Entscheidungsdatum
29.01.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2213643-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019,Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots:
A) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene
Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) schloss am 31.08.2012 die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX (geborene XXXX). Im August und September 2012 hatte er einen Nebenwohnsitz in XXXX, von Oktober 2012 bis Juli 2017 seinen Hauptwohnsitz. Zwischen 22.10.2012 und 05.10.2017 verfügte er über Aufenthaltstitel als Familienangehöriger; seit dem Ablauf der Befristung seines letzten Aufenthaltstitels besitzt er keinen mehr.
Am XXXX.2015 kam XXXX als Tochter des BF und seiner Ehefrau in Wien zur Welt. Sie ist ebenfalls österreichische Staatsbürgerin.
Der BF ging von Jänner 2013 bis April 2015, im August, September und Oktober 2015 sowie von Februar bis April 2016 im Bundesgebiet einer vollversicherten Erwerbstätigkeit nach; im Dezember 2015 war er geringfügig beschäftigt. Dazwischen bezog er Arbeitslosen- oder Krankengeld bzw. Notstands- bzw. Überbrückungshilfe, letztmalig bis 31.07.2017.
Ab Juni 2016 lebte der BF nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau; im September 2016 wurde die Ehe geschieden. Mit der Obsorge für XXXX ist nunmehr ihre Mutter allein betraut.
Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2016, XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Datum der letzten Tat: 16.06.2015) zu einer dreimonatigen, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Über diese Verurteilung wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Schreiben des Bezirksgerichts XXXX vom 30.12.2016 informiert. 2016 wurde gegen den BF ein bis Juli 2019 geltendes Waffenverbot erlassen.
Im Juli 2017 verließ der BF Österreich und kehrte nach Serbien zurück. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 2018 reiste er wieder in das Bundesgebiet ein, meldete hier aber keinen Wohnsitz mehr an.
Am 12.10.2018 wurde der BF aufgrund einer Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft XXXX verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Darüber und über die Anklageerhebung gegen ihn wurde das BFA mit Schreiben vom 15. bzw. 17.10.2018 verständigt. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde der BF wegen der Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB), der Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1 StGB), der gefährlichen Drohung (107 Abs 1 StGB) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (Datum der letzten Tat: XXXX.2018) zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein sechsmonatiger Strafteil für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil bis XXXX.2019 in der Justizanstalt XXXX.
Mit Schreiben des BFA vom 16.11.2018 wurde der BF aufgefordert, zu der für den Fall seiner rechtskräftigen Verurteilung beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung, eines Einreiseverbots und eines Schubhaftbescheids Stellung zu nehmen. Der BF erstattete eine Stellungnahme, die am 03.12.2018 beim BFA einlangte. Darin wies er unter anderem auf das Familienleben mit seiner Ex-Ehefrau, die er als seine "Lebenspartnerin" und "Lebensgefährtin" bezeichnete, und der gemeinsamen Tochter hin.
Mit E-Mail vom 02.01.2019 informierte die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie das BFA im Rahmen der Prozessbegleitung der Ex-Ehefrau des BF über dessen rechtskräftige Verurteilung vom 19.12.2018.
Am 09.01.2019 wurden beim BFA diverse, den BF betreffende Registerabfragen erstellt, darunter eine Abfrage im Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystem (EKIS). Aus dem darin enthaltenen Kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA) ergibt sich, dass zwischen 16.06.2015 und 11.04.2018 mehrmals ihn betreffende Abschlussberichte wegen des Verdachts von im Familienkreis begangenen strafbaren Handlungen (Körperverletzung, Nötigung) erstattet wurden.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein vierjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Dies wurde im Wesentlichen mit seinem nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, der Wohnungs- und Einkommenslosigkeit sowie der strafgerichtlichen Verurteilung vom 19.12.2018 begründet. Mit seiner Ex-Ehefrau und seiner Tochter, die nicht von seiner finanziellen Unterstützung abhängig seien, bestünde kein schützenswertes Familienleben, weil die Ehe geschieden worden sei, kein gemeinsamer Haushalt existiere und der BF seit über einem Jahr nicht mehr im Bundesgebiet wohne, sondern nach Serbien zurückgekehrt sei. Feststellungen zu den Taten, die den Verurteilungen des BF zugrunde lagen, wurden nicht getroffen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde lapidar mit dem Hinweis auf das "bereits mehrfach zitierte Gesamtfehlverhalten" des BF, "insbesondere im Hinblick auf [seine] rechtskräftige Verurteilung" begründet, was seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich mache. Darüber hinaus besteht die Begründung für diesen Spruchpunkt lediglich aus Textbausteinen ohne Bezug zum konkreten Fall.
Nach Verbüßung der Strafhaft wurde der BF gemäß § 34 Abs 1 Z 2 BFA-VG festgenommen und nach seiner Einvernahme vor dem BFA am 11.01.2019 in Schubhaft genommen. Am 23.01.2019 wurde für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Seine Abschiebung nach Serbien ist für den 29.01.2019 geplant.
Gegen den oben angeführten Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, XXXX im Rahmen einer Beschwerdeverhandlung als Zeugin zu vernehmen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in eventu, das Einreiseverbot laut Spruchpunkt IV. aufzuheben oder allenfalls die Dauer zu reduzieren. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das BFA nicht berücksichtigt habe, dass er wieder eine Lebensgemeinschaft mit seiner Ex-Ehefrau aufgenommen habe, die ihn während der Haft auch besucht habe. Die Polizei habe ihm 2018 mehrmals bestätigt, dass sein Aufenthaltstitel noch gültig sei. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei mit der Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK verbunden. Der Beschwerde sei daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots sei nicht geboten.
Das BFA legte die Verwaltungsakten und die Beschwerde dem BVwG vor, wo diese am 25.01.2019 einlangten, und beantragte, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. In der Gegenäußerung wies die Behörde auf den rechtswidrigen Aufenthalt des BF nach Ablauf der Gültigkeit seines letzten Aufenthaltstitels und auf die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen hin. Aufgrund der Prozessbegleitung von XXXX sei nicht von einer Aussöhnung oder Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft mit dem BF auszugehen. Dieser habe bei seiner Einvernahme am 11.01.2019 behauptet, er habe seit über einem Jahr keinen Kontakt mehr zu seiner Ex-Ehefrau. Das BFA habe sich entgegen den Beschwerdebehauptungen sehr wohl mit seinem Persönlichkeitsbild auseinandergesetzt und kein unsachgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der BF habe vor dem BFA widersprüchliche Angaben gemacht, woraus ersichtlich sei, dass es sich bei seinem Beschwerdevorbringen um Schutzbehauptungen handle.
Erhebungen des BFA, welche konkreten Taten den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF zugrunde lagen, sind nicht aktenkundig; in den vorgelegten Verwaltungsakten befinden sich keine Ausfertigungen der Strafurteile. Es gibt keine Ermittlungen dazu, wann der BF die strafbaren Handlungen beging, gegen wen sie gerichtet waren und welche Strafzumessungsgründe für die verhängten Sanktionen ausschlaggebend waren. Das BFA ging insbesondere der aufgrund des Schreibens der Interventionsstelle und der KPA-Einträge naheliegenden Frage, ob den Verurteilungen des BF familiäre Gewalt gegen seine Ex-Ehefrau oder seine Tochter zugrunde lag (was das behauptete Familienleben mit diesen Personen maßgeblich relativieren und die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung unterstreichen würde), nicht nach. Es wurden auch keine Erhebungen über die Beziehung des BF zu seiner Ex-Ehefrau nach dem Scheitern der Ehe, insbesondere zu allfälligen Kontakten während des Strafvollzugs, vorgenommen, obwohl er sie in seiner Stellungnahme wieder als seine Lebensgefährtin bezeichnete. Außerdem fehlen Erhebungen zur Frage, wer mit der Obsorge für seine Tochter betraut ist und wie sich seine Kontakte zu ihr gestalten, ebenso zu den finanziellen Verhältnissen der Familie (obwohl das BFA feststellt, dass keine finanzielle Abhängigkeit zum BF bestünde). Ein Aufenthalt des BF in Serbien von Juli 2017 bis zur Verhaftung im Oktober 2018 liegt schon deshalb nicht nahe, weil er zuletzt wegen im April 2018 begangener Taten verurteilt wurde.
Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die hier vorliegende Bescheidbeschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat das Gericht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverweisen. Diese ist dann an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Gericht ausgegangen ist.
Von der Möglichkeit einer Zurückverweisung kann nur bei besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm 13). Solche krassen Ermittlungsmängel liegen hier vor.
Dabei ist von folgender rechtlicher Beurteilung auszugehen: Bei der im Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose muss eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Dabei ist auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl VwGH 21.06.2018, Ra 2016/22/0101). Die überdies gebotene Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0371). Im Hinblick auf die dreijährige Tochter des BF hätte das BFA dabei insbesondere ermitteln müssen, welche konkreten Auswirkungen eine Aufenthaltsbeendigung auf die Eltern-Kind-Beziehung und auf das Wohl des Kleinkindes haben würde.
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das BVwG die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal zu den tragenden Sachverhaltselementen überhaupt keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. So wurden weder zum Fehlverhalten des BF, das zu den strafgerichtlichen Verurteilungen führte, Ermittlungen vorgenommen noch zur Frage, ob, wann und in welcher Intensität er nach der Ehescheidung und dem Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft wieder ein Familienleben mit Ex-Ehefrau und Tochter aufnahm und wie sich der Kontakt mit ihnen zuletzt gestaltete. Außerdem fehlen nachvollziehbare Beweisergebnisse zur Frage, wann er nach Serbien zurückkehrte und wann er sich wieder im Bundesgebiet aufhielt. Das BFA wird im fortgesetzten Verfahren vor dem Hintergrund von § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG auch den Widerspruch zwischen der Behauptung des BF, er habe seinen Vater nie kennengelernt, und dem Umstand, dass er diesen im Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr als "Kontaktperson im Zielland" angab, aufklären müssen.
Für die Vornahme einer mangelfreien Interessenabwägung iSd § 9 BFA-VG und zur Beurteilung der Voraussetzungen für ein Einreiseverbot gemäß § 53 FPG, insbesondere zum Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, sind Ermittlungen darüber notwendig, welche konkreten Taten den bisherigen Verurteilungen des BF zugrunde lagen und welche Strafzumessungsgründe für die verhängten Sanktionen ausschlaggebend waren. Dies ist insbesondere für die Erstellung einer entsprechenden Gefährdungsprognose relevant. Ergänzende Ermittlungen zur Beziehung zwischen dem BF, seiner Ex-Ehefrau und seiner Tochter sind geboten, zumal das Familienleben und das Kindeswohl im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.
Das BFA wird sich im fortgesetzten Verfahren mit den konkreten Straftaten des BF und mit der Intensität allfälliger familiärer Bindungen im Bundesgebiet auseinanderzusetzen und in diesem Zusammenhang die erforderlichen Ermittlungsschritte vorzunehmen haben, um anschließend auf dieser erweiterten Grundlage eine mangelfrei begründete Sachentscheidung zu treffen. Dabei wird insbesondere darauf einzugehen sein, ob der BF Gewalt gegen nahe Familienangehörige ausgeübt hat, die der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts entgegenstehen könnten. Allenfalls wird zu prüfen sein, ob es den Angehörigen des BF zumutbar ist, ihn nach Serbien zu begleiten. Die behaupteten Kontakte zwischen dem BF und seiner Ex-Ehefrau während des Strafvollzugs und deren Hintergrund sind z.B. durch Einholung einer Besucherliste der Justizanstalt und deren Einvernahme zu klären.
Die noch fehlenden Ermittlungen erreichen einen Umfang, der trotz der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungskompetenz des BVwG eine Behebung und Zurückverweisung erlaubt. Da das BFA trotz der Verständigung von den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF nicht einmal die betreffenden Urteile anforderte, obwohl deren Inhalt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots von zentraler Bedeutung ist, ist davon auszugehen, dass diese Ermittlungen bewusst unterlassen wurden, damit sie durch das BVwG vorgenommen werden. Angesichts der vorliegenden groben Ermittlungsmängel kommt die vom BF primär angestrebte meritorische Entscheidung durch das Gericht nicht in Betracht. Die Beschwerde ist aber im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrags berechtigt.
Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass Bescheide gemäß § 58 Abs 2 AVG zu begründen sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff).
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie kann nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erfüllt sind oder dass der BF gegen Gesetze verstoßen hat. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus seine sofortige Ausreise geboten ist.
Das BFA begründete hier die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen. Der Verweis auf das "Gesamtfehlverhalten" des BF reicht für eine mangelfreie Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung schon deshalb nicht aus, weil zu den konkreten Straftaten gar keine Feststellungen getroffen wurden. Der Beschwerde wurde daher die aufschiebende Wirkung zu Unrecht aberkannt; der betreffende Spruchteil hätte jedenfalls (unabhängig von der Entscheidung über die anderen Spruchpunkte) aufgehoben werden müssen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen (siehe z.B. VwGH 08.11.2018, Ra 2018/22/0232).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2213643.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.03.2019