur durch die Versagung der Zustimmung zur Eigentumsübertragung in seinen Rechten verletzt werden kann, da das rechtliche Interesse der Beteiligten im Verfahren vor der Grundverkehrsbehörde allein auf die Abwehr eines auf öffentlichem Recht beruhenden Eingriffes in ihre Privatsphäre gerichtet ist. Bei einer Zwangsversteigerung wird nun die Zustimmung des Verpflichteten durch die Erteilung des gerichtlichen Zuschlages ersetzt, sodaß sich der Verpflichtete somit in der selben rechtlichen Situation befindet, in der er sich befände, wenn er über sein Eigentum als Vertragspartner einen Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Er hat daher wohl einen Rechtsanspruch darauf, daß der Zuschlag an den Meistbietenden, bei Vorliegen der nach dem Grundverkehrsgesetz geforderten Voraussetzungen erteilt wird, wird aber durch die Genehmigung des Zuschlages gleich einem Verkäufer bei einem Veräußerungsgeschäft in seinen privatrechtlichen Interessen nicht berührt. Einem Beschwerdeführer mangelt somit bei Genehmigung des Zuschlages jede Beschwer. Die Landesgrundverkehrskommission hat keinen Anlaß, sich nicht dieser formellen Betrachtungsweise der Berufungslegitimation anzuschließen, so daß den Liegenschaftseigentümern und Rechtsvorgängern trotz ihrer Parteistellung keine Berufungslegitimation im gegenständlichen Verfahren zukommt.

Die Berufung der beiden Berufungswerber ist daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß inhaltlich auf Beschwerdepunkte einzugehen ist (vergleiche Entscheidung des VfGH vom 26.6.1982, B414,415/79 Sammlung 9.452 und dort angeführte Judikatur)."

2. Gegen diesen Bescheid erheben J B jun. und sen. die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit nachstehender Begründung beantragt wird:

"a) Durch den Bescheid der belangten Behörde sind wir in unserem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83/2 B-VG) verletzt worden. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Behörde verletzt, wenn diese Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidrigerweise ihre Zuständigkeit ablehnt (z.B. VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (z.B. VfSlg. 10374/1985).

Letzterer Fall trifft aber auf uns zu. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen in der Sache selbst, nämlich ob die Genehmigung der Zuschlagserteilung zu Recht erfolgt ist oder nicht, zu entscheiden. Die Zurückweisung der Berufung verletzt uns im Recht auf Sachentscheidung und damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Im OÖGVG 1994 sind nunmehr ausdrücklich im §31/2 OÖGVG der Rechtserwerber und der Rechtsvorgänger als Parteien genannt. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung kommt also den Rechtsvorgängern und damit auch uns die volle Parteistellung zu. Insofern liegt zu den früheren gesetzlichen Bestimmungen (OÖGVG 1975, LGBl. 53/1975) doch eine wesentliche Änderung der Rechtslage vor, die die von der belangten Behörde zu Grunde gelegte Rechtsansicht nicht mehr zulässig erscheinen läßt.

Nach §31/2 OÖGVG 1994 sind wir jedenfalls als Legalpartei anzusehen, wobei hier der Landesgesetzgeber keinerlei Einschränkung der Parteienrechte angeordnet hat. Die Einschränkung der Berufungslegitimation der Rechtsvorgänger ausschließlich auf Fälle der Versagung der Genehmigung durch die BGVK wurde vom Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich festgelegt, obwohl zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung dies ständige Rechtsprechung der Landesgrundverkehrskommissionen war. Bei historischer Auslegung des §31/2 OÖGVG kann man daher nur zu dem Ergebnis gelangen, daß eben der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung der Berufungslegitimation nicht festlegen wollte, da er sie ja ansonsten wohl statuiert hätte, zumal er ja Rechtsvorgänger und Rechtserwerber ausdrücklich als Parteien bezeichnet hat.

Aber selbst dann, wenn man die Berufungslegitimation nicht aus der Position als Legalpartei ableitet, muß man zum Ergebnis gelangen, daß eine Berufungslegitimation vorliegt. Maßgebend für die Parteistellung ist, daß die Sachentscheidung in die Rechtssphäre des Betreffenden bestimmend eingreift und weiters, daß dadurch eine unmittelbare, nicht bloß abgeleitete mittelbare Wirkung zum Ausdruck kommt. Das OÖGVG 1994 enthält nicht nur ausschließlich objektive Genehmigungskriterien, sondern auch solche, die das rechtliche Interesse der Rechtsvorgänger betreffen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens haben wir dargelegt, daß das Schätzungsgutachten aus dem Zwangsversteigerungsverfahren zum Teil von einer unrichtigen Bodenbewertung ausgeht, zumal ein als Bauland gewidmeter Grund lediglich als landwirtschaftlicher Nutzgrund bewertet wurde. Es handelt sich hier um 3433 m2 rechtskräftig gewidmetes Bauland, das vom Sachverständigen Ing. A L im Zwangsversteigerungsverfahren lediglich mit einem Quadratmeterpreis zwischen S 30,-- und S 35,-- bewertet worden ist. Tatsächlich sind aber hier bei den Quadratmeterpreisen zumindest S 400,--. Es liegt somit eine Unterbewertung im Bereich von ca. S 1,3 Millionen vor.

Die Liegenschaft wurde von den Erstehern aus Spekulationsgründen erworben, was Herr H... selbst einmal eingestanden hat. Hinsichtlich dieses Aspektes besteht aber auch ein Rechtsanspruch der Rechtsvorgänger auf Überprüfung, dies gilt gerade auch für die verpflichteten Parteien im Zwangsversteigerungsverfahren. Das Spekulationsverbot soll ja gerade auch den einzelnen vor Übervorteilung etc. schützen. Die von der belangten Behörde dargelegte formelle Betrachtungsweise der Berufungslegitimation ist daher für den gegenständlichen Fall nicht zutreffend. Unsere Parteistellung (§31/2 OÖGVG 1994) beinhaltet auch die Berufungslegitimation, sodaß die belangte Behörde in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte.

b) Verletzung der Verfahrensgarantie nach Art6/1 MRK:

Jedermann hat Anspruch darauf, daß seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer gewissen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat.

Damit den Verfahrensgarantien nach Art6 MRK genüge getan wird, muß die Überprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts garantiert sein. Der bekämpfte Bescheid der belangten Behörde verletzt nun diese verfassungsrechtlich gewährleistete Verfahrensgarantie."

3. Die Landesgrundverkehrskommission legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift; sie begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Im wesentlichen wird darin ausgeführt, daß den Einschreitern die Beschwer mangle.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die Landesgrundverkehrskommission hat die von den Beschwerdeführern erhobene Berufung zurückgewiesen. Damit hat sie ihnen eine Sachentscheidung über das Rechtsmittel verweigert.

Hätte sie dies zu Unrecht getan, so hätte sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z. B. VfSlg. 11405/1987, 13280/1992, 13882/1994).

b) Ein solcher Vorwurf ist der Behörde jedoch nicht mit Recht zu machen:

Gemäß §20 Abs1 O.ö. GVG 1994 hat das Exekutionsgericht bei der Zwangsversteigerung von Grundstücken oder Grundstücksteilen den Zuschlag unter dem Vorbehalt zu erteilen, daß er erst bei Vorliegen einer erforderlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigung rechtswirksam wird.

Dem §31 Abs2 O.ö. GVG 1994 zufolge sind Parteien der Verfahren nach diesem Landesgesetz der Rechtserwerber und der Rechtsvorgänger.

Damit, daß die Beschwerdeführer im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde faktisch als Rechtsvorgänger behandelt wurden und ihnen deshalb in Hinblick auf §31 Abs2 leg. cit. Parteistellung gewährt wurde, ist nicht zwingend verbunden, daß ihnen auch das Berufungsrecht zukam. Dieses mangelt einer Person nämlich auch dann, wenn sie zwar im erstinstanzlichen Verfahren Parteistellung hatte, aber ihre Rechtsansprüche oder rechtlichen Interessen durch den Bescheid nicht beeinträchtigt werden können - mit anderen Worten, wenn sie durch den Bescheid nicht beschwert sein kann (vgl. z.B. VfSlg. 12028/1989, 12128/1989, 12437/1990, 12452/1990, 13293/1992).

Der Verfassungsgerichtshof hat nun in ständiger Judikatur (VfSlg. 8992/1980, 9452/1982, 11210/1987, 12110/1989, 12274/1990, 12856/1991, 13080/1992, 13293/1992, 13788/1994) mit näherer Begründung erkannt, daß eine gegen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Zuschlages gerichtete Berufung des Verpflichteten des Versteigerungsverfahrens (also des bisherigen Liegenschaftseigentümers) unzulässig ist, da ihm diesfalls die Beschwer fehlt.

Die Beschwerdeführer sind also durch den bekämpften Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

2. Im Hinblick darauf, daß die Behörde rechtsrichtig entschieden hat, ist es angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden (vgl. z.B. VfSlg. 10374/1985).

Die Beschwerde war infolgedessen abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Versteigerung exekutive, Parteistellung Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3324.1996

Dokumentnummer

JFT_10029391_96B03324_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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