TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/16 W124 2141698-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W124 2141698-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung mündlicher Verhandlung am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) reiste als unbegleiteter Minderjähriger unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am

XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag gab er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, er sei afghanischer Staatsangehöriger und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er stamme aus der afghanischen Provinz XXXX, habe jedoch in den letzten vier Jahren im Iran gelebt. Seine zuletzt ausgeübten Berufe seien Hilfsarbeiter und Schneider gewesen.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, sein Vater sei von Feinden in Afghanistan getötet worden. Der Feind heiße XXXX, den Grund der Feindschaft kenne er jedoch nicht. Sein Bruder XXXX und er seien daraufhin in den Iran geflohen. Dort seien sie von den Kindern des XXXX bedroht worden. Eines Tages, vor ca. 2,5 bis 3 Monaten, seien sie plötzlich in seiner Wohnung gestanden. Da andere Leute zu Besuch gewesen seien, sei jedoch nichts passiert. Aufgrund dieses Vorfalls habe er den Iran verlassen. Seine Mutter und seine Schwester hätten aus finanziellen Gründen noch nicht aus Afghanistan fliehen können. Im Fall seiner Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.

2. Am XXXX erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt).

Zu seinen Familienangehörigen gab der BF zu Protokoll, sein Vater sei umgebracht worden. Danach sei er noch fünf Monate in Afghanistan gewesen, bevor er in den Iran gegangen sei. Seine Mutter und seine Schwester würden in seinem Heimatdorf leben, während sein Bruder im Iran wohnhaft sei. Als er in den Iran gegangen sei, habe er das letzte Mal Kontakt mit seiner Mutter gehabt. Mit seinem Bruder im Iran habe er zuletzt vor vier Monaten telefoniert.

Der BF habe in Afghanistan weder Strafrechtsdelikte begangen, noch habe er Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt. Er sei nie in Haft gewesen, es sei kein Gerichtsverfahren gegen ihn anhängig und er sei nicht politisch aktiv gewesen.

Zu seinen Fluchtgründen führte er aus, er sei nach Österreich gekommen, da er Feinde habe. Nachdem sein Vater von den Feinden ermordet worden sei, sei er noch fünf Monate in Afghanistan geblieben. Seine Mutter habe Angst gehabt und habe ihn daraufhin fortgeschickt. Persönliche Probleme habe er nicht in Afghanistan, sondern im Iran gehabt. In Afghanistan sei er weder persönlich angegriffen, noch bedroht worden. Den Grund für die Ermordung seines Vaters kenne er nicht. Der BF habe die Feinde seines Vaters gesehen und gekannt. Der Vater jener Personen habe XXXX geheißen. Die Namen der Kinder kenne der BF hingegen nicht.

Zur Ermordung seines Vaters gab er an, es sei an einem Abend um ca. 10 oder 11 Uhr gewesen. Außerhalb des Hauses sei es laut geworden und man habe Geräusche vom Dach gehört. Als der Vater in den Hof gegangen sei, sei auf ihn geschossen worden. Gesehen habe der BF niemanden, er habe nur einen Schuss gehört. Daraufhin seien sie nach draußen gelaufen, wo sie geschrien hätten. Dann hätten sich die Nachbarn versammelt.

Zur Frage, wer den Vater ermordet habe, gab der BF zu Protokoll, sie hätten keine anderen Probleme gehabt. Es könne sich nur um diesen einen Feind handeln. Auf Nachfrage führte er aus, sie hätten mit niemanden Probleme gehabt, da sie keinem etwas getan hätten. XXXX habe seinen Vater getötet. Er wisse das von seiner Mutter. Sein Vater habe ihr vielleicht davon erzählt. Er habe ihr vielleicht zuvor gesagt, dass dieser XXXX ein Feind sei.

Im Iran habe der BF nachts als Portier für ein Bekleidungsgeschäft gearbeitet. An einem Abend sei es laut geworden und ihm seien acht bis zehn Personen aufgefallen, wobei eine dieser Personen der Sohn des XXXX gewesen sei. Daraufhin habe er sich im Arbeitsraum versteckt und die Polizei gerufen. Vier bis fünf weitere Kollegen hätten mit ihm gearbeitet und seien ebenfalls dort gewesen. Als diese Personen die Tür einbrechen wollten, habe der BF bereits die Polizeisirenen gehört. Daraufhin seien alle Personen geflüchtet und die Polizei habe sie nicht mehr finden können. Ungefähr zwanzig Tage habe er sich noch im Iran aufgehalten, bevor er sich auf den Weg nach Europa gemacht habe. Nach diesem Vorfall habe er den Sohn des XXXX nicht mehr gesehen und es habe auch keine weiteren Vorfälle gegeben.

Befragt zum Geschäft und den Arbeitskollegen gab der BF an, es sei ein sechsstöckiges Geschäft in Teheran gewesen. Er sei Portier gewesen, während die anderen als Hilfsarbeiter tätig gewesen seien. Sie hätten dort auch schlafen dürfen.

Ergänzend merkte der BF an, dass XXXX in Verbindung mit den Taliban stehe. Dies habe ihm sein Vater erzählt, als er noch am Leben gewesen sei. Das seien alle seine Fluchtgründe. Aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund seiner politischen Überzeugung sei er nicht bedroht oder verfolgt worden.

Abschließend wurden mit dem BF die vom Bundesamt herangezogenen Länderberichte erörtert, woraufhin er zu Protokoll gab, er kenne die Situation in Afghanistan. Es gebe täglich Anschläge.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft sei, zumal er nicht in der Lage gewesen sei, die Ursachen der Feindschaft zwischen XXXX und seiner Familie näher darzulegen. Zudem weise sein Vorbringen massive Widersprüche auf. So habe er bei seiner Erstbefragung von einem Vorfall in seiner Wohnung berichtet, während er vor dem Bundesamt angegeben habe, der Vorfall habe sich vor einem Bekleidungsgeschäft ereignet. Abgesehen von dem - nicht als glaubhaft erachteten - Fluchtvorbringen des BF bestünden auch keine sonstigen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr der Verfolgung des BF aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen. Folglich sei ihm der Status des Asylberichtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

4. Mit Beschwerde vom XXXX wurde Spruchpunkt I. dieses Bescheides wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, mangelhafter Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde im Wesentlichen begründend ausgeführt, das Bundesamt habe dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abgesprochen, ohne weitere Ermittlungstätigkeiten vorzunehmen. Es habe die Grundsätze der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts, der Wahrung des Parteiengehörs sowie der Objektivität und Unparteilichkeit verletzt. So habe sich die belangte Behörde nur ungenau mit dem Vorbringen des BF beschäftigt, zumal sie nur allgemein gehaltene Länderberichte herangezogen habe. Zudem sei die Erhebung aktueller Länderfeststellungen unbedingt erforderlich. Aus den UNHCR Richtlinien vom 19.04.2016 gehe überdies hervor, dass der BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Minderheit einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt sei. Zur Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden wurde auf eine ACCORD Anfragebeantwortung mit dem Titel "Fähigkeit der Taliban, Personen in Afghanistan aufzuspüren; Schutzfähigkeit des Staates" vom 14.08.2013 sowie auf die Entscheidung des BVwG vom 28.08.2015, Zl. W128 1433183-1, verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, der Bericht gehe von einer weitgehenden Dysfunktionalität des afghanischen Sicherheitsapparates und des Justizsystems aus. Daher könne der BF niemals Schutz vor den Taliban erhalten. Bei einer korrekten Auswertung der Länderberichte hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das Vorbringen des BF objektiv wahrscheinlich und glaubwürdig sei.

Zur Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde weiter ausgeführt, dass die Behörde selbst dann zur Vornahme notwendiger Ermittlungen verpflichtet sei, wenn das Vorbringen kaum glaubwürdig und irreal erscheine. Dies sei vom Bundesamt nicht berücksichtigt worden, zumal es sich mit der Frage auseinandersetzen hätte müssen, ob es in Afghanistan analoge Straftatbestände zu §§ 105ff, 274ff StGB gebe und sich der BF an einem bestimmten Ort in Afghanistan an die Sicherheitsbehörden wenden könne.

Ferner bleibe das Bundesamt eine ganzheitliche und objektive Beweiswürdigung schuldig. Die belangte Behörde wäre auch aufgrund der bestehenden Zweifel am Vorbringen verpflichtet gewesen, mögliche Beweismittel auszuschöpfen und weitere Ermittlungen durchzuführen. So hätten Ermittlungen hinsichtlich der Feindschaft der Familien vor Ort durchgeführt werden müssen und wäre dies auch leicht möglich gewesen.

Ergänzend wurde ausgeführt, zwischen den Angaben des BF in der Erstbefragung und in der Einvernahme bestünden keine Unterschiede. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, dass die Befragung zu den Fluchtgründen in der Erstbefragung nur oberflächlich erfolge und nicht immer genau übersetzt werde. Der Inhalt sei in beiden Befragungen derselbe gewesen, seine Antwort bei der Erstbefragung sei jedoch verkürzt. Im Übrigen sei die nähere Befragung zu den Fluchtgründen in der Erstbefragung nicht vorgesehen und sei es verfassungswidrig, wenn die Behörde die Unglaubwürdigkeit hauptsächlich mit einzelnen Abweichungen in seinem Vorbringen während der unterschiedlichen Stadien des Asylverfahrens begründet, ohne zu berücksichtigen, dass es sich um Abweichungen in Details handle.

Zur rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass der BF begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie habe und die afghanischen Behörden nicht fähig oder willens seien, ihn zu schützen. Folglich sei ihm der Status des Asylberichtigten zuzuerkennen.

5. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Mit Schreiben vom XXXX wurden dem BF das Länderinformationsblatt Afghanistan samt Zusammenfassung vom 02.03.2017, ein Gutachten des Sachverständigen Mahringer mit Stand 2017 sowie Teile des Akteninhaltes (Bescheid, Beschwerde, Niederschriften der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem Bundesamt) übermittelt.

7. Am XXXX erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie eines landeskundigen Sachverständigen.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...)

R: Schreiben Sie Ihren vollen Namen und Ihr Geburtsdatum auf.

BF: Ich heiße XXXX. Ich bin am XXXX geboren.

R: Wo sind Sie geboren, geben Sie genau an, in welcher Provinz und in welchem Distrikt und in welchem Dorf?

BF: Ich bin in der Provinz XXXX, Distrikt XXXX, Dorf: XXXX geboren.

R: Wo haben Sie denn von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise aus Afghanistan in chronologischer Reihenfolge gelebt? Geben Sie mir die jeweiligen Zeiträume an, in denen Sie dort gelebt haben.

BF: Dort bin ich geboren und aufgewachsen und ausgereist.

R: Wie lange haben Sie für Ihre Ausreise aus Afghanistan von Ihrem Geburtsort aus gebraucht?

BF: Zwei Tage.

R: Wo haben Sie in diesen zwei Tagen übernachtet? Wo haben Sie sich in diesen zwei Tagen aufgehalten?

BF: Eine Nacht in Kabul, eine Nacht in Nimroz.

R: Wie alt waren Sie, als Sie aus Afghanistan ausgereist sind?

BF: Ich war 18 Jahre alt.

(...)

R: Haben Sie an der von Ihnen angegebenen Heimatadresse alleine gelebt?

BF: Mit der Familie.

R: Wen zählen Sie als Familienmitglieder, wenn Sie von Familie sprechen?

BF: Meinen Vater, meine Mutter, meine Schwester, meinen Bruder und ich.

SV: Wie heißen die nächsten Distrikte, die um Ihren Heimatdistrikt liegen?

BF: XXXX, XXXX, XXXX, XXXX.

R: Wie geht es Ihrer Familie?

BF: Gott sei Dank gut.

R: Wo halten sich Ihre Familienmitglieder auf?

BF: Dort.

R: Was meinen Sie mit dort?

BF: In XXXX.

R: Wie oft sind Sie mit Ihrer Familie in Kontakt?

BF: Seitdem ich ausgereist bin, habe ich keinen Kontakt zu meiner Familie. Ich habe einen Bruder, der im Iran lebt. Mit ihm habe ich einmal gesprochen.

R: Was hat er Ihnen der erzählt?

BF: Nichts. Er hat gefragt, wie es mir geht und wo ich bin. Ich habe ihm gesagt, wo ich bin und das war es.

R: Wer hat Sie darüber informiert, dass es Ihrer Familie gut geht?

BF: Als ich dort war, ging es ihnen gut. Jetzt weiß ich es nicht.

R: Wann haben Sie mit Ihrem Bruder das letzte Mal telefoniert oder Kontakt gehabt?

BF: Er hat mich angerufen.

R: Mit was hat er Sie angerufen?

BF: Telefonisch.

R: Mit welchem Telefon hat er Sie angerufen?

BF: Mit dem Handy.

R: Haben Sie versucht, ihn zurückzurufen?

BF: Nein.

R: Warum nicht?

BF: Ich will nicht, dass er meine Adresse weiß, und weiß, wo ich bin. Das sind nur Kopfschmerzen für mich.

R: Warum verursacht das bei Ihnen nur Kopfschmerzen?

BF: Wegen der Probleme in Afghanistan.

R: Hält sich Ihr Bruder in Afghanistan auf?

BF: Nein. Er hält sich im Iran auf, damals, jetzt weiß ich nicht, wo er ist.

R: Wo hat sich Ihr Bruder im Iran aufgehalten?

BF: Die Stadt hat mehrere Namen: XXXX, XXXX.

R: Welche größere Stadt liegt da in der Nähe?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Warum bereitet Ihnen das jetzt Kopfschmerzen, mit Ihrem Bruder zu sprechen?

BF: Er ist in den Iran gekommen, wegen der Probleme, die wir in Afghanistan hatten. Seitdem er aufgelegt hat, habe ich ihn nie mehr kontaktiert.

R: Interessiert es Sie nicht, wie es ihm bzw. Ihrer Familie geht jetzt?

BF: Es ist mir schon wichtig. Ich habe die Nummer bis jetzt nicht gefunden.

R: Was heißt, Sie haben die Nummer bis jetzt nicht gefunden?

BF: In Afghanistan, dort wo wir gewohnt haben, ist das Signal sehr schlecht.

R: Und zu Ihrem Bruder?

BF: Ich habe seine Nummer nicht mehr. Ich bemühe mich schon, seine Nummer zu finden.

R: Wie haben Sie in Afghanistan Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich habe in der Landwirtschaft gearbeitet.

R: Als was?

BF: Landarbeiter.

R: Haben Sie für die Ausreise die Hilfe eines Schleppers benötigt?

BF: Ja. Schlepperunterstützt. Ich weiß nicht, wie er heißt.

R: Wie viel haben Sie diesem Schlepper bezahlen müssen?

BF: Für Afghanistan in den Iran, musste ich zahlen eine Million Toman.

R: Was sind das ungefähr in Euro bzw. in Dollar?

BF: 250 Euro.

R: Wie viel haben Sie dann noch bezahlt?

BF: Vom Iran in die Türkei 1,7 Millionen Toman. Von der Türkei bis nach Griechenland 950 US-Dollar.

R: Wie viel sind 1,7 Millionen Toman in Dollar bzw. in Euro?

BF: Ich weiß es nicht. Vielleicht 400 Euro.

R: Woher hatten Sie immer so viel Geld (für die dortigen Verhältnisse)?

BF: Ich habe gearbeitet.

R: Als was haben Sie gearbeitet?

BF: In der Baubranche habe ich gearbeitet.

R: Als was?

BF: Decken gebaut.

R: Verputzt?

BF: Wir haben die Decken gebaut.

SV: Oben oder unten?

BF: Wir haben Konstruktionen aufgebaut.

R: Haben Sie zum Fluchtvorbringen jetzt noch irgendwelche Unterlagen, die Sie bei der Polizei bzw. beim BFA noch nicht vorgelegt haben?

BF: Nichts, nein.

R: Wie hat Ihr Vater seinen Lebensunterhalt bestritten?

BF: Auch als Landwirt.

R: Haben Sie eigene Felder bzw. Gründe besessen?

BF: Ja.

R: Von wem werden diese Felder und Gründe jetzt bewirtschaftet?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Wer lebt in Ihrem Elternhaus?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihrer Mutter?

BF: Seit meiner Ausreise habe ich keinen Kontakt zu ihr.

R: Und zu Ihrer Schwester?

BF: Nichts.

R: Am XXXX haben Sie beim BFA gesagt, dass Ihre Mutter und Ihre Schwester im Heimatdorf lebt. Was sagen Sie dazu?

BF: Sie sind dort. Sie haben keinen anderen Platz.

R: Wie viele Grundstücke hat Ihr Vater besessen?

BF: Es war wenig. Es war nicht so viel.

R: Haben Sie mit dem Erwirtschafteten Ihr Auslangen finden können bzw. Ihre Familie Ihr Auslangen finden können?

BF: Ja. Wir haben davon gelebt.

R: Wie geht es Ihrem Vater?

BF: Sie haben ihn getötet.

R: Wann wurde Ihr Vater getötet? Können Sie ein Datum angeben?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Fragewiederholung.

BF: Es war Frühling, zwischen 10.00 Uhr und 11.00 Uhr.

R: In welchem Frühlingsmonat?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Warum wurde Ihr Vater getötet?

BF: Wir hatten Feinde. Sie haben meinen Vater getötet.

R: Warum wurde Ihr Vater getötet?

BF: Die Feindschaft bestand von früher. Bereits vom Großvater.

R: Warum wurde Ihr Vater getötet?

BF: Vielleicht wegen der Grundstücke.

R: Was heißt vielleicht wegen der Grundstücke?

BF: Ich habe keine genauen Informationen darüber. Ich gehe davon aus. Die Feindschaften in Afghanistan sind immer wegen der Grundstücke.

R: Wie heißt Ihr Großvater väterlicherseits mit Vor- und Familiennamen?

BF: XXXX.

R: Lebt Ihr Großvater noch?

BF: Nein.

R: Wann ist Ihr Großvater verstorben?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Hat er noch gelebt, als Sie zur Welt gekommen sind?

BF: Nein. Ich habe ihn nicht gesehen.

R: Haben Sie die Feinde Ihres Vaters gekannt?

BF: Der Vater heißt XXXX. Wie seine Kinder heißen, das weiß ich nicht.

R: Ist XXXX der Familienname oder der Vorname?

BF: Der Vorname.

R: Wie ist der Familienname?

BF: Das weiß ich nicht.

R: Wo wohnt dieser XXXX?

BF: In unserem Ort etwas entfernt von uns.

R: Was heißt etwas entfernt und wie weit geht man zu diesem XXXX?

BF: Vielleicht 500-600 Meter.

R: Wie viele Häuser hat Ihr Dorf?

BF: 400, 500.

R: Auf welche Art und Weise wurde Ihr Vater getötet?

BF: Erschossen.

R: Erklären Sie den genauen Vorfall, als Ihr Vater erschossen wurde.

BF: Es war in der Nacht. Es war ca. 10.00 Uhr am Abend. Wir waren zu Hause. Auf unserem Dach gab es laute Geräusche. Mein Vater ist hinausgegangen, um nachzuschauen, was das ist. Mein Vater war mitten im Hof. Er wurde dort angeschossen. Wir sind dann laut geworden und haben geschrien. Dann sind die Nachbarn gekommen. Derjenige ist geflüchtet. Wir haben ihn nicht gesehen.

R: Wenn Sie mir das noch einmal genau schildern. Wie war der Ablauf? Was haben Sie persönlich gemacht?

BF: Wir waren zu Hause. Sie haben meinen Vater in unserem Hof erschossen.

R: Ich möchte den genauen Ablauf von Ihnen wissen. Der Tod Ihres Vaters muss etwas sehr Einschneidendes gewesen sein. Darum möchte ich das genau wissen.

BF: Wir haben Feinde. Die Feinde sind am Abend zu uns gekommen. Sie haben meinen Vater erschossen. Wir waren zu Hause. Als wir die Waffe und den Schuss gehört haben, sind wir hinausgegangen. Wir haben gesehen, dass mein Vater am Boden liegt. Meine Mutter hat dann geweint.

R: Mich interessiert der Vorfall. Wie ist das genau abgelaufen?

BF: Ich war mit meiner Mutter zu Hause. Nachdem wir das Geräusch gehört haben, ist mein Vater hinausgegangen. Wir haben dann die Waffe gehört. Dann sind wir hinausgegangen. Meine Mutter ist laut geworden. Das war es.

R: Wann ist Ihr Vater genau erschossen worden?

BF: An dem Abend. Um 10:30 Uhr.

R: Was haben Sie gemacht, als Sie da die Geräusche am Dach gehört haben?

BF: Mein Vater sagte: "Was ist das"? Ich sagte: "Ich weiß es nicht". Daraufhin ist mein Vater hinausgegangen.

R: Was haben Sie zu diesem Zeitpunkt gerade gemacht?

BF: Nichts. Wir sind gesessen.

R: Was heißt "nichts, wir sind gesessen"?

BF: Wir haben gegessen. Wir haben danach Tee getrunken.

R: Wann haben Sie dann das Geräusch am Dach gehört?

BF: Wir haben Tee getrunken. Das war nach dem Essen.

R: Was haben Sie dann gemacht, nachdem Ihr Vater hinausgegangen ist?

BF: Wir waren drinnen. Erst als wir die Waffe gehört haben, sind wir hinausgegangen.

R: Was haben Sie gemacht, während Ihr Vater hinausgegangen ist?

BF: Ich habe Tee getrunken.

R: Haben Sie gesehen, was Ihr Vater gemacht hat, nachdem er hinausgegangen ist, während Sie Tee getrunken haben?

BF: Ich habe nichts gesehen.

R: Was haben Sie eigentlich gehört?

BF: Ein Geräusch einer Waffe.

R: Das ist schon klar, aber was haben Sie gehört?

BF: Die Pistole.

R: Wie hat sich das Geräusch angehört?

BF: Es war ein Geräusch aus einer Kalaschnikow.

R: Was haben Sie gemacht, nachdem Sie dieses Geräusch gehört haben?

BF: Ich bin gesprungen und hinausgegangen.

R: Was heißt, Sie sind gesprungen?

BF: Ich bin von meinem Platz aufgestanden. Ich habe die Tür aufgemacht und gesehen, dass mein Vater am Boden liegt.

R: Haben Sie eine Waffe zu Hause?

BF: Nein.

R: Ihr Vater?

BF: Ich habe es nicht gesehen.

R: Hatte Ihr Vater eine Waffe?

BF: Nein, ich habe es nicht gesehen.

R: Hatten Sie keine Angst, nachdem da draußen einfach das von Ihnen wahrgenommene Geräusch einfach geschehen ist, dass Ihnen selbst etwas passieren könnte?

BF: In dieser Sekunde habe ich geschaut, was geschehen ist und habe die Türe aufgemacht.

R: Wer war an diesem Abend von der Familie zu Hause?

BF: Ich, mein Bruder, meine Eltern und meine Schwester.

R: Wie alt ist Ihr Bruder?

BF: 28 Jahre.

R: Was hat Ihr Bruder gemacht?

BF: Wir sind alle hinausgegangen.

R: Wer hat jetzt die Türe aufgemacht?

BF: Meine Mutter.

R: Was haben Sie und Ihre Mutter gemacht?

BF: Meine Mutter hat die Türe aufgemacht und gesehen, dass mein Vater am Boden liegt. Wir sind alle hinausgegangen.

R: Hatten Sie keine Angst, dass auf Sie geschossen werden könnte?

BF: In dieser Zeit denkt man daran nicht.

R: Was war dann, nachdem Ihr Vater am Boden gelegen ist?

BF: Wir haben ihn aufgehoben und wir sind laut geworden. Wir haben geschrien. Dann sind die Nachbarn gekommen.

R: Haben Sie den Mörder Ihres Vaters gesehen?

BF: Nein.

R: Hat ein anderes Familienmitglied den Mörder Ihres Vaters gesehen?

BF: Nein, niemand hat ihn gesehen.

R: Sie haben zuerst gesagt, es hat sich am Dach um Feinde gehandelt. Wie können Sie sagen, dass es mehrere Personen gewesen sind, wenn Sie niemanden gesehen haben?

BF: Wir haben einen Feind. Sonst haben wir dort keine Feinde. Wir haben keine Probleme mit anderen Personen.

R: Woher kamen die Schüsse/der Schuss?

BF: Wir waren drinnen, zu Hause. Ich kann nicht sagen, ob er auf dem Dach war oder woanders.

R: Wie haben Sie dann reagiert, nachdem Ihr Vater erschossen worden ist?

BF: Ich bin zu meinem Vater gegangen. Ich habe geschrien.

R: Wie lange haben Sie sich bzw. wo haben Sie sich nach dem Tod Ihres Vaters aufgehalten?

BF: Fünf Monate lang bin ich zu Hause geblieben. Nach fünf Monaten bin ich in den Iran gegangen.

R: Wann wurde Ihr Vater begraben?

BF: Am nächsten Tag.

R: Wann?

BF: Am Nachmittag. Um 14:00 Uhr oder um 15:00 Uhr.

R: Wo?

BF: 100m oder 200m entfernt von unserem Elternhaus.

R: Wissen Sie, wer Ihren Vater umgebracht hat?

BF: Als mein Vater noch am Leben war, hat er gesagt, dass wir nicht alleine hier hinausgehen dürfen, dass diese Leute unsere Feinde sind.

R: Wissen Sie, wer Ihren Vater umgebracht hat?

BF: Nein, ich bin mir sicher, dass sie ihn getötet haben.

R: Was heißt, sie? Einmal sprechen Sie von mehreren Personen und dann sprechen Sie von einer Person?

BF: Ich meine damit, den Vater und die Familie.

R: Wer hat jetzt Ihren Vater umgebracht?

BF: Unser Feind, sie.

R: Unser Feind, wer?

BF: Unser Feind heißt XXXX.

R: Wissen Sie, wer Ihren Vater umgebracht hat?

BF: Unser Feind heißt XXXX. Es kann sein, dass er selbst meinen Vater getötet hat. Es kann sein, dass er seinen Sohn geschickt hat. Es kann sein, dass er eine andere Person geschickt hat.

R: Beim BFA haben Sie am XXXX gesagt, dass XXXX ihn umgebracht hätte. Was sagen Sie dazu?

BF: Ich sage das auch jetzt.

R: Sie sagen, dass es sein kann, dass er selbst meinen Vater getötet hat. Es kann sein, dass er seinen Sohn geschickt hat.

BF: Sie haben gefragt, wer ihn genau getötet hat. Sie haben heute gefragt, wer genau die Person war. Damals habe ich schon gesagt, wer ihn getötet hat, aber ich habe es nicht gesehen.

R: Sie haben gesagt, Sie waren dann fünf Monate lang in Ihrem Elternhaus zu Hause, bevor Sie dieses verlassen haben. Ist es in diesem Zeitraum zu irgendwelchen Vorfällen gekommen?

BF: Nein. Es ist nichts vorgefallen. Sie hatten Angst, weil sie meinen Vater getötet haben, dass wir Rache nehmen. Sie wissen, dass in Afghanistan, wenn man jemanden tötet, man getötet wird. Das ist Blutrache.

R: Wer hat in diesen fünf Monaten die Felder bewirtschaftet?

BF: Wir selbst.

R: Was heißt wir selbst?

BF: Mein Bruder war dort drei Monate lang.

R: Wer hat die Felder in diesen fünf Monaten bewirtschaftet?

BF: Ich selbst.

R: Zuerst haben Sie gesagt wir, jetzt sagen Sie ich.

BF: Gemeint war: Ich und mein Bruder.

R: Wie lange haben Sie und Ihr Bruder die Felder bewirtschaftet?

BF: Mein Bruder war dort noch drei Monate lang. Auf den Grundstücken haben wir fünf bis sechs Tage lang gearbeitet. Man braucht dafür nicht mehr.

R: Was haben Sie in diesen fünf Monaten dort gemacht, als Sie sich nach dem Tod Ihres Vaters noch im Elternhaus aufgehalten haben?

BF: Nichts. Ich war zu Hause. Ich habe mich gekümmert. Es gab keine Arbeit. In Afghanistan gibt es keine Arbeit.

R: Wie heißt der Dorfälteste in Ihrem Heimatdorf? Wie hat er geheißen zu dem Zeitpunkt, als Sie sich dort aufgehalten haben?

BF: Er war ein Maulawi (phonetisch).

SV: Das ist ein religiöser Gelehrter.

R: Hat er einen Namen?

BF: XXXX.

R: Was war jetzt der eigentliche Grund dieser Auseinandersetzung? Was war der Hintergrund?

BF: Die Feindschaft besteht schon seit Zeiten meines Großvaters. Vielleicht wegen der Grundstücke.

R: Wieso vermuten Sie, dass es wegen dieser Grundstücke Feindschaften gegeben haben soll?

BF: Sonst gibt es keine Probleme. Aus meiner Sicht sind die Probleme meistens wegen der Grundstücke.

R: Wieso vermuten Sie, dass in diesem konkreten Fall es sich um eine Feindschaft wegen der Grundstücke gehandelt haben soll?

BF: Sonst habe ich keine anderen Gedanken.

SV: Um welche Grundstücke genau soll es sich bei diesem Streit, bei dieser Auseinandersetzung gehandelt haben?

BF: Wegen dem Grundstück, was wir bewirtschaftet haben.

R: Woher haben Sie die Information, dass XXXX Ihren Vater umgebracht haben soll?

BF: Sonst haben wir keine Feinde im Dorf.

R: Fragewiederholung.

BF: Als mein Vater noch am Leben war, hat er mit uns darüber nicht gesprochen, aber er hat meiner Mutter erzählt, dass XXXX unser Feind ist, dass wir aufpassen sollen und nicht alleine hinausgehen sollen.

R: Beim BFA haben Sie gesagt am XXXX, dass Ihnen Ihre Mutter erzählt hätte, dass XXXX Ihren Vater umgebracht hätte.

BF: Das wollte ich auch gerade sagen.

R: Was hat Ihnen Ihre Mutter über die Hintergründe dieses Mordes erzählt?

BF: Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir nicht alleine hinausgehen sollen. XXXX ist unser Feind.

R: Woher hat Ihre Mutter die Information gehabt, dass XXXX Ihren Vater umgebracht haben soll?

BF: Weil mein Vater ihr gesagt hat, dass ihr Feind XXXX ist.

R: Haben Sie Ihre Mutter hinsichtlich der genauen Beweggründe des Mordes gefragt?

BF: Ich habe schon gefragt. Meine Mutter hat es nicht gesagt. Sie sagte nur, dass wir nicht hinausgehen sollen und auf uns aufpassen sollen.

R: Haben Sie Ihre Mutter hinsichtlich der genauen Beweggründe gefragt, nachdem Ihr Vater getötet wurde?

BF: Ich habe schon gefragt, aber sie hat es mir nicht gesagt.

R: Sie haben zuerst gesagt, Ihr Bruder war drei Monate nach dem Tod Ihres Vaters beim Elternhaus. Was wollten Sie damit sagen?

BF: Er ist nach drei Monaten von zu Hause weggegangen. Nachdem ich hier angekommen bin, habe ich erfahren, dass er im Iran ist.

R: Was meinen Sie hier angekommen? In Österreich?

BF: Ja. Österreich.

R: Warum hat Ihr Bruder nach drei Monaten das Elternhaus verlassen?

BF: Er hat gesagt, dass er weggeht und dass er nicht vorhat, Rache zu nehmen.

R: Warum sind Sie mit Ihrem Bruder nicht gleich mitgegangen?

BF: Es war nicht möglich. Ich hatte kein Geld. Finanziell war es mir nicht möglich.

R: Wie hat sich denn die Feindschaft in den 18 Jahren, in dem Sie in Ihrem Elternhaus oder im Heimatdorf gelebt haben, zwischen diesem XXXX geäußert?

BF: Die Häuser liegen auseinander. Es gibt eine Entfernung dazwischen. Es gab keine direkte Auseinandersetzung. Das habe ich nie gesehen.

R: Haben Sie diesen XXXX gekannt?

BF: Mein Vater hat ihn mir gezeigt.

R: Wann hat er Ihnen gezeigt und bei welcher Gelegenheit hat er Ihnen gezeigt?

BF: Es gab keine bestimmte Angelegenheit. Er ist vorbeigegangen. Mein Vater hat ihm mir gezeigt.

R: Wurden Sie selbst jemals in Afghanistan bedroht oder angegriffen?

BF: Nein.

R: Nachdem Sie bereits den subsidiären Schutz haben: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Wenn ich jetzt zurückkehren müsste, außer der Feindschaft, wie ich aussehe. Ich bin jetzt schon sechs Jahre hier. Wenn mich die Taliban wegen meiner Kleidung und meinem Aussehen bestrafen und vielleicht glauben, dass ich von der Religion abgefallen bin. Ich kann dort keine Arbeit finden. Ich kann dort nicht lernen. Es ist unmöglich, dort zu leben. Seit sechs bis sieben Jahren bin ich nicht dort. Ich weiß nicht, wie die Gesetze jetzt dort sind. Aber hier kann ich mich so bekleiden wie ich will, ich mache, was ich will.

R an BFV: Haben Sie eine Frage an den BF?

BFV: Weiß XXXX Familie, oder er selbst, dass er oder eines seiner Familienmitglieder vom BF beschuldigt wird, den Vater des BF getötet zu haben?

BF: Ich habe mit ihnen nicht gesprochen. Ich habe mit ihnen keinen Kontakt.

BFV: Wissen Sie, ob über den Vorfall im Dorf darüber gesprochen wurde?

BF: Ich habe nicht gehört, dass jemand darüber gesprochen hätte.

BFV gibt folgende Stellungnahme ab:

Auf Grund der bestehenden Blutfehde, ausgelöst durch die Ermordung des Vaters des BF, ist davon auszugehen, dass der BF wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie seines Vaters von Seiten der Feinde des Vaters Verfolgung droht, nämlich mit dem Ziel, einer vom BF zu übenden Blutrache vorzubeugen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Erkenntnis des VwGH vom 15.12.2010, Zahl: 2007/19/0265. Es ist zudem notorisch und auch anhand der Länderberichte ersichtlich, dass der afghanische Staat keinen ausreichenden Schutz bieten kann bzw. will.

Die BFV legt den relevanten Bericht zu UNHCR im Zusammenhang mit in Blutfehden verwickelten Personen vor, welche als Beilage ./A zum Akt genommen werden.

Darüber hinaus wird auf eine Anfragebeantwortung zur Blutrache verwiesen. Angemerkt wird, dass diese Blutrache nicht nur in paschtunischen Gemeinschaften, sondern auch in anderen Ethnien in Afghanistan vollzogen werden. Bericht, wird als Beilage ./B zum Akt genommen.

(...)

8. Am XXXX wurde eine weitere mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie eines landeskundigen Sachverständigen vor dem BVwG durchgeführt.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...)

R: Sie haben mir letztes Mal erklärt, dass Sie wegen einer Feindschaft Afghanistan verlassen haben. Wie heißt Ihr Feind bzw. wie heißen Ihre Feinde?

BF: XXXX.

R: Wer ist dieser XXXX?

BF: Er ist ein Mann, der auch dort lebt und XXXX ist der Vater. Den Namen seiner Söhne weiß ich nicht.

R: Wo wohnt dieser XXXX?

BF: Er lebt auch in unserem Wohngebiet bzw. auch in unserem Heimatdorf.

R: Wie viele Häuser hat Ihr Heimatdorf in etwa?

BF: 400 bis 450 Häuser.

R: Wie weit ist Ihr Elternhaus vom Haus dieses XXXX entfernt?

BF: Ca. 100 m entfernt. Vielleicht könnte es auch 200 m entfernt sein.

R: Ist das dann ein direkter Nachbar von Ihrem Elternhaus? Grenzt das Elternhaus unmittelbar an das Grundstück des XXXX an?

BF: Ja, es gibt ein Grundstück, welches auch an unseres angrenzt. Das Grundstück ist groß.

R: Inwiefern haben Sie eine Feindschaft mit diesem XXXX?

BF: Wegen dem Grundstück.

R: Können Sie das bitte genauer erklären?

BF: Diese Feindschaft besteht seit früheren Zeiten. Es gab einige Konflikte wegen dem Grundstück. Aufgrund dieser Feindschaft ist mein Vater auch von XXXX umgebracht worden.

R: Sie sagen, die Feindschaft besteht seit früheren Zeiten. Seit wann besteht diese Feindschaft?

BF: Seitdem ich geboren bin gibt es diese Feindschaft. Genauer weiß ich nicht, ob diese Feindschaft seit meiner Zeit mit meinem Großvater besteht. Ich habe nicht nachgefragt.

R: Warum haben Sie da nicht genauer nachgefragt?

BF: Unser Vater hat uns nie davon erzählt, aber meine Mutter hat uns immer wieder erzählt, dass die Feindschaft wegen dieses Grundstückes besteht und sie hat auch über die entstandenen Konflikte erzählt.

R: Was hat Sie Ihnen da genau erzählt?

BF: Sie hat uns nur erzählt, dass wir mit dieser Familie Probleme hätten. Wir dürften nicht oft nach draußen gehen.

R: Was hat die Mutter jetzt konkret über die entstandenen Konflikte erzählt?

BF: Sie hat uns nicht konkret über die Konflikte erzählt. Wir haben sie immer wieder gefragt, was der Sachverhalt des Konfliktes ist. Sie sagte nur, dass die Feindschaft wegen des Grundstückes sei.

R: Wann sind Sie geboren?

BF: Ich bin 24 Jahre alt, mein Geburtsdatum ist der XXXX.

R: Wann haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen?

BF: Nach dem Tod meines Vaters bin ich im Heimatdorf ca. 4 bis 5 Monate lang geblieben, danach reiste ich in den Iran.

R: Fragewiederholung.

BF: Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, 4 bis ca. 5 Monate nach dem Tod meines Vaters.

R: Das ist nicht meine Frage, meine Frage ist, wann haben Sie konkret Ihr Heimatdorf verlassen.

BF: Es war entweder Frühling oder Sommer. Ich kann mich nicht genau daran erinnern. Ich glaube, es war Frühling.

R: Welcher Monat.

BF: Es war sehr heiß, ich glaube, es war Sommer.

R: Welcher Monat?

BF: Ich kann mich auch an den Monat nicht erinnern, aber es war Sommer.

R: Welchen Jahres?

BF: Viereinhalb Jahre lang war ich im Iran.

R: Sie sollen nicht meinen Fragen ausweichen, sondern Sie beantworten. Welchen Jahres haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen?

BF: Es war entweder 2010 oder 2011. Ich kann mich nicht genau daran erinnern.

R: Ist es vor dem Vorfall mit Ihrem Vater zu irgendwelchen anderen Vorkommnissen gekommen, seit der Geburt bis zu dieser behaupteten Ermordung Ihres Vaters?

BF: Davor gab es einige Streitigkeiten. Die Menschen haben sich versammelt und haben den beiden Seiten geraten, diese Streitigkeiten zu beenden und diese Feindschaft würde keine gute Zukunft mitbringen.

R: Welche Menschen haben sich da versammelt?

BF: Die Dorfbewohner.

R: Wer war zu diesem Zeitpunkt der Dorfälteste?

BF: Maulawi XXXX.

R: Aus welchen Mitgliedern bestand dieser Dorfältestenrat noch?

BF: Es gab sehr viele Menschen, die sich in einer Moschee versammelt haben. Die waren ca. 20 bis 30 Menschen.

R: Aus welchen Mitgliedern bestand dieser Dorfältestenrat noch?

BF: Meinen Sie, wie viele Menschen haben bei dieser Versammlung teilgenommen oder meinen Sie insgesamt wie viele Menschen überhaupt als Dorfbewohner unseres Dorfes dort sind?

R: Nein, aus wie vielen Mitgliedern bestand dieser Dorfältestenrat?

BF: 15 oder 16 oder 17, das sind die Ältesten dort gewesen und weiters waren auch jüngere Männer dabei.

R: Ist dieser Dorfältestenrat in dem von Ihnen behaupteten Konflikt eingeschaltet worden?

BF: Die Versammlung des Ältestenrates hat zweimal stattgefunden. Die Versuche um den Konflikt zu schlichten haben fehlgeschlagen.

R: Was wurde bei diesem Dorfältestenrat besprochen bzw. vereinbart?

BF: Es ging um die Konflikte, sie sagten, wir sollten damit aufhören, das sei nicht gut.

R: Wurde in diesem Dorfältestenrat etwas beschlossen?

BF: Es ging um die Diskussionen wegen des Grundstückes. Die verfeindete Person sagte, dass er das nicht akzeptieren würde. Das Grundstück würde bis zu einem weiteren Teil ihm gehören. Mein Vater sagte, nein, das Grundstück, welches von der anderen verfeindeten Person in Anspruch genommen wurde, dass es ihm gehören würde.

R: Wann hat dieser Dorfältestenrat stattgefunden?

BF: Die Versammlung hat am frühen Nachmittag, nach dem Mittagsgebet, stattgefunden.

R: Wann?

BF: Mittagsgebetszeit ist um 13:00 Uhr.

R: Welches Jahr, welches Monat, welcher Tag?

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

R: Wie alt waren Sie zu diesem Zeitpunkt?

BF: Ich kann mich ebenfalls nicht daran erinnern. Ich besaß zu dem Zeitpunkt keine Tazkira, deshalb könnte ich mich auch nicht erinnern, wie alt ich gewesen sei.

(...)

R: Wo haben Sie in Afghanistan gearbeitet und was haben Sie in Afghanistan gearbeitet?

BF: Ich habe in der Landwirtschaft gearbeitet.

R: In welchem Alter?

BF: In Afghanistan arbeitet man, wenn man 8, 9 Jahre alt ist.

R: Haben Sie seit dem 8. oder 9. Lebensjahr gearbeitet?

BF: Ja, mit 8. oder 9. Lebensjahr habe ich in der Landwirtschaft geholfen, ich trug, was ich konnte.

R: Haben Sie in der eigenen oder in einer anderen Landwirtschaft gearbeitet?

BF: In unserer Landwirtschaft.

R: Wie weit waren die Felder von Ihrem Haus entfernt?

BF: Die Felder liegen ca. 30, 40 Minuten und eine Stunde entfernt.

R: Wer hat Sie zu diesen Feldern gebracht?

BF: Ich ging selber hin, manchmal wenn mein Vater auf den Weg dorthin war, hat er mich mitgenommen.

R: Wenn Ihr Vater nicht auf dem Weg dorthin war?

BF: Dann bin ich selber hingegangen.

R: Wie groß sind die Grundstücke Ihres Vaters gesamt?

BF: Sie sind nicht sehr groß. 2 bis 3 Jiribs.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten