TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/15 W182 1307301-3

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Veröffentlicht am 15.01.2019
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Entscheidungsdatum

15.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs1

Spruch

W182 1307301-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Maga. Doris EINWALLNER, gegen Spruchpunkt IV. 2. Satz des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.10.2018, Zl. 751779909/170012175, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird XXXX gemäß § 55 Abs. 1

Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), ist Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 23.10.2005 gemeinsam mit ihrer Familie im Alter von 8 Jahren illegal ins Bundesgebiet ein und hält sich seither hier auf.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) vom 29.10.2018 wurde der der BF mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.12.2007, Zl. 307.301-C1/6E-XIX/61/06, zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), ihr die mit dem zuletzt genannten Bescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Herkunftsstaat" gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, auf Dauer unzulässig sei (Spruchpunkt IV. 1. Satz). Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm § 55 AsylG 2005 wurde der BF eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV. 2. Satz).

Vom Bundesamt wurde dazu u.a. festgestellt, dass die BF über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt und die 9. Schulstufe im Unterrichtsfach Deutsch positiv abgeschlossen hat. Begründend wurde u. a. ausgeführt, dass die BF durch ihre Sprachkenntnisse auch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfülle, weshalb in ihrem Fall der Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 zu erteilen sei.

3. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren wurden seitens der BF u.a. auch entsprechende Jahres- und Abschlusszeugnisse einer Kooperativen Mittelschule vorgelegt.

4. Mit Verfahrensordnung vom 02.11.2018 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Der Bescheid wurde der BF am 06.11.2018 über ihre rechtsfreundliche Vertreterin nachweislich zugestellt.

5. Gegen den Bescheid vom 29.10.2018 wurde eine auf den zweiten Satz des Spruchpunktes IV. beschränkte Beschwerde erhoben. Dazu wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der bekämpfte Bescheid in Spruchpunkt IV. hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, nicht hinsichtlich der Feststellung, dass die Rückkehrentscheidung dauernd unzulässig sei, angefochten werde. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die BF in Österreich die Pflichtschule absolviert und das Fach Deutsch positiv abgeschlossen habe. Sie erfülle demgemäß gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 IntG das Modul 2 der Integrationsvereinbarung, wobei die Erfüllung des Moduls 2 das Modul 1 beinhalte (§ 10). Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt habe, erfülle die BF durch ihre Sprachkenntnisse auch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG, weshalb der Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 zu erteilen sei. In Punkt IV. des angefochtenen Bescheides habe die belangte Behörde jedoch lediglich einen Aufenthaltstitel nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt. Da die BF, wie die belangte Behörde selbst zugestanden habe, jedoch die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 erfülle, sei ihr daher eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen. Der angefochtene Bescheid leide in diesem Punkt an Rechtswidrigkeit.

6. Das Bundesamt hat die gegenständliche Beschwerde unter Anschluss des erstinstanzlichen Aktes am 08.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Das Bundesamt ging davon aus, dass die BF die 9. Schulstufe im Unterrichtsfach Deutsch positiv abgeschlossen hat sowie auch sonst die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 vorgelegen sind. Die BF hat im erstinstanzlichen Verfahren dazu auch Zeugnisse vorgelegt. Die diesbezüglichen Feststellungen des Bundesamtes werden daher der Entscheidung zugrundegelegt.

Im Übrigen wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang, der sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Akt in Zusammenschau mit der Beschwerde ergibt, der Entscheidung zugrundegelegt.

Die Aufnahme weiterer Beweise war wegen Entscheidungsreife sohin nicht mehr erforderlich.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Zu Spruchteil A):

2.2. Nach § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Gem. § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn (Z 1) dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und (Z 2) der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gem. § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z 5 IntG idgF, ist das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet "Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft" im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist.

Nach § 9 Abs. 4 letzter Satz IntG beinhaltet die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) das Modul 1.

Vom Bundesamt wurde im bekämpften Bescheid mit Spruchpunkt IV. ausgesprochen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG gegen die BF auf Dauer unzulässig ist.

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei dem Ausspruch über die Rückkehrentscheidung und jenem über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 grundsätzlich um rechtlich trennbare Aussprüche handelt, die demgemäß separat anfechtbar sind (vgl. dazu etwa VwGH 28.01.2015, Zl. Ra 2014/20/0121), wobei der Ausspruch nach § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG nicht angefochten und sohin rechtskräftig wurde.

Wie bereits vom Bundesamt im Einklang mit dem Akteninhalt im bekämpften Bescheid ausdrücklich festgestellt wurde, erfüllt die BF im Hinblick auf ihren Pflichtschulabschluss mit positiven Abschluss im Unterrichtsfach "Deutsch" die Voraussetzungen für das Modul 2 - und sohin auch das Modul 1 - der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG. Sohin war der Beschwerde stattzugeben, und der BF gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Aufgrund der Eindeutigkeit der Aktenlage im Rahmen des Umfanges der Anfechtung waren keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen mehr festzustellen oder neue Beweise aufzunehmen, wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG). Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W182.1307301.3.00

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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