Entscheidungsdatum
22.01.2019Norm
AlVG §10Spruch
W164 2202826-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Andreas JAKL (aus dem Kreis der ArbeitgeberInnen) und Dr. Peter SCHNÖLLER (aus dem Kreis der ArbeitnehmerInnen) als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 11.04.2018, AMS 304-Baden, nach Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2018, Zl. RAG/05661/2018, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum von 22.03.2018 bis 02.05.2018 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid vom 06.07.2018, Zl. RAG/05661/2018, gemäß § 28 Abs 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 11.04.2018, AMS 304-Baden (im Folgenden AMS) wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gemäß § 38 iVm § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für den Zeitraum 22.03.2018 bis 02.05.2018 verloren habe. Eine Nachsicht sei nicht erteilt worden. Der angeführte Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei.
Begründend wurde ausgeführt, dass die BF eine ihr zugewiesene zumutbare Stelle als Transitarbeitskraft bei der Firma XXXX (im Folgenden: Firma S) mit Dienstbeginn 22.03.2018 nicht angetreten habe und somit eine Arbeitsaufnahme vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen würden nicht vorliegen bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde und führte aus, sie sei aufgrund zweier Arzttermine verhindert gewesen sei, den Dienstantritt um 7:30 in XXXX wahrzunehmen. Der erste Arzttermin sei um 9:45 in XXXX und der zweite Termin um 13:45 in XXXX gewesen. Die Zuweisung habe die BF am 20.03.2018 per Post erhalten. Noch am selben Tag habe sie sich bei der Firma S wegen der Verhinderung entschuldigt und um einen neuen Termin ersucht. Daraufhin sei sie aufgefordert worden, sich beim AMS zu melden. Am 21.03.2018 habe ihr eine Mitarbeiterin des AMS ein E-Mail geschrieben und sie aufgefordert mitzuteilen, weshalb sie die Arbeit am 22.03.2018 nicht antreten könne. Sie habe dieses Mail aber erst am 22.03.2018 nach Absolvierung der beiden Arzttermine gelesen. Daraufhin habe sie noch am selben Tag dem Berater beim AMS gemeldet, dass sie verhindert sei und habe die Zeitbestätigungen für die beiden am 22.3.2017 absolvierten Arzttermine angeschlossen. Die BF entgegnete, dass in der Zuweisung nicht gestanden sei, dass man Verhinderungen dem AMS schon vor Dienstantritt melden müsse. Sie habe erst am 22.3.2017 die Zeitbestätigungen als Nachweis vorlegen können. Die Zuweisung sei zudem rechtswidrig gewesen, da das AMS die BF gleich in ein Arbeitsverhältnis und nicht nur zu einem Vorstellungsgespräch zugewiesen habe. Die BF verwies auf VwGH 23.02.2005, 2003/08/0039. Die BF habe bei der Firma S um einen Termin für ein Vorstellungsgespräch am Nachmittag gebeten, da sie im Zeitraum von 23.03.2018 bis 30.03.2018 jeweils am Vormittag zweieinhalbstündige Termine für schmerzlindernde physikalische Therapien gehabt habe. Zudem hätte ein Arbeitsverhältnis bei der Firma S, die Integrationsarbeit für schwer vermittelbare Zielgruppen (z.B. Alkoholiker, Drogensüchtige, Obdachlose usw.) betreibe, eine bloßstellende Wirkung und wäre für die BF unzumutbar. Die BF gehöre nicht zur Zielgruppe der Firma S. Es bestehe bei ihr kein Qualifikationsdefizit, Beratungs- oder Schulungsbedarf. Vielmehr sei sie in ihrem Berufsfeld überqualifiziert. Es bestünden daher bei ihr keine Defizite, die bei der Firma S aufgearbeitet werden könnten. Sie habe daher die rechtswidrig zugewiesene Beschäftigung berechtigter Weise nicht angenommen.
Mit aufgetragener Stellungnahme vom 20.06.2018 legte die BF ins Detail gehende Arztbestätigungen vor: Ihr behandelnder Orthopäde bestätigte, dass sie am 08.03.2018 wegen akuter Schmerzen einen Termin bei ihm hatte und daraufhin Folgetermine für den 19.03.-30.03.2018 zur physikalischen Therapie vereinbart hatte. Dabei handle es sich um eine 10-er Serie, die man für eine bestmögliche Wirkung täglich durchführen solle. Aufgrund der starken Beschwerden der BF wäre daher eine Verschiebung der Termine aus medizinischer Sicht nicht ratsam gewesen. Die radiologische Praxis bestätigte, dass die BF am 22.03.2018 von 13:45 bis 14:06 Uhr in der Ordination gewesen sei. Die BF führte in ihrer Stellungnahme weiters aus, dass sie in der radiologischen Praxis wegen akuter Schmerzen einen kurzfristigen Termin für den 22.03.2018 bekommen habe und zwar habe sie diesen vereinbart noch bevor sie die Zuweisung zum gegenständlichen Beschäftigungsverhältnis erhalten habe. Die Zuweisung vom 20.03.2018 sei eine ad hoc Zuweisung gewesen. In der Zuweisung sei nur gestanden, dass sie eine Verhinderung melden müsse, jedoch sei nicht genau angegeben gewesen, wann diese Mitteilung zu erfolgen habe. Die BF sei daher davon ausgegangen, dass eine zeitnahe Rückmeldung genüge. Dass die Mitarbeiterin des AMS die BF nicht telefonisch erreichen konnte, liege wahrscheinlich daran, dass diese gerade für die physikalischen Therapien außer Haus gewesen sei. Die BF habe ein Festnetz-Telefon ohne Anrufbeantworter. Ihre Mails prüfe sie einmal täglich. Es sei nicht möglich gewesen die physikalischen Therapien nachmittags oder abends durchzuführen, da ihr Orthopäde diese nur vormittags anbiete.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 06.07.2018 wurde die Beschwerde der BF abgewiesen. Darin wurde angeführt, dass die BF seit 16.01.2010 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe. Am 15.03.2018 sei ihr eine Einladung zur Arbeitsaufnahme bei der Firma S übermittelt worden. Die BF habe in einem E-Mail vom 20.03.2018 der Firma S bekannt gegeben, dass sie den Termin der Arbeitsaufnahme am 22.03.2018 nicht wahrnehmen könne. Die Firma S habe das AMS darüber informiert. Daraufhin habe die zuständige Mitarbeiterin mehrfach erfolglos versucht, telefonisch Kontakt mit der BF aufzunehmen und dann am 21.03.2018 eine E-Mail gesendet. Diese habe die BF erst am 22.03.2018 am Nachmittag beantwortet und zwei Arzttermine als Grund für die Verhinderung genannt. Es sei nicht zutreffend, dass die BF nicht in die Zielgruppe von [Firma S] passe, da sie mittlerweile 50 Jahre alt sei und seit 8 Jahren in keinem Dienstverhältnis mehr gestanden sei. Daher würde der Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt durch eine befristete Beschäftigung am zweiten Arbeitsmarkt sicherlich erleichtert werden. Auch im Hinblick auf das von der BF im Jahr 2017 erstellte Gesamtleistungskalkül sei der BF die Beschäftigung zumutbar. Es habe auch keine ad hoc Zuweisung vorgelegen, da die BF am Dienstag, 20.03.2018, von der Aufforderung zur Arbeitsaufnahme am 22.03.2018 erfahren habe. Die BF hätte sich vielmehr zur Beschäftigung zur Verfügung zu halten und private Termine, wozu auch Arzttermine zählen würden, während der üblichen Arbeitszeit zu vermeiden gehabt. Es sei angesichts der Öffnungszeiten ihres Arztes davon auszugehen, dass auch Therapien für Berufstätige angeboten würden. Zudem hätte die Firma S der BF auch für einen dringenden Arzttermin frei gegeben, wenn die BF darum gebeten hätte. Die BF habe jedoch, obwohl bereits ein Arbeitsantritt vorgesehen war, um einen Vorstellungstermin gebeten.
Dagegen erhob die BF fristgerecht einen Vorlageantrag und wiederholte im Wesentlichen die bereits in der Beschwerde und ihrer Stellungnahme ausgeführten Einwände. Zudem legte sie eine Bestätigung ihres behandelnden Orthopäden vor, wonach eine physikalische Therapie bei ihm nur am Vormittag von 8-13 Uhr möglich sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist 1967 geboren und bezieht seit acht Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Mit Schreiben vom 15.03.2018 wies das AMS der BF eine Beschäftigung beim sozioökonomischen Betrieb S. zu. Der Schreiben wurde der BF am 20.03.2018 per Post zugestellt. Als Arbeitsantritt war der 22.03.2018 um 7:30 Uhr vorgesehen. Auf dem Zuweisungsschreiben war u. a. Folgendes vermerkt: "Setzen Sie sich bitte mit Ihrem/r zuständigen Berater/in in Verbindung, sollten Sie zu diesem Termin nachweislich verhindert sein oder bereits eine Beschäftigung gefunden haben."
Die Firma S stellt marktnahe, aber doch relativ geschützte, befristete Arbeitsplätze bereit und fördert dadurch die Integration von längerfristig arbeitslosen Menschen in den Regelarbeitsmarkt.
Die BF hatte am 08.03.2018 aufgrund akuter Schmerzen Termine für eine physikalische Therapie bei ihrem Orthopäden vereinbart. Diese Termine fanden von 19.03.-30.03.2018 jeweils vormittags statt.
Am 22.03.2018 hatte die BF um 13:45 Uhr außerdem einen Termin in einer radiologischen Praxis. Diesen Termin hatte sie am 20.03.2018 um 12:33 Uhr vereinbart.
Die BF übermittelte der Firma S am 20.03.2018 um 13:45 ein E-Mail mit folgendem Inhalt:
"[...] heute habe ich von AMS Baden die Nachricht erhalten, daß ich bei [ Firma S.] eine Arbeitsaufnahme als Transitarbeitskraft mit Arbeitsaufnahmedatum am 22.03.2018 um 7:30 habe. Diesen Termin kann ich leider nicht wahrnehmen, weil ich an diesem Tag schon am Vormittag einen anderen Termin habe, den ich nicht innerhalb 3 Tage verschieben kann.
Ich ersuche Sie stattdessen um die Vereinbarung eines Vorstellungstermins, an einem anderen Tag: Von 23.03.2018 bis inkl. 30.03.2018 bin ich jeweils von ca. 9:10 Uhr bis ca 11:40 wegen Terminen verhindert, sodass ich Sie in dem Zeitraum um einen Vorstellungstermin am Nachmittag ersuche, auch weil ich öffentliche Verkehrsmittel nutze, falls möglich; bzw. ab Woche 14 ist ein Vorstellungstermin jederzeit möglich.
Ich bitte um Ihr Verständnis und ersuche um Ihre Nachricht betreff eines Vorstellungstermins. [...]"
Mit E-Mail vom selben Tag forderte eine Mitarbeiterin der Firma S die BF dazu auf, sich bezüglich ihres Anliegens an das AMS zu wenden. Die Firma S selbst informierte noch am selben Tag das AMS über die genannte E-Mail der BF. Da die BF für das AMS telefonisch nicht erreichbar war, wurde sie vom AMS mit E-Mail vom 21.03.2018, 09:43 Uhr, aufgefordert, bekanntzugeben, um welchen Termin es sich am 22.03.2018 handle.
Die BF übermittelte dem AMS mit E-Mail vom 22.03.2018, 15:54 Uhr, zwei Zeitbestätigungen der von ihr am 22.03.2018 besuchten Ärzte und gab an, dass sie diese Termine nicht kurzfristig habe verschieben könne.
Die von der BF in Anspruch genommenen medizinischen Leistungen waren medizinisch notwendig. Der von der BF aufgesuchte Orthopäde bot die von der BF benötigten Therapie nur vormittags an.
Ab dem 22.03.2018 bis dato steht die BF in keinem Dienstverhältnis, sondern bezieht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen gründen sich auf den unzweifelhaften Inhalt des Verwaltungsaktes.. Die Feststellungen betreffend die Zielsetzungen der Firma S ergeben sich aus deren auf der Homepage veröffentlichten Leitbild. Die Feststellungen betreffend die Arzttermine der BF und insbesondere deren Dringlichkeit sowie den Umstand, dass der Orthopäde der BF Termine zur physikalischen Therapie durch den nur vormittags anbietet, geht aus den von der BF beigebrachten Arztbestätigungen hervor. Die Feststellung, wonach die BF bis dato kein Dienstverhältnis aufgenommen hat, ergibt sich aus dem aktuellen Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Die Feststellungen sind soweit entscheidungserheblich unbestritten
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Im vorliegenden Fall war daher Senatszuständigkeit gegeben.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert die die arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
Dass eine Zuweisung zu einer Beschäftigung erfolgte wird im vorliegenden Fall nicht bestritten, allerdings muss die zugewiesene Beschäftigung auch zumutbar sein.
Zur (Vor)Frage der Zumutbarkeit der Beschäftigung:
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.
Wenn ein Arbeitsloser die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Beschäftigung gegenüber dem Arbeitsmarktservice bestreitet, dann hat sich das AMS mit dieser Frage in der Begründung seines Bescheids auch dann auseinanderzusetzen, wenn es die Einwände nicht für berechtigt hält. Das AMS hat insbesondere darzutun, welche Anforderungen mit der zugewiesenen Beschäftigung verbunden sind und ob der Beschwerdeführer nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten diesen Anforderungen genügt (vgl. VwGH 08.10.2013, 2012/08/0266, mwN).
Diesem Erfordernis ist das AMS durch die ausführlichen Erwägungen in der Beschwerdevorentscheidung betreffend das Gesamtleistungskalkül nachgekommen. Die BF brachte auch nicht vor, dass ihr das zugewiesene Arbeitsverhältnis aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht zumutbar sei, sondern monierte lediglich, dass sie nicht zur Zielgruppe der Firma S gehöre und sie ein Arbeitsverhältnis mit der Firma S bloßstellen würde.
Gemäß § 9 Abs. 7 AlVG gilt als Beschäftigung, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.
Der Gesetzgeber hat durch die mit BGBl. I Nr. 104/2007 (mit Wirkung vom 1. Jänner 2008) angefügte Zumutbarkeitsregelung im § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch "ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienenden Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)" als (zumutbare) Beschäftigung angesehen. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 AlVG im Hinblick auf einen Sozialökonomischen Betrieb kann daher zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen. Eine Begründungspflicht, um eine Beschäftigung auf dem "zweiten Arbeitsmarkt" (in einem sozialökonomischen Betrieb) zuweisen zu können, sieht das Gesetz nicht vor (VwGH 29.01.2014, 2013/08/0265).
In Anbetracht dieser Rechtslage und des Umstandes, dass die BF in verfahrensgegenständlichen Zeitraum bereits im 50. Lebensjahr war und die bisherigen Vermittlungsversuche erfolglos blieben, sodass sie seit über 8 Jahren keiner Beschäftigung mehr nachgegangen ist, ergibt sich auch kein Zweifel daran, dass das zugewiesene Transitarbeitsverhältnis der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dient. Da zudem im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, dass das gegenständliche Arbeitsverhältnis nicht den vom Verwaltungsrat festgesetzten Qualitätsstandards entspricht, ist davon auszugehen, dass dieses im konkreten Fall der BF zumutbar war. Die Einwände der BF betreffend einen befürchteten Ansehensverlust aufgrund der Beschäftigung bei einem SÖB bilden insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Bedenken der BF hinsichtlich der Zielgruppe der Firma S wie oben dargestellt nicht zutreffen, keinen Grund die Zumutbarkeit der Beschäftigung zu verneinen. Die BF zählte als im verfahrensgegenständlichen Zeitraum im 50. Lebensjahr befindliche langzeitarbeitslose Person zur Zielgruppe des genannten sozioökonomischen Betriebes. Festzuhalten ist auch, dass die von der BF angeführte Überqualifikation für das Arbeitsverhältnis kein Zuweisungshindernis ist (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz: Praxiskommentar, § 9 Rz 212) und im Falle des Bezugs von Notstandshilfe kein Berufs- oder Entgeltschutz im Sinne des § 9 Abs. 3 AlVG besteht (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz: Praxiskommentar, § 9 Rz 234).
Die BF bringt vor, dass die Zuweisung rechtswidrig gewesen sei, da sie das AMS gleich in ein Arbeitsverhältnis und nicht nur zu einem Vorstellungsgespräch zugewiesen habe und verweist dazu auf VwGH 23.02.2005, 2003/08/0039. In ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme moniert sie zudem, dass es sich um eine ad hoc Zuweisung gehandelt habe, da die vorige Zuweisung vom 20.02.2018 nicht als "Dauerzuweisung" gelte. Jedoch ergibt sich weder aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen (insb. § 9 AlVG) noch aus dem von der BF angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine Zuweisung zu einer Beschäftigung ohne vorangehendes Vorstellungsgespräch rechtswidrig sei. Auf das diesbezügliche Vorbringen war daher nicht weiter einzugehen. Eine Zuweisung von einer Minute auf die andere ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt. Die BF hatte vielmehr zwei Tage Zeit, um sich auf das Arbeitsverhältnis vorzubereiten und mit dem potentiellen Arbeitgeber die Bedingungen abzuklären. So sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.10.2010, 2008/08/0191, aus, dass bereits dann, keine ad hoc Zuweisung vorliegt, wenn der Arbeitslose am Freitag um 16:30 vom Arbeitsbeginn am darauffolgenden Montag erfährt.
Die verfahrensgegenständliche Zuweisung entsprach somit den rechtlichen Vorgaben. Allerdings erfolgte sie aktenkundig relativ knapp vor der geplanten Aufnahme der Beschäftigung. Der BF stand somit wenig Zeit zur Koordinierung ihrer notwendigen Arzttermine und der diesbezüglich nötigen Absprachen mit dem AMS und dem potentiellen Dienstgeber zur Verfügung.
Die BF hatte, wie sie im Zuge des Beschwerdeverfahrens nachwies, aufgrund akuter Schmerzen Arzttermine bei einem Orthopäden und in einen radiologischen Labor vereinbart, die sie an der pünktlichen Arbeitsaufnahme hinderten. Ihr Vorbringen, dass die genannten Arzttermine vor Einlangen der gegenständlichen Zuweisung vereinbart worden waren, erscheint unbedenklich und wurde von der belangten Behörde auch nicht in Zweifel gezogen: Die orthopädische Therapie begann bereits am 19.3.2018. Die Terminvereinbarung in der radiologischen Praxis erfolgte am 20.03.2018 um 12:33. Die BF bringt diesbezüglich in unbedenklicher Weise vor, dass sie erst danach beim Heimkommen die gegenständliche Zuweisung im Postkasten vorgefunden habe.
Im Zuge des Beschwerdeverfahrens hat die BF nachgewiesen, dass die Einhaltung der genannten Arzttermine medizinisch notwendig war. Die BF hat auch nachgewiesen, dass ihr Orthopäde für die von der BF in Anspruch genommene Therapiegar keine Nachmittagstermine angeboten hätte.
Gemeldet hat die BF ihre Verhinderung unmittelbar nach Erhalt der Zuweisung am 20.3.2018 an den sozioökonomischen Betrieb - dies ohne zu erwähnen, dass es sich um Arzttermine handle, die sie an der Arbeitsaufnahme hindern würden. Diese Unterlassung mag im Nachhinein betrachtet zur Verminderung der Chancen auf das Zustandekommen des Dienstverhältnisses beigetragen haben, jedoch verlangt § 10 AlVG doloses Verhalten. Die BF hat in ihrer E-Mail vom 20.03.2018 deutlich mitgeteilt, dass sie jeweils an den Nachmittagen zur Verfügung steht. Der BF muss nicht bekannt gewesen sein, dass der genannte sozioökonomische Betrieb bei Vorbringen von gesundheitlichen Problemen anders reagiert hätte als bei Vorbringen sonstiger Verhinderungen. Vielmehr konnte die BF zu Recht davon ausgehen, dass ihr das ungefragte Vorbringen gesundheitlicher Probleme (unmittelbar in der ersten E-Mail und nicht etwa in einem darauffolgenden persönlichen Gespräch) erst Recht als Vereitelungshandlung hätte ausgelegt werden können. Der BF kann allein aus der genannten Unterlassung somit kein hier relevanter Vorwurf gemacht werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der genannte sozioökonomische Betrieb auch nach Vorliegen der Arztbestätigungen vom 22.03.2018 dem AMS aktenkundig nicht mehr anbot, die BF an den mit Arztterminen belegten Tagen nur nachmittags zu beschäftigen.
Die BF hat laut ihrer an die potentielle Dienstgeberin gerichteten E-Mail vom 20.03.2017 weiters um ein Vorstellungsgespräch an einem Nachmittag ersucht, hat also deutlich zu erkennen gegeben, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten dort arbeiten wollen würde. Dass die BF dabei um ein Vorstellungsgespräch ersuchte und nicht gleich ihre Arbeitsaufnahme nachmittags anbot, erscheint im vorliegenden Gesamtzusammenhang unbedenklich: Zwar hatte die BF hatte ca. ein Monat zuvor bereits eine sog. Jobbörse, also einen Informationstag mit einem Vorstellungsgespräch im genannten Sozioökonomischen Betrieb absolviert. Die schriftliche Zuweisung vom 15.03.2018 enthält weiters den Vermerk, "Das AMS bietet Ihnen die Möglichkeit, für einen Arbeitsplatz im Projekt "S.". [...] Es handelt sich hiebei um ein konkretes Arbeitsangebot". Angesichts dessen, dass die BF nicht pünktlich an der zugewiesenen Arbeitsstelle erscheinen konnte, ging sie jedoch zu Recht davon aus, dass die potentielle Dienstgeberin bei Zustimmung zu einer Beschäftigung trotz der vorgebrachten Verhinderungen wohl ein neuerliches Gespräch mit der BF führen wollen würde, ehe die Beschäftigung - zu anderen zeitlichen Bedingungen als ursprünglich geplant - aufgenommen werden könnte. Der BF kann im vorliegenden Gesamtzusammenhang daher nicht zum Vorwurf iS eines dolosen Verhaltens gemacht werden, dass sie um ein Vorstellungsgespräch ersuchte hat anstatt eine unmittelbare Arbeitsaufnahme nachmittags anzubieten.
Die von der BF an ihre potentielle Dienstgeberin gerichtete E-Mail vom 20.03.2018 bietet auch keine sonstigen Hinweise, die etwa darauf schließen lassen würden, dass die BF mit dem Ziel, nicht beschäftigt zu werden, gegenüber der potentiellen Dienstgeberin absichtlich eine besonders unhöfliche Ausdruckweise gewählt hätte. Dass sich die BF nicht zur Zielgruppe des genannten sozioökonomischen Betriebes zählt, hat sie erst im Zuge des Beschwerdeverfahrens vorgebracht.
Am Tag nach der laut Zuweisung geplanten Arbeitsaufnahme - dies war gleichzeitig der Tag an dem die BF zwei notwendige Arzttermine vormittags und nachmittags absolviert hatte - meldete die BF unter gleichzeitiger Vorlage der Arztbestätigungen ihre Verhinderung dem AMS. In der Folge wies sie die medizinische Notwendigkeit der Behandlungen nach. Soweit der BF vorgehalten wird, sie am 20.3.2018 lediglich der potentiellen Dienstgeberin und nicht auch gleich dem AMS über ihre Verhinderung am Tag des geplanten Dienstantritts Bescheid gegeben hat, so mag auch dies objektiv betrachtet ihre Chancen auf das Zustandekommen des Dienstverhältnisses geschmälert haben. Jedoch hält die BF dem zu Recht entgegen, dass der in der gegenständlichen Zuweisung enthaltene Passus "Setzen Sie sich bitte mit Ihrem/r zuständigen Berater/in in Verbindung, sollten Sie zu diesem Termin nachweislich verhindert sein [...]" nach einem Nachweis verlangt, sie also um dem Hinweis zu entsprechen erst die Arztbestätigungen einholen wollte. Die potentielle Dienstgeberin hatte die BF unverzüglich und noch vor dem geplanten Arbeitsbeginn verständigt. Der BF kann daher auch in diesem Zusammenhang kein doloses Verhalten zur Last gelegt werden.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der BF unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben eine eine zumutbare Beschäftigung zugewiesen wurde. Der BF kann jedoch nicht vorgehalten werden, dass sie die Aufnahme dieser Beschäftigung durch ein vorsätzlich vereitelndes Tun vereitelt hätte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (s. die unter 3. zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
ärztliche Bestätigung, gesundheitliche Beeinträchtigung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2202826.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.03.2019