Entscheidungsdatum
27.12.2018Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W251 2156814-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2017, Zl. 1111861202 - 160550426, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 18.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er sich vor den Taliban fürchte. Die Taliban haben ihn aufgefordert in den Krieg zu ziehen. Er habe sich jedoch geweigert und die Flucht ergriffen.
3. Am 22.08.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er der einzige Sohn seines Vaters sei. Als die Taliban in sein Dorf gekommen seien, haben diese zu seinem Vater gesagt, dass er verpflichtet sei zu den Taliban zu gehen, von jedem Haushalt müsse eine Person gegen die Ausländer kämpfen. Einige Zeit später seien die Taliban erneut zu seinem Vater gegangen und haben diesem gesagt, dass der Beschwerdeführer für die Taliban arbeiten solle. Sein Vater habe ihm das erzählt, er habe weggehen müssen und sei in die Stadt XXXX gefahren. Er habe angefangen als Kellner zu arbeiten und sei nur einmal in der Woche bzw. jede zweite Woche am Abend zu seiner Familie zurückgefahren, in der Früh sei er wieder in die Stadt gefahren. Dann habe er mit seiner Familie entschieden das Land zu verlassen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er aus Furcht vor Zwangsrekrutierung sowie wegen der Gefährdung seines Lebens Afghanistan verlassen habe. Er werde daher von den Taliban als politischer Gegner betrachtet. Junge Männer im wehrfähigen Alter seien in Afghanistan von Zwangsrekrutierung bedroht. Zudem gebe es in weiten Teilen in Afghanistan eine verschlechterte Sicherheits- und Menschenrechtssituation.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 12.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache, sowie etwas Dari. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder (AS 1; AS 201; Verhandlungsprotokoll vom 12.12.2018, OZ 13, S. 7).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen sechs Schwestern aufgewachsen. Er ist entsprechend den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat keinen Beruf gelernt. Er hat in der Landwirtschaft gearbeitet sowie als Kellner (OZ 13, S. 7-8, AS 201).
Zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Nangarhar. Diese Onkel sind beide verheiratet und haben insgesamt 10 Kinder. Zu diesen hat der Beschwerdeführer auch regelmäßig Kontakt (OZ 13, S. 9).
Zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Pakistan und sind verheiratet. Zwei Schwestern leben in Nangarhar und sind ebenfalls verheiratet. Die übrigen zwei Schwestern leben mit den Eltern des Beschwerdeführers in Nangarhar (OZ 13, S. 9).
Zwei Großonkeln mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in XXXX . Drei Söhne eines dieser Großonkel leben in Afghanistan und arbeiten für die Regierung (OZ 13, S. 10).
Ein Großonkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt in XXXX , dessen zwei Kinder leben in Pakistan. Ein anderer Großonkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt in Pakistan, dieser ist auch der Schwiegervater des Beschwerdeführers. Dieser Großonkel hat insgesamt sechs Kinder, die in Pakistan leben. Eines dieser Kinder ist die Ehefrau des Beschwerdeführers. Die Ehefrau des Beschwerdeführers und seine zwei Kinder leben derzeit ebenfalls in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Frau und seinen Kindern (OZ 10, S. 9-10).
Die Großtanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers sind bereits verstorben. Zwei Söhne einer Großtante mütterlicherseits leben in Frankreich. Die Großtante väterlicherseits ist bereits verstorben, deren Sohn lebt in Spanien (OZ 13, S. 10).
Die Familie des Beschwerdeführers besitzt in Afghanistan ein Haus und Felder (OZ 13, S. 11).
Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest April 2016 durchgehend in Österreich auf (AS 1-3).
Der Beschwerdeführer hat bereits einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besucht und die Deutschprüfungen für die Stufen A1 bestanden. Derzeit besucht der Beschwerdeführer einen Deutschkurs auf dem Niveau A1-Vertiefung (Beilage ./K bis ./M; OZ 13, S. 12). Der Beschwerdeführer hat an einem Tischfußballturnier teilgenommen (Beilage ./B) Der Beschwerdeführer hat an einem Vortrag zur Mülltrennung, an einem Vortrag über das Internet als Hilfe zur Planung von Ausbildung und Arbeit, an einem Vortrag über die Arbeiterkammer und an einem AMS-Vortrag sowie an einem Vortrag über Lebenslauf und Bewerbungsschreiben teilgenommen (Beilagen ./C bis ./F; Beilage ./H). Der Beschwerdeführer hat an der Vortragsreihe "Start in die Berufswelt" teilgenommen (Beilage ./I). Der Beschwerdeführer hilft sowohl in der Nachbarschaft als auch in der Gemeinde aus, indem er verschiedene Tätigkeiten wie Rasenmähen verrichtete (Beilage ./G; Beilage ./J).
Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er arbeitet seit 5 Monaten geringfügig vormittags und erhält dafür EUR 110 im Monat (OZ 13, S. 12). Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat seiner Familie während seines fast dreijährigen Aufenthaltes einmal, vor ca. einem Jahr, Geld geschickt. Er unterstützt seine Familie jedoch nicht regelmäßig finanziell (OZ 13, S. 18).
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig (OZ 13, S. 14).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
1.2.1 Der Beschwerdeführer wurde weder direkt noch über seinen Vater von den Taliban aufgefordert sich diesen anzuschließen, für diese zu kämpfen oder für diese zu arbeiten. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden jemals von den Taliban bedroht oder von diesen angegriffen oder verletzt.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
Dem Beschwerdeführer droht - individuell und konkret - im Falle der Rückkehr nach Afghanistan weder Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.
1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seines Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr in die Provinz Nangarhar aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.
Zudem kann der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und bei einer Rückkehr zumindest vorübergehend von seinem großen familiären Netzwerk finanziell unterstützt werden.
Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018 - LIB 23.11.2018, S.42).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 23.11.2018, S. 42).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 23.11.2018, S. 45).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 23.11.2018, S. 53).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 23.11.2018, S. 46).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 19.10.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 23.11.2018, S.46 ff).
Provinz Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 23.11.2018, S. 67f).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 23.11.2018, S. 68f).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 23.11.2018, S. 69).
Nangarhar:
Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz beträgt 1.573.973 Einwohner. In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen. In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien, ebenso werden auch Luftangriffe ausgeführt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert (LIB 23.11.2018, S. 171ff).
Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 23.11.2018, S. 85).
In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 23.11.2018, S. 86).
Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 23.11.2018, S. 86).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 23.11.2018, S. 85f).
Dürre:
Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Beilage ./VI - Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2018 - S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Beilage ./V - Bericht ACCORD, Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018 - S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./VI, S. 11).
Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./V, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./V, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./V, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./V, S. 17ff).
Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./V, S. 15f).
Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./VI, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./V, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./V, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./VI, S. 10; Beilage ./V, S. 2).
Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./VI, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./V, S. 3; Beilage ./VI, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./VI, S. 2).
Die Stadt Mazar-e Sharif ist derzeit weder von einer unzureichenden Wasserversorgung noch von einer unzureichenden Nahrungsmittelversorgung betroffen.
Rekrutierung durch die Taliban:
Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./III - Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017 - S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./III, S. 14).
Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./III, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./III, S. 19).
Medizinische Versorgung
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 23.11.2018, S. 359f).
Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden (LIB 23.11.2018, S. 342f).
Wirtschaft
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 23.11.2018, S. 336).
Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 23.11.2018, S. 336f).
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).
In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 23.11.2018, S. 349).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 23.11.2018, S. 350f).
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 23.11.2018, S. 351f).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 23.11.2018, S. 352f).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 23.11.2018, S. 353f).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 23.11.2018, S. 354).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 23.11.2018, S. 354).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 23.11.2018, S. 297).
Paschtunen sind allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 23.11.2018, S. 287).
Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Sunniten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI und ./A bis ./N (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018, Beilage ./II; Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, Beilage ./III;
Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018, Beilage ./IV;
Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen der Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018, Beilage ./V; Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Lage in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre vom 13.09.2108, Beilage ./VI;
Unterstützungsschreiben vom 12.02.2018, Beilage ./A;
Teilnahmebestätigung Tischfußballturnier vom 20.04.2017, Beilage ./B; Teilnahmebestätigung Vortrag Mülltrennung vom 23.03.2017, Beilage ./C; Teilnahmebestätigung Vortrag Internet vom 13.12.2017, Beilage ./D; Teilnahmebestätigung Dialog Arbeiterkammer vom 22.11.2017, Beilage ./E; Teilnahmebestätigung Vortrag AMS vom 25.04.2018, Beilage ./F; Unterstützungsschreiben Beilage ./G;
Teilnahmebestätigung Vortrag Lebenslauf und Bewerbungsschreiben vom 21.02.2018, Beilage ./H; Zertifikat Diakonie, Start in die Berufswelt vom 20.06.2018, Beilage ./I; Bestätigung gemeinnützige Arbeit vom 19.11.2108, Beilage ./J; Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1 Vertiefung vom 07.12.2018, Beilage ./K; Teilnahmebestätigung Deutschkurs A1 vom 24.11.2017, Beilage ./L; ÖSD-Zertifikat Deutsch A1 vom 17.12.2017, Beilage ./M; Tazkira Beilage ./N).
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen basieren auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seine fehlende Schul- und Berufsausbildung, seine langjährige berufliche Tätigkeit) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 13, S. 11ff) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen. Der Beschwerdeführer gab an in Österreich Freundschaften zu Iranern, Afghanen, Pakistani und Österreichern geknüpft zu haben. Befragt welche österreichischen Freunde er kenne, gab er zwei Vornamen an, diese Freunde habe er beim Volleyballspielen kennengelernt. Er konnte die Nachnamen dieser Freunde jedoch nicht angeben. Es sind daher für das Gericht keine engen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich erkennbar.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten Fragen nur teilweise verstanden hat (OZ 13, S. 11f). Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung (OZ 13, S. 14) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Strafregisterauszug vom 10.12.2018).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch Taliban, weil er sich ihnen nicht angeschlossen, sondern Afghanistan verlassen habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:
Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde sowohl beim Bundesamt als auch zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und umfassend zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte beim Bundesamt eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Bei Gericht steigerte der Beschwerdeführer seine Angaben mehrfach. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen, sodass Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität.
Der Beschwerdeführer machte beim Bundesamt nachstehende Angaben, obwohl er aufgefordert wurde alle Vorfälle zu seinen Fluchtgründen genau und detailliert zu schildern: "Nachdem viele Taliban in die Ortschaft kamen, ich bin der einzige Sohn, mein Vater war sehr alt und ich musste alles tun zu Hause. Als die Taliban zu meinem Vater kamen, sagten sie zu ihm, dass ich verpflichtet bin zu den Taliban zu kommen, von jedem Haus muss jemand mitmachen, um gegen die Ausländer die in unserem Heimatland sind zu kämpfen. Einige Zeit später kamen die Leute wieder zu meinem Vater und sagten ich solle mit den Taliban arbeiten. Mein Vater erzählte mir das, ich musste von dort weg und fuhr in die Stadt XXXX . (...) Dann habe ich mit meiner Familie entschieden von dort zu flüchten, weil es sonst zu gefährlich wäre." (AS 221)
Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.
2.2.2. Zudem sind erhebliche Widersprüche und Steigerungen in den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen enthalten, die die Angaben des Beschwerdeführers gänzlich unglaubhaft wirken lassen.
Während der Beschwerdeführer in der freien Erzählung nur von zwei Besuchen der Taliban bei seinem Vater sprach, gab er beim Bundesamt dazu im Widerspruch an, dass die Taliban dreimal zu seinem Vater gekommen seien (AS 221). Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der freien Erzählung ein Aufsuchen durch die Taliban vergessen sollte, da es sich dabei um ein besonders einprägsames Ereignis handeln würde.
Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt, in der freien Erzählung an, dass die Taliban zweimal zu seinem Vater gekommen seien, erst nach dem zweiten Besuch der Taliban sei er in die Stadt gegangen da er habe wegmüssen (AS 221). Er gab beim Bundesamt dazu jedoch im Widerspruch an, dass er nur beim ersten Aufsuchen der Taliban noch im Heimatdorf gelebt habe, beim zweiten und dritten Mal habe er bereits in der Stadt gelebt (AS 223). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich wesentlicher Bestandteile betreffend die behauptete Bedrohung durch die Taliban derart unterschiedliche Angaben macht.
Der Beschwerdeführer gab in der freien Erzählung in der mündlichen Verhandlung an, dass eines Tages die Taliban zu ihm nach Hause gekommen seien. Sein Vater habe die Tür geöffnet und mit den Taliban gesprochen. Am selben Abend sei der Beschwerdeführer nach XXXX gefahren. Eine Woche später sei sein Vater von den Taliban mitgenommen worden, sein Vater sei erst am Abend wieder von den Taliban freigelassen worden. Einen konkreten dritten Besuch durch die Taliban erwähnte der Beschwerdeführer in seiner freien Erzählung in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht (OZ 13, S. 15). Der Beschwerdeführer gab jedoch in der mündlichen Verhandlung an, dass sein Vater beim dritten Mal von den Taliban mitgenommen worden sei und dann sei er vier Monate lang verschollen gewesen (OZ 13, S. 16). Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar.
Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass er noch einen Monat in XXXX verbracht habe, nachdem die Taliban kamen, dann sei er ausgereist (AS 223). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass die Taliban zu ihm nach Hause gekommen seien, danach habe er eine Woche in XXXX verbracht und sei für eine Nacht nachhause zurückgekehrt. Sein Vater sei für einen Tag mitgenommen worden und habe ihm geraten, dass er Afghanistan verlassen solle, er sei jedoch sechs Wochen in XXXX geblieben. Danach habe er mit dem Cousin gesprochen, der dann die Ausreise mit dem Schlepper für ihn organisiert habe (OZ 13, S. 15). Der in der mündlichen Verhandlung geschilderte Ablauf ergibt jedoch einen weitaus längeren Zeitraum als einen Monat, zumal der Cousin für den Beschwerdeführer auch erst einen Schlepper organisieren musste, der Beschwerdeführer ein Feld habe verkaufen müssen und dies auch einige Zeit in Anspruch nimmt. Die Angaben des Beschwerdeführers sind daher auch in zeitlicher Hinsicht nicht konsistent.
Es ist zudem nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer angibt, dass die dritte Gruppierung der Taliban die Daesh seien, also die Daesh Teil der Taliban seien. Bei den Daesh handelt es sich um den IS, dieser ist kein Teil der Taliban, sondern eine eigene Gruppierung (LIB 23.11.2018, S. 57).
2.2.3. Zudem sind erhebliche Steigerungen in den Angaben des Beschwerdeführers enthalten.
Der Beschwerdeführer sprach beim Bundesamt allgemein von Taliban die in sein Dorf gekommen seien (AS 221). In der mündlichen Verhandlung sprach der Beschwerdeführer jedoch von drei unterschiedlichen Taliban Gruppierungen (OZ 13, S. 13). Die Erzählungen des Beschwerdeführers machen einen inkonsistenten Eindruck und muss sich der Beschwerdeführer Steigerungen in seinen Erzählungen vorwerfen lassen.
Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass sein Vater von den Taliban mitgenommen, zu einem Mullah gebracht und erst am Abend freigelassen worden sei. Nachdem sein Vater nachhause gekommen sei, habe sein Vater ihn angerufen und ihm gesagt, dass er Afghanistan verlassen solle (OZ 13, S. 15). Derartiges gab der Beschwerdeführer in seiner vagen freien Erzählung beim Bundesamt jedoch nicht an (AS 221), sodass auch hier eine unglaubhafte Steigerung der Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers vorliegt.
Der Beschwerdeführer gab auch an, dass die Taliban seinen Vater beim dritten Besuch mitgenommen haben, sein Vater sei dann vier Monate lang verschollen gewesen. Dies wäre während seiner Reise nach Europa gewesen, ca. im Februar 2016. Seitdem sei sein Vater körperlich beeinträchtigt (OZ 13, S. 16). Der Beschwerdeführer gab derartiges jedoch nicht bei seiner Einvernahme beim Bundesamt an, sodass auch hier eine unglaubhafte Steigerung seines Vorbringens vorliegt.
Sofern der Beschwerdeführer angab von diesem Vorfall erst nach seiner letzten Einvernahme beim Bundesamt am 13.04.2017 erfahren zu haben, ist das nicht plausibel. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass dies nämlich der dritte Vorfall mit den Taliban gewesen sei. Er gab beim Bundesamt auch an, dass es drei Vorfälle mit den Taliban gegeben habe. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt angibt, dass es drei Vorfälle mit den Taliban gegeben habe, wenn er von diesem dritten Vorfall erst nach dieser Befragung Kenntnis erlangt haben möchte. Auch die Angaben des Beschwerdeführers, dass sein Vater bereits im Februar 2016 entführt worden sei und seine Familie ihm während eines Zeitraumes von einem Jahr zwar davon erzählt habe, dass die Familie nach Pakistan gegangen sei, jedoch nicht aus welchem Grund und was mit seinem Vater geschehen sei, ist nicht nachvollziehbar.
2.2.4. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass ihm eine Zwangsrekrutierung in Afghanistan gedroht habe bzw. drohen würde, sind zudem nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen. So ist diesen zu entnehmen, dass die Taliban nunmehr bemüht sind Personen mit militärischem Wissen, Erfahrung sowie mit militärischen Fertigkeiten, wie das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte, zu rekrutieren. Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen. Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen. Da der Beschwerdeführer weder über militärisches Wissen noch über militärische Erfahrung verfügt und Zwangsrekrutierungen durch die Taliban nicht üblich sind, steht das Fluchtvorbringen in Widerspruch zu den Länderfeststellungen. Zudem werden Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht, sodass die Angaben des Beschwerdeführers auch in diesem Punkt nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen sind. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.
2.2.5. Auf Grund der oben dargelegten Gründe geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer noch nie Kontakt zu den Taliban gehabt hat. Weder er noch seine Familie wurden von den Taliban jemals aufgesucht, entführt, bedroht, angegriffen oder zur Zusammenarbeit aufgefordert.
Das Gericht geht daher auch davon aus, dass der Beschwerdeführer Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen hat.
2.2.6. Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.
Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Nangarhar ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers volatil ist.
Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten zu Mazar-e Sharif und aus den Angaben des Beschwerdeführers.
In der Stadt Mazar-e Sharif finden überwiegend Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten. Das Gericht geht daher davon aus, dass es in der Stadt Mazar-e Sharif zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen.
Dass die Wohnraum- und Versorgungslage angespannt ist ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in großen Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze. Den Länderinformationen zur Dürresituation ist nicht zu entnehmen, dass die Stadt Mazar-e Sharif (im Gegensatz zur Stadt Herat) von den Auswirkungen der Dürre betroffen wäre. Der Entscheidung wurden zwei aktuelle Anfragebeantwortungen zu Grunde gelegt. Wäre die Stadt Mazar-e Sharif auch von einer Dürre betroffen, so wäre dies in den Berichten enthalten. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Stadt Mazar-e Sharif derzeit nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen ist.
Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan mit seinen Eltern und Geschwister aufgewachsen, sodass der Beschwerdeführer entsprechend der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert ist.
Der Beschwerdeführer hat zwar keine Schule besucht, er hat jedoch seit er ein Kind ist mit seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet sowie kurz vor seiner Ausreise auch als Kellner gearbeitet. Der Beschwerdeführer verfügt daher über sehr viel Berufserfahrung. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich in der Lage sich schnell zu Recht zu finden und sich an neue Situationen anzupassen.
Der Beschwerdeführer ist zudem im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer kann zudem mit finanzieller Unterstützung seiner Familie rechnen. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er von seiner Familie Unterstützung bekommen kann, wenn er sich in einer Notlage befindet (OZ 13, S. 18). Der Beschwerdeführer gab zudem an, dass er es in Erwägung zieht, sich bereits nach Österreich, obwohl er hier durch die Grundversorgung versorgt wird und er auch auf geringfügiger Basis beschäftigt ist, von seinen Verwandten Geld schicken zu lassen (OZ 13, S. 21). Das Gericht geht daher davon aus, dass die Familie des Beschwerdeführers, die sehr weitschichtig und groß ist, die finanziellen Möglichkeiten hat den Beschwerdeführer zumindest vorübergehend finanziell zu unterstützen.
Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er - abgesehen von den Taliban, wobei dies für das Gericht nicht glaubhaft ist - keine weiteren Probleme in Afghanistan habe. Erst auf mehrfaches konkretes Nachfragen gab der Beschwerdeführer an, dass er nur deshalb nicht in einer großen Stadt leben könne, da er dort keine Verwandten und keinen Kontakt zu den Menschen dort habe (OZ 13, S. 19). Konkrete Umstände, die eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in der Stadt Mazar-e Sharif ausschließen würden, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht angegeben.
Das Gericht geht daher auf Grund dies