TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/27 97/02/0025

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Veröffentlicht am 27.05.1999
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Index

L46103 Tierhaltung Niederösterreich;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §383;
ABGB §384;
AVG §52;
TierschutzG NÖ 1985 §7 Abs1;
TierschutzG NÖ 1985 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des G P in K, vertreten durch Dr. Franz Wielander, Rechtsanwalt in Gmünd, Walterstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 25. November 1996, Zl. Senat-GD-96-022, betreffend Übertretung des NÖ. Tierschutzgesetzes 1985, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung nach § 7 Abs. 1 des NÖ. Tierschutzgesetzes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 1996 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe "jedenfalls seit" dem 8. Februar 1996 800 amerikanische Minks (Mustela vison), sohin Tiere, die keine Haustiere seien, die ihrer Art nach ein großes Bewegungsbedürfnis hätten, deren Haltung im Interesse ihres Lebens oder Gesundheit oder Arterhaltung nicht notwendig sei, und deren Haltung der zoologischen Wissenschaft nicht diene, an einem näher genannten Standort ohne die gemäß § 7 Abs. 2 des NÖ. Tierschutzgesetzes 1985, LGBl. Nr. 4610, erforderliche Bewilligung entgegen § 7 Abs. 1 leg. cit. gehalten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung nach § 7 Abs. 1 leg. cit. begangen, weshalb über ihn gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. eine Geldstrafe von S 5.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde. Ferner behob die belangte Behörde den im Straferkenntnis vom 9. Juli 1996 gemäß § 13 Abs. 5 leg. cit. ausgesprochenen Verfall der Tiere.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, dass im § 7 Abs. 1 des NÖ. Tierschutzgesetzes (kurz: TG) nicht zum Ausdruck gebracht worden sei, welche Haltung von Tieren grundsätzlich verboten sei und welche Tiere nur aufgrund einer Bewilligung nach § 7 Abs. 2 TG gehalten werden dürften. Unter Haustieren seien "in Anlehnung" an das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch "zahme Tiere" zu verstehen, deren ganze Gattung sich zu Menschen halte, wie Hunde, Pferde, Schafe und eben andere Haustiere.

Wildtiere seien daher solche, wie sie sich regelmäßig im Zustand ihrer natürlichen Freiheit befänden und, wenn sie gefangen würden, ihre Freiheit wieder zu erlangen strebten.

Ebenso seien gezähmte Tiere nicht als Haustiere anzusehen, weil deren Gattung im Allgemeinen wild sei, das einzelne (gezähmte) Tier an den Menschen gewöhnt sei, dies aber nur so lange, als das gezähmte Tier die Gewohnheit, zum Menschen zurückzukehren, besitze.

Wenn dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers dahingehend beizupflichten sei, dass amerikanische Minks schon über längere Zeiträume gezüchtet und gehalten würden und daher auch "von einem gewissen Domestizierungsgrad" auszugehen sei, so deute nichts darauf hin, dass die in Farmen gehaltenen Minks das wilden Tieren ureigene Bestreben auf Erlangen ihrer Freiheit verloren hätten.

Diese Tiere könnten nicht als zahme oder gezähmte Tiere angesehen werden, weil sie sich weder "an den Menschen halten" würden, noch die Gewohnheit besäßen, zum Menschen zurückzukehren.

Insoweit der Beschwerdeführer bemängelt habe, dass die Strafbehörde erster Instanz nicht entsprechend begründet habe, weshalb sie zu der Ansicht gelangt sei, dass es sich bei den Minks um solche Tiere handle, die ihrer Art nach ein großes Bewegungsbedürfnis hätten, so werde dieser Umstand von ihm auch in der Berufung nicht in Zweifel gezogen. Es könne aufgrund der Erfahrungen des täglichen Lebens einem Raubtier, das vornehmlich Wasserjagd im ursprünglichen Zustand betreibe, davon ausgegangen werden, dass es sich um ein solches handle, welches jedenfalls dann, wenn es sich in seiner natürlichen Umgebung befinde, ein großes Bewegungsbedürfnis habe.

Gegen diesen Bescheid, soweit er die Übertretung des § 7 Abs. 1 des NÖ. Tierschutzgesetzes betrifft, richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 7 des NÖ. Tierschutzgesetzes 1985 (kurz: TG), der die Überschrift "Wildtierhaltung" trägt, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung (LGBl. Nr. 4610-0) lautet:

"(1) Außer Haustieren dürfen Tiere nur dann gehalten werden,

-

wenn sie ihrer Art nach kein großes Bewegungsbedürfnis haben,

-

die Haltung im Interesse ihres Lebens oder ihrer Gesundheit oder zur Erhaltung einer Tierart notwendig ist, oder

-

wenn die Haltung der zoologischen Wissenschaft dient.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann auf Antrag des Tierhalters Ausnahmen vom Verbot des Abs. 1 mit Bescheid bewilligen, wenn die besonderen Bedürfnisse des Tieres berücksichtigt werden oder die Tierhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Sie kann auch durch Auflagen (z. B. Befristung etc.) oder Bedingungen sicherstellen, dass die Ziele dieses Gesetzes erreicht werden.

(3) Eine Bewilligung im Sinne des Abs. 2 ist nicht erforderlich, wenn für die Tierhaltung eine Bewilligung nach § 5 des NÖ Veranstaltungsgesetzes, LGBl. 7070, oder § 7 des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500, oder eine Ausnahme nach § 1 Abs. 3 des NÖ Jagdgesetzes vorliegt."

Der Beschwerdeführer bringt u.a. vor, es habe dem NÖ. TG in der vorgannten Fassung eine Legaldefinition des Begriffes "Haustier" gefehlt, sodass es immer wieder zu Auslegungsschwierigkeiten gekommen sei. Die belangte Behörde sei diesen Auslegungsschwierigkeiten dadurch ausgewichen, dass sie den Begriff "Haustier" in Anlehnung an das ABGB so ausgelegt habe, dass unter Haustieren zahme Tiere zu verstehen seien, deren ganze Gattung sich zum Menschen halte, wie Hunde, Pferde, Schafe und "eben die anderen Haustiere". Keine Haustiere seien die Wildtiere und die gezähmten Tiere. Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung und unter ausdrücklicher Anerkennung eines gewissen Domestizierungsgrades komme die belangte Behörde zu dem Schluss, dass die vom Beschwerdeführer gehaltenen Minks als Wildtiere im Sinne des NÖ. TG einzustufen seien. Es sei nicht zulässig, die Klassifizierung der Tierarten nach den allgemeinen Regeln des ABGB auf ein Spezialgesetz, wie es das NÖ. TG sei, zu übertragen und sodann die Rechtsfolgen, die dieses Spezialgesetz an die Klassifizierung der Tierarten knüpfe, eintreten zu lassen. Tatbildlich im Sinne des § 7 Abs. 1 NÖ. TG könne nur die Haltung von Tieren sein, die nach dem NÖ. TG als Wildtiere gelten würden. Die Einstufung der in Europa in freier Wildbahn längst ausgestorbenen Nerze als Wildtiere sei daher rechtsirrig.

Wie schon aus der Überschrift zu § 7 des NÖ. TG ("Wildtierhaltung") in der genannten Stammfassung zu ersehen ist, soll mit dieser Bestimmung die Haltung von "Wildtieren" näher geregelt werden, wobei sich aus der Systematik des Abs. 1 leg. cit. ableiten lässt, dass das Gesetz andere Tiere als Haustiere als "Wildtiere" ansieht (ohne jedoch diesen Begriff unmittelbar in der Textierung der Abs. 1 bis 3 zu verwenden), deren Haltung nur unter besonderen Voraussetzungen (Abs. 1), teilweise auch nur mit behördlicher Bewilligung (Abs. 2), zulässig ist.

Wie die belangte Behörde und der Beschwerdeführer zutreffend anmerken, enthält das Gesetz in der hier noch anzuwendenden Stammfassung keine Definition, was unter "Haustieren" zu verstehen ist. Auch der Begriff "Wildtiere" wird im Gesetz in der genannten Fassung nicht näher definiert.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in Zusammenhang mit der Auslegung des Vorarlberger Tierschutzgesetzes 1982 ausgeführt hat, sind unter "Haustierrassen" jene Tiere zu verstehen, die durch entsprechende Zuchtwahl an das Leben unter Obhut des Menschen weitgehend angepasst sind, und andererseits unter Wildtieren jene Tiere zu verstehen, für die die Gefangenschaft immer einen Ausnahmezustand darstellt, weshalb es notwendig erscheint, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um Wildtieren in Gefangenschaft eine artgerechte Haltungsweise zu gewährleisten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 92/01/0996).

Der Mink (=Amerikanischer Nerz) wird insbesondere als ein vor allem an Gewässern großer Teile Nordamerikas lebendes, ausgezeichnet schwimmendes, hauptsächlich kleine Landwirbeltiere, Krebse und Fische fressendes Raubtier, das wegen seines wertvollen Pelzes oft in Farmen gezüchtet wird (auch in Europa) und zur Familie der Marder gehört, beschrieben (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Auflage, Band 16, S. 283).

Auch wenn die Minks allgemein schon über längere Zeiträume hinweg in Farmen gezüchtet und gehalten werden und die belangte Behörde auch von einem dadurch bei diesen Tieren bereits eingetretenen gewissen Domestizierungseffekt ausgegangen ist, so deutet nichts darauf hin, dass die in Farmen gehaltenen Minks das wilden Tieren eigene Bestreben nach Erlangen ihrer Freiheit verloren hätten. Ebenso wenig ist im Zuge des Verwaltungsverfahrens hervorgekommen, dass diese Tiere als zahme oder gezähmte Tiere angesehen werden könnten, weil sie sich etwa im Sinne der zu den §§ 383 und 384 ABGB zum Begriff "wilde Tiere" entwickelten Lehre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 90/01/0125) weder "an den Menschen halten", noch die Gewohnheit besitzen, zum Menschen zurückzukehren, was auch durch die auch im Beschwerdefall erforderlich gewesene Käfighaltung dieser zur Pelzgewinnung gehaltenen Tiere nicht widerlegt wurde. Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Minks keine "Haustiere" im Sinne des § 7 Abs. 1 des NÖ. TG in der genannten Fassung sind.

Die Behörde ist aber von einer Bewilligungspflicht für die Haltung dieser Tiere u.a. auch deshalb ausgegangen, weil sie ihrer Art nach großes Bewegungsbedürfnis hätten. Der Beschwerdeführer wendet in diesem Zusammenhang ein, er habe schon in der Berufung gerügt, dass der Grad des Bewegungsbedürfnisses der Nerze in den Feststellungen der erstinstanzlichen Straferkenntnisses "mit Stillschweigen" übergangen worden sei. Die belangte Behörde vermeine, das Vorliegen eines großen Bewegungsbedürfnisses des Farmnerzes mit "der Erfahrung des täglichen Lebens" begründen zu können. Sie habe es unterlassen, geeignete Erhebungen über den Grad des Bewegungsbedürfnisses dieser Tiere durchzuführen. Die belangte Behörde habe die Feststellung getroffen, der Nerz sei ein Raubtier, das vornehmlich Wasserjagd betreibe. Demgegenüber habe das Gutachten des dem Verfahren in erster Instanz beigezogenen Amtsarztes, das in die Feststellungen des Straferkenntnisses Eingang gefunden habe, den Nerz als schlechten Schwimmer mit angedeuteten Schwimmhäuten bezeichnet, der überdies nur 1,2% seiner Zeit im Wasser verbringe. Es sei daher die im angefochtenen Bescheid erfolgte Qualifizierung des Nerzes als vornehmlich Wasserjagd betreibendes Raubtier und der daraus abgeleitete Schluss, diese Tierart habe ein großes Bewegungsbedürfnis, aktenwidrig.

Eine relevante Aktenwidrigkeit liegt schon deshalb nicht vor, weil der Sachverständige - soweit für den Verwaltungsgerichtshof aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - zu der Frage, ob die hier zu beurteilenden Tiere ihrer Art nach kein großes Bewegungsbedürfnis haben, nicht Stellung genommen hat. Darauf wurde auch vom Beschwerdeführer selbst im Zuge der Berufung hingewiesen.

Nicht zuletzt wegen der in Bezug auf die in Rede stehenden Tiere vom Sachverständigen festgestellten nicht unerheblichen "Domestikationsveränderungen" war es jedoch der belangten Behörde verwehrt, ohne ergänzende, durch entsprechende sachkundige Stellungnahme untermauerte Ermittlungen allein unter Bezugnahme auf die "Erfahrung des täglichen Lebens" davon auszugehen, dass die hier zu beurteilenden Tiere ein großes Bewegungsbedürfnis hätten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher auch, auf das übrige Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Mai 1999

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997020025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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