TE Bvwg Beschluss 2018/12/12 G314 2209753-1

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Veröffentlicht am 12.12.2018
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Entscheidungsdatum

12.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs1
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G314 2209753-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin

Mag. Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2018, Zl. XXXX:

A) Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit

zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), der zwischen Mai 2014 und April 2016 Aufenthaltstitel "Studierender" und ab April 2016 aufgrund der Ehe mit einer Österreicherin Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" (zuletzt mit Gültigkeit bis 05.04.2018) besaß, stellte am 05.02.2018 nach der Scheidung seiner Ehe einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", über den noch nicht entschieden wurde.

Am XXXX.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu seiner Ehe mit XXXX vernommen, weil der Verdacht einer Aufenthaltsehe bestand. Da die Ehe bereits mit dem Urteil des Grundgerichts in XXXX (Serbien) vom XXXX.2017 geschieden worden war, wurde der BF mit dem Schreiben des BFA vom 08.02.2018 aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu äußern, weil aufgrund der Scheidung die Voraussetzungen für den ihm erteilten Aufenthaltstitel weggefallen wären. Der BF erstattete eine entsprechende Stellungnahme, in der er die Fragen der Behörde beantwortete und diverse Unterlagen, insbesondere zu seiner Verankerung in Österreich, vorlegte.

Mit dem oben angeführten Bescheid erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei, (Spruchpunkt III.) und setzte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.). Die Rückkehrentscheidung wurde mit dem nicht rechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet begründet. Die Erteilungsvoraussetzungen für einen weiteren Aufenthaltstitel seien weggefallen, weil die Ehe "vor Ablauf der drei Jahre" geschieden worden sei. Der BF, der kein begünstigter Drittstaatsangehöriger sei und kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht habe, besitze seit 05.04.2018 keinen Aufenthaltstitel mehr und halte sich daher seit 05.07.2018 (Ablauf des dreimonatigen visumfreien Aufenthalts) unrechtmäßig in Österreich auf. Es sei kein Verlängerungsverfahren anhängig; der BF sei von der Abweisung seines entsprechenden Antrags verständigt worden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels sei nicht zur Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens geboten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, dem BF den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass sein Aufenthalt aufgrund des Zweckänderungs- und Verlängerungsantrags vom 05.02.2018, über den noch nicht entschieden worden sei, rechtmäßig sei, sodass die Rückkehrentscheidung zu beheben sei. Einschlägig sei in diesem Fall nicht § 54 Abs 5 Z 1 NAG, sondern § 27 NAG, weil die österreichische Ex-Frau des BF ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht in Anspruch genommen habe. Eine dreijährige Mindestdauer der Ehe sei somit keine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Dem BF sei ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen, zumal er die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs 2 NAG erfülle.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 20.11.2018 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die Aufenthaltstitel des BF sind im Fremdenregister dokumentiert. Die Heiratsurkunde und das Scheidungsurteil (samt deutscher Übersetzung) wurden vorgelegt, ebenso Kopien aus dem Reisepass des BF, die seine Identität belegen.

De Zweckänderungsantrag des BF und der Umstand, dass darüber noch nicht entschieden wurde, ergeben sich übereinstimmend aus dem Fremdenregister sowie aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen (Einreichbestätigung vom 05.02.2018, Ladung für den 24.10.2018). Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, es sei kein Verlängerungsverfahren anhängig und der BF sei von der Abweisung seines Antrags verständigt worden, sind vor diesem Hintergrund aktenwidrig. Es ist auch kein Kontakt zwischen dem BFA und der nach dem NAG zuständigen Behörde in dieser Angelegenheit aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist primär auf die Erteilung des mit dem Antrag vom 05.0.2018 angestrebten Aufenthaltstitels gerichtet. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG kann dieser Aufenthaltstitels jedoch mangels sachlicher Zuständigkeit (vgl § 3 NAG) nicht erteilt werden. Der hilfsweise gestellte Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag ist dagegen berechtigt.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Bescheidbeschwerden in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Zurückverweisungsmöglichkeit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG ist eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte, von der nur bei gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden kann. Sie kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).

Die Parteien eines Verwaltungsverfahrens haben gemäß § 37 AVG das Recht, im Ermittlungsverfahren gehört zu werden. Gemäß § 45 Abs 3 AVG ist ihnen insbesondere Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Daher sind ihnen alle im Rahmen des Beweisverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellungen von Amts wegen zur Kenntnis zu bringen (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 334).

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Der angefochtene Bescheid und die Beschwerde gehen zu Recht davon aus, dass er nicht den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG erlangte, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass seine Ex-Frau ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat. Es ist daher nicht entscheidungserheblich, ob die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens iSd § 54 Abs 5 Z 1 NAG mindestens drei Jahre bestanden hat.

Durch den - nach dem Ablauf der Gültigkeit des dem BF zuletzt erteilten Aufenthaltstitels als Verlängerungsantrag nach § 24 Abs 4 NAG zu wertenden - Zweckänderungsantrag vom 05.02.2018 wurde sein rechtmäßiger Aufenthalt gemäß § 24 Abs 1 dritter Satz NAG verlängert (vgl VwGH 27.07.2017, Ra 2017/22/0060). Eine Rückkehrentscheidung kann daher nicht auf § 52 Abs 1 FPG gestützt werden, sondern nur auf § 52 Abs 4 FPG. Das BFA hat jedoch jegliche Ermittlungen zum Vorliegen der Voraussetzungen dafür unterlassen, den BF dazu nicht gehört und auch keine Feststellungen dazu getroffen. Das BFA hat es somit unterlassen, den relevanten Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen. Auf der Grundlage des bisherigen Beweisverfahrens ist die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig.

Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das BVwG die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal das BFA (ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht) in eine falsche Richtung ermittelte, zu den wesentlichen Sachverhaltselementen noch keine Beweisergebnisse vorliegen und dem BF kein Parteiengehör zu den entscheidungswesentlichen Tatsachen gewährt wurde.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren (ausgehend vom nach wie vor rechtmäßigen Aufenthalt des BF im Bundesgebiet) zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 4 FPG erfüllt sind und dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben müssen. Allenfalls ist der Ausgang des Zweckänderungsverfahrens abzuwarten. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, aus Anlass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG von Amts wegen zu prüfen und darüber im Bescheid abzusprechen (vgl VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0260).

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe zuletzt VwGH 28.02.2018, Ra 2016/04/0061).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2209753.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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