TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/21 W226 2186272-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.01.2019
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Entscheidungsdatum

21.01.2019

Norm

AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1

Spruch

W226 2186272-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA:

Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, Zl. 742453804-14687227, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 06.12.2004 gemeinsam mit seiner Familie in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt schilderte der BF, dass er vorangehend bereits in Polen aufhältig gewesen sei. Seine Heimat habe er verlassen, weil er von den russischen Soldaten in Tschetschenien verfolgt und verschleppt worden sei. Er habe aus Sicherheitsgründen beschlossen, zusammen mit seiner Familie das Land zu verlassen. Er sei im August XXXX für eine Woche festgehalten und erst gegen Bezahlung eines Geldbetrages frei gelassen worden. Festgenommen sei er von einer Spezialeinheit mit dem Namen XXXX worden, dies sei ihm gesagt worden. Er sei aufgefordert worden, bei der Aufspürung von Banditen Hilfe zu leisten, er habe sich dazu bereit erklärt, jedoch gelogen und keine Fakten genannt. Den Mitarbeitern von XXXX habe er gesagt, dass er gar niemanden kennen würde, außer den Personen, die im Fernsehen gezeigt wurden. Diese Sondereinheiten seien gekommen, um Geld zu verdienen, deshalb hätten seine Eltern auch einen näher genannten Geldbetrag für seine Freilassung bezahlen müssen. Weitere Vorfälle dieser Art habe es nicht gegeben, er habe Tschetschenien im August 2002 verlassen, weil er ja die Zusammenarbeit versprochen habe, deshalb habe er diesen Leuten aus dem Weg gehen wollen. Bei einem Aufenthalt in XXXX sei er ebenfalls festgenommen worden, es sei ihm aber nichts vorgeworfen worden, man habe nur etwas von ihm erfahren wollen, erneut sei er durch Geld von Verwandten freigekauft worden. Dieser Vorfall in XXXX sei im XXXX gewesen. Erneut sei ihm angeboten worden, die Widerstandskämpfer auszuforschen und die Namen der Behörde bekannt zu geben. Man habe wissen wollen, welche Tschetschenen sich in XXXX aufhalten.

Der BF meinte, dass er die arabische Sprache unterrichtet habe und in den Jahren XXXX bis XXXX die XXXX in XXXX besucht habe, dies sei der Grund, warum man ihn gefragt habe. Auf die Frage, warum er erst im XXXX verlassen habe, vermeinte der BF, dass er kein Geld gehabt habe, Auslandsreisepässe auf illegalem Wege zu erlangen, deshalb habe er warten müssen, bis seine Familie die legalen Reisepässe ausgestellt bekommen habe. In einem Büro des FSB sei er diesbezüglich einvernommen worden, er habe angegeben, dass er in die Türkei fahren werde. Er sei aufgefordert worden, vor dem Verlassen der Russischen Föderation dem FSB die genaue Reiseroute bekannt zu geben. Drei Monate später sei er vom Passamt angerufen und es sei ihm mitgeteilt worden, dass die Reisepässe zur Abholung bereit seien.

Der BF schilderte, dass es sonst keine weiteren Probleme gegeben habe, er sei von tschetschenischen Einheiten, wie bereits geschildert, verfolgt worden. Die russischen Einheiten seien in Tschetschenien nur "Gastpolizei", mit russischer Polizei oder einem Gericht habe es niemals Probleme gegeben. Im Fall der Rückkehr befürchte er, erneut durch Spezialeinheiten im Heimatland verfolgt zu werden.

Letztlich gab das Bundesasylamt dem Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 01.04.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 statt und stellte fest, dass ihm damit gemäß § 12 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründend wurde ausgeführt, dass das Bundesasylamt nach Durchführung eines amtswegigen Ermittlungsverfahrens zur Ansicht gekommen sei, dass alle Voraussetzungen für eine Asylgewährung vorliegen.

2. Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

2.1. Am 12.10.2017 leitete die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 AsylG ein. Vorausgehend langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Verständigung über eine rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers ein. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des zuständigen Landesgerichts XXXX vom XXXX (rechtskräftig mit XXXX ) wegen §§ 278b (2) StGB und 278a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Jahren verurteilt.

Dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Urteil des Landesgerichtes XXXX ist zu entnehmen, dass der BF für schuldig erkannt wurde, von Herbst XXXX sich als Mitglied an den terroristischen Vereinigungen Jabhat Al Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien zur Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen, mithin weder auf die Herstellung oder Wiederherstellung demokratischer und rechtstaatlicher Verhältnisse, noch auf die Ausübung oder Wahrung von Menschenrechten, ausgerichteten Gottesstaates auf dem Gebiet des Irak und Syrien und im Wissen, dadurch diese terroristischen Vereinigungen und deren strafbare Handlungen zu fördern, sich beteiligt hat, indem er die nachgenannten Personen, mit den in persönlichen Gesprächen vorgebrachten Aufforderungen, sich als Kämpfer in den als Jihad bezeichneten Kampf nach Syrien zu begeben und dazu den terroristischen Vereinigungen Jabhat Al Nusra und Islamischer Staat im Irak und in Syrien anzuschließen, für diese terroristischen Vereinigungen näher genannte Personen angeworben hat.

Zusätzlich wurde der BF für schuldig erkannt, näher genannte Personen in wiederholten Gesprächen dazu aufgefordert zu haben, ihre den BF belastenden Angaben gegenüber der Polizei und dem Landesamt für Verfassungsschutz als falsch darzustellen und zu widerrufen.

Der BF wurde wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung gemäß § 278b Absatz 2 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage gemäß § 288 Absatz 1 StGB, jeweils in der Form der Bestimmungstäterschaft gemäß § 12, 2. Fall StGB und wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation gemäß § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren verurteilt.

In der Urteilsbegründung wird weiters darauf hingewiesen, dass es dem BF in seiner Tätigkeit als Imam in einer näher genannten Moschee in XXXX , wo er zahlreiche Vorträge gehalten habe, gelungen sei, eine näher beschriebene Person zu einer nach den strengen salafistischen Grundsätzen handelnden Muslim zu bekehren. Der BF habe spätestens ab Herbst 2012 in der Absicht, sich dadurch als Mitglied an den terroristischen Vereinigungen IS oder Jabhat Al Nusra zu beteiligen und im Wissen, dadurch die genannten terroristischen Vereinigungen und deren strafbare Handlungen zu fördern, zu näher genannten Personen gesagt, dass Männer dorthin gehen sollen, wo Krieg gegen Moslems ist. Er habe näher genannte Personen spätestens ab Herbst XXXX fortgesetzt aufgefordert, nach Syrien in den Jihad zu gehen, um die muslimischen Brüder und Schwestern zu schützen.

Ziel des BF sei es im Rahmen seiner Beteiligung als Mitglied an den terroristischen Vereinigungen IS oder Jabhat Al Nusra bzw. deren Unterstützer und Vororganisationen gewesen, näher genannte Personen für diese terroristischen Vereinigungen zur Errichtung eines islamischen Gottesstaates in Syrien und im Irak anzuwerben. Der BF habe die näher genannten Personen überredet und überzeugt, sich den radikal-islamistischen Kampfverbänden als Mitglied anzuschließen, wobei er gewusst habe, dadurch diese terroristischen Vereinigungen ISIS und Jabhat Al Nusra und deren strafbare Handlungen im Sinne terroristischer Straftaten zu fördern.

Im Rahmen der Strafbemessung betonte das Landesgericht XXXX die besondere Gefährlichkeit der begangenen Delikte im Allgemeinen und die Gefährlichkeit der Täter, weshalb jeweils empfindliche unbedingte Freiheitsstrafen zu verhängen gewesen seien, um den Angeklagten das Unrecht ihrer Straftaten eindrucksvoll vor Augen führen zu können, sowie der Begehung weiterer solcher strafbareren Handlungen durch Andere entgegenzuwirken. Mangelnde vorliegende Schuldeinsicht, sowie die Art der Tatbegehung, die sozial unerträglich sei, würde es auch in generalpräventiver Hinsicht notwendig machen, die Strafen zu vollstrecken.

Nichtigkeitsbeschwerden des BF und der anderen Mittäter wurden vom OGH zur Zahl: XXXX , mit Beschluss vom XXXX zurückgewiesen.

2.2. Am 13.10.2017 wurde der BF durch die belangte Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dem BF wurde seine strafrechtliche Verurteilung vorgehalten und wurde ihm dargelegt, dass deshalb ein Asylausschlussgrund vorliege.

Der BF führte aus, dass er verstehe, warum die Behörde das machen müsse, er würde dem aber nicht zustimmen. Der BF führte aus, dass er zu diesem Verbrechen keinen Bezug habe, er habe "damit nichts zu tun". Das gesamte Gerichtsverfahren sei ein "großes Theater" gewesen, dem ein Fußballspieler und ein Staatsanwalt beigewohnt hätten. Er selbst habe drei Zeugen gehabt, die ausgesagt hätten, dass er das nicht gemacht habe, sein eigener Rechtsanwalt habe das Verfahren "verschlafen". Er habe nichts gemacht und sei nur im Gericht gesessen. Er habe die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht begangen.

Der BF wiederholte, dass das Urteil falsch sei, er habe das Verbrechen nicht begangen.

Darüber hinaus schilderte der BF, dass er in Österreich zwei Frauen und sieben Kinder habe, er sei mit beiden Frauen verheiratet. Die zweite Frau habe er nur nach islamischem Brauch geheiratet, er habe auch sehr viele Bekannte in Österreich. In der Heimat habe er noch die Eltern und einen Bruder, zu diesen Verwandten habe er aber keinen Kontakt. Er könne auch die deutsche Sprache sprechen, er selbst würde sein Niveau mit B1 beschreiben. Auf die Frage, ob er in Österreich jemals einer legalen Arbeit nachgegangen sei, führte der BF aus, dass er zu Beginn seines Aufenthaltes auf Baustellen gearbeitet habe, wegen sprachlicher Probleme habe er aber nicht immer Arbeit gehabt. Er habe verschiedene Jobs, aber nur für kurze Zeit, gehabt, er sei auch Imam gewesen und habe Sozialleistungen bezogen, wenn er nicht genug verdient habe.

Er leide an keinen schweren Erkrankungen und nehme auch keine Medikamente ein, in der Russischen Föderation sei er nicht vorbestraft. Er habe dort eine XXXX besucht, doch 1994 sei der Krieg ausgebrochen, deshalb habe er keinen Abschluss gemacht und in der Hauptstadt von Tschetschenien als XXXX gearbeitet. Was ihn im Fall der Rückkehr erwarten würde, das wisse er nicht. Entweder müsse er über die Massenmedien sagen, dass Kadyrow ein "klasser Mensch" ist, er könnte aber auch gefoltert oder umgebracht werden.

In weiterer Folge nahm der nunmehr bevollmächtigte Rechtsvertreter Aktensicht, eine schriftliche Stellungnahme ist im verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht mehr ergangen.

2.3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.04.2005, Zl. 04 24.538-BAE, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamt zusammengefasst aus, dass vor dem Hintergrund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Aberkennungsgrund gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 3 und 4 AsylG 2005 vorliege. Der Beschwerdeführer stelle durch Verurteilung wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung eine massive Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar.

Es könne nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Russischen Föderation Verfolgung drohen würde, er habe dort Verwandte, sei gesund und nicht in medizinischer Behandlung.

Der BF habe in der Einvernahme ausgeführt, dass er im Fall der Rückkehr weitere Verfolgungen zu erwarten habe. Der BF habe jedoch nach der von ihm beim ehemaligen Bundesasylamt geschilderten Festnahme noch mehrere Jahre unbehelligt in der Russischen Föderation leben können. Dem BF und seiner Familie seien vor der Abreise aus XXXX russische Auslandsreisepässe ausgestellt worden, was im Falle einer tatsächlichen und individuellen Verfolgung sicher nicht eingetreten wäre. Eine Verfolgung sei zudem auf Grund der mittlerweile beträchtlichen Zeitspanne von immerhin etwa 17 Jahren, innerhalb derer sich das Regime in Tschetschenien geändert habe, als unwahrscheinlich einzustufen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Unterstützung von terroristischen Vereinigungen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle. Ziel des BF sei die Errichtung eines nach radikal-islamistischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaates gewesen. Die belangte Behörde habe auch keine Gründe und Anhaltspunkte dafür finden können, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation Artikel 2 oder 3 EMRK verletzen würde. Die grundlegenden Existenzbedürfnisse erscheinen nicht gefährdet und würde in der Russischen Föderation derzeit keine dergestalt exzeptionelle Situation vorherrschen, wodurch eine Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 EMRK indiziert werde. Einen außergewöhnlichen Umstand habe der BF bezogen auf seine Person nicht behauptet und bescheinigt, weshalb auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei.

Die Rückkehrentscheidung wurde von der belangten Behörde dahingehend begründet, dass der BF unzweifelhaft über familiäre Bindungen verfüge, er lebe seit 2004 in Österreich und habe Deutsch mittelmäßig bis gut erlernt. Angesichts der Begründung im Gerichtsurteil sowie angesichts der Uneinsichtigkeit, die der BF auf die Frage zu den begangenen Straftaten entgegengebracht hat, sei davon auszugehen, dass vom BF nach wie vor eine Gefahr für die Gemeinschaft ausgehe und er dadurch eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit darstelle. Trotz des langen Auslandsaufenthaltes sei der BF mit den Gepflogenheiten im Herkunftsstaat und den dortigen Gepflogenheiten noch vertraut, sodass ihm eine Rückkehr und Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft zumutbar wäre. Der BF habe billigend in Kauf genommen, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt würden, indem er aktiv in Österreich aufhältige Personen radikalisiert und zur Teilnahme an Kampfhandlungen in Syrien und im Irak aufgefordert habe. Es sei als notorisch anzusehen, dass durch die vom Islamischen Staat im Internet verbreiteten Botschaften wiederholt zu Terrorangriffen gegen den Westen, die USA und Europa, aber auch gegen Österreich aufgerufen werde und bei Terroranschlägen teilweise zahlreiche Tote und verletzte Zivilpersonen in Europa zu verzeichnen waren. Durch sein Verhalten stelle der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich dar, weshalb bei Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen gegenüber den Interessen des BF an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Das unbefristete Einreiseverbot wurde von der belangten Behörde damit begründet, dass der BF von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Hinsichtlich der geforderten Zukunftsprognose sei festzuhalten, dass der BF über mehrere Jahre hinweg Personen zu terroristischen Straftaten aufgefordert und terroristische Straftaten gutgeheißen habe. Eine positive Prognose könne nicht getroffen werden, dies insbesondere unter Berücksichtigung der im Urteil des Landesgerichtes XXXX vorgebrachten erschwerenden Umstände.

2.4. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Der BF führt diesbezüglich aus, dass es in Tschetschenien sogar - vergleichbar mit dem Nationalsozialistischen Deutschland der 30er und 40er Jahre - die Sippenhaft gebe. Das Tschetschenische Oberhaupt habe nach einer Terrorattacke auf XXXX im Jahr 2014 die Häuser der Attentäter abreißen lassen und die Familien ausgewiesen, verschleppt, inhaftiert oder getötet. Jeder, der in Tschetschenien Kritik übt oder gar als Regimegegner angesehen wird, laufe große Gefahr, ohne Verfahren liquidiert zu werden. Beim BF handle es sich um einen Imam, einen hohen Geistlichen. Dem Regime Kadyrows sei trotz der Entfernung von XXXX nach Tschetschenien durchaus bewusst, dass der BF in seinen Predigten stets die Lage in Tschetschenien kritisiert habe. Sollte er tatsächlich nach Tschetschenien abgeschoben werden, so drohe ihm dort ein Schauprozess, eine Vorführung im Fernsehen und schlussendlich der Tod. Alternativ könnte es sein, dass der BF bereits beim Eintreffen auf Russischem Boden liquidiert werden würde.

Nach der Verurteilung in Österreich, welche seitens des BF nach wie vor für falsch gehalten werde, vertrete er einen fundamentalistischen Islam. Er sei ein Gegner des Regimes Kadyrow und würde er aus Österreich abgeschoben werden, sei das Schicksal des BF, nämlich Folter und Tod, geradezu vorgezeichnet, wenn er nach Tschetschenien abgeschoben werden würde. Tatsächlich wäre es wohl auch so, dass eine Wohnsitznahme in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens mit Sicherheit nicht möglich wäre bzw. den BF jedenfalls nicht vor dieser Unbill schützen würde.

Weiters führt die gegenständliche Beschwerde aus, dass die gegenständliche Entscheidung einen schweren Eingriff in das schützenswerte Familienleben des BF darstelle, ihm hätte zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Der Russsland-hörige Diktator Tschetscheniens habe in der gesamten Russischen Föderation einen "langen Arm". Der BF stelle mit Sicherheit keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Eine Abwägung mit seiner familiären Situation zeige, dass eine Abschiebung nach menschenrechtlichen Erwägungen nicht zulässig sein könne. Auch wenn der BF für den österreichischen Staat ein Verbrecher sei, könne nicht sein, dass er geradezu in den Tod geschickt werde. Nach dem Schuldspruch habe der BF in Österreich aufhältige Personen im Sinne des Islamischen Staates radikalisiert und zur Teilnahme an Kampfhandlungen in Syrien und im Irak aufgefordert. Dies sei natürlich ebenso abzulehnen wie andere Verbrechen, es zeige aber, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts der Beschwerdeführer die innere Sicherheit der Republik Österreich nicht gefährdet habe und auch niemals habe gefährden wollen. Der BF bekenne sich zur Republik Österreich und ihren Werten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum wesentlichen Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer kam im Dezember 2004 gemeinsam mit seiner Familie nach Österreich, wo er am 06.12.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.04.2005 der Status des Asylberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 7 AsylG 1997 zuerkannt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2018, wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und ihm weder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt noch ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Gegen den Beschwerdeführer wurde zudem ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, sowie muslimischen Glaubens. Seine Identität steht fest und ist aus dem Spruchkopf der vorliegenden Entscheidung ersichtlich.

Der Beschwerdeführer verließ die Russische Föderation im XXXX ; bis dahin lebte er in Tschetschenien, wo er geboren wurde, ab XXXX lebte er in XXXX . Er hielt sich nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Dezember 2004 zunächst aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und anschließend aufgrund seines Status als Asylberechtigter durchgängig rechtmäßig in Österreich auf. Der Beschwerdeführer beherrscht die Tschetschenische und die Russische Sprache.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und verheiratet, er hat 7 Kinder, sowie eine weitere, nach islamischem Ritus angetraute Partnerin.

1.2.2. Für den Beschwerdeführer scheint im österreichischen Strafregister folgende Verurteilung auf:

LG XXXX , vom XXXX , rk. XXXX , § 278b (2) StGB, § 278a StGB; 12, 2. Fall StGB, § 288 (1) StGB; Freiheitsstrafe 6 Jahre, 11 Monate, 15 Tage.

Festgestellt wird, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

Ein Abhängigkeitsverhältnis zu den in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen des Beschwerdeführers aus gesundheitlichen oder anderen Gründen besteht nicht. Die Beziehung, die im Wesentlichen seit 2015 aufgrund der Haftaufenthalte des Beschwerdeführers nur durch Besuche in der Haft gelebt wurde, kann auch von der Russischen Föderation aus über elektronische Medien und Internet aufrechterhalten werden.

Im Herkunftsstaat verfügt der Beschwerdeführer noch über seine Eltern und einen Bruder, mag auch derzeit kein Kontakt zu diesen bestehen.

1.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation:

Der Beschwerdeführer verfügte bei der Ausreise über einen russischen Reisepass, den er in XXXX , wie dargestellt, bei den zuständigen Behörden beantragt und auch erhalten hat.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer in der gesamten Russischen Föderation keine asylrelevante Verfolgung droht.

Dem Beschwerdeführer droht in der Russischen Föderation außerhalb des Nordkaukasus, insbesondere außerhalb von Tschetschenien, keine Doppelbestrafung und auch außerhalb der Strafverfolgung keine Verfolgung auf Grund des der Verurteilung in Österreich zugrundeliegenden Verhaltens. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus keine Folter oder unmenschliche Behandlung auf Grund seiner Verurteilung in Österreich oder des dieser Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung wegen seines Aussehens oder seiner ethnischen Volksgruppenzugehörigkeit. Ihm droht im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation außerhalb des Nordkaukasus, insbesondere außerhalb Tschetscheniens, keine Verfolgung wegen der Asylantragstellung in Österreich und wegen des langjährigen Aufenthaltes außerhalb der Russischen Föderation.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus niederzulassen und anzumelden. Die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland bieten trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit entsprechende Chancen auch für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der Beschwerdeführer hat auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung. Es besteht keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer in anderen Teilen der Russischen Föderation Opfer fingierter Strafverfahren würde. Dem Beschwerdeführer droht auch keine Verfolgung bei der Wiedereinreise in die Russische Föderation außerhalb der Teilrepublik Tschetschenien und des Föderationskreises Nordkaukasus.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:

Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich auf folgende Quellen:

? Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 21.07.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 07.05.2018);

? Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 31.08.2018;

? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.06.2017, Russische Föderation, Menschenrechtsverletzungen von im Ausland verurteilten Personen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation;

? ACCORD Anfragenbeantwortung vom 28.09.2017, Russische Föderation, Menschenrechtsverletzungen von ihm Ausland verurteilten Personen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation;

? ACCORD Anfragebeantwortung vom 31.05.2016, Russische Föderation, Lage von Personen, die nach negativem Asylbescheid zurückgekehrt sind;

? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.05.2016 (Auszug), Russische Föderation, Lage von aus Syrien zurückkehrenden Kämpfern;

Aus diesen Länderberichten werden folgende Feststellungen getroffen:

1.4.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 31.08.2018:

1.4.1.1. Politische Lage im Allgemeinen

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

-CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

-EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

-FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

-OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

-Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

-Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018

-Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

1.4.1.1.a. Politische Lage in Tschetschenien im Besonderen

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

1.4.1.2. Sicherheitslage im Allgemeinen

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018, GIZ 6.2018d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 28.8.2018

-BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 28.8.2018

-Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russische-methoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

-EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 28.8.2018

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

1.4.1.2.a. Sicherheitslage im Nordkaukasus im Allgemeinen

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 21.5.2018). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es im ganzen Nordkaukasus 175 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 134 Todesopfer (82 Aufständische, 30 Zivilisten, 22 Exekutivkräfte) und 41 Verwundete (31 Exekutivkräfte, neun Zivilisten, ein Aufständischer) (Caucasian Knot 29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es im gesamten Nordkaukasus 27 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 20 Todesopfer (12 Aufständische, sechs Zivilisten, 2 Exekutivkräfte) und sieben Verwundete (fünf Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot 21.6.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-Caucasian Knot (29.1.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus for 2017 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/42208/, Zugriff 28.8.2018

-Caucasian Knot (21.6.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2018 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43519/, Zugriff 28.8.2018

-DW - Deutsche Welle (25.1.2018): Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt",

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520, Zugriff 28.8.2018

-ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

1.4.1.2.b. Sicherheitslage in Tschetschenien im Besonderen

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten pro-russischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, auch in Syrien und im Irak (SWP 4.2015). In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es in Tschetschenien 75 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 59 Todesopfer (20 Aufständische, 26 Zivilisten, 13 Exekutivkräfte) und 16 Verwundete (14 Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot 29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es in Tschetschenien acht Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon sieben Todesopfer (sechs Aufständische, eine Exekutivkraft) und ein Verwundeter (eine Exekutivkraft) (Caucasian Knot 21.6.2018).

Quellen:

-Caucasian Knot (29.1.2018): Infographics.Statistics of victims in Northern Caucasus for 2017 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/42208/, Zugriff 28.8.2018

-Caucasian Knot (21.6.2018): Infographics.Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2018 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43519/, Zugriff 28.8.2018

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 28.8.2018

-SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

1.4.1.3. Rechtsschutz / Justizwesen im Allgemeinen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassungs-, Zivil-, Administrativ- und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 12.2017). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kreml gebunden (FH 1.2018).

In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen (ÖB Moskau 12.2017). Der Kampf der Justiz gegen Korruption steht mitunter im Verdacht einer Instrumentalisierung aus wirtschaftlichen bzw. politischen Gründen: So wurde in einem aufsehenerregenden Fall der amtierende russische Wirtschaftsminister Alexei Ulyukayev im November 2016 verhaftet und im Dezember 2017 wegen Korruptionsvorwürfen seitens des mächtigen Leiters des Rohstoffunternehmens Rosneft zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, FH 1.2018).

2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte (ÖB Moskau 12.2017). Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass bei einer der russischen Verfassung widersprechenden Konventionsauslegung seitens des EGMR das russische Rechtssystem aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung im Einklang stehen. Das Gesetz wurde bereits einmal im Fall der Verurteilung Russlands durch den EGMR in Bezug auf das Wahlrecht von Häftlingen 61 angewendet (zugunsten der russischen Position) und ist auch für den YUKOS-Fall von Relevanz. Der russische Verfassungsgerichtshof zeigt sich allerdings um grundsätzlichen Einklang zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, US DOS 20.4.2018).

Am 10.2.2017 fällte das Verfassungsgericht eine Entscheidung zu

Artikel 212.1 des Strafgesetzbuchs, der wiederholte Verstöße gegen das Versammlungsrecht als Straftat definiert. Die Richter entschieden, die Abhaltung einer "nichtgenehmigten" friedlichen Versammlung allein stelle noch keine Straftat dar. Am 22. Februar überprüfte das Oberste Gericht das Urteil gegen den Aktivisten Ildar Dadin, der wegen seiner friedlichen Proteste eine Freiheitsstrafe auf Grundlage von Artikel 212.1. erhalten hatte, und ordnete seine Freilassung an. Im Juli 2017 trat eine neue Bestimmung in Kraft, wonach die Behörden Personen die russische Staatsbürgerschaft aberkennen können, wenn sie diese mit der "Absicht" angenommen haben, die "Grundlagen der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes anzugreifen". NGOs kritisierten den Wortlaut des Gesetzes, der nach ihrer Ansicht Spielraum für willkürliche Auslegungen bietet (AI 22.2.2018).

Bemerkenswert ist die extrem hohe Verurteilungsquote bei Strafprozessen. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet dabei nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Reli

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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