TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/12 W260 2157715-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.12.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W260 2157715-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , vertreten durch Dr. Ladislav MARGULA, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 30.03.2017 betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festgestellten Grades der Behinderung vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Grundlage eines im Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz ergangenen medizinischen Sachverständigengutachtens vom 03.11.2008 wurde bei der Beschwerdeführerin zuletzt ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 vH festgestellt. Dabei wurden die Leiden "Schwerhörigkeit beidseits" mit einem Grad der Behinderung von 40 vH, "audiogene Dyslalie" mit einem Grad der Behinderung von 20 vH und "Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom" mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft. Weiters führte der medizinische Sachverständige aus, dass eine Nachuntersuchung in drei Jahren erforderlich sei, die Beschwerdeführerin sei voraussichtlich nicht dauernd außer Stande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

2. Am 10.02.2017 stellte die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

2.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.03.2017 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurden die Leiden "1. Schwerhörigkeit beidseits" mit einem Grad der Behinderung von 40 vH und "2.

Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung" mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingestuft, und ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt. Dazu führte der Gutachter aus, das führende Leiden werde vom Leiden unter der Position 2 nicht erhöht, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Die durch Brillen korrigierbare Visusveränderungen bei Myopie und Astigmatismus würden keinen Grad der Behinderung erreichen.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.03.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH fest.

Dem Bescheid wurde das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie beigelegt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die durch Dr. Ladislav MARGULA rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass die Einschätzung der Funktionseinschränkung ADHS unter die Positionsnummer 03.04.01 unzutreffend sei. Sofern ADHS-Symptome schon vor dem siebenten Lebensjahr bestanden hätte, was bei der Beschwerdeführerin der Fall sei, sei das Leiden richtigerweise nach Positionsnummer 03.02.01 einzuschätzen. Mit Medikation werde dieses Leiden darüber hinaus nur stundenweise ausgeglichen. Ebenso werde die verminderte Hörleistung, im Gegensatz zu den Ausführungen in der Anamnese des eingeholten Sachverständigengutachtens, durch die Hörgeräte nur unzureichend ausgeglichen. Es bestehe eine ungünstige wechselseitige Beeinflussung der Einschränkung der Hörleistung, Sehleistung und ADHS, was zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen müsse. Die im Gutachten getroffene Annahme, wonach ADHS erst ab dem 19. Lebensjahr bestehe, werde durch die Feststellungen in den Vorgutachten der Verfahren nach dem Familienlastenausgleichsgesetz über die erhöhte Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag über die Gewährung von Kinderzulage der Jahre 2004 und 2005 widerlegt, welche der Beschwerde angeschlossen wurden.

4. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes und aufgrund der vorgelegten Beweismittel holte das Bundesverwaltungsgericht ein nervenfachärztliches und ein HNO-fachärztliches Sachverständigengutachten ein. In den auf persönlichen Untersuchungen am 12.12.2017 basierenden Sachverständigengutachten stellten die beiden Sachverständigen fest, dass sich keine Änderung der Beurteilung im Vergleich zum dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Vorgutachten vom 27.03.2017 ergebe.

5. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.02.2018 wurde den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen diesbezüglich eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

6. Die Beschwerdeführerin gab durch ihren Rechtsanwalt mit Schreiben vom 23.02.2018 eine Stellungnahme ab, in welcher sie zusammengefasst Zweifel an der Unabhängigkeit der beiden Sachverständigen vorbrachte, da diese organisatorisch im Dienst des Sozialministeriumservice stehen würden, dessen Bescheid verfahrensgegenständlich sei. Der HNO-Sachverständige sei nicht in der Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen eingetragen, weshalb seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht gewährleistet sei. Der neurologisch-psychiatrische Sachverständige sei zwar in der Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen geführt, nicht jedoch für den Wirkungsbereich des Bundesverwaltungsgerichtes, weshalb auch seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit wegen fehlender gerichtlicher Beeidigung nicht gewährleistet sei. Entgegen der Anordnung des Bundesverwaltungsgerichtes habe nicht ein Allgemeinmediziner, sondern der HNO-Sachverständige das zusammenfassende Gutachten erstellt. Der neurologisch-psychiatrische Gutachter habe die Untersuchung in knapp zehn Minuten durchgeführt, seine Gesprächsführung sei unfreundlich und abweisend gewesen. Weiters sei die Feststellung, wonach die Diagnose ADHS seit dem 19. Lebensjahr gestellt werde, unrichtig. Die Beschwerdeführerin habe dem Sachverständigen mitgeteilt, dass sie jedenfalls schon vor dem siebenten Lebensjahr an der ADHS-Symptomatik leide. Die herangezogene Positionsnummer 03.04.01 sei unrichtig, stattdessen sei die Positionsnummer 03.02.01 für ADHS maßgeblich, welche bereits in den Vorgutachten aus den Jahren 2005 und 2007 gewählt worden sei. Die Beschwerdeführerin bemängle die Ansicht, es gäbe in der Einschätzungsverordnung keine eigene Position für ADHS im Erwachsenenalter. Es bedürfe keiner eigenen Position, weil das Leiden persistierend generell in jedem Alter bestehen könne, und demnach die Positionsnummer 03.02.01 auch für adultes ADHS heranzuziehen sei. Es sei bereits in der Beschwerde auf diese Fehleinschätzung hingewiesen worden, der neurologische Sachverständige sei auf die notwendige Differenzierung und Korrektur aber nicht eingegangen. Der Gutachter habe auch die von der Beschwerdeführerin geschilderten Beschwerden und durch ADHS verursachten Probleme nicht aufgenommen bzw. verkürzt und damit unrichtig gewürdigt. Eine Würdigung der mitgeteilten Umstände hätte zu einem Grad der Behinderung des ADHS von 60 vH, keinesfalls aber zur Absenkung des Grades der Behinderung geführt. Aus der Reihe der Vorgutachten wäre festzustellen gewesen, dass das ADHS der Beschwerdeführerin persistierend und nicht besserungsfähig sei. Die laut Gutachten bestehende "gute medikamentöse Einstellung" und Stabilisierung sei nicht der Fall, vielmehr entspreche die tageszeitlich starr verteilte verordnete Medikamenteneinnahme nie dem jeweiligen unvorhersehbaren Tagesbelastungs-Anfall, sodass Unterversorgungen eintreten würden. Von einer "sozialen Integration" könne nicht gesprochen werden. Ein länger zurückliegender Studienabschluss sei nicht aussagekräftig, wenn die behinderungsbedingt geringe reale Arbeitsleistungsfähigkeit von zehn Wochenstunden nicht ausreiche, um die freiberufliche Berufsausübung in solch einem Umfang zu erbringen, der die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit einschließe. Die Absenkung des Grades der Behinderung infolge ADHS sei nicht nachvollziehbar, auf die Beschwerde sei nicht eingegangen worden. Dem HNO-Gutachten werde entgegengehalten, dass die eingereichten ausführlichen Tonaudiogramme nicht verarbeitet worden seien und dass sogar eine Verschlechterung des Hörvermögens eingetreten sei, die unberücksichtigt geblieben sie. Die audiogene Dyslalie verschlechtere sich bei psychischer und physischer Ermüdung signifikant und müsse deshalb in der Einschätzung gesondert berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin sei von ihren Hörgeräten extrem abhängig und bei Ausfall auch nur eines Gerätes arbeitsunfähig. Als Selbständige könne sie nicht in Krankenstand gehen, sondern müsse ihre Ordination für die Dauer einer Reparatur schließen. Diese Einschränkungen seien bei der Einschätzung nicht berücksichtigt und wäre dafür sonst ein Grad der Behinderung von 50 vH festzustellen. Die Sehbehinderung sei nicht bewertet worden. Weiters würden sich die Leiden gegenseitig negativ beeinflussen, was zu einem höheren Grad der Behinderung führen müsste.

7. Aufgrund der in der Stellungnahme getroffenen Einwendungen der Beschwerdeführerin holte das Bundesverwaltungsgericht ein weiteres nervenfachärztliches Sachverständigengutachten ein. In dem auf einer persönlichen Untersuchung am 11.09.2018 basierenden Sachverständigengutachten stellte die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie die Leiden "Schwerhörigkeit beidseits" mit einem Grad der Behinderung von 40 vH und "Adultes ADHS" mit einem Grad der Behinderung von 30 vH sowie einen Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH fest. Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da wechselseitig eine ungünstige Leidensbeeinflussung bestehe.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2018 wurde den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen diesbezüglich eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde gaben eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Vegetativ: Größe: 1 55 cm Gewicht: 58 kg Nikotin: 0 Alkohol: 0

Drogen: 0

Medikamentöse Therapie:

Concerta 36 mg 1 -0-0

Concerta 54 mg 1 mittags

Ritalin 20 mg 1 -0-0 und 1 0 mg noch zusätzlich bei Bedarf

Neurologischer Status:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger,

Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik. Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit im Untersuchungsgespräch regelrecht. Aber sonst und vor allem ohne Medikation extrem gestört. Leidet dann sehr unter chaotischer Struktur in ihrer Organisation. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit jetzt im Gespräch ausgeglichen, freundlich, kooperativ. In alle Richtungen gut zu affizieren. Stabil. Keine Suizidalität. Aber ohne Medikation käme sie überhaupt nicht zurecht. Habe dann große Mühe, sich zu organisieren. Auch Mühe wegen ihrer Schwerhörigkeit, die zwar mit den Hörgeräten einigermaßen gut ausgeglichen wird, aber trotzdem die problemlose Kommunikation oft erschwert.

1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Schwerhörigkeit beidseits Oberer Rahmensatz, da mittel- bis hochgradig

12.02.01

40

2

Adultes ADHS 2 Stufen über unterem Rahmensatz, da nach wie vor mäßige Beeinträchtigung in ein oder zwei sozialen Bereichen (zeitliche und leistungsmäßige Struktur)

03.04.01

30

Gesamtgrad der Behinderung 50 vH

 

 

 

Begründung: Leiden 1 wird

durch Leiden Nr. 2 um eine Stufe erhöht, da wechselseitig eine ungünstige Leidensbeeinflussung besteht.

1.3. Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 10.02.2017 bei der belangten Behörde ein.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1. und 1.3.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen und zur Antragsstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Die Gutachterin setzte sich mit den Einwendungen in der Beschwerde und der Stellungnahme vom 23.02.2018, mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf der einer persönlichen Untersuchung am 11.09.2018 sowie den durch die Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Das nervenfachärztliche Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Dieses vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte medizinische Sachverständigengutachten bestätigt betreffend das Leiden "Schwerhörigkeit beidseits" die Ergebnisse des von der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 27.03.2017 sowie des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachtens vom 12.12.2017. Wie bereits der Facharzt für Hals-Nasen- und Ohrenkrankheiten am 12.12.2017 ausführte, sind die Einwendungen in der Beschwerde, wonach die Hörstörung zu rascher Ermüdung führe, das Richtungshören eingeschränkt sei, eine Lärmüberempfindlichkeit bestehe und aufgrund der audiogenen Dyslalie eine logopädische Stützung benötigt werde, typische und häufige Probleme als Folge einer Innenohr-Hörstörung und somit bereits durch die Einschätzungsverordnung grundsätzlich mitberücksichtigt. Insbesondere ist das im gegenständlichen Verfahren der Fall, da die Einstufung im oberen Rahmensatz gewählt wurde. Das Vorbringen, wonach die Beschwerdeführerin sehr abhängig von ihren Hörgeräten sei und im Fall des Ausfalles von nur einem Gerät arbeitsunfähig sei, ist nicht geeignet, eine höhere Einschätzung des Leidens zu bewirken. Die Sachverständige führt im Gutachten vom 11.09.2018 dazu schlüssig aus, dass jeder Mensch, der Hilfsmittel benötigt, von diesen abhängig sei und dafür sorgen müsse, diese Hilfsmittel jederzeit einsatzbereit zur Verfügung zu haben.

Hingegen ist im Unterschied zu den Vorgutachten vom 27.03.2017 und 12.12.2017 das ADHS-Leiden, welches nunmehr dem tatsächlichen Schweregrad der Funktionseinschränkung entspricht, um eine Stufe angehoben. Die nervenfachärztliche Sachverständige begründet die Einschätzung nachvollziehbar damit, dass in den mehreren, bereits Jahre zuvor zum Familienlastenausgleichsgesetz ergangenen medizinischen Sachverständigengutachten ADHS bereits mit 30 vH eingestuft wurde und sich trotz medikamentöser Therapie das Leiden nicht in einem Maße gebessert habe, welches die Herabstufung auf 20 vH rechtfertigen würde. Es bestehen nach wie vor Einschränkungen in mehreren sozialen Belangen, der zeitlichen Organisation und Leistungsfähigkeit. Aufgrund der ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung von Leiden 1 und 2 erhöht sich auch der Gesamtgrad der Behinderung um eine Stufe auf insgesamt 50 vH.

Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen und vorgelegten Befunde waren somit diesbezüglich geeignet, eine geänderte Beurteilung herbeizuführen. Was die Einwendungen bezüglich der gewählten Positionsnummer zum ADHS-Leiden und der bezweifelten Unabhängigkeit der Sachverständigen betrifft, wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Im Rahmen des ihr eingeräumten Parteiengehörs gab die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme zum nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 11.09.2018 ab.

Sie ist daher den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 11.09.2018. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

§ 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG idF des BGBl. I Nr. 57/2015).

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten."

Damit wird auf die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung auf das allgemeine Erwerbsleben abgestellt, nicht aber auf die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung auf eine spezielle berufliche Tätigkeit und damit nicht auf die arbeitsspezifische Minderleistungsfähigkeit im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit.

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Be-urteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Er-forderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Unter-suchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Be-gründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes so¬wie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu ent-halten.

..."

3.2. Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Die unter der laufenden Nummer 1 festgestellte Funktionseinschränkung "Schwerhörigkeit beidseits" ist gemäß der Positionsnummer 12.02.01 "Hörorgan - Einschränkungen des Hörvermögens" und einem Grad der Behinderung von 40 vH eingestuft. Die Einschätzung erfolgte aufgrund der mittel- bis hochgradigen Einschränkung richtigerweise mit dem oberen Rahmensatz dieser Positionsnummer.

Als Leiden Nummer 2 ist Adultes ADHS unter der Positionsnummer 03.04.01 "Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen mit geringer sozialer Beeinträchtigung" zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz und einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft, da nach wie vor eine mäßige Beeinträchtigung in ein oder zwei sozialen Bereichen (zeitliche- und leistungsmäßige Struktur) bestehen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist diese Funktionseinschränkung mit der korrekten Positionsnummer eingestuft. Die der Ansicht der Beschwerdeführerin zu wählende Positionsnummer 03.02.01 "Entwicklungseinschränkung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr - Entwicklungsstörung leichten Grades" ist, wie der Name schon sagt, nur für Personen bis 18 Jahren vorgesehen. Dass die Beschwerdeführerin bereits als Kind an ADHS erkrankt sei, ist dabei irrelevant, da die zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Sachlage maßgebend ist. Da die zum Zeitpunkt der Entscheidung 33-jährige Beschwerdeführerin das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, wurde die Positionsnummer 03.02.01 richtigerweise nicht herangezogen. Insoweit in der Stellungname vom 23.02.2018 kritisiert wird, dass es in der Einschätzungsverordnung keine eigene Position für ADHS im Erwachsenenalter gebe und die Wahl einer "vergleichbaren Position" verfehlt sei, ist auf die Ausführungen der nervenfachärztlichen Sachverständigen vom 11.09.2018 hinzuweisen, wonach sich sämtliche Sachverständige an die Einschätzungsverordnung halten müssen und die Frage, ob diese Verordnung und die darin enthaltenen Positionsnummern vernünftig seien, nicht verfahrensgegenständlich ist. Ist eine Krankheit nicht ausdrücklich in der Einschätzungsverordnung aufgelistet, wird im Rahmen der Möglichkeiten seitens der Sachverständigen die Position gewählt, die am ehesten der gewählten Diagnose entspricht.

Der Vollständigkeit halber ist zu dem Vorbringen, wonach der HNO-fachärztliche Sachverständige, welcher das Gutachten vom 12.12.2017 erstellte nicht in der Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen eingetragen ist und die beauftragten Sachverständigen für die belangte Behörde tätig seien, weshalb deren Unabhängigkeit problematisch erscheine, auszuführen, dass gemäß § 52 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen sind. Dem Bundesverwaltungsgericht stehen gemäß § 14 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) die im Bereich der Vollziehung des Bundes tätigen Amtssachverständigen zur Verfügung. Sämtliche im vorliegenden Fall eingeholten Sachverständigengutachten sind von solchen Amtssachverständigen erstellt worden. Diese sind in ihrer Arbeit frei und nicht weisungsgebunden, sie sind als freie Sachverständige tätig und nicht angestellte Ärzte des Sozialministeriums. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass die Besonderheit des Falles die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen bedingen würde. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich auch keine Argumente vorgebracht, die auf eine allfällige Besonderheit des Falles hinweisen. Auch eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens durch die Beiziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine allfällige Befangenheit eines Sachverständigen kann nur dann mit Erfolg eingewendet werden, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung dieses Verwaltungsorganes ergeben oder besondere Umstände hervorkommen, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit desselben in Zweifel zu ziehen, etwa wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung gefolgert werden könnte (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.05.2014, Zl. 2013/09/0054). Derartige Umstände liegen im Beschwerdefall nicht vor und wurden auch von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

Da das Leiden 2 den Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe auf 50 vH erhöht, liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird somit der Beschwerdeführerin in der Folge einen Behindertenpass auszustellen haben.

3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin unter Mitwirkung ärztlicher Sachverständiger nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten und nicht bestrittenen nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W260.2157715.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten