Entscheidungsdatum
21.01.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W186 2128320-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb.XXXX, StA. Gambia, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.06.2016, Zahl: 1117031708 - 160760579 und die Anhaltung in Schubhaft von 02.06.2016 - 27.06.2016, zu Recht erkannt:
A) I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 02.06.2016 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 02.06.2016 bis 27.06.2016 für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Gambias, wurde im Zug von ROM nach WIEN kommend am 31.05.2016 aufgegriffen und einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Der Beschwerdeführer wies sich hierbei mit einer gefälschten ITALIENISCHEN Identitätskarte aus. Er wurde daraufhin nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen und in das PAZ WIENER NEUSTADT eingeliefert.
Der Beschwerdeführer wurde am Folgetag vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab er zusammengefasst an, aus ITALIEN kommend am 31.05.2016 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Er habe sich seit 26.06.2015 in ITALIEN aufgehalten und dort Probleme in einem Lager gehabt zu haben. In ITALIEN habe er einen Asylantrag gestellt, darüber sei noch nicht entschieden worden. Befragt danach, wieso der Beschwerdeführer ITALIEN verlassen habe und in das Bundesgebiet reiste führte der Beschwerdeführer aus, dass er in DEUTSCHLAND unterwegs gewesen sei und auf der Durchreise aufgegriffen worden sei. Er habe in ITALIEN zweitweise gegen Entgelt gearbeitet. Aufgrund seiner Probleme in ITALIEN habe er das Land verlassen. Er habe in DEUTSCHLAND einen Asylantrag stellen wollen. In Österreich verfüge er über keinerlei Verwandte oder Bekannte. Er verfüge aktuell über EUR 23,50 an Bargeld. Es sei nicht seine Absicht gewesen in das Bundesgebiet zu kommen, allerdings möchte er nicht nach ITALIEN zurückkehren.
Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 05.07.2015 in ITALIEN einen Asylantrag stellte.
2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 02.06.2016 verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung.
Begründend führte das Bundesamt aus, dass für das weiterer Verfahren des Beschwerdeführers ITALIEN nach der Dublin III-VO zuständig sei und die Überstellung des Beschwerdeführers für JUNI 2016 in Aussicht genommen worden sei. Er habe keinen Wohnsitz im Bundesgebiet, sei mittellos und verfüge über keine Personaldokumente, weshalb er aus eigenem Entschluss Österreich nicht verlassen könne. Die Behörde habe keinerlei Gründe zur Annahme, dass sich der Beschwerdeführer auf freiem Fuß stellen werde. Er verfüge im Bundesgebiet über keine gesicherten Bindungen und sei in Österreich nicht integriert. Er habe keinen Unterstand im Bundesgebiet, sei nahezu mittellos und verweigere jegliche Kooperation mit der Behörde. Er halte an seinem illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fest, da er entgegen der Rechtslage nicht gewillt sei nach ITALIEN zurück zu kehren. Er habe bereits illegale Grenzverletzungen betreffend dem Staatsgebiet der Republik Österreich und ITALIEN begangen. Er versuche die gebotene Abschiebung nach ITALIEN zu vereiteln, um wieder in die Illegalität abzutauchen. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Meldeadresse im Bundesgebiet und sei für die Behörde daher nicht greifbar. Es bestehe daher ganz erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III -VO. Daher sei die Entscheidung auch verhältnismäßig, welche sich aus der dargelegten Sachverhaltsmanifestierung zur Person des Beschwerdeführers ergebe und begründe im Fall des Beschwerdeführers die Schubhaft. Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung sei erforderlich, da sich der Beschwerdeführer aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es sei davon auszugehen, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein werde, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, aus der fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege.
(...)
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergebe daher, dass das privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit des Beschwerdeführers dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe.
Dabei sei auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstelle. Es sei daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht komme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers schon von vornherein nicht in Betracht. Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, könne im vorliegenden Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden. Der Beschwerdeführer verfüge zwar über eine Meldeadresse, halte sich dort aber nicht auf und sei unsteten Aufenthaltes. Aufgrund dieses Umstandes komme eine Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten ebenfalls nicht in Betracht.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht im Fall des Beschwerdeführers aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liege somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordere und eine Verfahrensführung, während derer sich der Beschwerdeführer in Freiheit befinde, ausschließe. Es sei weiters aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie seine Haftfähigkeit, gegeben seien.
Mit Verfahrensanordnung vom 01.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) richtete am 03.06.2016 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien.
Mit Schreiben vom 13.06.2016 erteilte die italienische Dublinbehörde ihre ausdrückliche Zustimmung zur Übernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016, Zl. 1117031708-160760579, wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt und gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer eine Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet. Unter einem wurde festgestellt, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach ITALIEN zulässig ist. Der Bescheid erwuchs mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.
Das Bundesamt organisierte am 15.06.2016 die Abschiebung des Beschwerdeführers für die Überstellung nach ITALIEN. Es erließ am selben Tag einen Abschiebeauftrag, buchte den Flug für den 27.06.2016, informierte ITALIEN von der Überstellung des Beschwerdeführers und stellte ein Laissez-Passer aus.
Der Beschwerdeführer wurde am 27.06.2016 auf dem Luftweg nach ITALIEN abgeschoben.
3. Der BF erhob durch seinen gewillkürten Rechtsvertreter am 18.06.2016, hg. eingelangt am 20.06.2016, Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes und die Anhaltung in Schubhaft und begehrte das BVwG möge, die Schubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären, sowie der belangten Behörde auftragen, die Verfahrenskosten zu ersetzten.
Begründend wurde vorgebracht, dass es ungeklärt sei, ob der Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel in ITALIEN besitze oder nicht. Die belangte Behörde habe diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen getätigt. Die im Spruch genannte Gesetzesgrundlage erweise sich rechtlich als verfehlt. Aus der Begründung des Bescheides ergebe sich einerseits, dass für das Verfahren ITALIEN zuständig sei, andererseits sei aus dem Bescheid auch der Plan einer Abschiebung nach GAMBIA ableitbar. Weiters sei die Angabe im Bescheid, die "Überstellung sei "für Juni 2016" in Aussicht genommen nicht ausreichend präzisiert. Zudem hätte die belangte Behörde das gelinderer Mittel tatsächlich prüfen müssen. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers lasse sich keine erhebliche Fluchtgefahr ableiten.
4. Die belangte Behörde legte am 20.06.2016, hg. eingelangt am 23.06.2016, die Beschwerde vor und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen und gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unbescholtene Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger GAMBIAS, der am 05.07.2015 in ITALIEN einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer stellte keinen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und verfügte über kein Aufenthaltsrecht.
Er wurde am 31.05.2016 im Bundesgebiet im Zug von ROM nach WIEN einer fremdenzpolizeilichen Kontrolle unterzogen, gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen und in das PAZ WIENER NEUSTADT eingeliefert.
Am Folgetag wurde er vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 02.06.2018 verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.
Die Schubhaft wurde seit 02.06.2018 im PAZ HERNALSER GÜRTEL vollzogen.
Das Bundesamt leitete Dublin Konsultationen mit ITALIEN ein und stimmte ITALIEN der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d mit Schreiben vom 13.06.2016 ausdrücklich zu.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, und gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach ITALIEN angeordnet.
Der Beschwerdeführer wurde am 27.06.2016 nach ITALEN überstellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen resultieren aus dem vorliegenden Verwaltungsakt sowie aktuellen Auszügen aus dem IZR und dem Strafregister und der Einsichtnahme in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.
3. Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.
2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
1. Die belangte Behörde verhängte die Schubhaft laut Spruch gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung. Bei der Abschiebung, zu deren Sicherung die Schubhaft verhängt wurde, handelt es sich um eine Überstellung im Dublin-Verfahren gemäß Art. 29 Dublin III-VO, beim Zielstaat der aufenthaltsbeendenden Maßnahme um den zuständigen Staat im Dublin-System.
2. Die Dublin III-VO trat mit am 19. Juli 2013 in Kraft und ist gemäß Art. 49 leg.cit. auf alle Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem 1. Jänner 2014 gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Im - gegenüber der Dublin II-VO neuen - Art. 28 Dublin III-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung im Dublin-Verfahren geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Dublin III-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen angewendet wird, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 leg.cit. verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, 223).
Der BF ist als Staatsangehöriger Gambias Drittstaatsangehöriger und stellte den Antrag auf internationalen Schutz in ITALIEN nach dem 01.01.2014. Daher ist die Dublin III-VO auf den BF anwendbar. Er wurde zur Sicherung der Abschiebung nach ITALIEN in Schubhaft genommen, nachdem er in ITALIEN einen Asylantrag stellte und in das Bundesgebiet weiterreiste.
Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid unzutreffend auf die Sicherung der Abschiebung: Mangels Vorliegens einer durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (im vorliegenden Fall wurde die Anordnung zur Außerlandesbringung nach ITALIEN erst mit Bescheid vom 15.06.2016 erlassen) hätte die belangte Behörde die Schubhaft nicht ausschließlich zur Sicherung der Abschiebung verhängen dürfen, sondern vielmehr die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung anordnen müssen.
Der angefochtene Bescheid war sohin rechtswidrig. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten.
Aus diesem Grund waren der angefochtene Schubhaftbescheid vom 02.06.2016 sowie die auf Grund dessen erfolgte Anhaltung des Beschwerdeführers bis 27.06.2016 rechtswidrig.
Eine Prüfung des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen, insbesondere der Fluchtgefahr sowie der Verhältnismäßigkeit, konnte daher unterbleiben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. - Kostenbegehren
1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Dem Beschwerdeführer gebührte als obsiegende Partei Kostenersatz, die belangte Behörde war auf Grund der Beschwerdestattgabe unterlegene Partei und hatte keinen Anspruch auf Kostenersatz. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die belangte Behörde keine Antrag auf Kostenersatz geltend machte.
Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Beschwerde, den Ersatz der Verfahrenskosten. § 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60.
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer daher Kosten iHv €
737,60 zu ersetzen.
Entfall der mündlichen Verhandlung
Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage zu Spruchpunkt II. (Verfahrenskosten) war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufenthaltsbeendende Maßnahme, Rechtswidrigkeit, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2128320.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.03.2019