TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/17 W237 2135618-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2019
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Entscheidungsdatum

17.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W237 2135618-1/27E

Schriftliche Ausfertigung des am 05.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2016, Zl. 1044653908-140144237, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.03.2018 und 05.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: AsylG 2005), § 57 und § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: FPG), und § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (im Folgenden: BFA-VG), sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 06.11.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, Staatsangehöriger von Somalia und am XXXX geboren worden zu sein.

1.1. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei brachte er zunächst vor, aus Mogadischu zu stammen, der Volksgruppe der Ogaden anzugehören und muslimischen Glaubens zu sein. Er könne weder lesen noch schreiben, habe keine Schulbildung und noch nie gearbeitet. Er sei ledig und habe keine Kinder. Mogadischu habe er im September 2014 verlassen und sei mit dem Flugzeug nach Nairobi geflogen. Schließlich sei er über Äthiopien, den Sudan und Libyen nach Italien gereist, wo er sich einige Tage aufgehalten habe, ehe er weiter mit dem Zug nach Österreich gefahren sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte er an, dass in Somalia Krieg herrsche und es keine Arbeit gebe; mehr wolle er dazu nicht sagen.

1.2. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 21.11.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein seines gesetzlichen Vertreters und eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Er stimmte darin zunächst einer ärztlichen Untersuchung zur Altersfeststellung zu. Befragt, woher er den Reisepass habe, mit dem er von Italien nach Österreich gekommen sei und laut welchem der Beschwerdeführer volljährig sei, gab er an, dass er diesen Reisepass gekauft habe und die darin ausgewiesenen Angaben nicht seine richtigen Identitätsdaten seien. Seine Mutter und seine Geschwister lebten weiterhin in Mogadischu.

1.3. Nach einem Röntgenbefund der linken Hand des Beschwerdeführers vom 03.12.2014 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein gerichtsmedizinisches Gutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers in Auftrag.

Aus dem Gutachten des Ludwig-Boltzmann-Instituts vom 03.02.2015 ergibt sich in einer Gesamtbeurteilung nach den Ergebnissen einer Befragung und körperlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.01.2015, des eingeholten Röntgenbildes der linken Hand vom 03.12.2014, eines CT der brustbeinnahen Schlüsselbeinregion und einer Panoramaröntgenaufnahme des Gebisses vom 23.01.2015, dass zum Untersuchungszeitpunkt ein Mindestalter des Beschwerdeführers von 17 Jahren bestanden habe. Es ergebe sich für den Beschwerdeführer ein wahrscheinliches Lebensalter von ca. 18-20 Jahren, das vom Beschwerdeführer angegebene Alter und Geburtsdatum könne aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden.

1.4. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2016 gab der Beschwerdeführer an, in Mogadischu im Bezirk Waberi geboren und aufgewachsen zu sein. Es habe immer wieder Kontrollen durch die Regierungsleute gegeben, weil diese allen jungen Menschen unterstellen würden, für die Terrormiliz Al Shabaab zu arbeiten; man könne leicht ins Gefängnis kommen. Zwei seiner Brüder hätten in einer Nebenstraße Fußball gespielt und seien bei einem Anschlag getötet worden. Er sei wegen seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden und schließlich mangels Arbeitsmöglichkeiten in Somalia geflohen. In Mogadischu lebten alle Clans, die meisten Ogaden seien in Äthiopien, weshalb er auch keine näheren Angaben dazu machen könne. Am 20.06.2014 sei er für 20 Tage eingesperrt worden, weil ein Regierungsmitglied getötet und dem Beschwerdeführer unterstellt worden sei, mit dessen Tod im Zusammenhang gestanden zu sein. Die Regierung habe behauptet, dass er zur Al Shabaab gehöre. Diese wolle junge Leute rekrutieren, auch der Beschwerdeführer sei mehrmals persönlich angeworben worden, um Anschläge durchzuführen. Er könne in Somalia an keinem anderen Ort leben, weil er dort niemanden kenne.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 23.08.2016 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.); schließlich hielt die Behörde fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen vor der Behörde gesteigert habe, im Zuge seiner Erstbefragung habe er nämlich mit keinem Wort von einer persönlichen Bedrohung gesprochen. Wenn der Beschwerdeführer im Nachhinein angebe, während der Erstbefragung krank gewesen zu sein, stehe dies im Widerspruch zu seinen damaligen Angaben. Ein Widerspruch sei auch darin zu erblicken, dass der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung angegeben habe, Analphabet zu sein, während er in seiner Einvernahme behauptet habe, zwei oder drei Jahre eine Privatschule besucht zu haben. Seine Angaben in der Erstbefragung, Somalia aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, seien glaubhaft. Auch unter Wahrunterstellung, dass seine Brüder tatsächlich bei einem Anschlag getötet worden seien, liege damit kein gezieltes Attentat vor. Maßgebliche Anhaltspunkte dahingehend, dass der Beschwerdeführer wegen individueller Kriterien rekrutiert worden sei, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Dass die Al Shabaab ein besonderes Interesse am Beschwerdeführer habe, sei jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Der Beschwerdeführer habe Familienangehörige in Somalia, weshalb angenommen werde, dass er bei einer Rückkehr über Anknüpfungspunkte verfüge. Ein schützenswertes Privatleben in Österreich sei hingegen nicht entstanden. Es lägen beim Beschwerdeführer keine individuellen Umstände vor, die gegen eine Rückkehr nach Somalia sprächen; insbesondere sei nicht anzunehmen, dass er in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung darstelle.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 25.08.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die XXXX als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid vollinhaltlich Beschwerde, in der er monierte, dass die Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt und unzureichende Länderfeststellungen herangezogen habe. Es werde daher auf den aktuellen Bericht von EASO aus Februar 2016 verwiesen. Von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mogadischu könne für den Beschwerdeführer nicht ausgegangen werden, weshalb ihm die Flüchtlingseigenschaft hätte zuerkannt werden müssen. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen sehr detailliert und lebensnah gestaltet. Ihm drohe Verfolgung aufgrund seiner unterstellten politischen bzw. religiösen Gesinnung; die Al Shabaab könne ihn in ganz Somalia finden. Jedenfalls drohe dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bzw. eine Verletzung seines Rechts auf Leben auf Grund seiner Weigerung, weder für die Regierung noch für für die Al Shabaab zu arbeiten.

3.1. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.03.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und im Beisein seiner Rechtsvertreterin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Niederschrift dieser Verhandlung sind folgende entscheidungswesentliche Passagen zu entnehmen:

"[...]

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

BF: Mir geht es gesundheitlich sehr gut, ich nehme keine Medikamente.

R: Sie wurden bereits beim Bundesamt bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

BF: Man kann nicht ausschließen, dass ich den damaligen Dolmetscher nicht richtig verstanden habe.

R wiederholt die Frage.

BF: Ja, ich habe immer die Wahrheit angegeben.

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das Bundesamt mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

BF: Ja, beide wurden mir rückübersetzt.

R: Haben Sie die Dolmetscher in den Einvernahmen vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und dem Bundesamt gut verstanden?

BF: Der Dolmetscher in der BFA-Einvernahme gehörte einem anderen Stamm an; es kann auch sein, dass er meinen Dialekt nicht verstanden hat.

R: Warum sollte er Sie nicht verstehen, nur weil er einem anderen Stamm angehört?

BF: In der somalischen Sprache gibt es verschiedene Dialekte; ich gehöre dem Stamm der Reer Hamar an.

R: Hatten Sie das Gefühl, dass er Sie nicht versteht?

BF: Ich habe den Dolmetscher schon verstanden, es kann aber sein, dass verschiedene somalische Wörter anders lauten.

R: Ich kenne den in der Einvernahme vom 24.6.2017 eingesetzten Dolmetscher selbst, weil er auch für das BVwG immer wieder tätig ist. Er beherrscht die in Somalia gesprochenen Dialekte. Würde er etwas nicht verstehen, wäre es seine Pflicht, dies anzugeben. Dies hat er lt. Niederschrift nicht getan; ich gehe daher davon aus, dass er Sie sehr gut verstanden hat.

BF: Er gehört dem Stamm der Isaaq an und spricht einen anderen Dialekt.

R: Wenn Sie das Gefühl hatten, nicht richtig verstanden worden zu sein, warum haben Sie dann die Niederschrift unterschrieben?

BF: Ich habe ihm vertraut.

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF: Ja, meine Familie ist inzwischen aus Somalia nach Kenia geflüchtet.

R: Im angefochtenen Bescheid des BFA wurde bereits festgestellt, dass Sie aus Somalia stammen. Welchem Clan gehören Sie an?

BF: Ich gehöre dem Clan der Ogaden, Subclan XXXX , an.

R: Gibt es noch einen Subsubclan?

BF: Ja, XXXX .

R: Warum haben Sie vorhin dann gesagt, Sie gehörten dem Clan der Reer Hamar an?

BF: Damit habe ich gemeint, dass ich den Reer Hamar-Dialekt spreche. Dieser Dialekt wird in der Stadt Mogadischu gesprochen.

R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: Ich bin in Waberi in Mogadischu geboren und aufgewachsen.

R: Lebten Sie bis zu Ihrer Ausreise in Mogadischu?

BF: Ja.

R: Haben sie jemals woanders gelebt?

BF: Nein.

R: Können Sie Waberi näher beschreiben?

BF: Nummer 4 ist das Zentrum von Mogadischu. Es gibt einen Ort namens XXXX , das ist eine sehr berühmte Straße. Die Regierung benützt öfters auch diese Straße.

R: Wie heißt die Straße, in der Sie gewohnt haben?

BF: Es gibt vier verschiedene Straßen um meine ehemalige Wohnung herum: XXXX und XXXX ; diese liegt schon Richtung Flughafen.

R: Ist der Bezirk Waberi für etwas bekannt, sei es eine Straße, ein Markt oder ein Stadion?

BF: Bei uns in der Nähe gibt es kein Stadion. Es gibt dort eine berühmte Moschee, diese heißt XXXX .

R: Welche Clans waren bestimmend in Ihrem Heimatbezirk?

BF: Es sind verschiedene Stämme dort ansässig, z.B. die Hawiye und die Darood.

R: Gibt es auch viele Ogaden dort wie Sie?

BF: Nein.

R: Kannten Sie andere Ogaden oder waren Sie und Ihre Familie die einzigen?

BF: Mir ist keine andere Familie bekannt.

R: Sind Sie verheiratet und haben Kinder?

BF: Nein.

R: Erzählen Sie mir bitte, wie Sie in Somalia aufgewachsen sind; haben Sie die Schule besucht und einen Beruf ausgeübt?

BF: Ich war damals ein kleines Kind und das Leben war sehr schwer. Ich habe eine private Schule besucht und in der Schule habe ich Somalisch gelernt.

R: Wie lange haben Sie diese Schule besucht?

BF: Drei Jahre.

R: Wie alt waren Sie, als Sie die Schule begonnen haben?

BF: Im Jahr 2010 habe ich diese Schule besucht.

R: Haben Sie einen Beruf erlernt?

BF: Nein.

R: Was haben Sie nach dem Schulbesuch gemacht?

BF: Meine Familie hatte Angst um mich und deshalb musste ich mit der Schule aufhören.

R: Wann mussten Sie mit der Schule aufhören?

BF: Das war im Jahr 2013.

R: Mit wem sind Sie aufgewachsen?

BF: Mit meinen Geschwistern.

R: Waren Ihr Vater und Ihre Mutter da?

BF: Mein Vater ist 2009 verstorben.

R: Wuchsen Sie mit Ihrer Mutter auf?

BF: Ja.

R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Meinen Sie lebende oder insgesamt?

R: Noch am Leben befindliche.

BF: 4 Brüder und 2 Schwestern sind noch am Leben.

R: Sind manche Ihrer Geschwister älter als Sie?

BF: 2 sind älter als ich und zwar ein Bruder und eine Schwester.

R: Wie viele Jahre jünger sind die vier anderen Geschwister?

BF: Einer ist drei Jahre jünger und heißt Ahmed.

R: Erzählen Sie mir über Ihre Geschwister.

BF: Isse ist auch jünger als ich; Muna ist meine jüngere Schwester, sie ist ca. 7 Jahre jünger als ich. Der jüngste Bruder heißt Mowliid, er war 6 Jahre alt, als ich nach Österreich kam. Ich bin 11 Jahre älter als Mowliid. Ahmed ist wie gesagt auch jünger.

R: Wie heißen die älteren Geschwister?

BF: Rahmo heißt meine ältere Schwester und der ältere Bruder heißt Mohamed.

R: Leben Ihre Familienmitglieder noch in Somalia?

BF: Nein.

R: Haben Sie zu Ihrer Familie noch Kontakt?

BF: Am 2. Jänner 2018 hatte ich zuletzt Kontakt per Telefon.

R: Mit wem haben Sie da gesprochen?

BF: Mit meinem älteren Bruder.

R: Befindet der sich jetzt ebenfalls in Kenia?

BF: Ja.

R: Warum sind Ihre Familienangehörigen nach Kenia gegangen?

BF: Die Regierungssoldaten sind ständig auf der Suche nach Jugendlichen.

R: Was ist Ihrer Familie konkret passiert, dass sie Somalia verlassen musste?

BF: Sie sind aus wirtschaftlichen Gründen gegangen.

R: Wann?

BF: In diesem Jahr.

R: Was heißt "in diesem Jahr"? Sie haben gesagt, Sie hätten Anfang Jänner mit Ihnen gesprochen und da seien sie bereits in Kenia gewesen.

BF (überlegt): Ich habe am 2. Jänner mit meinem Bruder gesprochen und er erzählte mir, dass er am Vortag aus Somalia gekommen wäre.

R: Sind alle Ihre Geschwister mit Ihrer Mutter am 1. Jänner nach Kenia geflohen?

BF: Ja.

R: Warum?

BF: Wir haben nicht ausführlich gesprochen, ich hatte nur 10 Euro Guthaben. Das Gespräch war nicht lang.

R: Aber Sie haben ja mit Ihrem Bruder telefoniert, der Ihnen erzählt hat, dass er mit der Familie nach Kenia geflohen sei. Da wird sich doch zumindest ein "Warum?" ausgegangen sein.

BF: Aus den gleichen Gründen wie ich.

R: Wie geht es Ihrer Familie heute finanziell?

BF: Sie sind in einem Flüchtlingslager.

R: Wie war ihre finanzielle Situation vor dem 1. Jänner?

BF: Sie hatten nichts, sie hatten auch nichts zu Essen. Manchmal haben sie nichts bekommen, manchmal schon.

R: Was hat Ihre Mutter beruflich gemacht?

BF: Die Frauen arbeiten in Somalia nicht.

R: Haben Sie am 2. Jänner mit Mohamed telefoniert?

BF: Ja.

R: Was macht Mohamed beruflich?

BF: Er arbeitet nicht.

R: Hat in den letzten Jahren überhaupt irgendwer in Ihrer Familie gearbeitet?

BF: Nein.

R: Wovon hat Ihre Familie dann in den letzten Jahren gelebt?

BF: Als mein Vater am Leben war, hat er gearbeitet.

R: Aber der ist ja 2009 gestorben - was war dann?

BF: Nach dem Ableben meines Vaters hat meine Familie auch manchmal Hilfe bekommen.

R: Von wem?

BF: Von Nachbarn. Jeder hilft jedem.

R: Wann sind Sie aus Somalia ausgereist?

BF: Am 25.09.2014.

R: Erzählen Sie mir bitte mit eigenen Worten detailliert, warum Sie sich zum Verlassen Ihres Herkunftslandes gezwungen sahen.

BF: Tötung und Verhaftung.

BF schweigt.

R: Was heißt das? Ich habe Ihnen zu Beginn der Verhandlung deutlich mitgeteilt, dass Sie bitte von sich aus und möglichst präzise Ihr Vorbringen darlegen mögen.

BF: Es gab eine Explosion, meine beiden Brüder wurden durch die Explosion getötet. Ich wurde auch von Regierungssoldaten verhaftet.

BF schweigt.

R: Wann wurden Sie von Regierungssoldaten verhaftet?

BF: Meinen Sie das erste oder das zweite Mal?

R: Sie haben mir bisher nicht von zwei Vorfällen erzählt. Wann wurden Sie das erste Mal verhaftet?

BF: 2013 wurde ich das erste Mal verhaftet.

R: Warum wurden Sie verhaftet, was ist da passiert?

BF: Wenn es allgemein in Somalia eine Explosion gibt, dann verhaftet die Polizei alle Jugendlichen.

R: Wie lief diese Verhaftung ab?

BF: Es gab eine Explosion in der Nähe meiner Wohnung. Die Polizei verhaftet alle Jugendlichen, es gibt Folterungen.

D weist darauf hin, dass BF allgemein gehaltene Ausführungen tätigt.

R: Was konkret ist Ihnen passiert, dass Sie aus Somalia geflohen sind?

BF: Ich habe alles erzählt. Genau, was ich jetzt auch erzählt habe.

R: Sie haben mir noch keine nachvollziehbare Schilderung dartun können. Ich ersuche Sie darum in Ihrem Interesse nochmals - ich war bei den angeblichen Vorfällen ja nicht dabei.

BF: Ich wurde aufgrund meiner Stammzugehörigkeit gefoltert und verhaftet.

R: Wann?

BF: Das erste Mal war 2013. Es wird immer noch gefoltert, es gibt keinen Frieden.

R: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret befürchten?

BF: Es gibt dort keinen Frieden.

R: Leben Sie in Österreich alleine oder mit jemandem zusammen?

BF: Ich bin in der Grundversorgung und lebe in einem Flüchtlingsheim.

R: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates - von Kenia abgesehen - noch Verwandte?

BF: Nein.

R: Wie viel hat Ihre Reise nach Österreich gekostet?

BF: 4.600 US-Dollar, das ist ein ungefährer Betrag, genau kann ich es nicht sagen.

R: Woher hatten Sie dieses Geld?

BF: Dieses Geld hat mir mein Onkel zur Verfügung gestellt.

R: Welcher Onkel ist das, wo lebt der?

BF: Ich nehme an, dass er sich in Äthiopien befindet.

R: Ich habe Sie vorhin gefragt, ob es Verwandte außerhalb Somalias gibt, Kenia ausgenommen. Da haben Sie mir nichts von einem Onkel erzählt.

BF: Ich habe gesagt, dass ich Verwandte in Äthiopien und Kenia habe, aber mit denen habe ich keinen Kontakt.

R: Das haben Sie nicht gesagt. Warum - wenn Sie keinen Kontakt mit ihm haben - hat Ihnen Ihr Onkel Geld für die Ausreise gegeben?

BF: Er hatte das Gefühl, dass ich Schwierigkeiten hatte.

R: Woher hatte er das Gefühl?

BF: Er lebte damals in Bardheere.

R: Sprechen Sie deutsch? Haben Sie ein Deutschzeugnis?

BF (auf Deutsch): Ein bisschen.

R (ohne Dolmetscher): Was haben Sie gestern gemacht?

BF (auf Deutsch): Lawyer, Frage, Verhandlung vorbereiten.

R (ohne Dolmetscher): Wo wohnen Sie?

BF (auf Deutsch): XXXX .

R (ohne Dolmetscher): Wo ist das?

BF (auf Deutsch): XXXX.

R (ohne Dolmetscher): Können Sie mir XXXX beschreiben? Wie sieht es dort aus?

BF (auf Deutsch): Ich verstehe leider nicht.

R: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

BF: Nein, ich arbeite nicht.

RV legt vor:

"Betrauung mit der Sicherung des Schulwegs". Das Dokument wird als Anlage ./A zum Akt genommen.

R: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

BF: Ich habe eine andere Arbeit gesucht. Mir wurde gesagt, dass ich warten solle.

R: Wann waren Sie in dieser Sicherung des Schulweges für die Gemeinde XXXX tätig?

BF: Im Jahr 2016.

R: Wie oft haben Sie das gemacht?

BF: Ich habe 2017 damit aufgehört.

R: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, wenn Sie ein Aufenthaltsrecht bekämen?

BF: Ich möchte allgemein arbeiten und mich weiterbilden.

R: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

BF: Ich habe einen Deutschkurs an der VHS XXXX belegt.

R: Besuchen Sie diesen Kurs nach wie vor?

BF: Ja.

R: Hier steht, dass der Deutschkurs letzten Dezember begonnen habe. Haben Sie davor eine Ausbildung gemacht?

BF: Ich habe vor diesem Kurs noch einen anderen besucht.

R: Haben Sie dazu eine Bestätigung?

BF: Nein, so etwas habe ich nicht bekommen.

BF legt eine Bestätigung über einen Deutschkursbesuch der VHS XXXX vor, die als Anlage ./B in Kopie zum Akt genommen wird.

R: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

BF: Meinen Sie in XXXX?

R: Allgemein, aber im Speziellen dort, wo Sie wohnen.

BF: Ich spiele gerne Fußball und habe viele Freunde.

R: Haben Sie auch österr. Freunde?

BF: Ja.

R: Sind Sie strafrechtlich verurteilt?

BF: Es gab kleine Auseinandersetzungen.

R: Mir liegen Polizeiberichte vor, wonach Sie mehrmals mit Drogen angetroffen worden seien. Was sagen Sie dazu?

BF: Das stimmt, es gab auch einmal eine Auseinandersetzung.

R: Ich habe einen Polizeibericht vom 12.7.2017, wonach Sie am XXXX mit Suchtgift am Elisabethkai angetroffen worden seien. Stimmt das?

BF: Das war ein Gramm Marihuana.

R: Es gibt einen weiteren Bericht vom 11.9.2017, wonach Sie am XXXX , wiederum in der Nacht, beim Hauptbahnhof in XXXX ebenso mit Drogen angetroffen worden seien. Ist das korrekt?

BF: Das waren Drogen für den Selbstgebrauch.

R: Stimmt es, dass Sie sich gegenüber den Polizeibeamten aggressiv verhalten haben und Sie bei diesem Vorfall mit Handschellen festgehalten wurden?

BF: Ich bin insgesamt dreimal angetroffen worden.

R: Mir geht es um den Vorfall beim Hauptbahnhof am XXXX .

BF: Ich musste mich ausweisen, war aber nicht so aggressiv. Mir ist ein Zettel runtergefallen und ich wollte diesen vom Boden aufheben; ich hatte aber keine Drogen damals. Der Polizist wollte wissen, wo ich ein bei mir befindliches Gerät zur Verarbeitung des Cannabis-Krauts gekauft habe. Ich hatte das von der Trafik.

R: Schließlich liegt mir noch eine weitere Meldung vom 17.8.2017 vor, wonach Sie am XXXX mit einem anderen Asylwerber sehr gestritten und im Zuge dieses Streits auch ein Obstmesser in der Hand gehabt hätten, stimmt das?

BF: Diesen Vorfall kann ich bestätigen, aber es war kein Messer im Spiel.

R: Wie beurteilen Sie Ihre Verhaltensweise, die Sie in den letzten Monaten in Österreich an den Tag legen?

BF: Ich bin nicht nach Österreich gekommen, um so etwas zu machen; es passiert einfach. Ich möchte niemandem wehtun und auch nicht, dass man mir wehtut.

R: Warum machen Sie dann so etwas?

BF: Ich möchte einfach den Stress abbauen.

R: Sie leben jetzt seit Ende 2014 in Österreich, zeigen aber nicht wirklich, dass Sie zu einer Integration in unserem Land bereit wären: Sie sprechen kaum Deutsch und nehmen auch noch Drogen. Was sagen Sie dazu?

BF: Inzwischen rauche ich nicht mehr. Ich trinke auch ab und zu Alkohol, weil ich keine Arbeit habe; ich habe nichts und möchte manchmal einfach gut drauf sein.

R: Ist Ihnen bekannt, dass Sie illegal nach Österreich einreisten?

BF: Das ist mir schon bewusst, ja.

R: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

BF: Der Weg nach Österreich war sehr schwierig. Ich möchte mich hier in Österreich integrieren und einfach weiterkommen.

R: Gemeinsam mit der Ladung wurden Ihnen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in ihrem Herkunftsstaat übermittelt. Bisher ging hierzu keine Stellungnahme ein. Wollen Sie sich nunmehr hierzu äußern?

BF: Gelesen habe ich nichts.

RV: Keine Stellungnahme zu den Länderberichten.

Folgende weitere Erkenntnisquellen werden dem BF genannt, deren Inhalt in Bezug auf die konkrete Situation des BF erörtert und ihm zur Stellungnahme vorgehalten:

Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 12.01.2018 - Anlage ./C

R fragt RV, ob sie Fragen an den BF hat.

RV: Haben Sie in Somalia jemals einen Beruf ausgeübt?

BF: Nein.

RV: Könnten Sie bei einer theoretischen Rückkehr nach Mogadischu Arbeit finden?

BF: Die Lage hat sich immer noch nicht beruhigt und es gibt auch das Problem wegen meines Stammes.

R: Welches Problem erwarten Sie da konkret aufgrund Ihres Stammes?

BF: Ich wurde aufgrund meiner Stammeszugehörigkeit ausgegrenzt, weil ich dem Stamm der Darood angehöre.

BF schweigt.

R: Woher hatte Ihr Onkel das Geld für die Ausreise?

BF: Ich weiß es nicht, ich war damals ein kleines Kind.

R: Sie waren 17,5 Jahre, fast volljährig.

BF: In Somalia ist man bereits mit 15 volljährig. Nur in Österreich ist man mit 18 volljährig.

R: Dann wundert mich umso mehr, wenn Sie sagen, Sie seien damals ein kleines Kind gewesen.

BF: Mein Onkel wollte nicht, dass ich getötet werde.

R: Ich habe zu ihrem Verfahren keine weiteren Fragen. Wollen Sie noch etwas angeben oder Anträge stellen?

BF: Ich möchte ein neues Leben in Österreich anfangen.

R fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstanden hat.

BF: Ja.

[...]

RV bittet um Stellungnahme zu den neuen ins Verfahren eingeführten Länderberichten.

RV: Der BF hat in Mogadischu bzw. Somalia kein soziales oder familiäres Netzwerk. Weiters verfügt er über keine abgeschlossene Schulbildung und keinerlei Berufserfahrung. Im Hinblick auf die volatile Sicherheits-und Versorgungslage in Mogadischu -insbesondere auch in Anbetracht der aktuellen Dürresituation und Binnenflucht-Bewegungen, die sich aus dem aktuellen LIB ergeben -wäre der BF bei einer Rückkehr nach Somalia jedenfalls dem Risiko einer Art. 3 EMRK-Verletzung ausgesetzt.

[...]"

In der Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der Stadtgemeinde XXXX vor, wonach er am XXXX mit der Sicherung des Schulweges betraut worden sei. Weiters legte er ein Bestätigungsschreiben über den Besuch eines Deutschkurses für Asylwerbende - Alphabetisierung 1 vom 05.03.2018 an der Volkshochschule XXXX vor.

3.3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.11.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine neuerliche öffentliche mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer durch. In dieser gab er an, dass in Kenia nunmehr seit 01.01.2018 seine Mutter und seine Geschwister im Flüchtlingslager Dadaab lebten; in Äthiopien befänden sich auch seine Onkel. Er telefoniere zumindest einmal pro Woche mit seinem älteren Bruder und seinem Cousin. In Österreich gehe er keiner Beschäftigung nach, weil er Asylwerber sei. Er besuche auch keinen Deutschkurs. Auf einen Vorfall angesprochen, wonach er am XXXX eine andere Person mittels eines Faustschlags leicht verletzt habe, meinte der Beschwerdeführer, dass sich dieser am XXXX zugetragen habe. Aufgefordert, darüber näher zu berichten, meinte der Beschwerdeführer, dass er "hundertmal Streit gehabt" habe und nicht wisse, über welchen Vorfall er nun erzählen solle. Wenn Leute ihn diskriminierten, kämpfe er eben.

Die Rechtsvertreterin legte schriftliche Stellungnahme zur Lage in Somalia vor, wonach der Beschwerdeführer in Mogadischu dem Risiko einer Verletung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK ausgesetzt sei. Es sei aus den dem Beschwerdeführer im Vorfeld der Verhandlung übermittelten Länderberichten ersichtlich, dass die Versorgungslage in Mogadischu schlecht sei und es insgesamt sehr wenig Arbeit gebe, die in den meisten Fällen nicht zur Existenzsicherung ausreiche. Diese allgemein schlechte Situation treffe den Beschwerdeführer aufgrund besonderer, exzeptioneller Umstände umso härter: Er gehöre einem Minderheitenclan an, der in Mogadischu nicht weit verbreitet sei; die Clanzugehörigkeit im Auswahlverfahren spiele im Arbeitsleben eine große Rolle. Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei Ausbildung oder Berufserfahrung und könne deshalb nur "niedrige Dienste" verrichten. Zusätzlich wäre er ein "Rückkehrer" und sei aus den Berichten zu entnehmen, dass der Arbeitsmarkt mit frustrierten Arbeitssuchenenden gesättigt sei. Da der Beschwerdeführer über keine Verwandten mehr in Somalia verfüge, könne er auch nicht auf diese notwendige Unterstützung zurückgreifen. Er sei einem realen Risiko ausgesetzt, keine Existenzgrundlage in Somalia mehr vorzufinden.

Nach Schluss der Verhandlung verkündete der erkennende Richter den Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses samt den tragenden Entscheidungsgründen.

3.4. Mit Schreiben vom 15.10.2018 beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Pkt. I dargelegte Verfahrensgang wird zum Inhalt der Feststellungen erhoben.

1.2. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Clan der Ogaden, Subclan XXXX , Subsubclan XXXX , an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er wurde in Mogadischu geboren, wo er im Bezirk Waberi aufwuchs und bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern (zumindest zwei Brüder und vier Schwestern) lebte. Er besuchte in Somalia drei Jahre eine private Schule, eine Berufsausbildung absolvierte er hingegen nicht. Zumindest die Mutter sowie einige seiner sechs Geschwister wohnen nach wie vor in Mogadischu.

Der Beschwerdeführer reiste im Herbst 2014 - unter finanzieller Unterstützung aus seinem Familienkreis - von Somalia über Äthiopien und Libyen nach Italien, von wo er schließlich mit dem Zug nach Österreich fuhr und am 06.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seitdem befindet er sich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung durchgängig im Bundesgebiet, lebt in einer Flüchtlingsunterkunft und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer geht derzeit keiner legalen Arbeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen und steht nicht in medizinischer Behandlung; er bezeichnet sich selbst als gesund. In Österreich leben keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers. In seiner Freizeit spielt er Fußball und hat zumindest in diesem Rahmen soziale Kontakte geknüpft. Im Jahr 2016 war er mit der Sicherung des Schulwegs in seiner Wohnsitzgemeinde in Österreich betraut. Er beherrscht einige Grundvokabel der deutschen Sprache, ist jedoch nicht in der Lage, eine einfache Konversation in deutscher Sprache zu führen.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 05.03.2015 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach

§ 223 Abs. 2 und § 224 StGB (in der damaligen Fassung) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Er wurde im Jahr 2017 wiederholt im Besitz von Drogen angetroffen und war mehrfach, zuletzt im Oktober 2018, in Handgreiflichkeiten bzw. Raufereien verwickelt.

1.2.2. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen konnte nicht festgestellt werden. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr in Mogadischu oder vor seiner Ausreise des bzw. aktuell unter besonderer Armut leben würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Quellen:

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018

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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz der AMISOM (Mission der Afrikanischen Union in Somalia) in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in diesem Land zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf.

Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts and

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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