TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/24 W215 2013294-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W215 2013294-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über den Antrag auf internationalen Schutz vom 12.07.2014, Zahl 14-1025191300-14787116, von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

I. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 12.07.2014 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, abgewiesen.

II. Der Antrag auf internationalen Schutz von XXXX wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird dem Antragsteller gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, nicht erteilt. Gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, wird gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, in die Bundesrepublik Somalia zulässig ist.

IV. Gemäß § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise von XXXX 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,

BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 13.07.2014 erfolgte die Erstbefragung des Antragstellers, in der dieser zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst ausführte, dass ihn die al-Schabaab zwangsrekrutieren hätte wollen. Sie hätten ihn im Jänner 2014 entführt und ihn ca. drei Monate gefangen gehalten. Unmittelbar nach seiner Flucht von dort habe der Antragsteller die Bundesrepublik Somalia verlassen. Er habe Angst, von der al-Schabaab getötet zu werden.

Am 07.11.2016 brachte der Rechtsanwalt des Antragstellers eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

2. Am 13.02.2017 langte die Aktenvorlage vom 08.02.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.02.2017 beauftragt, den Antragsteller gemäß

§ 19 Abs. 6 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, so rasch wie möglich, längstens jedoch binnen acht Wochen ab Zustellung, niederschriftlich zu befragen.

In der Folge wurde der Antragsteller am 21.03.2017 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Er gab nach seinem Fluchtgrund gefragt zusammengefasst an, dass ihn die Regierung beschuldigt habe, als Spion für die al-Schabaab zu dienen. Die

al-Schabaab habe ihn beschuldigt mit der Regierung zusammenzuarbeiten und zum Tode verurteilt. Als der Antragsteller auf die Vollstreckung gewartet habe, sei die al-Schabaab angegriffen worden und er habe flüchten können.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 27.02.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Antragsteller und sein Rechtsanwalt. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 05.10.2017 für die Verhandlung entschuldigt und die Übermittlung der Verhandlungsschrift beantragt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Antragsteller und sein Rechtsanwalt verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit Schreiben vom 05.07.2018 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsteller Parteiengehör zu seiner Situation in Österreich ein. Mit Stellungnahme vom 03.08.2018 führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, dass sich keine wesentlichen Änderungen in Bezug auf sein Leben in Österreich ergeben hätten. Er weise allerdings auf die schlechte Lage in der Bundesrepublik Somalia hin, wo ihm eine Art. 2 und 3 EMRK widersprechende Behandlung drohe und ersuche um die Zuerkennung von internationalem Schutz.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Antragstellers kann nicht festgestellt werden. Der Antragsteller ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gehört dem Clan der Asharaf an und moslemischem (sunnitischen) Glaubens.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller von al-Schabaab zwangsrekrutiert werden sollte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller von der Regierung beschuldigt wurde, für die al-Schabaab als Spion zu dienen oder sonst Probleme mit somalischen Behörden hatte. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Antragsteller in der Bundesrepublik Somalia von al-Schabaab wegen des Vorwurfs der Zusammenarbeit mit der Regierung und Spionage für diese angehalten und zum Tode verurteilt wurde. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Antragstellers wegen seiner Zugehörigkeit zum Clan der Asharaf ermordet wurde; ebenso wenig, dass der Vater von einem Nachbar aus Habgier ermordet wurde.

3. Der Antragsteller stammt aus XXXX , in Südsomalia. Er ist nach moslemischem Ritus verheiratet und lebte bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern, seiner Schwester und seiner Lebensgefährtin im Elternhaus in XXXX . Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Antragstellers, mit dem der Antragsteller immer im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ermordet wurde. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Mutter die erste Ehefrau des Vaters ist, der Vater danach noch einmal geheiratet hat und der Antragsteller einen Halbbruder hat, der älter ist als er.

Der Antragsteller besuchte sieben Jahre lang die Schule, wurde von seinen Eltern versorgt und lebte in guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Seine Mutter XXXX , in dem der Antragsteller bis zur Ausreise als XXXX arbeitete. Er ist ein gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter und es ist ihm möglich und zumutbar, im Fall einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt wieder durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Auch ist davon auszugehen, dass der Antragsteller wieder im XXXX seiner Mutter arbeiten kann. Der Antragsteller verließ problemlos die Bundesrepublik Somalia mit einem Flugzeug vom internationalen Flughafen in Mogadischu. Die Reisekosten in Höhe von US-$ 5000.- wurden von seiner Familie übernommen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller zu seinen Familienangehörigen keinen Kontakt hat.

4. Der Antragsteller ist XXXX Jahre alt, kinderlos, hat seine Lebensgefährtin, mit der er nach moslemischem Ritus im Herkunftsstaat verheiratet ist, dort zurückgelassen und ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich gereist. Er hält sich nachweislich seit seinem Antrag auf internationalen Schutz vor mehr als vier Jahren im Bundesgebiet auf. In Österreich leben keine Verwandte des Antragstellers. Der Antragsteller hat von XXXX an einem A1.1 Deutschkurs teilgenommen, aber immer noch keine Deutschprüfung abgelegt. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnten sich der Antragsteller nur in gebrochenem Deutsch verständigen. Von XXXX übernahm er ehrenamtliche Tätigkeiten im Ausmaß von 60 Wochenstunden in einem XXXX , wobei in diesem Zusammenhang die kommunikativen und sozialen Kompetenzen sowie seine Bemühungen um eine Integration in Österreich hervorgehoben wurden. Des Weiteren war der Antragsteller von XXXX in einer XXXX als Hilfsarbeiter tätig und wurde in der Arbeitsbestätigung als verlässlich und hilfsbereit bezeichnet. Ferner spielt er seit Juni 2017 in einem Sportverein Fußball. Der Antragsteller war nie in der Lage seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten; er lebt ausschließlich von der Grundversorgung.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,09 Millionen Menschen (2018, World Population Review [AA Überblick Stand Oktober 2018 abgefragt am 17.01.2019]).

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt:

a) In Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu.

b) Der so genannte Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

c) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Mit der für Mitte November erwarteten Präsidentschaftswahl dürfte der demokratische Prozess jedoch wieder an Momentum gewinnen. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten.

Vor diesem Hintergrund ist zu beinahe allen folgenden Abschnitten eine Dreiteilung notwendig. Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden.

ad a) Süd- und Zentralsomalia

Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmänner und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am 08.02.2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29.03.2017 wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 07.03.2018).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes Lähmen (AA Innenpolitik Stand Oktober 2018 abgefragt 17.01.2019).

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).

Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).

Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).

Präsident Farmajo war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011) und trat aufgrund politischer Differenzen mit dem Präsidenten und dem Sprecher zurück. Präsident Farmajo hat die somalische sowie die US-Staatsbürgerschaft. Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Präsident Farmajo hat angeblich auch gute Beziehungen zum Militär was einige Kommentatoren als ein viel versprechendes Zeichen für Stabilität sehen (Europäische Kommission Februar 2017).

2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 07.03.2018).

UN-Generalsekretär Antonio Guterres ernannte am 12.09.2018 mit Wirkung vom 01.10.2018 den Südafrikaner Nicholas "Fink" Haysom zum Sondergesandten für Somalia und Nachfolger von Michael Keating. Haysom ist derzeit Sondergesandter für Sudan und Südsudan. Unter Nelson Mandela diente er als Chefberater für Rechts- und Verfassungsfragen (BAMF 24.09.2018).

(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 17.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267

VOA, Voice of America, Somalis Optimistic about New President, 09.02.2017,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 24.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand Oktober 2018, abgefragt am 17.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130)

Parteiensystem

ad a) in Süd- und Zentralsomalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 07.03.2018).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand Oktober 2018 abgefragt 17.01.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2018, 07.03.2018

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 17.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Asharaf/Ashraf

Das Danish Immigration Service (DIS) geht in einem Bericht zu einer Fact-Finding-Mission in Somalia aus dem Jahr 2000 ausführlich auf die Asharaf ein und erwähnt dabei, dass diese von Asharaf-Ältesten - die sich selbst als Benadiri bezeichnet hätten - in die Gruppen Hussein und Hassan (mit jeweils weiteren Untergruppierungen) unterteilt würden. Jedes Mitglied der Ashraf-Gemeinschaft stammt entweder von Hassan oder Hussein ab (Accord 06.02.2012; BAMF Juli 2010; Accord 03.07.2012; EASO August 2014).

Das UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UN OCHA) beschreibt in einer im August 2002 veröffentlichten Studie die Asharaf als arabische Immigranten aus Saudi-Arabien, die ca. 0,5% der Gesamtbevölkerung ausmachen und vor allem in den Küstenstädten Merka, Brava sowie den Regionen Bay und Bakoolin siedeln. Nach Erkenntnissen der Fact Finding Mission 2000, die auf Angaben von Ashraf-Ältesten beruhen, leben die Ashraf in Süd- und Zentralsomalia hauptsächlich in Städten wie Bardera, Kismayo, Baidoa, Jhoddur, Merka, Brava und Mogadischu. Äthiopische Ashraf seien zum Teil zur Zeit des Ogaden-Krieges (1977) nach Somalia gekommen. Ein Teil dieser exilierten Ashraf sei wiederum 1991 -1992 aus Somalia geflohen. Die Ashraf betrachteten sich als Abkömmlinge von Hassan und Hussein. Jeder Ashraf gehöre zu einer dieser beiden Abstammungslinien und jeder weibliche oder männliche Angehörige der Ashraf ab dem Alter von zwei Jahren sei in der Lage sich selbst einer dieser beiden Linien zuordnen (Accord 29.04.2010; BAMF Juli 2010; U.K. Home Office Juni 2017).

Die Asharaf werden häufig als Minderheit kategorisiert. Einer der Gründe dafür, weshalb die Asharaf häufig als Minderheit eingestuft werden, liegt darin, dass sich die Asharaf bei der Errichtung der Vorübergehenden Bundesregierung im Jahr 2004 aus politischen Gründen in die 0,5-Gruppe als Minderheit platzierten, nachdem sie Schwierigkeiten hatten, innerhalb der Rahanweyn-Gruppe voll repräsentiert zu werden. Hier wird in erster Linie auf die Digil-Mirifle-Asharaf Bezug genommen und nicht auf die Benadiri-Asharaf. Weitere Asharaf-Gruppen leben zusammen mit anderen somalischen Clans in verschiedenen Regionen des Landes. Meist sind sie in die Gruppen, mit denen sie zusammen siedeln (Digil-Mirifle oder Benadiri) integriert und werden normalerweise von diesen wegen ihres besonderen religiösen Status als Nachkommen des Propheten beschützt. Sie werden daher nicht als Minderheit im engeren Sinne angegriffen, doch können sie an denselben Problemen, mit denen ihre ‚Gastgeber'- Clans konfrontiert sind, leiden. Einer der wichtigsten Minister und Verbündeten des früheren Präsident Sheikh Sharif, Sharif Hassan, ist Angehöriger der Asharaf. Der aktuelle Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011 [Accord 15.05.2009; UN Sicherheitsrat 10.02.2017; Europäische Kommission Februar 2017]).

Markus Höhne, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ethnologie an der Universität Leipzig, schreibt in einer E-Mail-Auskunft vom 20.02.2015 Asharaf sind immer noch mit eine der schwächsten Gruppen in der Bundesrepublik Somalia. Sie werden sicher nicht mehr systematisch verfolgt. Aber im allgemeinen sozialen, politischen, ökonomischen und militärischen Gefüge des Südens, der immer noch weit von Stabilität und Frieden entfernt ist, sind Asharaf anfällig gegenüber Ausbeutung, Übergriffen, Kriminalität, sexueller Gewalt etc. Sie haben keine Miliz, die sie verteidigt. Die Regierung ist bei weitem nicht stabil genug, die Sicherheit Ihrer Bürger zu garantieren. Und noch immer operieren al-Schabaab und Kriminelle sowie undisziplinierte Soldaten in Teilen Südsomalias.

Mein Fazit ist: Mitglieder dieser Gruppe sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt. Diese ist aber eher allgemeiner Natur und dadurch bedingt, dass Asharaf politisch und vor allem militärisch nicht stabil verankert sind (Accord 12.06.2015; Accord 08.01.2018).

Teilweise werden auch die Ashraf und die Sheikal (Sheikash) zu den ethnischen Minderheiten gezählt. In kultureller und sprachlicher Hinsicht sind sie aber schwerer von der somalischen Mehrheitsbevölkerung zu unterscheiden. Stattdessen haben sie einen speziellen religiösen Status (u.a. Durchführung von Riten) und spielen traditionell eine wichtige Rolle bei der Konfliktlösung. Beide Gruppen unterhalten Sheegad-Verhältnisse. Es gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. "Adoption"). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Sheegad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Der Schutzclan regelt für sie alle externen Angelegenheiten wie beispielsweise die Vereinbarung von Mag/Diya. Im Kontakt mit Fremden, auch im Ausland, identifizieren sich Angehörige von Berufsgruppen häufig nicht als solche, sondern als Mitglieder ihres Schutzclans. Es kommt sogar vor, dass sich der Mehrheitsclan an Mag/Diya-Zahlungen der Geschützten beteiligt. Solche Allianzen bestehen auch heute noch, wenn auch das Ausmaß etwas abgenommen hat. Ausdrücke wie Sheegad oder Gaashaanbuur sind in der somalischen Gesellschaft aber nicht mehr sehr bekannt. Vielmehr sind es simple Allianzen, die eingegangen werden (EJDP bzw. nunmehr SEM 31.05.2017).

(UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

EASO, Informationsbericht über das Herkunftsland Süd- und Zentralsomalia Länderüberblick, August 2014, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO-COIreport-Somalia_DE.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Zahl a-8059, 03.07.2012, https://www.ecoi.net/local_link/221187/342651_de.html

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zum Clan der Reer-ow-Xassan (Reer aw Hassan) (Minderheitenclan und Schutz), Zahl a-7879, 06.02.2012,

https://www.ecoi.net/file_upload/response_en_209792.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum für Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/697672/697677/6029534/13604856/13565580/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Minderheiten_in_Somalia%2C_Juli_2010.pdf?nodeid=13904432&vernum=-2

Accord, Bericht, Clans in Somalia, Bericht zum Vortrag von Dr. Joakim Gundel beim COI-Workshop in Wien am 15.05.2009, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1261131016_accord-bericht-clans-in-somalia-ueberarbeitete-neuausgabe-20091215.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, 1) Lage der Asharaf; Gehören die Asharaf dem Sub-Clan der Hassan und dem Hauptclan der Arab an?

2) Heirat zwischen Angehörigen von Minderheiten und Mehrheitsclanangehörigen; 3) Situation von Frauen (Gefahren für alleinstehende Frauen), Zahl a-7230, 29.04.2010, https://www.ecoi.net/file_upload/response_en_141627.html

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage von (weiblichen) Angehörigen der Asharaf (auch: Ashraf) Zahl a-9202-3 (9230), 12.06.2015,

https://www.ecoi.net/local_link/305541/442757_de.html

EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

U.K. Home Office, Country Information and Guidance South and central Somalia, Majority clans and minority groups, Version 2.0 Juni 2017, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/619552/Somalia_CPIN_majority_clans_and_minority_groups_in_south_and_central_Somalia_2_0_June_2017.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Behandlung von Angehörigen der Ashraf [auch: Asharaf]; Aktivitäten der al-Schabaab im Gebiet Jubbaland (Gedo, Middle Juba, Lower Juba), Zahl a-10438, 08.01.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1423102.html)

Sicherheitslage

Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und "Somaliland" ist die Lage insgesamt stabiler. In den zwischen Puntland und "Somaliland" umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kam es in jüngerer Zeit wieder verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße gibt es auch in der Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug (AA Innenpolitik Stand Oktober 2018, abgefragt am 17.01.2019).

Für westliche Staatsangehörige besteht in ganz Somalia (dies gilt auch für Somaliland und Puntland) ein sehr hohes Entführungsrisiko, ausländische Staatsangehörige werden auch immer wieder Opfer von Mordanschlägen (BMEIA Stand 07.11.2018 abgefragt 17.01.2019).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden "Somaliland" (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 07.03.2018).

In den Regionen Lower und Middle Juba, Lower und Middle Shabelle, Gedo, Bay, Bakool, Banaadir und Hiraan kommt es regelmäßig zur Explosion von improvisierten Sprengsätzen. Seit September 2018 wurden mindestens 54 durch Explosionen getötete Zivilisten verzeichnet. Opfer wurden auch bei Zusammenstößen zwischen Soldaten und der al-Schabaab rund um Mogadischu, in der Region Hiraan, in der Region Gedo und in anderen Regionen verzeichnet (Accord, Sicherheitslage 31.10.2018).

Entwicklung von Konfliktvorfällen von September 2016 bis September 2018 in der gesamten Bundesrepublik Somalia:

Bild kann nicht dargestellt werden

(Accord drittes Quartal 2018, 12.11.2018)

Berichtete Konfliktvorfälle nach Provinzen im dritten Quartal 2018

XXXX (Accord drittes Quartal 2018, 12.11.2018).

ad a) Süd- und Zentralsomalia

Bei der Explosion einer Sprengfalle der al-Schabaab starben am 19.09.2018 nahe der Ortschaft Abdale-Birole (Region Lower Juba) zehn Soldaten des Bundesstaates Jubaland. Die Explosion einer Sprengfalle der al-Schabaab in Afgooye (Region Lower Shabelle) tötete am 25.09.2018 einen Soldaten und verletzte zwei weitere. Am 27.09.2018 starben bei der Explosion einer Sprengfalle der al-Schabaab bei einem Teeladen in Elwaq (Region Gedo) zwei Personen, sechs wurden verletzt. Bei einem Anschlag der al-Schabaab mit einer Sprengfalle auf ein Fahrzeug der somalischen Armee in Mogadischu kamen drei Soldaten ums Leben. Das Afrikakommando der USA tötete am 21.09.2018 bei einem Luftangriff ca. 50 Kilometer nordwestlich von Kismayo (Region Lower Juba) 18 al-Schabaab-Kämpfer. Am 24.09.2018 töteten somalische und AMISOM-Einheiten bei einer Sicherheitsoperation in Qoryoley (Region Lower Shabelle) 35 al-Schabaab-Angehörige. Somalische Einheiten töteten am 27.09.2018 in der Ortschaft Jilib-Marka (Region Lower Shabelle) 16 al-Schabaab-Kämpfer. Am Rande der UN-Generalversammlung traf Außenminister Ahmed Awad Issa mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammen. Lawrow erklärte, Russland unterstütze die Anstrengungen Somalias und der AMISOM bei der Terrorismusbekämpfung. Die beiden Außenminister bekräftigten ihre früheren Zusagen zum Ausbau der diplomatischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit (BAMF 01.10.2018).

Al-Schabaab tötete nach eigenen Angaben am 29.10.2018 bei einem Anschlag mit einer Sprengfalle auf einen Konvoi äthiopischer Truppen der AMISOM in der Ortschaft El-Gal nahe Beledweyne (Region Hiiran) 30 äthiopische Soldaten. Am 27.10.2018 wurde nahe Mogadischu ein Rundfunkjournalist ermordet. Eine Explosion einer Sprengfalle nahe dem somalischen Parlament am 01.11.2018 hatte keine Todesfälle zur Folge. Hinter beiden Anschlägen wird die al-Schabaab vermutet. Der IS ermordete nach eigenen Angaben am 01.11.2018 in Boosaaso (Puntland) einen Zollbeamten. Al-Schabaab übernahm die Verantwortung für einen Anschlag mit einer Sprengfalle auf dschibutische AMISOM-Kräfte in Bulo Burde (Region Hiiraan) am 02.11.2018. Bei einem Luftangriff nicht identifizierter Flugzeuge am 28.10.2018 in Kasuuma (Region Lower Jubba) kamen elf al-Schabaab-Kämpfer ums Leben. Al-Schabaab-Kämpfer griffen am 31.10.18 somalische und AMISOM-Einheiten in mehreren Ortschaften im Bezirk Qoryoley (Region Lower Shabelle) an. Somalische und AMISOM-Kräfte übernahmen am 31.10.2018 die Kontrolle über die Stadt Daynunay in der Nähe von Baidoa (Region Bay Region). Al-S habaab hatte Daynunay im Juni 2018 erobert. Somalische und AMISOM-Einheiten töteten am 02.11.2018 im Rahmen einer gemeinsamen Offensive gegen al-Schabaab im Bezirk Jamaame (Region Lower Juba) zwölf Extremisten. Bei einem Luftangriff der USA sollen in der Ortschaft Araara nahe Kismayo (Region Lower Juba) am 02.11.2018 vier al-Schabaab-Kämpfer getötet worden sein (BAMF 05.11.2018).

Bei einem Anschlag auf ein Hotel nahe der Kreuzung K 4 (Kilomter-vier-Kreuzung; belebte Kreuzung an der Straße zwischen Hafen und Flughafen) zündeten Selbstmordattentäter der al-Schabaab am 09.11.2018 Autobomben. Anschließend versuchten Kämpfer, in das Hotel einzudringen. Mindestens 13 Zivilisten und sechs Extremisten kamen ums Leben; 13 Zivilisten wurden verletzt. Vier al-Schabaab-Kämpfer starben am 03.11.2018 durch einen Luftschlag des United States Africa Command (AFRICOM) nahe Arare (Region Lower Juba [BAMF 12.11.2018]).

Bei der Explosion einer Sprengfalle, die am 18.11.2018 in der Ortschaft Weydow außerhalb von Mogadischu vermutlich von al-Schabaab-Angehörigen gezündet wurde, starb ein Regierungssoldat; mindestens ein Zivilist wurde verletzt. Mehrere AMISOM-Soldaten kamen am 19.11.2018 nahe Baidoa (Region Bay) bei der Detonation von zwei Sprengfallen der al-Schabaab ums Leben. Am 20.11.2018 wurden in Mogadischu bei einem al-Schabaab zugerechneten Anschlag mit einer Sprengfalle auf das Fahrzeug eines Abgeordneten zwei Personen verletzt. Al-Schabaab übernahm die Verantwortung für einen Angriff auf ein Militärfahrzeug nahe Boosaaso (Puntland) am 20.11.2018, bei dem drei puntländische Soldaten getötet wurden. Al-Schabaab-Kämpfer ermordeten in Galkayo am 26.11.2018 nach Angaben der Polizei einen islamischen Geistlichen, dessen Frau sowie 13 weitere Personen. Al-Schabaab hatte dem Geistlichen vorgeworfen, den Propheten Mohammed beleidigt zu haben. Drei Extremisten, die das von dem Geistlichen geleitete islamische Zentrum gestürmt hatten, wurden erschossen. In Jilib (Region Middle Juba) soll der Radiosender der al-Schabaab Andalus von einem unbekannten Flugzeug bombardiert worden sein. Das genaue Datum ist unbekannt. Die USA verneinten eine Beteiligung. Am 19.11.2018 kam es in der Region Galgaduud zu einem Zusammenstoß von Kämpfern der Ahlu Sunna wa al Jama'a mit Kämpfern der al-Schabaab. Al-Schabaab-Angehörige griffen am 19.11.2018 einen Stützpunkt der kenianischen Armee in Fafadun (Region Gedo) an. Die Zahl der Opfer ist unbekannt. Das US Africa Command (AFRICOM) führte am 19.11.2018 zwei Luftschläge gegen al-Schabaab nahe Debatscile (Region Mudug) durch, bei denen insgesamt 27 al-Schabaab-Kämpfer getötet wurden. Bei Luftangriffen des AFRICOM starben am 20.11.2018 sieben Extremisten nahe der Ortschaft Quy Cad (Region Mudug) sowie sechs am 21.11.2018 nahe Haradheere (Region Mudug). Zivilisten kamen nach AFRICOM Angaben nicht zu Schaden. Am 20.11.2018 töteten somalische Einheiten 13 al-Schabaab-Kämpfer in Marka (Region Lower Shabelle [BAMF 26.11.2018]).

Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen al-Schabaab-Kämpfern und einer örtlichen Miliz, die sich Steuerforderungen der Extremisten widersetzte, wurden am 03.12.2018 in Adale (Region Middle Shabelle) vier al-Schabaab-Angehörige getötet. Al-Schabaab-Kämpfer griffen am 06.12.2018 einen Militärstützpunkt des Bundesstaates Jubbaland in Beled Hawo (Region Gedo) an; mindestens fünf Soldaten starben. Mit einem Luftschlag töten US-Streitkräfte bei Basra (Region Middle Juba) am 08.12.2018 vier Kämpfer der Al-Schabaab (BAMF 04.12.2018).

Sieben somalische Soldaten einschließlich eines Generals kamen am 06.12.2018 bei einem Anschlag der al-Schabaab auf einen Militärkonvoi in Dhanaane (Region Lower Shabelle) ums Leben. Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen al-Schabaab-Kämpfern und einer örtlichen Miliz, die sich Steuerforderungen der Extremisten widersetzte, wurden am 03.12.2018 in Adale (Region Middle Shabelle) vier al-Schabaab-Angehörige getötet. Unterstützer rivalisierender Kandidaten für die im Bundesstaat Southwest anstehenden Präsidentschaftswahlen beschossen einander in Baidoa (Region Bay) mehrfach mit Granaten. Die Sicherheitskräfte verhafteten am 06.12.2018 zahlreiche Personen. Al-Schabaab-Kämpfer griffen am 06.12.2018 einen Militärstützpunkt des Bundesstaates Jubbaland in Beled Hawo (Region Gedo) an; mindestens fünf Soldaten starben. Mit einem Luftschlag töten US-Streitkräfte bei Basra (Region Middle Juba) am 08.12.2018 vier Kämpfer der Al-Schabaab (BAMF 10.12.2018).

Äthiopische AMISOM-Einheiten verhafteten am 13.12.2018 in Baidoa (Region Bay) Sheikh Mukhtar Robow alias Abu Mansur. Nach unbestätigten Berichten soll Robow gefoltert und nach Mogadischu gebracht worden sein. Robow war einer der Begründer der al-Schabaab, ihr stellvertretender Führer und Sprecher. Unbestätigten Berichten zufolge soll er 2013 zur Regierung übergelaufen sein. Wegen der Verhaftung kam es in Baidoa am 13. und 14.12.2018 zu gewaltsamen Protesten seiner Unterstützer. Robow kandidiert für das Präsidentenamt des Bundesstaates South West bei den für den 19.12.2018 geplanten Wahlen. Die Senatoren des Bundesstaates South West im somalischen Oberhaus verurteilten Robows Verhaftung und bezichtigen AMISOM der Einmischung in die Innenpolitik und der Zusammenarbeit mit der Regierung, um in die bevorstehenden Wahlen einzugreifen. Die Senatoren empfahlen eine Verschiebung der Wahl, um Robow eine Teilnahme zu ermöglichen (BAMF 17.12.2018).

Laut Militär der USA sollen 62 Kämpfer der al-Schabaab bei sechs Luftangriffen getötet worden sein (BBC 17.12.2018).

(BMEIA, Österreichisches Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Reiseinformation, Somalia, unverändert gültig seit 07.11.2018, Stand 17.01.2019,

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/somalia

Accord, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Berichtzeitraum 2. Quartal 2018, 05.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1442612/1930_1536218362_2018q2somalia-en.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 01.10.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445533/1226_1539002314_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-01-10-2018-deutsch.pdf

Accord, Sicherheitslage in Somalia, veröffentlicht 31.10.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1448378.html

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 05.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001577/Deutschland+_+Bundesamt+für+Migration+und+Flüchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+05.11.2018+%28deutsch%29.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 12.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001572/Deutschland+_+Bundesamt+für+Migration+und+Flüchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+12.11.2018+%28deutsch%29.pdf

Accord, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Berichtzeitraum 3. Quartal 2018, 12.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1450161/1226_1542094535_2018q3somalia-de.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 26.11.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001559/Deutschland+_+Bundesamt+für+Migration+und+Flüchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+26.11.2018+%28deutsch%29.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 10.12.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2001573/Deutschland+_+Bundesamt+für+Migration+und+Flüchtlinge%2C+Briefing+Notes%2C+10.12.2018+%28deutsch%29.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 17.12.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1456289/6126_1547459202_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-17-12-2018-deutsch.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand Oktober 2018, abgefragt am 17.01.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

BBC News, Laut Militär der USA 62 Kämpfer der al-Schabaab bei sechs Luftangriffen getötet, 17.12.2018, https://www.bbc.com/news/world-africa-46592101)

XXXX in Lower Juba/Jubada Hoose

Kismayo ist die Hauptstadt von Lower Juba und die wichtigste wirtschaftliche Drehscheibe für den südlichen Teil Somalias. Die Stadt verfügt über einen der wichtigsten Seehäfen des Landes und einen Flugplatz, der Anfang 2014 modernisiert und wiedereröffnet wurde; ihre Einwohnerzahl wird auf 167.000 bis 183.000 geschätzt (Daten von 2013 [EASO August 2014]).

Nach schweren Kämpfen mit Dutzenden Toten soll Sheikh Ahmed Mohamed Islam "Madobe" in der vergangenen Woche die Kontrolle über die südsomalische Hafenstadt errungen haben. Madobe war am 15.03.2013 auf der Konferenz zur Gründung des "Jubaland-Staates" in Kismayo vom Darod-Clan der Ogaden zum Präsidenten des autonomen Teilstaats gewählt worden (BAMF 15.07.2013).

Einheiten der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) wehrten am 21.08.2013 in Kismayo zwei Angriffe der al-Schabaab auf einen Stützpunkt der Mission ab. Sieben Extremisten wurden getötet. Der Hafen der südsomalischen Stadt war lange Haupteinnahmequelle der al-Schabaab. Im September 2012 hatten sie Soldaten der AMISOM und der AU aus der Stadt vertrieben (BAMF 26.08.2013).

Ende September 2012 gelang es kenianischen Truppen, in Verbindung mit AMISOM, die strategische Hafenstadt Kismayo, eine der letzten verbliebenen al-Schabaab-Hochburgen, zurückzuerobern. Al-Schabaab bleibt eine starke Bedrohung jedoch, hat sie begrenzte Ressourcen und Kräfte, weshalb es nicht wahrscheinlich ist, dass sie in der Lage wäre, große Städte wie Mogadischu, Kismayo, Baidoa und Belet Weyne einzunehmen. Das Funktionieren der somalischen Polizei wird als problematisch angesehen, insbesondere in Bezug auf Korruption, Bevorzugung, mangelnde Unparteilichkeit und Menschenrechtsverletzungen. Die Polizei wird von der Bevölkerung eher als repressive, denn als schützende, Kraft gesehen. Allerdings verändert sich dieses Bild in mehreren großen Städten (wie Jowhar, Kismayo und Belet Weyne), wo Polizeikräfte vor Ort rekrutiert werden und das Vertrauen der lokalen Bevölkerung gewinnen. Dies könnte ihnen relevantere Informationen über al-Schabaab liefern und es für al-Schabaab schwieriger machen, ihre Aktivitäten geheim zu halten. Zwischen 26.03. und 17.04.2018 setzte AMISOM, unterstützt von UNSOS, eine Polizeieinheit von 150 Mitarbeitern aus Sierra Leone in Kismayo ein (U.K. September 2018).

Im Jahr 2013 unterzeichneten Delegierte der Bundesregierung Somalias (FGS) und von Jubaland ein Abkommen, zur formellen Anerkennung der neu gegründeten Interims-Jubaland-Verwaltung (IJA) durch die FGS. Ahmed Mohamed Islam "Madobe" wurde in einer Konferenz im Jahr 2013 von Ältesten und Vertretern zum Präsident bestellt. Von Januar bis Juni 2018 unterstützte UNICEF 415 Kinder in den Wiedereingliederungszentren in Afgooye, Belet Weyne, der Stadt Garowe in der Region Nugal, der Stadt Kismayo in der Region Lower Juba und in Mogadischu. Ende September führten Mitarbeiter der UN-Agentur Schulungen für Mitarbeiter des Gesundheitswesens in Cholera-Behandlungszentren in Kismayo, Mogadischu und der Stadt Marka in Shabelle durch. Darüber hinaus sammelten WHO-Mitarbeiter, über das Frühwarnwarn-und Reaktionsnetzwerk, Daten von 415 Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land, was zur Früherkennung von Fällen und zur raschen Reaktion auf Ausbrüche über eine elektronische Plattform beiträgt (USAID 30.09.2018).

Der Stadt Kismayo und damit der Verwaltung von Jubaland (JIA) wird ein gewisses Maß an Rechtsstaatlichkeit attestiert. Die Sicherheitslage hat sich wesentlich verbessert. Kismayo ist in Süd- und Zentralsomalia auch der sicherste Ort für eine Rückkehr. Internationale Mitarbeiter bestimmter Organisationen durften früher nur zwei bis drei Tage am Stück in Kismayo verbringen. Nunmehr gibt es keine Einschränkungen mehr für den Aufenthalt. Zivilisten können sich in Kismayo frei und relativ sicher bewegen. Der Grund dafür, warum es in Kismayo ruhig ist, wird einerseits mit der Person Ahmed Madobes (dem Präsidenten von Jubaland) in Verbindung gebracht. Seine Aufklärungseinheiten in Kismayo sind sehr aktiv, die halbe Stadt arbeitet ihnen zu, und er führt Kismayo mit starker Hand. Außerdem war er früher selbst Teil der al-Schabaab und kann sich daher in die Gruppe hineindenken und mit ihr kommunizieren. Zusätzlich gilt Kismayo als kosmopolitische Stadt. Der JIA ist es gelungen, eine Verwaltung zu etablieren. Es gibt funktionierende Ministerien und staatliche Bedienstete. Weitere Institutionen werden Schritt für Schritt aufgebaut. Der Aufbau von Polizei und Justiz wurde und wird international unterstützt, etwa über den Stabilization Fund. Gleichzeitig verfügt die JIA mit dem Hafen von Kismayo über eigene finanzielle Einkünfte. Die militärisch zur Verfügung stehenden Kräfte der JIA gelten - im Vergleich zu anderen Landesteilen - als überdurchschnittlich. Das verhängte Waffentrageverbot in der Stadt wird umgesetzt, die Kriminalität ist auf niedrigem Niveau, es gibt kaum Meldungen über Morde. Folglich lässt sich sagen, dass die Polizei in Kismayo entsprechend gut funktioniert. Korruption ist bei der somalischen Polizei gegeben. Dass die Bevölkerung die Polizei nicht unbedingt als eine Kraft erachtet, welche sie schützt, scheint sich in manchen größeren Städten langsam zu ändern. Dort wurden Polizeikräfte lokal - und die lokale Clandynamik berücksichtigend - rekrutiert. Dies betrifft etwa Kismayo, Jowhar oder Belet Weyne. Nicht nur kommt derart rekrutierten Polizisten eher das Vertrauen der Bevölkerung zu, sondern können diese auch leichter an relevante Informationen gelangen. Auf diese Art wird es al-Schabaab schwerer gemacht, Aktivitäten geheim zu halten. Insgesamt sind die Einkünfte der al-Schabaab zurückgegangen, etwa durch den Verlust der Hafenstädte Kismayo und Baraawe. In mehreren somalischen Städten wurden Rehabilitationszentren für ehemalige Kämpfer der al-Schabaab eingerichtet - etwa in Kismayo, Baidoa, Belet Weyne und Mogadischu. Das Zentrum in Kismayo wurde Anfang März 2017 eröffnet, die Einrichtung hat Deutschland finanziert. In Kismayo mangelt es der al-Schabaab offenbar an ausreichender Organisationsstruktur und operativer Präsenz. Daher ist die Gruppe dort nur eingeschränkt aktiv. Es befinden sich Kräfte der USA am internationalen Flughafen von Kismayo, von wo aus Drohnen zum Einsatz kommen (BFA August 2017).

Somalisches Militär tötete am 02.07.2018 nahe Kismayo (Region Lower Juba) 15 al-Schabaab-Kämpfer sowie einen Kommandeur der Extremisten. Einheiten der somalischen Armee und Jubalands, die in der Ortschaft Muse Haji (Region Lower Juba) eine Sicherheitsoperation durchführten, wurden am 03.07.2018 von al-Schabaab angegriffen. Das somalische Militär tötete dabei nach eigenen Angaben 20 al-Schabaab-Kämpfer. Al-Schabaab gab an, am 03.07.2018 bei einem Angriff auf Einheiten Jubalands in der Ortschaft Baarka bei Kismayo (Region Lower Juba) drei Soldaten Jubalands getötet zu haben. Die Behörden in Kismayo bestritten dies und sprachen von schweren Verlusten auf Seiten der Extremisten (BAMF 09.07.2018).

Am 13.08.2018 wurden bei Kämpfen zwischen al-Schabaab und lokalen Kämpfern in der Region Juba mindestens neun Menschen getötet und mehrere weitere verletzt. Kämpfe zwischen von den USA angeführten somalischen Streitkräften und der al-Schabaab wurden im August 2018 in Middle Shabelle berichtet. Die somalischen Streitkräfte rückten weiter vor (Accord 31.10.2018).

Regierungseinheiten vertrieben am 19.08.2018 al-Schabaab-Kämpfer aus mehreren Vororten von Merka (Region Lower Shabelle). Bei einem Luftschlag des Afrikanischen Kommandos der USA (AFRICOM) wurden am 22.08.2018 nordöstlich von Kismayo (Region Lower Juba) zwei al-Schabaab-Angehörige getötet (BAMF 27.08.2018).

Die Interims-Galmudug-Verwaltung (IGA), Interims-Jubaland-Verwaltung (IJA), Interimsverwaltung im Südwesten (ISWA) und die Interims-Hirshabelle-Verwaltung haben die Gerichtsbarkeit nicht vollständig kontrolliert. Die Terrororganisation al-Schabaab behielt die Kontrolle über das Juba-Flusstal und die operative Bewegungsfreiheit in vielen weitere Gebieten im südzentralen Teil des Landes. Konflikt im Laufe des Jahres mit der Regierung, Milizen, Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) und al-Schabaab führten zu Tod, Verletzungen und Vertreibung von Zivilisten. AMISOM und somalische Sicherheitskräfte führten keine größeren Offensivaktionen zur Befreiung durch. Al-Schabaab hat die volle Kontrolle über die großen städtischen Zentren in Somalia verloren. Im September 2012 verlor die Gruppe die Kontrolle über Kismayo, einen wichtigen Hafen, den sie nutzte, um Lieferungen und Finanzmittel über Steuereinnahmen zu erhalten. Im Oktober 2014 verlor al-Schabaab einen weiteren strategischen Hafen in Baraawe an AMISOM und somalische Truppen. Obwohl al-Schabaab, aufgrund des Verlustes der strategischen Hafenstädte Baraawe, Kismayo und Merka, Einkommenseinbußen hinnehmen musste, hat sie immer noch genug Einkünfte, um Anschläge in ganz Somalia zu starten, unter anderem gegen AMISOM-Stützpunkte und andere zivile Ziele. Al-Schabaab erhält Mittel durch illegale Holzkohleproduktion und -exporte, die Besteuerung der lokalen Bevölkerung und Unternehmen, sowie durch Überweisungen und andere Geldtransfers aus der somalischen Diaspora (obwohl diese Mittel nicht immer dazu bestimmt sind, al-Schabaab Mitglieder zu unterstützen [USDOS 20.04.2018; USDOS 19.09.2018]).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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