TE Bvwg Beschluss 2018/12/20 W115 2201468-1

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Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W115 2201468-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom XXXX, OB: XXXX, betreffend die Aberkennung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat mit Bescheid vom XXXX dem Antrag des Beschwerdeführers vom XXXX stattgegeben und festgestellt, dass dieser aufgrund des in Höhe von 50 vH festgestellten Grades der Behinderung ab XXXX dem Personenkreis der begünstigten Behinderten zugehört.

1.1. Dieser Entscheidung wurde das Sachverständigengutachten Dris. XXXX, Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin für Allgemeinmedizin, zugrunde gelegt, worin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 vH festgestellt wurde.

Die Funktionseinschränkungen wurden wie folgt beurteilt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Diabetes mellitus Typ I Oberer Rahmensatz bei funktioneller Insulintherapie.

09.02.02

40 vH

02

Depression Oberer Rahmensatz da instabil. Allerdings kurze Anamnese.

03.06.01

40 vH

Begründend für

den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da Leiden 2 ebenfalls ein schwerwiegendes Leiden ist.

Eine Nachuntersuchung wurde für XXXX vorgesehen (Verlaufskontrolle von Leiden 2).

2. Im XXXX hat die belangte Behörde von Amts wegen ein Verfahren auf Überprüfung des Grades der Behinderung eingeleitet und ein Sachverständigengutachten von Dr.XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Gesamtgrad der Behinderung weiterhin in Höhe von 50 vH bewertet wurde.

Die Funktionseinschränkungen wurden wie folgt beurteilt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage Oberer Rahmensatz bei funktioneller Insulintherapie.

09.02.02

40 vH

02

Depression Drei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da Dauermedikation notwendig, auffälliger psychopathologischer Status und trotz Medikation instabil.

03.06.01

40 vH

Begründend für

den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

Leiden 2 erhöht um eine Stufe, da schweres Leiden.

Eine Nachuntersuchung wurde für XXXX vorgesehen (Besserungsmöglichkeit von Leiden 2).

2.1. Mit Schreiben vom XXXX hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer davon in Kenntnis gesetzt, dass die amtswegig durchgeführte Nachuntersuchung keine Änderung des Grades der Behinderung in Höhe von 50 vH ergeben habe.

Als Beilage zu diesem Schreiben wurde von der belangten Behörde das eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX übermittelt.

3. Im XXXX hat die belangte Behörde neuerlich von Amts wegen ein Verfahren auf Überprüfung des Grades der Behinderung eingeleitet und den Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX aufgefordert, aktuelle medizinische Beweismittel betreffend seinen Gesundheitszustand vorzulegen.

3.1. In der Folge wurden vom Beschwerdeführer nachstehend angeführte medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht:

? Ärztlicher Entlassungsbericht, XXXX, Fachbereich Stoffwechselrehabilitation vom XXXX

? Befundbericht, Gruppenpraxis Dr. XXXX und Dr. XXXX, Fachärztinnen für Neurologie und Psychiatrie vom XXXX

3.2. Im von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten wurde von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 vH bewertet.

Die Funktionseinschränkungen wurden wie folgt beurteilt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Primär insulinpflichtiger Diabetes mellitus bei stabiler Stoffwechsellage Oberer Rahmensatz, da funktionelle Insulintherapie.

09.02.02

40 vH

02

Depression, generalisierte Angststörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mit Monotherapie stabil, sozial integriert und keine stationäre Behandlung an einer Fachabteilung in der Anamnese.

03.06.01

20 vH

03

Autoimmunthyreopathie Unterer Rahmensatz, da mit Substitutionstherapie kompensiert.

09.01.01

10 vH

04

Diabetische Polyneuropathie Unterer Rahmensatz, da keine maßgebliche neurologische Ausfallsymptomatik fassbar.

04.06.01

10 vH

Begründend für

den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt:

Das führende Leiden unter Nr. 1 wird durch die Gesundheitsschädigungen unter Nr. 2 bis 4 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

Der Zustand nach operierter Achillessehnenruptur ohne Folgeschaden bedingt keinen Grad der Behinderung.

Begründend zu den gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt:

Hinsichtlich der bereits anerkannten Gesundheitsschädigung unter Nr. 1 ergibt sich kein abweichendes Kalkül. Leiden 2 hat sich stabilisiert und wird um zwei Stufen niedriger bewertet. Dies wirkt sich auf die Gesamteinschätzung aus. Durch die neu aufgenommenen Leiden unter Nr. 3 und 4 ist keine weitere Änderung der Gesamteinschätzung gerechtfertigt. Durch die abweichende Beurteilung des Leidens unter Nr. 2 ist die Herabsetzung der Gesamteinschätzung um eine Stufe gerechtfertigt.

3.3. Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer unter Vorlage eines Fotos seines linken Fußes im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der Sachverständige nicht in wenigen Minuten das Ausmaß der vorliegenden Depression erfassen habe können. Darüber hinaus würden seine Zuckerwerte sein Leben bestimmen. So müsse er ständig seine Werte messen und leide an Schlaflosigkeit. Im Falle von Unterzuckerung komme es zu Gedächtnis- und Sprachstörungen, welche bis zu zwei Stunden andauern könnten. Im letzten Jahr habe zudem seine Vergesslichkeit rasant zugenommen. An fünf Tagen in der Woche habe er extreme Stimmungsschwankungen. Er habe Angstzustände und leide auch unter den daraus resultierenden Folgezuständen wie Herzrasen und zeitweise erhöhtem Blutdruck. Entgegen den Ausführungen im Sachverständigengutachten bestehe seit XXXX sehr wohl ein sozialer Rückzug, beruflich als auch privat. Er leide weiters an einem Taubheitsgefühl bzw. an einem Kribbeln des Hinterkopfes und es habe bis dato nicht festgestellt werden können, woher dies komme. Darüber hinaus habe er an beiden Händen trockene und rissige Haut. Bezüglich den Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich des Nichtvorliegens von Ödemen verweise er auf das beiliegende Foto seines linken Fußes.

3.4. Zur Überprüfung der Einwendungen und des neu vorgelegten Beweismittels wurde von der belangten Behörde eine mit XXXX datierte ergänzende medizinische Stellungnahme des bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass weder die erhobenen Einwendungen noch das neu vorgelegte Beweismittel geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

3.5. Ohne dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ergänzend eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweises gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis zu bringen, hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aufgrund des in Höhe von 40 vH festgestellten Grades der Behinderung ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten zugehört.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliege und die erhobenen Einwendungen nicht geeignet gewesen seien, eine Änderung des Grades der Behinderung herbeizuführen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

In der rechtlichen Beurteilung zitiert die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG.

Als Beilage zum Bescheid wurden von der belangten Behörde das eingeholte Sachverständigengutachten und die dazu ergänzend eingeholte medizinische Stellungnahme übermittelt.

4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage medizinischer Beweismittel wurde vom Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Psychiatrie und Neurologie erforderlich sei, um Klarheit hinsichtlich seines psychisch-neurologischen Gesundheitszustandes zu erhalten, da die Aussagen der Ärzte gravierende Unterschiede aufweisen würden. Von seiner behandelnden Ärztin Dr. XXXX sei ihm sogar eine Reha und eine Gesprächstherapie angeraten worden.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 19 Abs. 1 BEinstG beträgt die Beschwerdefrist bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen bei Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 19 Abs. 1 BEinstG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft (§ 25 Abs. 19 BEinstG auszugsweise).

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11.).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 2. Satz ausgeführt hat, ist vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auszugehen. Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben angeführten Erkenntnis ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Im Zuge der amtswegigen Einleitung des gegenständlichen Verfahrens auf Überprüfung des Grades der Behinderung wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde aufgefordert, aktuelle medizinische Beweismittel betreffend seinen Gesundheitszustand vorzulegen. Diesem Ersuchen ist der Beschwerdeführer nachgekommen und hat u.a. einen Befundbericht vom XXXX der Gruppenpraxis Dr. XXXX und Dr. XXXX, Fachärztinnen für Neurologie und Psychiatrie, in Vorlage gebracht, in welchem u.a. rezidivierende mittelgradige depressive Episoden, eine generalisierte Angststörung sowie ein neuropathischer Schmerz bei diabetischer Polyneuropathie diagnostiziert werden.

Die belangte Behörde hat zur Überprüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers jedoch lediglich ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten sowie aufgrund der dagegen erhobenen Einwendungen eine ergänzende medizinische Stellungnahme des bereits befassten Sachverständigen eingeholt. Zwar besteht kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes, jedoch ist im vorliegenden Fall das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten (inkl. der ergänzenden medizinischen Stellungnahme) zur Beurteilung des beim Beschwerdeführer vorliegenden psychiatrisch-neurologischen Beschwerdebildes nicht geeignet. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen liegen konkrete Anhaltspunkte vor, dass zusätzlich zur erfolgten Einholung eines Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Allgemeinmedizin auch die Einholung eines Gutachtens der Fachrichtung Psychiatrie/Neurologie unbedingt erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers (auch im Hinblick auf eine mögliche wechselseitige Leidensbeeinflussung der festgestellten Gesundheitsschädigungen) zu gewährleisten. Die alleinige Heranziehung eines Sachverständigen der Fachrichtung Allgemeinmedizin durch die belangte Behörde ist somit offensichtlich sachwidrig erfolgt.

Darüber hinaus ist das der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten hinsichtlich der Beurteilung des beim Beschwerdeführer vorliegenden psychischen Leidenszustandes und somit auch bezüglich der Beurteilung des Gesamtleidenszustandes nicht nachvollziehbar. So ist eine schlüssige und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismitteln durch den befassten Sachverständigen nicht im ausreichenden Maße erfolgt. Im eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, wurden lediglich die Inhalte der Befunde zitiert, aber keine Aussage über deren Auswirkungen und Einfluss auf den Grad der Behinderung getroffen. Auch der ergänzend eingeholten medizinischen Stellungnahme sind in dieser Hinsicht keine Aussagen zu entnehmen. Dies wiegt umso schwerer, als vom befassten Sachverständigen die beim Beschwerdeführer vorliegende depressive Störung unter Positionsnummer 03.06.01 (depressive Störung leichten Grades) der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingeschätzt worden ist, in dem vorliegenden fachärztlichen Befundbericht von Dr. XXXX und Dr. XXXX vom XXXX aber eine rezidivierende mittelgradige Depression diagnostiziert worden ist.

Weiters wird vom Sachverständigen lediglich festgehalten, dass Leiden 2 (Depression, generalisierte Angststörung) sich im Vergleich zum Vorgutachten stabilisiert habe und daher um zwei Stufen niedriger zu bewerten sei. Ausführungen darüber, wie er zu dieser Schlussfolgerung kommt, lässt der Sachverständige jedoch weitgehend vermissen. Auch in der ergänzenden Stellungnahme wird lediglich festgehalten, dass die Verbesserung dieses Leidens um zwei Stufen sich aus der Beurteilung der bestehenden sozialen Integration und einer - durch Anwendung einer medikamentösen Monotherapie - psychischen Stabilisierung ergebe. Dies allerdings vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer vorgebracht hat, seit XXXX unverändert an beruflichem und privatem Rückzug zu leiden. Eine ausreichende Dokumentation der Verbesserung gegenüber der letzten rechtskräftigen Beurteilung dieses Leidens mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH kann dem eingeholten Sachverständigenbeweis daher nicht entnommen werden.

Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag daher die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage daher nicht möglich.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern ein Gutachten der Fachrichtung Psychiatrie/Neurologie einzuholen. Im gegenständlichen Fall wäre zur schlüssigen und umfassenden Einschätzung der vorliegenden Gesundheitsschädigungen jedenfalls die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Psychiatrie/Neurologie erforderlich gewesen, dies vor allem vor dem Hintergrund der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel dieser Fachrichtung.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen zusätzlich zum bereits eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten ein medizinisches Sachverständigengutachten der Fachrichtung Psychiatrie/Neurologie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einzuholen und die Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 19 Abs. 1 BEinstG als zweckmäßig. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer durch die belangte Behörde keine Möglichkeit gegeben wurde, zum Ergebnis des im Zuge der Überprüfung der Einwendungen eingeholten medizinischen Sachverständigenbeweises Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hatte sohin keine Gelegenheit, der sachverständigen Beurteilung konkret und substantiiert entgegenzutreten und auszuführen, ob, gegebenenfalls welche, gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W115.2201468.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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