TE Bvwg Beschluss 2019/1/8 W204 1437102-2

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Veröffentlicht am 08.01.2019
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Entscheidungsdatum

08.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W204 1437102-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zl. XXXX :

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.07.2013, Zl. XXXX , bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) wurde. Es wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und er wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

I.2. Infolge einer gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 16.06.2015, Zl. W164 1437102-1/9E, die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet ab. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wurde stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.06.2016 erteilt.

I.3. Am 12.05.2016 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes, da die Gründe für die Zuerkennung nach wie vor gegeben seien.

I.4. Mit Bescheid vom 15.06.2016 wurde diesem Antrag durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) stattgegeben und dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.06.2018 erteilt.

I.5. Am 12.04.2018 stellte der BF einen weiteren Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes, da die Gründe nach wie vor gegeben seien.

I.6. Mit Schreiben vom 28.05.2018 teilte das BFA dem BF mit, dass beabsichtigt sei, dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, da die Gründe, die zur Zuerkennung geführt hätten, nicht mehr gegeben seien. Das BFA teilte dem BF keine genaueren Gründe für diesen Schritt mit. Zudem wurde der BF eingeladen, binnen zwei Wochen zu seiner aktuellen Situation in Österreich Stellung zu nehmen, wobei das BFA ihm dazu mehrere Fragen stellte.

Zur Wahrung des Parteiengehörs wurden ihm Länderberichte zur allgemeinen Lage des Herkunftsstaats übermittelt und ihm eine Frist von zwei Wochen für eine schriftliche Stellungnahme gegeben.

I.7. Am 05.06.2018 ging die Stellungnahme des BF beim BFA ein, in der er ausführte, er sei seit sechs Jahren durchgehend in Österreich aufhältig und lebe mit seinem Bruder zusammen. Er sei als Abwäscher tätig und es bestünden keine gesundheitlichen Probleme. Er spreche und verstehe sehr gut Deutsch.

I.8. Mit Bescheid vom 09.07.2018, dem BF am 11.07.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wurden dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung abgewiesen (Spruchpunkt III.), ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt IV.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt V.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.) Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VII.).

I.9. Mit Verfahrensanordnung vom 09.07.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.10. Am 24.07.2018 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. aufgrund unschlüssiger Beweiswürdigung/rechtlicher Beurteilung und eines in Folge dessen mangelhaften Ermittlungsverfahrens. Er beantragte, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht aberkannt und nicht entzogen werde; in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen; in eventu dem BF einen Aufenthaltstitel zu erteilen; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.11. Am 26.07.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

II.2. Zu Spruchpunkt A):

II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11 mwN).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

II.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

II.2.3. Nach § 1 Z 1 AslyG regelt dieses Bundesgesetz die Zuerkennung und die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten an Fremde in Österreich.

Das vierte Hauptstück des AsylG (§§ 17 bis 41) ist mit "Asylverfahrensrecht" überschrieben. Der erste Abschnitt des vierten Hauptstücks (§§ 17 bis 27a) regelt das Allgemeine Asylverfahrensrecht. Diese Bestimmungen stellen daher besondere Verfahrensregelungen in Ergänzung zu den allgemeinen Regelungen des AVG auf.

§ 18 AsylG, der mit "Ermittlungsverfahren" überschrieben ist, regelt, dass die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Bestimmung stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).

§ 19 AsylG lautet auszugsweise:

"Befragungen und Einvernahmen

[...] (2) Ein Asylwerber ist vom Bundesamt, soweit er nicht auf Grund von in seiner Person gelegenen Umständen nicht in der Lage ist, durch Aussagen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen, zumindest einmal im Zulassungsverfahren und - soweit nicht bereits im Zulassungsverfahren über den Antrag entschieden wird - zumindest einmal nach Zulassung des Verfahrens einzuvernehmen. Eine Einvernahme kann unterbleiben, wenn dem Asylwerber, ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt (§ 12a Abs. 1 oder 3). Weiters kann eine Einvernahme im Zulassungsverfahren unterbleiben, wenn das Verfahren zugelassen wird. § 24 Abs. 3 bleibt unberührt. [...]"

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG ist ein Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

Vom Wortlaut des § 19 Abs. 2 AsylG sind daher nur jene Fremde erfasst, deren Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet wurde. Im Verlängerungsverfahren besteht daher im Gegensatz zum Asylverfahren dem Wortlaut nach keine Pflicht zur Einvernahme. Es stellt sich daher die Frage, ob in diesem Fall eine planwidrige Lücke vorliegt, die mittels Analogie zu schließen ist, oder ob der Gesetzgeber eine unterschiedliche Behandlung im Verlängerungsverfahren regeln wollte.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die grundsätzliche Zulässigkeit der Analogie auch im öffentlichen Recht wiederholt anerkannt. Voraussetzung hierfür ist freilich das Bestehen einer echten (d.h. planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0019).

§ 19 AsylG liegt zugrunde, dass gerade in Asylverfahren die Einvernahme oftmals das einzige Beweismittel ist, das dem Antragsteller zur Verfügung steht. Durch die persönliche Einvernahme soll ihm damit ermöglicht werden, Gründe anzugeben, die gegen eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sprechen. Ausnahmen von der Pflicht zur Anhörung sind daher sehr eng zu fassen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 19 AsylG, K 1).

Auch im Verfahren zur Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geht es primär um die Frage, ob dem Antragsteller eine Rückkehr in seine Heimat (nunmehr) möglich ist oder ob einer Rückkehr (weiterhin) Art. 2, 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention entgegenstehen oder ihm dort als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen würde. Insoweit ist die Situation daher zu Asylverfahren vergleichbar, zumal auch dort die Einvernahme, neben der Ermittlung der Fluchtgründe, dazu dient, Umstände geltend zu machen, die die Zuerkennung des subsidiären Schutzes rechtfertigen könnten.

Auch bei Folgeanträgen ist nach § 19 AsylG eine Einvernahme grundsätzlich vorgesehen. Eine solche kann lediglich dann entfallen, wenn dem Antragsteller ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt. Soweit dem Fremden in seinem Folgeverfahren jedoch ein faktischer Abschiebeschutz zukommt, ist er daher zwingend einzuvernehmen. Selbst in einem solchen Fall, in dem bereits einmal rechtskräftig entschieden wurde, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr der in § 8 AsylG genannten Rechte droht, ordnet das AsylG daher ausdrücklich die zwingende Einvernahme eines Asylwerbers auch zur Klärung dieser Frage an. Das AsylG geht daher offensichtlich davon aus, dass die persönliche Einvernahme zu den wichtigsten Ermittlungsschritten zählt, weshalb diese nur in Ausnahmefällen entfallen darf.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass die Bestimmung des § 19 Abs. 2 AsylG wegen der vergleichbaren Situation und dem gleichen Zweck der Einvernahme auch im Verlängerungs- bzw. Aberkennungsverfahren zum subsidiären Schutz anzuwenden ist, sodass von einer zwingenden Einvernahme auszugehen ist, zumal dort gerade im Gegensatz zum Folgeverfahren bereits rechtskräftig entschieden wurde, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr der in § 8 AsylG genannten Rechte droht. Es treffen daher in diesem Fall dieselben Wertungsgesichtspunkte zu, sodass, um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung Fremder zu vermeiden, die Vorschrift des § 19 Abs. 2 AsylG auch im Verlängerungsverfahren anzuwenden ist.

Zudem kommt nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände, besondere Bedeutung zu (statt vieler VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0318). Auch aus diesem Grund scheint eine persönliche Befragung des BF im Verfahren zur Verlängerung des subsidiären Schutzes bzw. zu dessen Aberkennung bereits durch das BFA unumgänglich.

Im gegenständlichen Fall scheint eine persönliche Einvernahme auch deswegen zwingend geboten, zumal dem unvertretenen BF im schriftlichen Parteiengehör durch das BFA keine genauen Gründe für die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens mitgeteilt wurden, sondern lediglich allgemein festgehalten wurde, dass die Gründe, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht mehr gegeben seien. Um dem BF jedoch die Möglichkeit zu geben, ein substantiiertes Vorbringen zu erstatten, warum die Voraussetzungen noch immer vorliegen, wären dem BF vom BFA genauere Informationen zu geben gewesen, die es zu diesem Schritt veranlassten, wie beispielsweise, dass sich die Sicherheitslage wesentlich verbessert oder die persönliche Situation des BF sich maßgeblich geändert habe (siehe dazu auch Art. 45 Abs. 1 lit. a Verfahrensrichtlinie).

Das BFA hat daher zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts nur völlig ungeeignete Ermittlungen gesetzt und die Vorschrift des § 19 Abs. 2 AsylG nicht beachtet, indem es den unvertretenen BF nicht persönlich einvernommen hat. Der angefochtene Bescheid leidet daher unter erheblichen Ermittlungsmängeln. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, weil eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll. Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, ist nicht ersichtlich. Es war daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einvernahme, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W204.1437102.2.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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