Index
83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde von sich als Bürgerinitiativenbezeichnenden Personenmehrheiten gegen die naturschutzrechtlicheBewilligung eines Straßenbauprojekts in Abschnitten der Kremser undder Stockerauer Schnellstraße mangels Legitimation; keineRechtspersönlichkeit der Beschwerdeführer mangels Erfüllung der imUmweltverträglichkeitsprüfungsgesetz festgelegten gesetzlichenVoraussetzungen für BürgerinitiativenSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie BGBl. II 390/2006 wurde nach Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens gemäß dem 3. Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-G) 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004) der Straßenverlauf der S 33 Kremser Schnellstraße, Abschnitt Donaubrücke Traismauer, und der S 5 Stockerauer Schnellstraße, Knoten Jettsdorf, im Bereich der Gemeinden Traismauer, Krems, Gedersdorf, Grafenegg und Grafenwörth festgelegt.
2. In der Folge beantragte die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für das Vorhaben
"S 33 Kremser Schnellstraße - Donaubrücke Traismauer".
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Krems vom 1. Dezember 2006 wurde - ebenso wie mit (im Wesentlichen) wortgleichen Bescheiden der Bezirkshauptmannschaften Krems, St. Pölten und Tulln - zum einen gemäß §10 des NÖ Naturschutzgesetzes (NSchG) 2000 festgestellt, dass das Vorhaben "S 33 Kremser Schnellstraße - Donaubrücke Traismauer" weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes "Vogelschutzgebiet Tullnerfelder Donau-Auen" führt, und zum anderen gemäß §7 NÖ NSchG 2000 der ASFINAG die naturschutzrechtliche Bewilligung für das Projekt erteilt.
Die gegen den zitierten Bescheid des Magistrats der Stadt Krems namens der nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof einschreitenden "Bürgerinitiativen" erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Jänner 2007 abgewiesen (Spruchpunkte 3 bis 5).
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, namens dreier "Bürgerinitiativen" eingebrachte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (unter anderem wegen Anwendung des für verfassungswidrig erachteten §10 NÖ NSchG 2000) und auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
In ihrer Beschwerde bringen die einschreitenden "Bürgerinitiativen" vor, dass sie im Zuge des vor Erlassung der Verordnung BGBl. II 390/2006 durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens innerhalb der in §9 Abs4 iVm §19 Abs4 UVP-G 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004) vorgesehenen Frist eine Stellungnahme verbunden mit der erforderlichen Anzahl an Unterschriften eingereicht hätten. Auf Grund dieser Stellungnahme und der im Verfahren erhobenen Einwendungen komme ihnen nicht nur im Verfahren zur Erlassung der Trassenverordnung ein Teilnahmerecht mit der Möglichkeit zu, die Verordnung gemäß §24 Abs11 UVP-G 2000 (aF) beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, sondern auch Parteistellung in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren verbunden mit einem Beschwerderecht an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (§24h Abs5 iVm §19 Abs4 letzter Satz UVP-G 2000 idF vor BGBl. I 153/2004).
4. a) Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift angesichts des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2006, V14/06, primär die Zurückweisung, allenfalls die Abweisung der Beschwerde.
Die beteiligte ASFINAG erstattete ebenfalls eine Äußerung; auch sie bestreitet primär die Beschwerdelegitimation der einschreitenden Bürgerinitiativen.
b) Darauf haben die beschwerdeführenden "Bürgerinitiativen" repliziert.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Beschwerdeerhebung vor dem Verfassungsgerichtshof sind nur physische und juristische Personen sowie Gebilde legitimiert, denen durch die Rechtsordnung Teilrechtsfähigkeit zuerkannt wird (vgl. VfSlg. 3193/1957 und zuletzt - zur Frage der Beschwerdelegitimation einer Bürgerininiative in einem konzentrierten Genehmigungsverfahren nach dem 2. Abschnitt des UVP-G 2000 - VfSlg. 17.389/2004, S 937 ff., mwN).
2. Gegenstand des angefochtenen, auf der Grundlage des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 erlassenen Bescheides ist die naturschutzrechtliche Bewilligung des Vorhabens "S 33 Kremser Schnellstraße - Donaubrücke Traismauer" im Straßenverlauf der S 33 Kremser Schnellstraße und der S 5 Stockerauer Schnellstraße entsprechend der Verordnung BGBl. II 390/2006.
Gemäß §27 NÖ NSchG 2000 haben in den auf Grund dieses Gesetzes durchzuführenden Verwaltungsverfahren die betroffenen Gemeinden zur Wahrung ihrer Interessen des Fremdenverkehrs, der örtlichen Gefahrenpolizei, des Orts- und Landschaftsbildes und der örtlichen Raumordnung sowie die Niederösterreichische Umweltanwaltschaft zur Wahrung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet des Umweltschutzes Parteistellung im Sinne des §8 AVG.
Da es sich bei dem bewilligten Vorhaben um ein (Bundesstraßen-)Vorhaben handelt, für das - wie sich aus dem dem Verfassungsgerichtshof zu V14/07 vorgelegten (Verordnungs-)Akten ergibt und im Übrigen von den Parteien auch nicht bestritten wird - bis zum 31. Dezember 2004 die Kundmachung gemäß §9 Abs3 UVP-G 2000 durchgeführt worden ist, sind daher - neben den einschlägigen naturschutzrechtlichen Vorschriften - die Bestimmungen des UVP-G 2000 idF vor der Novelle BGBl. I 153/2004 anzuwenden (§46 Abs18 Z5 lita UVP-G 2000 idF BGBl. I 153/2004).
a) Gemäß §23a UVP-G 2000 in der genannten Fassung war vor Erlassung einer Verordnung gemäß §4 Abs1 Bundesstraßengesetz (BStG) 1971 für den Neubau von Bundesstraßen oder ihrer Teilabschnitte eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen.
Gemäß §24 Abs1 UVP-G 2000 galt für das Verordnungserlassungsverfahren, dass in diesem die für die Umweltverträglichkeitsprüfung notwendigen Ermittlungen durchzuführen waren, dass jedoch kein konzentriertes Genehmigungsverfahren stattzufinden hatte und dass - gemäß Abs5 und 6 des §24 - folgende Bestimmungen sinngemäß anzuwenden waren: §4 (Vorverfahren), §6 (Umweltverträglichkeitserklärung) und §10 Abs1 bis 5 und 7 (grenzüberschreitende Auswirkungen); §9 (öffentliche Auflage) mit der Maßgabe, dass die öffentliche Auflage und die Auflage gemäß §4 Abs5 BStG 1971 in einem durchzuführen waren und dass weiters statt des Hinweises auf die Parteistellung der Bürgerinitiativen auf ihr Antragsrecht nach §24 Abs11 UVP-G 2000 und ihre Parteistellung oder Beteiligtenstellung in den nachfolgenden Genehmigungsverfahren nach §24h Abs5 leg.cit. hinzuweisen war. Für die Entstehung der Bürgerinitiativen galt §19 Abs4 UVP-G 2000.
§24h Abs5 UVP-G 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004) bestimmte:
"(5) Die für die Erteilung von Genehmigungen im Sinn des §2 Abs3 zuständigen Behörden haben die Abs1 und 2 sowie §17 Abs4 und 5 anzuwenden, soweit sie für ihren Wirkungsbereich maßgeblich sind. In diesen Genehmigungsverfahren haben die nach den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften und im §19 Abs1 Z3 bis 6 angeführten Personen Parteistellung mit der Berechtigung, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren wahrzunehmen. Wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren durchgeführt, so können Bürgerinitiativen gemäß §19 Abs4 an den Verfahren als Beteiligte mit dem Recht auf Akteneinsicht teilnehmen. Der wesentliche Inhalt der Entscheidungen sowie die wesentlichen Entscheidungsgründe sind von der Behörde jedenfalls in geeigneter Form kundzumachen oder zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen."
Der bezogene §19 lautete auszugsweise:
"§19. (1) Parteistellung haben
...
6. Bürgerinitiativen gemäß Abs4, ausgenommen im vereinfachten Verfahren (Abs2).
...
(4) Eine Stellungnahme gemäß §9 Abs4 kann durch Eintragung in eine Unterschriftenliste unterstützt werden, wobei Name, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben und die Unterschrift beizufügen ist. Die Unterschriftenliste ist gleichzeitig mit der Stellungnahme einzubringen. Wurde eine Stellungnahme von mindestens 200 Personen, die zum Zeitpunkt der Unterstützung in der Standortgemeinde oder in einer an diese unmittelbar angrenzenden Gemeinde für Gemeinderatswahlen wahlberechtigt waren, unterstützt, dann nimmt diese Personengruppe (Bürgerinitiative) am Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für das Vorhaben und nach §20 als Partei oder als Beteiligte (Abs2) teil. Als Partei ist sie berechtigt, die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben.
(5) Vertreter/in der Bürgerinitiative ist die in der Unterschriftenliste als solche bezeichnete Person, mangels einer solchen Bezeichnung die in der Unterschriftenliste an erster Stelle genannte Person. Der Vertreter/die Vertreterin ist auch Zustellungsbevollmächtigter gemäß §9 Abs1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982. Scheidet der Vertreter/die Vertreterin aus, so gilt als Vertreter/in der Bürgerinitiative die in der Unterschriftenliste jeweils nächstgereihte Person. Der Vertreter/die Vertreterin kann mittels schriftlicher Erklärung an die Behörde durch eine/n andere/n ersetzt werden. Eine solche Erklärung bedarf der Unterschrift der Mehrheit der Bürgerinitiative."
3. a) Daraus folgt, dass gemäß §24h Abs5 UVP-G 2000 (idF vor BGBl. I 153/2004) einer Personengruppe, die die in §19 Abs4 leg.cit. aufgestellten Erfordernisse erfüllt, Parteistellung in einem einer Trassenverordnung nachfolgenden Verfahren zur Erteilung einer (hier naturschutzrechtlichen) Bewilligung für das Straßenbauprojekt eingeräumt ist. Kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzgebers kommt ihr (auch) die Beschwerdelegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof und als deren Grundlage die ebenfalls ausdrücklich als "subjektives Recht" bezeichnete Befugnis zu, "die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften" im Verfahren geltend zu machen.
b) Voraussetzung ist aber, dass die in §19 Abs4 UVP-G 2000 aufgestellten Erfordernisse spätestens am letzten Tag der öffentlichen Auflage gemäß §9 UVP-G 2000 erfüllt sind. Nicht entscheidend ist, ob der Bundesminister als verordnungserlassende Behörde oder eine Behörde in einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren eine unter einer gemeinsamen Bezeichnung auftretenden Personengruppe als Rechtsperson und damit als "Bürgerinitiative" iSd §19 Abs4 leg.cit. behandelt hat oder nicht.
Wie sich aus dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom heutigen Tag, V14/07, ergibt, erfüllen die im Rahmen der öffentlichen Auflage der Unterlagen für das gegenständliche (Straßenbau-)Vorhaben gemäß §9 UVP-G 2000 jeweils von mehr als 200 Personen unterstützten so genannten "Stellungnahmen" (in Ermangelung eines zur Unterstützung geeigneten Textes) nicht die Voraussetzungen des §19 Abs4 iVm §9 Abs4. Den einschreitenden Personenmehrheiten fehlt es daher an einer von der Rechtsordnung verliehenen Fähigkeit, Träger bestimmter Rechte zu sein, und damit auch an der Möglichkeit, im eigenen Namen als Partei vor dem Verfassungsgerichtshof aufzutreten.
Angesichts dieses Ergebnisses kann es dahingestellt bleiben, inwieweit der Umstand, dass nur einer von vier gemäß §4 Abs1 AVG im Wesentlichen gleich lautenden Bescheide nach Erschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden ist, für die Zulässigkeit dieser Beschwerde von Relevanz gewesen wäre.
c) Die Beschwerde war daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
Schlagworte
Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Umweltschutz,Umweltverträglichkeitsprüfung, Naturschutz, Parteistellung, VfGH /Legitimation, Trassierungsverordnung, Rechte subjektive öffentliche,Person juristische, Anwendungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B149.2007Zuletzt aktualisiert am
30.01.2009